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Archiv "120. Internistenkongress in Wiesbaden: Adipositas und Diabetes im Fokus" (25.04.2014)

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A 742 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 17

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25. April 2014

120. INTERNISTENKONGRESS IN WIESBADEN

Adipositas und Diabetes im Fokus

Lebensstilbedingte Erkrankungen sind ein zentrales Problem in der Inneren Medizin.

Grundlagenforschung und klinische Studien sind die Basis für gezielte Prävention.

F

orschung trifft auf Medizin.“

Das Leitthema des diesjähri- gen Internistenkongresses in Wies- baden hätte in Bezug auf die Volks- krankheit Diabetes kaum besser ge- wählt werden können: Das Wissen über die Pathophysiologie des Dia- betes, die Einflüsse von Genen, Le- bensstil- und Umweltfaktoren auf die Entstehung und den Verlauf der Erkrankung ist durch die Grundla- genforschung in den letzten Jahren enorm gewachsen (1). In Deutsch- land haben daran große, staatlich ge- förderte translationale Forschungs- verbünde einen wichtigen Anteil, zum Beispiel die Kompetenznet- ze und nationale Gesundheitsfor- schungszentren wie das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung mit seinen fünf Verbundpartnern.

Translationale Forschung

„Es ist ein Ziel des Internistenkon- gresses, in translationalen Sympo- sien, für die Vertreter der nationalen Forschungsverbünde die Paten- schaft übernommen haben, aufzu- zeigen, wie sich die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung für die klinische Anwendung nutzen lassen“, erläutert der Kongressprä- sident und Vorsitzende der Deut- schen Gesellschaft für Innere Medi- zin, Prof. Dr. med. Michael Manns von der Medizinischen Hochschule Hannover, das Konzept.

Einen Hauptthemenkomplex bil- den dabei das metabolische Syn- drom, Adipositas und Ernährungs- medizin. Die epidemische Verbrei- tung von Übergewicht und Adipo- sitas, den wesentlichen Risikofak- toren für das metabolische Syn- drom, für Typ-2-Diabetes, kardio- vaskuläre Erkrankungen und Dege- nerationen des Gelenkapparates, habe enorme, letztlich „noch kaum absehbare gesundheitspolitische Folgen“, sagt Manns. Es sei dies ein wichtiges ärztliches Aufgaben-

gebiet, vor allem auch für die Inne- re Medizin.

Die Belastung für Patienten, aber auch von Wirtschafts- und Gesund- heitssystemen durch nicht übertrag- bare Krankheiten ist international ein herausragendes Thema in Medi- zin, Wissenschaft und Politik. So hat sich die Zahl der Erwachsenen mit Diabetes seit 1980 global mehr als verdoppelt (2). Für Deutschland ist allein innerhalb einer Dekade ab Ende der 90er Jahre die Prävalenz des diagnostizierten Diabetes in der 18- bis 79-jährigen Bevölkerung um 38 Prozent gestiegen: von 5,2 auf 7,2 Prozent (3).

Ein Drittel dieses Anstiegs sei auf die demografische Alterung zurück- zuführen, so die Epidemiologen, der restliche Anteil vermutlich auf ver- änderte Lebensverhältnisse und Ver-

haltensweisen wie verminderte kör- perliche Aktivität und Ernährungs- änderungen: Die Prävalenz der Adi- positas, Hauptrisikofaktor für Typ-2-Diabetes, war im selben Zeit- raum in derselben Altersgruppe um knapp 20 Prozent auf 23,6 Prozent gestiegen (4). 67,1 Prozent der Män- ner und 53 Prozent der Frauen sind übergewichtig.

In der deutschen bevölkerungs- bezogenen KORA-Studie (KORA- S4 und -F4) wird auf Basis der Er- gebnisse oraler Glukosetoleranz- tests die Prävalenz unerkannter Diabetiker mit 50 Prozent der Prä- valenz des bekannten Diabetes ge- schätzt, auch für die jüngere Bevöl- kerung der 35- bis 59-Jährigen (3).

Das bedeutet: Auf zwei Patien- ten mit diagnostiziertem Diabetes kommt statistisch ein Diabetiker mit nicht erkannter Krankheit. Im aktuellen Gesundheitsbericht der Deutschen Diabeteshilfe wird die Zahl der diagnostizierten Diabeti- ker mit derzeit circa sechs Millio- nen angegeben, davon 95 Prozent Typ-2-Diabetiker (5). Die Lebens- erwartung 60-jähriger Diabetiker/

innen sei durchschnittlich um 4,5 Jahre im Vergleich zu Nichtdiabeti- kern desselben Alters verkürzt.

Heterogene Erkrankung Diabetes hat viele Gesichter. Die Er- krankung hat sich in den letzten Jah- ren als deutlich heterogener erwie- sen als lange vermutet, vor allem auch bei jüngeren Patienten (6). Bei der Entwicklung der Insulinresistenz von Typ-2-Diabetikern wirken gene- tische Faktoren, die mit einem er- höhten Risiko für Adipositas oder für eine Dysfunktion der Betazellen des Pankreas assoziiert sind, in viel- fältiger, noch wenig verstandener Art und Weise mit Umwelteinflüs- sen und Lebensstil zusammen.

Autoantikörper gegen die insulin- produzierenden ß-Zellen der Bauch- Übergewicht ist

ein Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz. In- nerhalb der Gruppe der Adipösen aber sind die Risiken für Insulinresistenz sehr heterogen ver- teilt, die Häufigkeit streut erheblich (16).

Foto: mauritius images

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25. April 2014 A 743 speicheldrüse gelten als charakteris-

tisches Merkmal eines Typ-1-Diabe- tes. Kürzlich aber wurden in ei- ner US-amerikanischen Studie bei knapp zehn Prozent von 1 206 Typ-2-Diabetikern im Alter von zehn bis 17 Jahren ß-Zell-Autoanti- körper nachgewiesen und in einer kleineren deutschen Studie bei 36 Prozent einer ähnlichen Alters- gruppe (7, 8). Auch sogenannte Prä- diabetiker sind bezüglich diabetesre- levanter Stoffwechselmerkmale eine heterogene Gruppe, weil die Ent- wicklung des Diabetes ein stufen- weiser Prozess ist: Lange bevor er- höhte Blutglukosekonzentrationen gemessen werden, können bereits Dysfunktionen der Betazellen und Insulinresistenz bestehen (9).

Die Einlagerung ektopischen Fetts in insulinsensitive Organe wie den Skelettmuskel, vor allem aber in die Leber, gilt als zentrale Verbin- dung zwischen Überernährung und der Entwicklung des Typ-2-Diabe- tes. Mit zunehmendem Körperge- wicht ändern sich Eigenschaften und Funktion der Fettgewebe: Es entwickeln sich chronisch-inflam- matorische Prozesse, ausgelöst auch durch die von Nahrungsfett angekurbelte Akkumulation der Makrophagen vom M1-Subtyp, und sie fördern die Insulinresistenz (1).

Auch ändert sich bei Übergewicht die neurobiologische Regulation des Essverhaltens durch die appetitzü- gelnden Hormone Insulin und Leptin, die von der Peripherie über die Blut- Hirn-Schranke ins Gehirn transpor- tiert werden. So vermindert sich bei erhöhtem Insulinangebot zum Bei- spiel die Aktivität insulinbindender Neurone, die normalerweise eine Hemmung der Nahrungsaufnahme auslösen. Möglicherweise spielen solch komplexe neuronale und endo- krine Regelkreise sowie ein „mole- kularbiologisches Gedächtnis“ eine Rolle, dass die Prävention von Folge- erkrankungen bei Adipositas und Dia- betes in der Praxis schwierig ist.

Die Frage, welche Erkrankungen, krankheitsbedingte Ereignisse oder metabolische Veränderungen das Ziel von Vorbeugeprogrammen sein sollten, welches die geeigneten Ziel- gruppen sind und welche Präventi- onsmaßnahmen mit welchem perso-

nellen und finanziellen Aufwand er- griffen werden sollten, wird in Deutschland kontrovers diskutiert (10, 11). Es ist ein Thema auch beim Internistenkongress.

