Neue Steuererhöhungen zeichnen sich ab
... denn beim Bund wachsen die Defizite
Der Bund muß den Zuwachs seiner Ausgaben nicht nur 1975, sondern auch in den folgenden Jahren eng begrenzen. Dies machen der Ent- wurf des Haushalts 1975 und die mittelfristige Finanzplanung bis 1978 deutlich. Beide Vorlagen sind von der Bundesregierung verab- schiedet worden; sie werden nach der parlamentarischen Sommer- pause Bundestag und Bundesrat beschäftigen. Der Bund hat selbst bei einem relativ bescheidenen Ausgabenzuwachs, der im Durch- schnitt der nächsten Jahre zwi- schen acht und neun Prozent lie- gen soll, jährliche Defizite von 17 Milliarden Mark zu erwarten. Darin sind die Einnahmeausfälle durch die Steuerreform, soweit sie den Bund belasten werden, enthalten.
Die Netto-Kreditaufnahme des Bun- des, die im laufenden Jahr bei 7,6 Milliarden Mark liegen wird, muß also mehr als verdoppelt werden, um die Finanzierungslücken zu schließen. Es kann kein Zweifel sein, daß eine Kreditfinanzierung dieses Ausmaßes nicht nur den Ka- pitalmarkt überfordern, · sondern auch neue Inflationsstöße auslösen würde.
.,. Die öffentliche Finanzwirtschaft, darüber kann es nach den Zahlen der Finanzplanung keinen Zweifel geben, treibt auf eine Krise zu. Es erscheint wenig wahrscheinlich, daß Kanzler Schmidt seine Zusage in der Regierungserklärung, daß die Mehrwertsteuer nicht erhöht werden solle, längerfristig durch- halten kann.
Im Entwurf des Bundeshaushalts 1975 wird eine Kreditaufnahme von 14,6 Milliarden Mark ausgewiesen, bei Ausgaben von insgesamt 153,95
Milliarden Mark. ln diesen Zahlen sind die finanziellen Auswirkungen der vorgesehenen Neuregelung des Familienlastenausgleichs ent- halten, obwohl zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses das Schick- sal der Steuerreform noch höchst ungewiß war. Bei den Ansätzen für die Kreditaufnahme und die Ausga- ben muß allerdings berücksichtigt werden, daß die Rentenversiche- rungen wieder einmal dem Bund einen hohen Betrag stunden soll.
Diesmal geht es um die Rekord- summe von 2,5 Milliarden Mark, um die die Bundeszuschüsse praktisch gekürzt werden. Da es sich hier um eine Stundung handelt, braucht dieser Betrag im Etat weder als Ausgabe noch als Krediteinnahme verbucht zu werden.
Dubiose Forderungen der Rentenversicherung an den Bund Berücksichtigt man diese Finanz- operation, so ist bei den Ausgaben ein Betrag von 156,5 und bei der Kreditaufnahme von 17,1 Milliarden Mark anzusetzen; schließlich be- deutet die verzinsliche Stundung eines Geldbetrages nichts anderes als eine Darlehnsgewährung. Die Rentenversicherung wird kaum da- mit rechnen können, dieses Geld je zu bekommen. ln den Rentenbilan- zen summieren sich die höchst du- biosen Forderungen an den Bund;
dennoch tun die Politiker so, als handele es sich um reale Vermö- genswerte, mit denen Leistungs- verbesserungen der Rentenversi- cherung zu finanzieren sind.
Läßt man die finanziellen Auswir- kungen der Steuerreform beiseite, so werden die Ausgaben des Bun- des 1975 nach dem Regierungsent-
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wurf um acht Prozent steigen, wenn man das Haushalts-Soll 1974 zum Vergleich heranzieht. Da aber schon jetzt feststeht, daß die Steuereinnahmen um knapp zwei Milliarden Mark hinter den Ansät- zen zurückbleiben werden und so- mit auch die Ausgaben entspre- chend angepaßt werden müssen, wird man am Ende mit einer Zu- wachsrate von etwa 9,5 Prozent rechnen müssen; nimmt man die zu erwartenden Auswirkungen der Steuerreform hinzu, so wird sich 1975 voraussichtlich ein Ausgaben- anstieg gegenüber den tatsächli- chen Ausgaben in 1974 von wenig- stens 12 Prozent ergeben.
Weiteres Anheizen der Inflation zu erwarten?
So wie der Haushalt jetzt angelegt ist, wird er 1975 nur dann in die konjunkturelle Landschaft passen, wenn eine starke konjunkturanre- gende Spritze erforderlich sein sollte. Das läßt sich heute aber noch nicht übersehen. Bedenklich stimmt jedoch, daß die Regierung diesen Etatentwurf in der Erwar- tung vorlegt, daß das wirtschaftli- che Wachstum 1975 rund elf Pro- zent beträgt, bei einer realen Wachstumsrate von annähernd vier Prozent. Erweisen sich diese opti- mistischen Konjunkturdaten als richtig, so wird die Steuerreform zusammen mit dem kräftigen An- stieg der öffentlichen Ausgaben ei- nen Nachfragestoß bringen, der neue inflationäre Impulse auslösen muß. Das zu erwartende öffentliche Finanzierungsdefizit von insgesamt rund 30 Milliarden Mark wäre dann mit Sicherheit nicht zu vertreten, ganz abgesehen davon, daß der Kapitalmarkt überfordert würde.
Der Haushalt ist insgesamt mit be- trächtlichen Risiken belastet. Soll- te die stagnierende Wirtschafts- entwicklung anhalten, so sind neue Steuerausfälle und wachsende De- fizite zu erwarten. Auch sind die Zuschüsse an die Bahn mit 8,1 Mil- liarden Mark nicht höher als 1974.
