A 2504 Deutsches Ärzteblatt
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17. Dezember 2010Das Leser-Forum
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LERN SPIEL
Der Kinderarzt Dr.
med. Helmut Bonney sieht in einem von ihm mitentwickelten Computerspiel eine Behandlungsmög- lichkeit für Kinder mit ADHS (DÄ 42/2010: „AD[H]S-Thera- pie per Computer“).
Problematisch
Medienkonsum und Aufmerksam- keitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – das ist sicher keine un- problematische Beziehung. Kinder mit ADHS neigen offenbar zu über- mäßigem Medienkonsum (z. B. C.
Pfeiffer: www.kfn.de/versions/kfn/
assets/pisaverlierer.pdf). Ob über-
mäßiger Medienkonsum umgekehrt die ADHS-Symptomatik begüns- tigt, ist wissenschaftlich wohl noch nicht zweifelsfrei geklärt. Zumin- dest „stiehlt“ der Medienkonsum gerade diesen Kindern Zeit, die sie vermutlich nutzbringender hätten verwenden können.
Auch wenn das hier vorgestellte Computerspiel „Zappelix zaubert“
von einem auf dem Gebiet „ADHS“
renommierten Kinderarzt entwi- ckelt wurde, halte ich es für proble- matisch, dass ein solches Spiel als Therapeutikum angepriesen wird, noch ehe offizielle Ergebnisse ent- sprechender (Langzeit-)Studien vorliegen, durchgeführt von wissen- schaftlich unabhängiger Seite . . . Auf der Webseite www.zappelix.de heißt es „Die Wirksamkeit des neu-
en PC-Spiels ,Zappelix zaubert‘
wird zurzeit in einer Studie der Hochschule für Angewandte Wis- senschaften, Departement Ange- wandte Psychologie, Zürich, unter- sucht, die Ergebnisse werden in Kürze veröffentlicht.“ Im nächsten Satz geht es weiter mit „Es ist abzu- sehen, dass sich mit ,Zappelix zau- bert‘ deutliche Therapieerfolge er- zielen lassen.“
Schade, dass ein solches Computer- spiel, das als Therapeutikum defi- niert wird und mit dem das Geld der Betroffenen und das von Ärzten verdient werden soll, noch vor Be- endigung der Auswertung einer Prüfstudie auf die Kinder „losgelas- sen“ werden darf . . .
Dr. med. Hartmut Michels, 82467 Garmisch-Partenkirchen
S
D m s i C B l mit ADHS(DÄ 42/201
ÜBERWEI SUNGEN
Zwei Drittel der Be- handlungsfälle von Gebietsärzten wer- den nach Daten aus Baden-Württemberg durch Überweisun- gen von Hausärzten ausgelöst (DÄ 37/2010: „Überweisungs- verhalten von Ärzten: Fachärzte über- weisen häufiger“ von Dagmar Gröber- Grätz und Markus Gulich).
Lotsenfunktion bleibt Illusion
Die Studie analysiert Patientenbe- wegungen wie Fährten eines Wild- wechsels. Der Fährtenleser ahnt, wer sich wann und wo mit einem Formular versorgt hat, das im GKV- Bereich verwaltungstechnisch er- forderlich ist. Kausalität oder Plau- sibilität können nicht interpretiert werden.
Das Spurenprofil lässt Spielraum zur Interpretation. Ich zweifle die von den Autoren gezogenen Schlüs- se aus dem praktischen Alltag an.
Direkte zweckgebundene Zuwei- sungen sind plausibel bei Patholo- gen, Labormedizinern oder Anäs- thesisten. D’accord.
Ein Großteil der Überweisungen hat formalen Charakter. Man spart sich dadurch zehn Euro Kassengebühr.
Zu Quartalsbeginn werden an belie- biger Stelle alle absehbar nötigen Überweisungen mitgenommen, oh- ne dass hier eine fachliche „Zuwei- sung“ besteht. Zum Beispiel stellt der Facharzt unabhängig von seiner Behandlung eine Überweisung an den Hausarzt und Gynäkologen aus, wenn eine Patientin darum bittet.
