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Archiv "Klinik und Therapie der Gicht: Überholte Darstellung der Gicht" (10.11.1995)

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MEDIZIN

so ihre Konzentration in Blut und Ge- weben und baut die Tophi ab, was Diät allein nicht schafft. Nachdem Allopu- rinol vor 30 Jahren - zunächst in den USA - in die Gichttherapie eingeführt wurde, verzichten die meisten briti- schen und amerikanischen Ärzte aus- drücklich auf diätetische Beschrän- kungen oder erwähnen sie gar nicht mehr, offenbar ohne Nachteile für die Patienten. Das belegen zahlreiche ausländische Lehrbücher, Zeitschrif- tenaufsätze und Monographien, die zum Teil auch in deutscher Überset- zung vorliegen (Literaturnachweise auf Wunsch). Eigene Erfahrungen in der Therapie der chronischen Gelenk- gicht bestätigen den Erfolg aus- schließlicher, aber strikter Behand- lung mit Allopurinol unter freigewähl- ter Ernährung. Im deutschsprachigen Raum wird aber immer noch der obso- leten, im wesentlichen ovo-lakto-ve- getabilischen Diät - oft mit Ausschluß von Leguminosen - das Wort geredet, wie es Zöllner an erster Stelle seit über drei Jahrzehnten tut. Diät verhütet be- kanntlich neue schmerzhafte Gichtan- fälle nicht, da nur ein Drittel der aus- scheidungspflichtigen Harnsäure der Nahrung entstammt (die purinreichen Innereien werden ohnehin nur spora- disch gegessen).

Für eine unterstützende Diät könnte man allenfalls psychologische Gründe ins Feld führen: Viele Kranke bevorzugen heute sogenannte natürli- che Heilweisen, beispielsweise durch Nahrungswahl. Der Arzt kann dieser Neigung unbesorgt nachgeben, wenn er gleichzeitig durchsetzt, daß der Gichtkranke regelmäßig ein Urikosta- tikum, vorzugsweise Allopurinol, ein- nimmt, sozusagen „zur Unterstützung der Diätbehandlung". Zu bedenken ist auch, daß sich alte Menschen häufig eiweißarm ernähren und Schaden er- leiden, wenn sie Fleischspeisen weiter begrenzen. Andere Kranke verlassen

„negative", das heißt auf Verboten be- ruhende und geschmacklich reizlose Kostformen bald wieder, wie auch aus dem Schrifttum hervorgeht. Selbstver- ständlich sollen notwendige, bewährte Diäten gegen Bluthochdruck, Hyper- lipidämie, Übergewicht und anderes auch beim Gichtkranken wie bisher eingesetzt werden.

Fazit: Im Gegensatz zu Zöllner meine ich, daß eine purinarme Diät

DISKUSSION

zur Behandlung chronischer Gicht veraltet, überflüssig und für den Pati- enten lästig ist. Diese Ansicht gründet sich auf eigene Erfahrung und auf vie- le Veröffentlichungen vor allem briti- scher und US-amerikanischer Auto- ren.

Prof. Dr. med. H. Wenderoth Internist

Haubachstraße 10 44229 Dortmund

Überholte Darstellung der Gicht

Symptomatik, Diagnostik und Therapie der Gicht, wie sie Zöllner schildert, entspricht der „klassischen Beschreibung" veralteter Lehrbücher und ist deshalb irreführend. Zöllner schreibt selbst: „Dieser typische Ver- lauf kommt heute fast nicht mehr vor", und „Die Mehrzahl der Gichtanfälle entspricht nicht dem typischen Bild".

Er versäumt jedoch zu beschrei- ben, wie sich Gicht unter den geän- derten Ernährungs- und Lebensbe- dingungen heute manifestiert. Sowohl in dieser als auch in der 1992 veröf- fentlichten Übersicht fehlen Hinwei- se, welche anamnestischen Angaben und Symptome den Verdacht auf Gicht wecken müssen und wie die Diagnose bereits im Frühstadium ge- stellt werden kann, ehe Anfälle und röntgenologisch nachweisbare Ge- lenkdeformierungen kostenaufwen- dige Behandlungen oder sogar Invali- dität verursachen.

Er korrigiert auch nicht den ver- breiteten Irrtum, Gicht könne mit ei- ner einmaligen Harnsäurebestim- mung objektiviert oder ausgeschlos- sen werden. Weigert er sich etwa, all jene Veröffentlichungen zur Kenntnis zu nehmen, in denen über die Schwie- rigkeiten berichtet wird, jene - bei guter Nierenfunktion nur vorüberge- hend erhöhten - Harnsäurewerte zu erfassen, die zur pathogenen Ablage- rung im Gewebe geführt haben?

Er vermehrt vielmehr die schon bestehende Verwirrung: Da er statt des Grenzwertes 6,5 mg Prozent zusam- men mit einer Therapieempfehlung nur Werte über 8,0 bis 8,5 nennt - wie man sie bei sonst beschwerdefreien

Niereninsuffizienten zufällig findet -, werden ihn viele Kollegen mißverste- hen und erst oberhalb 8,0 behandeln.

Auf die wichtigsten therapeuti- schen Maßnahmen (Ernährungsum- stellung, Verhaltensänderung, Streß- abbau) geht Zöllner kaum ein. Seine undifferenzierte Angabe hoher Purin- gehalte in „vielen Gemüsen" könnte Kollegen veranlassen, ihre Patienten pauschal vor Gemüse zu warnen, das Fleisch ersetzen sollte. Warum er- wähnt er nicht die Broschüre der D GE „Essen und Trinken bei Gicht"?

Auch die medikamentöse The- rapie stellt Zöllner didaktisch unge- schickt dar: Die ätiologische Behand- lung mit Harnsäuresenkern sollte doch ganz im Vordergrund stehen und sofort einschleichend mit größeren Trinkmengen beginnen. Acemetacin dient nur der Schmerzlinderung. Col- chicin verschlechtert die Compliance.

Zur diagnosis ex juvantibus wäre ein zwei- bis dreiwöchiger Behandlungs- versuch mit ausreichend dosiertem Allopurinol viel besser geeignet.

Zusammenfassend: Die historisch interessanten, aber für die Behandlung der heutigen Gicht kaum relevanten Übersichten aus der Sicht eines Spe- zialisten der Tertiärversorgung werden dazu beitragen, daß viele Ärzte wegen

„Unterlassung der Therapie" zu einem

„Kunstfehler" verleitet werden und daß für viele Patienten „unbehandelte Gicht eine gefährliche Krankheit"

(Zöllner) und in Deutschland noch lange Zeit eine „unbekannte Krank- heit" (Sturm 1990) bleiben wird.

Prof. Dr. med. Eckart Sturm Allgemeinarzt

An der Röthaller 27308 Kirchlinteln

Schlußwort

Herrn Kollegen Kokott bestätige ich gern, daß seine Erfahrungen mit dem Gichtanfall meinen entsprechen, auch daß Hyperurikämie bei der akuten Arthritis urica häufig festzu- stellen ist; häufig, aber nicht regel- mäßig. Vorbehandlungen mannigfa- cher Art (wie mit Aspirin) können den Harnsäurespiegel senken. Die Diagnose des Gichtanfalles ist eine A-3078 (70) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45, 10. November 1995

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MEDIZIN

klinische, und ihre Irrtumswahr- scheinlichkeit ist sehr gering.

Die Gelenkpunktion gehört in die Gichtforschung, im Punktat wird nach intraleukozytären Uratkristallen, nicht nach freien, gesucht. McCarty empfeh- le ich im Original nachzulesen. Er hat wie wir alle die Erfahrung, daß es ohne Hyperurikämie in der Vorgeschichte keine Gichtanfälle gibt, daß aber rund um den Anfall die Harnsäurewerte niedrig liegen können.

Was den Weichteilrheumatismus und degenerative Folgezustände be- trifft: Ich hielt es für nötig, auf die chronische Gicht hinzuweisen, weil sie zu wenig bedacht wird, ich warne aber davor, „rheumatische" Be- schwerden bei Patienten mit Hyper- urikämie der chronischen Gicht zuzu- ordnen. Schleimbeutel und Sehnen- scheiden (neben der Haut) sind die Prädilektionsorte! Letzten Endes ent- scheidet der Therapieversuch, das heißt Erfolg oder Mißerfolg einer Normalisierung der Serumharnsäure.