Dabei wird mit einem Defizit von annähernd elf Milliarden Mark zu DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 31 vom 1. August 1974 2349
Preisgipfel in der
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zum Vergleich . Verbraucherpreise
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Die industriellen Erzeugerpreise steigen weit schneller als der Preisindex, der sich auf die Ver- braucherpreise stützt. Die erheb- lich gewachsenen Personal- und Rohstoffkosten führten dazu, daß die Teuerung in der Industrie im Mai dieses Jahres den Re- kordgipfel von plus 14 Prozent gegenüber Mai 1973 erreichte.
Die Industriepreise stiegen damit fast doppelt so schnell wie die Verbraucherpreise, die sich ge- genwärtig um die Sieben-Pro- zent-Marke eingependelt haben.
Allerdings, lange dürfte sich die- ser Stand nicht mehr halten las- sen, wenn der Industrie-Preisin- dex so weiter wächst. Denn die Fabrikpreise für Industriewaren pflegen mit einer gewissen zeit- lichen Verzögerung auf die Le- benshaltungskosten durchzu- schlagen. In den nächsten Mo- naten müssen sich auch die Ver- braucher daher wohl auf noch höhere Teuerungsraten einstellen
als bisher EB
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Hinweise -Anregungen
Neue Steuererhöhungen zeichnen sich ab
rechnen sein. Der Bund wird also vor der Alternative stehen, entwe- der die Zuschüsse an die Bahn nachträglich zu erhöhen oder aber der Bahn kräftige Gebührenerhö- hungen zu gestatten. Was für Be- soldungsverbesserungen bereitge- stellt wird, ist nicht bekannt. Erfah- rungsgemäß sind die Beträge aber stets geringer als die nach den Ta- rifrunden notwendigen Mittel. Die Bundesregierung hat zwar be- schlossen, daß die Einführung der 40-Stunden-Woche im Herbst nicht zu einer Personalvermehrung füh- ren darf. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Zumindest wird man Überstunden bezahlen müssen.
Das Bild des Etats 1975 wird sich, wenn nicht alles täuscht, noch be- trächtlich verändern. wst
Deutsche
Kranken-Versicherung mit Bilanzverlust
In den Kostentrend des Gesund- heitswesens geriet im Jahr 1973 auch die Deutsche Kranken-Versi- cherungs AG (DKV), Köln/Berlin:
Obwohl sich die Beitragseinnah- men des Unternehmens zum ersten Mal auf über eine Milliarde DM er- höht haben, mußte ein Bilanzver- lust in Höhe von 19,4 Millionen DM hingenommen werden.
Gemessen an der Prämienentwick- lung der gesamten privaten Kran- kenversicherung, erzielte die DKV mit etwas über neun Prozent aber- mals eine überdurchschnittliche Zuwachsrate. Das Unternehmen er- höhte damit im vergangenen Jahr seinen Marktanteil von 19,6 Prozent auf 20,1 Prozent; es bleibt also nach wie vor der Marktführer der Branche.
Für die wesentlich verschlechterte Ertragssituation macht die DKV in erster Linie die „Kostenexplosion im Gesundheitswesen" verantwort- lich, die hauptsächlich auf das ge- stiegene Anspruchsniveau der Ver- sicherten, die häufigere Inan-
spruchnahme ambulanter, stationä- rer und medikamentöser Behand- lung sowie den medizinischen Fort- schritt und die allgemeine Preis- steigerung zurückgeführt wurden.
Gegenüber 1972 verzeichnet die Gesellschaft bei den typischen Krankheitskostentarifen eine Zu- nahme der Erstattungsleistungen je Versicherten bei den Krankenhaus- kosten um durchschnittlich 27 Pro- zent, bei der ärztlichen Behandlung um 26 Prozent und bei den Medika- menten um 19 Prozent.
Der Bestand an Einzel- und Grup- penversicherungen wuchs um mehr als 162 000 (1972: rund 134 000) Versicherungen auf ins- gesamt 2,7 Millionen Policen. Das Unternehmen führt diesen Zugang im wesentlichen auf die stärkere Hinzugewinnung von bisher Nicht- versicherten und auf eine größere Anzahl von Übertritten aus der ge- setzlichen in die private Kranken- versicherung zurück. Allein diese
„Übertrittsversicherungen" lagen 1973 mit etwa 20 000 um fast 55 Prozent über dem Vorjahr und um knapp 40 Prozent über den Abgän- gen zur gesetzlichen Krankenversi- cherung. Von der Zahl der Versi- cherungen her konnte der Brutto- zugang um 11,1 Prozent (1972: plus 0,2 Prozent) vergrößert werden.
Während bereits Mitte dieses Jahres die Prämien der Vollschutz- tarife mit unbegrenzten Leistungen im Schnitt für Frauen um 30 Pro- zent und für Männer um durch- schnittlich 40 Prozent erhöht wer- den mußten, wird auch bei den übrigen Tarifwerken nach Angaben der Geschäftsführung mit einer
„Prämienkorrektur" in absehbarer Zeit gerechnet werden müssen.
Davon werden in erster Linie die Krankentagegeldversicherungen be- troffen sein. HC
Aus der
pharmazeutischen Industrie
Albert-Knoll-Preis verdoppelt
—Der von der Knoll AG, Ludwigsha- fen, gestiftete „Albert-Knoll-Preis der Saarländisch-Pfälzischen Inter- nistengesellschaft", bisher mit 5000 DM dotiert, wird ab 1974 auf 10 000 DM erhöht. Wie von der Presse- stelle des Pharmaunternehmens mitgeteilt wird, wird der Preis ver- geben für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Inneren Medi- zin und dient der Auszeichnung und Förderung von Ärzten im deut- schen Sprachraum. KI
2350 Heft 31 vom 1. August 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT