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Archiv "Datenschutz in der Rechtsmedizin: Noch nicht das letzte Wort gesprochen" (17.02.1995)

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Datenschutz in der Rechtsmedizin

Noch nicht das letzte Wort gesprochen

Eine „Gemeinsame Verwaltungsvorschrift zur Feststellung des Alkohols im Blut", die 1988 für die alten Bundesländer erlassen wurde, hat in Baden-Württemberg die Landesdaten- schutzbeauftragte, Dr. Ruth Leuze, auf den Plan gerufen. Sie beanstandet, daß die Vor- schrift die Rechtsmedizinischen Institute des Landes dazu verleite, nicht anonymisierte Blut- entnahmeprotokolle über Jahre hinweg zu sammeln. Dies sei ein eindeutiger Verstoß gegen geltende Datenschutzbestimmungen. Deshalb sollten ihrer Ansicht nach nur noch Unterla- gen ohne Identifizierungsdaten zu den Untersuchungsstellen gelangen, die die Blutalkohol- proben im Auftrag der Polizei analysieren. Dabei jedoch wollen die Justiz- und Innenmini- sterien nicht mitmachen. Sie bestehen auf der Angabe der persönlichen Daten in den Proto- kollen, um zu verhindern, daß es bei Strafverfahren zu Verwechslungen kommt. Wenn es nach ihnen ginge, sollen die Untersuchungsstellen die Blutentnahmeprotokolle künftig gar nicht mehr erhalten. Das wiederum würde ihre wissenschaftliche Arbeit einschränken, kritisieren die Institute. Eine einvernehmliche Lösung des Problems ist noch nicht in Sicht.

Der 49 Jahre alte X X. . ., von Be- ruf Totengräber, wurde mit 1,41 Pro- mille im Blut beim Autofahren erwi- scht. Außerdem leidet er an Hämor- rhoiden, wogegen er täglich vier Zäpf- chen und drei Tabletten nehmen muß.

Der Blut entnehmende Arzt attestier- te ihm einen schlechten Allgemeinzu- stand und chronischen Alkoholismus.

Das jedenfalls geht aus einem Proto- koll hervor, das Polizei und der Blut entnehmende Arzt von dem Ver- kehrssünder anfertigten.

Eine solche Dokumentierung muß sein, um im Falle eines Strafver- fahrens möglichst genaue Anhalts- punkte zu haben. „Was hingegen nicht

sein darf", kritisiert die Beauftragte für Datenschutz des Landes Baden- Württemberg, Dr. Ruth Leuze, „ist, daß die Blutentnahmeprotokolle un- ter Angabe des vollen Namens und der Adresse des Verkehrsteilnehmers an die die Blutproben analysierenden Stellen weitergegeben werden." Hier- in sieht Leuze einen eindeutigen Ver- stoß gegen das Landesdatenschutzge- setz, wie sie es in ihrem 15. Tätigkeits- bericht aus 1994 formuliert. „Diese Regelung verbietet den Untersu- chungsstellen, Informationen über Angetrunkene zu sammeln, die sie für ihre Aufgabe, deren Blutalkoholge- halt zu bestimmen, nicht benötigen",

Zwar droht erst bei 0,8 Promille der Führer- scheinentzug, aber auch schon bei wesentlich ge- ringeren Blutalkohol- werten läßt die Konzen- trationsfähigkeit nach, und die Risikobereit- schaft steigt. Foto: DBV/hp POLITIK

LEITARTIKEL/AKTUELL

chungen und Früherkennungsmaß- nahmen wenden sich im Osten 70 Pro- zent an Allgemeinärzte, 28 Prozent an Spezialärzte (alte Länder: 59/39 Pro- zent). Zur Nachkontrolle konsultieren 61 Prozent einen Allgemeinarzt und 36 Prozent einen Spezialarzt (alte Länder: 68/28 Prozent).