Herrn Wenderoth stimme ich zu, daß die Gicht (hier die Hyperurik- ämie) auch ohne Diät mit Allopurinol zu behandeln ist. Ich bin dennoch der Ansicht, daß der Patient das Recht hat, diätetisch beraten zu werden, um so mehr, als Kollege Wenderoth bei der Abschätzung der Chancen einer Diätbehandlung irrt. Mit streng pu- rinarmer Diät kann man auch bei Gichtikern die Serumharnsäure nor- malisieren und nicht nur um 1 mg/dl

DISKUSSION

senken, auch führt streng purinarme Diät zur Beendigung der Anfälle, wie die Erfahrungen des letzten Krieges bewiesen. Das Zitat „zahlreicher aus- ländischer Lehrbücher etc.", besagt nichts, denn Wissenschaft ist nicht na- tional begrenzt. Übrigens zitieren Engländer wie Amerikaner seit lan- gem unsere (Wolfram, Griebsch, Gröbner) Arbeiten, in denen die Be- ziehungen zwischen Purinen in der Nahrung und Serumharnsäure und Harnsäureausscheidung untersucht wurden. Es bleibt dabei. Erst Diät, dann Arzneimittel, auch wenn Arz- neimittel bequemer sind.

Eine Auseinandersetzung mit Prof. E. Sturm ist immer schwierig.

Was meint er mit „veralteten Lehr- büchern" und mit „irreführend"? Ei- nige Bemerkungen seien dennoch ge- stattet.

Unter unseren geänderten Ernährungsbedingungen manifestiert sich die Gicht nicht anders als eh und je. Anfall, Tophi und Nephrolithiasis sind die Ersterscheinungen, von auf- wendigen Kosten, geschweige Invali- dität kann bei der Frühdiagnose keine Rede sein. Seit 40 Jahren weise ich darauf hin, daß einmalige Harnsäure- bestimmungen keine diagnostische Sicherheit bieten. Weigert sich Herr Kollege Sturm, dies zur Kenntnis zu nehmen? Unterscheidet er immer noch nicht zwischen Sollwert (bei ihm Grenzwert) und Grenze der Thera- piebedürftigkeit?

Zur Ernährungsumstellung hat Herr Wenderoth sich anders als Herr Sturm geäußert. Ich meine, vernünfti- ge Empfehlungen gemacht zu haben.

Auch empfehle ich, genau zu lesen. Bei mir steht „viele pflanzliche Eiweiß- quellen . . . enthalten pro Kalorie fast so viele Purine wie mageres Fleisch".

Wer rechnen kann, der rechne!

Herr Sturm meint, die medika- mentöse Behandlung sei von mir „di- daktisch ungeschickt dargestellt".

Das mag so sein, aber im Gegensatz zu den Ausführungen von Herrn Sturm sind meine richtig.

Zuletzt: Ich verwahre mich in al- ler Form gegen die Bezeichnung

„Spezialist der Tertiärversorgung", selbstverständlich auch gegen Schluß- folgerungen wie „Unterlassung der Therapie" oder gar „Kunstfehler".

Die Poliklinik der Universität Mün- chen hat in den 43 Jahren meiner Zu- gehörigkeit stets der für die Lehre un- erläßlichen Primärversorgung ge- dient, wenige deutsche Ärzte dürften so viele Gichtkranke wie ich gesehen haben (von den internationalen Kon- silien nicht zu reden). Das Innuendo, Ordinarien der Inneren Medizin wüß- ten nicht, wovon sie reden, ist töricht.

Prof. Dr. med. Nepomuk Zöllner em. Vorstand der Medizinischen Poliklinik der Ludwig-

Maximilians-Universität Pettenkoferstraße 8 a 80336 München

Interferon-alpha - Zum Problem der persistierenden Neurotoxizität

Differenzierung schwierig

Die Literatur- und Fallübersicht von Prange dokumentiert die eigen- ständige Bedeutung von Interferon- alpha beim Auftreten von zentral- nervösen Symptomen im Rahmen ei- ner Tumortherapie. Zugleich aber wird auch deutlich, daß es unter Be- achtung dieses pathogenetischen Mechanismus schwierig ist, zentral- nervöse Syndrome, die durch neuro-

toxische Eigenschaften von Chemo- therapeutika, eventuell auch nach in- trathekaler Gabe, entstanden sind, davon abzugren-

zen, gegebenen- falls deren Wech- selwirkungen mit Interferon-alpha in entsprechen- den Therapie-

schemata zu differenzieren. Ebenso wird man die Frage aufwerfen müs- sen, ob nicht bereits bestehende,

subklinische „paraneoplastische"

oder „praeneoplastische" Syndrome können. Die Überle- gungen von Pran- ge rufen auch zu einem umfassen- deren neurologi- schen „Staging"

vor onkologischer Therapie auf. We- gen differentialdiagnostischer Erwä- gungen möchte ich darüber hinaus auf zwei Fälle von INF-alpha-indu- interferieren

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Hilmar W. Prange in Heft 49/ 1994

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45,10. November 1995 (73) A-3079

Referenzen

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