Soziale Risikofaktoren

Seit langem ist ein niedriger sozia- ler Status als Risiko für Adipositas bekannt, die Inzidenz nimmt aber in Deutschland auch unabhängig vom Sozialstatus zu. Die biologischen Folgen von Stress und Schlafman- gel: Es ändern sich neuroendokrine Regelkreise, die die Sensibilität für Nahrungsstimuli und den Appetit erhöhen (12). Physische Aktivität wiegt dann die übermäßige Energie- zufuhr nicht auf. Ziele der Präventi- on könnten damit auch eine Verbes- serung des Schlafs und des sozialen Umfelds sein.

Strukturierte, interdisziplinär an- gelegte Programme, die eine ver- minderte Kalorienzufuhr mit Ernäh- rungsberatung und einer Motivation zu körperlicher Bewegung kombi- nieren, sind aufwendig. Sie haben

sich aber als effektiv und auch lang- fristig wirksam erwiesen, so Prof.

Dr. med. Stephan C. Bischoff, Refe- rent eines Plenarvortrags beim Inter- nistenkongress. Bischoff ist Ge- schäftsführender Direktor des Insti- tuts für Ernährungsmedizin der Uni- versität Hohenheim und Leiter des Zentrums für Ernährungsmedizin an der Universitätsklinik Tübingen.

Eine der großen Studien zu die- sem Thema erfolgte unter Federfüh- rung seines Instituts (13). 37 deut-

sche Zentren haben insgesamt 8 296 adipöse Patienten (Body-mass-Index

> 30 kg/m2) eingeschlossen. Mit Hilfe eines auf 52 Wochen angeleg- ten Gewichtsreduktionsprogramms (Optifast®) verloren Frauen durch- schnittlich 15,2 Kilogramm Körper- gewicht (Intention-to-treat-Analyse) und Männer 19,4 Kilogramm; der Bauchumfang verminderte sich um durchschnittlich elf Zentimeter.

Die Prävalenz des metabolischen Syndroms sank um 50 Prozent und die Häufigkeit des Bluthochdrucks von 47 auf 29 Prozent, beide Ände- rungen waren hochsignifikant. Die Vorteile der Gewichtsreduktion konnten über drei Jahre nachgewie- sen werden und waren mit einer si - gnifikanten Verbesserung der Le- bensqualität assoziiert.

Veränderter Vitaminbedarf Die Arbeitsgruppe um Bischoff fand auch heraus, dass bei Adipositas der Bedarf an Mikronährstoffen wie den Vitaminen A, C und D, Selen und Eisen erhöht ist und der erhöhte Be- darf auch durch eiweißreiche For- mula-Diät-Produkte nicht immer ausgeglichen wird (14). „Die totge- sagte konservative Adipositasthera- pie gewinnt durch solche Daten wie- der an Aufmerksamkeit. Ohne er- folgreiche konservative Therapie ha- ben wir – trotz bariatrischer Chirur- gie – keine Chance, die Millionen von Betroffenen, die es allein in Deutschland gibt, zu behandeln“, sagt Bischoff. Dass die positiven Effekte von Lebensstilinterventio- nen (Ernährung und Sport) lange nachwirken, belegt unter anderem die Cluster-randomisierte DaQing Diabetes Prevention Study aus Chi- na (15). Sie hat 1986 begonnen mit 577 Patienten mit verminderter Glukosetoleranz (Plasmaglukose ≥ 6,67 mmol/L; 2h-Wert nach 75 g Glukose). Die Probanden wurden in drei Lebensstilinterventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert und sechs Jahre lang betreut: Auch 23 Jahre nach Studienbeginn waren Gesamtmortalität und Inzidenz des Diabetes signifikant reduziert.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Langzeitdaten der

DaQing Diabetes Prevention Study:

In der Gruppe mit Lebensstilinterven- tion (Ernährung/

Sport) war das Diabetes risiko im Vergleich zur Kon- trolle signifikant re- duziert (15).