Zufrieden auch mit der Aufklärung

Die Mehrzahl der Patienten fühl- ten sich vom Arzt ausreichend über die therapeutischen Verhaltens- maßregeln und vor einer Operation informiert und aufgeklärt 41 Prozent aller westdeutschen und 48 Prozent der ostdeutschen Befragten gaben an, sie hätten die Informationen des Arz- tes als völlig ausreichend empfunden.

47 Prozent in den alten Ländern (Ost:

46 Prozent) bezeichneten das Infor- mationsverhalten ihres Arztes als „im großen und ganzen ausreichend".

Schlechte „Noten" vergaben elf Pro- zent in den westlichen und sechs Pro- zent in den östlichen Bundesländern.

Besonders gut schnitten die Fachärzte ab: Bundesweit fühlen sich 50 Prozent vom Facharzt ausreichend informiert.

Vom Krankenhausarzt behaupten dies nur 41 Prozent der Befragten, vom Allgemeinarzt 50 Prozent.

73 Prozent aller westdeutschen und 75 Prozent aller ostdeutschen Patienten gaben den Interviewern an, den behandelnden Arzt wegen seiner Kompetenz und Ausstrahlung auch an Freunde und Bekannte wei- terzuempfehlen. 15 Prozent aus den alten Ländern und 13 Prozent aus den neuen Bundesländern waren in dieser Frage unentschlossen. Ledig- lich elf Prozent der westdeutschen (Ostdeutschland: neun Prozent) schließen eine Empfehlung des zu- letzt behandelnden Arztes an Freun- de aus. 74 Prozent der Befragten mei- nen, daß sie sorgfältig untersucht worden seien. Nur elf Prozent gaben an, der Arzt hätte sie eher unzurei- chend untersucht. Überaus zufrieden sind vor allem ältere Patienten mit der Untersuchungsintensität und der Kompetenz ihres Arztes (74,3 Pro- zent). Jüngere Patienten/Patientin- nen (14- bis 19-jährige) bejahen dies zu 69 Prozent. Dr. Harald Clade

A-406 (16) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995

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Tödliche Gefahr

1993 gab es auf den deutschen Straßen 40 998 Alkoholunfälle mit Personenschaden

13 259 Schwer- verletzte

© Erich Schmidt Verlag

704 Tote 7 676 Schwer- verletzte

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1 ZAHLENBILDER!

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Empfehlungen der Bundesärztekammer zu Datenschutz und Forschung (Auszüge):

„1. In der medizinischen Forschung dürfen personenbezogene Daten nur aufgrund gezielter wissenschaftlicher Fragestellungen verarbeitet werden. Die Datenerfassung und Datenspeicherung darf nur in dem Umfange erfolgen, der zur Erreichung der Forschungsziele unbedingt erforderlich ist. Wissenschaftlich und rechtlich unbedenklich können diese Daten nur für diejenigen Zwecke ver- arbeitet werden, für die sie gezielt erhoben worden sind...

2. Die Verarbeitung personenbezogener Daten in der medizinischen For- schung unterliegt - vorrangig vor der Beachtung datenschutzrechtlicher Vor- schriften - dem Gebot der ärztlichen Schweigepflicht... Personenbezogene Daten dürfen dementsprechend . . . in der medizinischen Forschung nur mit der Zustimmung der betroffenen Patienten oder Probanden verarbeitet werden.

Forschungsvorhaben sind nicht a priori ein höherwertiges Rechtsgut als der Ver- trauensschutz des Individuums . . ." El

POLITIK

lautet die Begründung. Bei den Un- tersuchungsstellen handelt es sich um die Rechtsmedizinischen Institute der Universitäten Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm sowie um das Che- mische Untersuchungsamt der Stadt Stuttgart.