Ohne Kausalzusammenhang zum Beispiel zu einer quartalsweisen Glaukomtherapie.
Die Conclusio der Autoren bezüg- lich des fraglichen Primärarzt-Sta-
tus bei Augenärzten und Psychia- tern ist wegen der administrativen Vorgänge abseits der eigentlichen Medizin nicht valide. Hier sind die Zahlen der Behandlungsfälle pro Quartal klar: Gynäkologen und Au- genärzte sind die meist konsultier- ten Fachärzte. Lotsenfunktion bleibt eine Illusion. Die Kompensation praxisfremder Planungen bleibt ärztlicher Alltag.
Dr. med. Stefan Bültmann, 68526 Ladenburg
Behandlungswege optimieren
In dem Artikel wird der (nicht ge- nau benannte und nicht von Neuro- logen und Psychotherapeuten diffe- renzierte) Überweisungsanteil von Hausärzten an Psychiater als Argu- ment gegen die Forderung der Be- rufsverbände Deutscher Psychiater, Deutscher Nervenärzte und der Deutschen Gesellschaft für Psy-
Ü SU
Z h G d B d g ausgelöst (DÄ 37/20
B R I E F E
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17. Dezember 2010 A 2505 chiatrie, Psychotherapie und Ner-venheilkunde, als „Primärarzt“ zu gelten, verwendet.
Das bedarf einer Richtigstellung:
Fachärzte für Psychiatrie und Ner- venärzte fordern weiterhin vehement aufgrund der immer noch vorhande- nen Stigmatisierung psychischer Störungen in der grundsätzlichen Diskussion um die Einführung von Primärarztmodellen, dass das Erst- zugangsrecht für Patienten zum Psychiater und Nervenarzt erhalten bleiben muss.
Eine Überweisung zum Psychiater oder Nervenarzt wird zwar mittler- weile insbesondere bei jüngeren Pa- tienten eher akzeptiert als früher, und es wird auch häufiger eine Überweisung zur Vermeidung der Praxisgebühr beim Hausarzt einge- fordert.
Es ist aber nach wie vor so, dass Patienten mit psychischen Störun- gen den Arztbrief des Psychiaters
nicht beim Hausarzt sehen wollen, bei dem die Medizinische Fachan- gestellte zum Beispiel eine Ver- wandte eines Vereinskollegen oder Nachbarn ist. Die Schwelle zur In- anspruchnahme psychiatrischer Hilfe darf nicht noch erhöht wer- den.
Des Weiteren fordern die Verbände, dass Psychiater und Nervenärzte Lotsenfunktion in der Behandlung psychischer und hirnorganischer Störungen übernehmen. Die enor- men primären und sekundären Krankheitskosten durch psychische Störungen, wie sie seit Jahren in al- len Gesundheitsberichten verschie- dener Institutionen immer wieder festgestellt werden, sind auch ein Hinweis auf den Optimierungsbe- darf der Behandlungswege der be- troffenen Menschen.
Dr. med. Christa Roth-Sackenheim, 1. Vorsitzen- de des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP), 56626 Andernach
HOMÖOP ATHIE
Politiker fordern, die Homöopathie aus dem GKV-Katalog auszuschließen (DÄ 30/2010: „Alternati- ve Therapieverfah- ren: Homöopathie in der Kritik“ von Marc Meißner).
Breitere Anwendung senkt Kosten
. . . Bis zu den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es nur ei- ne erfahrungsgestützte Medizin.
1946 empfahl David Sackett den kontrollierten Versuch, um die Er- fahrung zu ergänzen, aber nicht zu ersetzen, denn die statistische Aus- wertung solcher Studien ergibt nur Wahrscheinlichkeiten, keine Ge- setzmäßigkeiten. Außerdem ist fast keine Studie methodisch bedingt fehlerfrei! Das ist die Basis der be-
O ÖO
P H d a 3 v r der Kritik“von Marc