GRAFIK

Kumulative Diabetesinzidenz binnen 23 Jahren

Anteil mit Diabetes (%)

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 23 100

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Follow-up (Jahre)

Quelle: Lancet 2014; DOI.org/10.1016/S2213-8587(14)70057-9

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1714

Hazard Ratio 0,55;

95%-Konfidenzintervall 0,40–0,76; p = 0,001 Kontrollgruppe

Interventionsgruppe

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120. INTERNISTENKONGRESS IN WIESBADEN

Adipositas und Diabetes im Fokus

Lebensstilbedingte Erkrankungen sind ein zentrales Problem in der Inneren Medizin.

Grundlagenforschung und klinische Studien sind die Basis für gezielte Prävention.

1. Kahn SE, Cooper ME, Del Prato S: Patho- physiology and treatment of type 2 diabe- tes: perspectives on the past, present, and future. Lancet 2014; 383: 1068–83.

2. Danaei G, Finucane MM, Lu Y, et al.: Na- tional, regional, and global trends in fas- ting plasma glucose and diabetes preva- lence since 1980 : systematic analysis of health examination surveys and epidemio- logical studies with 370 country-years and 2,7 million participants. Lancet 2011;

378: 31–40.

3. Heidemann C, Du y, Schubert I, et al.: Prä- valenz und zeitliche Entwicklung des be- kannten Diabetes mellitus. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesund- heitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesund- heitsschutz 2013; 56: 668–77.

4. Mensink GBM, Schienkiewitz A, Haften- berger, et al.: Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt, Ge- sundheitsforschung, Gesundheitsschutz 2013; 56: 786–94.

5. Rathmann W, Tamayo T: Epidemiologie des Diabetes in Deutschland. Gesundheitsbe- richt Diabetes 2014. Deutsche Diabetes- hilfe, Kirchheim 2014.

6. Tuomi T, Santaro N, Caprio S, et al.: The many faces of diabetes: a disease with in- creasing heterogeneity. Lancet 2014;

383: 1084–94.

7. Klingensmith GJ, Pyle L, Arslanian S, et al.: and the TODAY study group: The pre- sence of GAD and IA-2 antibodies in youth with a type 2 diabetes phenotype: results from the TOPDAY study. Diabetes Care 2010; 33: 1970–75.

8. Reinehr T, Schober E, Wiegand S et al. and the DVP-Wiss study group. ß-cell autoan- tibodies in children with type 2 diabetes mellitus: subgroup or misclassification?

Arch Dis Child 2006; 91: 473-77 9. Tabák AG, Herder C, Rathmann W et al.:

Prediabetes: a high-risk state for diabetes development. Lancet 2012; 379: 2279 - 90

10. Schwarz P: Diabetes-Prävention – pro.

DMW 2014; 139: 490.

11. Nawroth P: Diabetes-Prävention – contra.

DMW 2014; 139: 491.

12. Schmidt S, Hallschmid M, Schultes B: The metabolic burden of sleep loss. Lancet 2014;DOI.org/10.1016/S2213–8587 (14)70012–9

13. Bischoff SC, Damms-Machado A, Betz C, et al.: Multicenter evaluation of an inter-

disciplinary 52-week weight loss pro- gramm for obesity with regard to body weight, comorbidities and quality of life – a prospective study. International Journal of Obesity 2012; 36: 614–24.

14. Damms-Machado A, Weser G, Bischoff SC: Micronutrient deficiency in obese sub- jects undergoing low calorie diet. Nutrition Journal 2012; 11: 34.

15. Li G, Zhang P, Wang J et al.: Cardiovascu- lar mortality, all-cause mortality, and dia- betes incidence after lifestyle intervention for people with impaired glucose tolerance in the Da Qing diabetes prevention study:

a 23-year follow-up study. Lancet 2014;

DOI.org/10.1016/S2213-8587(14)7005 7-9.

16. Stefan N, Häring HU, Hu FB et al: Metabol- lically healthy obesity: epidemiology, me- chanisms, and clinical implications. The Lancet Diabetes & Endocrinology 2013; 1;

152 – 62.

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