Daß die Untersuchungsstellen die Protokolle trotz des Verbots sam- meln, wird von diesen auf eine Ver- waltungsvorschrift aus dem Jahr 1988 zurückgeführt. Die „Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Innen-, Ju- sitz-, Wissenschafts-, Sozial- und Um- weltministeriums zur Feststellung des Alkohols im Blut" - eine Bundesvor- schrift, die von den alten Bundeslän- dern einheitlich umgesetzt wurde -, verpflichtet die Polizei dazu, den Un- tersuchungsstellen stets die Blutent- nahmeprotokolle zuzusenden. Was diese wiederum mit den Protokollen anfangen sollen oder dürfen, ist je- doch nicht eindeutig geregelt. Die Vorschrift schreibt den Untersu- chungsstellen lediglich vor, ihre Un- terlagen über die Kennzeichnung der Blutproben und die Ergebnisse der Alkoholbestimmungen zehn Jahre lang aufzubewahren. Die Institute zo- gen daraus den Schluß, daß sie alle Unterlagen - also auch die Blutent- nahmeprotokolle - mindestens ein Jahrzehnt lang aufzuheben hätten.

„Das Sammeln der Protokolle ist für uns natürlich auch aus wissen- schaftlicher Sicht interessant, zum Beispiel für das Erstellen epidemiolo- gischer Studien", erklärt Prof. Dr.

med. Günther Reinhardt vom Rechtsmedizinischen Institut der Universität Ulm. Auch der Leiter des Referats für Datenschutz, Organisati- on, EDV und Arbeitsschutz beim Mi- nisterium für Wissenschaft und For- schung in Stuttgart, Dr. jur. Joachim Heinemann, räumt ein, daß es für die rechtsmedizinische Forschung wich- tig ist, auf die Unterlagen - in anony- misierter Form - direkten Zugriff zu haben. Zudem sei es sinnvoll, über die entsprechenden Akten zu verfügen, wenn die Untersuchungsstellen von der Staatsanwaltschaft aufgefordert werden, gutachterliche Stellungnah- men, beispielweise über die Fahrun- tauglichkeit des Betreffenden, zu er- stellen, fügt Reinhardt an.

Unisono betonen die Leiter der Untersuchungsstellen, daß sie für der-

AKTUELL

artige Untersuchungen wie auch für die Feststellung von Blutalkoholwer- ten nicht die persönlichen Daten der Verkehrssünder, wie Name, Alter und Adresse, benötigen und bekunden ih- re Bereitschaft, mit den Ministerien und den zuständigen Behörden zu- sammenzuarbeiten.

Anonymisierung umstritten

Für eine Anonymisierung der Daten ist auch die Datenschutzbeauf- tragte Leuze. Sie schlägt vor, daß die Untersuchungsstellen künftig nur noch Informationen erhalten sollen über

D die einsendende Polizeidienst- stelle,

D den Adressat des Blutalkohol- befundes,

D Tag und Uhrzeit der Entnah- me der Blutprobe,

1> Leichenblut: ja/nein,

D Fäulniserscheinungen: ja/nein.

Dagegen jedoch wehren sich die Justiz- und Innenministerien der Län- der. In dem Entwurf einer Neufassung der „Gemeinsamen Verwaltungsvor- schrift" von 1988, der bereits dem Bund zur Stellungnahme vorliegt, heißt es, daß die Identifizierungsda- ten nicht durch Kennziffern ersetzt werden sollen. „Wir befürchten, daß sich die Protokolle bei einer Anony- misierung nicht mehr einwandfrei zu- ordnen lassen", gibt Staatsanwalt Achim Brauneisen vom Justizmini- sterium Baden-Württemberg zu be- denken.

In der neuen Verwaltungsvor- schrift soll deshalb festgelegt werden, daß künftig nur noch die Blutproben, nicht aber die Blutentnahmeproto- kolle an die Untersuchungsstellen ge- schickt werden.

Die Landesdatenschutzbeauf- tragte wie auch die Untersuchungs- stellen wollen sich mit dieser Lösung nicht zufrieden geben. Leuze will sich dafür stark machen, daß das anonymisierte Verfahren wenigstens im Rahmen eines begrenzten regio- nalen Feldversuchs erprobt wird.

„Das kann noch nicht das letzte Wort sein; weitere Gespräche mit den Res- sorts sind erforderlich", kündigt sie an. Petra Spielberg Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995 (17) A-407

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