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Praxisgebühr, Überweisung, Versorgungszentrum, Patientenbeauftragte – ein Alptraum meiner schlaflosen Nächte?

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Editorial

120 Ärzteblatt Sachsen 4/2004

Zweifelsohne hat uns bereits das Werden der, ich will nicht zählen wievielten, „Gesundheits- reform“ wie immer beschäftigt. Allerorten hör- te und schimpfte man über die Praxisgebühr.

Ich erinnere an das Gezeter um die Öko-Steuer und andere klammheimliche Geldbeschaffungs- mechanismen des Staates. Was ist denn nun von dem „Protest“ in der Bevölkerung übrig geblieben? Man bezahlt, die Ärzteschaft weist treu und brav darauf hin, das sei ja nicht auf ihrem „Mist“ gewachsen und imaginäre Politi- ker, von denen die Mehrheit der treuen Bürger durch die Mattscheibe getrennt ist oder die aber vielleicht auch den Schutz der Mattscheibe ge- nießen, werden nicht müde, die Schuld eben- falls den anderen zuzuschieben, man müsse ja so handeln, weil… Nun mal ehrlich, was ist nach zwei Monaten (Verfassung des Artikels) an kurzfristigen Erfahrungen übrig geblieben:

1. Die „Praxisgebühr“ – sicher hat jeder von uns am Patienten tätigen Ärzten seine Erfahrun- gen mit „Zahlungsunwilligen“ gemacht, die Mehrheit unserer Patienten aber zahlt bereit- willig – es ist doch für die Gesundheit!“ Als Hausarzt sehen viele Kollegen keinen Unter- schied in den Fallzahlen zum Vergleichsquartal (I/03), im Gegenteil scheint der Trend doch eher zu einer Vermehrung der Konsultationen zu füh- ren, da jeder für seine Facharztbesuche eine Überweisung benötigt und da ja die 10 EUR einmal gezahlt sind, kann man gleich noch mehrfach im Quartal den Arzt konsultieren. Es mag stimmen, dass eine sinkende Scheinzahl für Facharztpraxen zu konstatieren ist, wogegen die in der öffentlichen Presse verglichenen Zah- len und Trends doch offensichtlich gegenüber dem 4. Quartal 2003 massive Vorzieheffekte unterschlagen! Und was ist die Folge: Die Kas- sierung der „Praxisgebühr“ fordert einen deut- lichen Mehraufwand an Bürokratie. Die Folgen einer höheren Konsultationszahl mit Qualitäts- verlust in der Patientenbetreuung bis hin zu Ho- norareinbußen sind hinlänglich bekannt.

2. Kurzfristig steigt die bürokratische Belas- tung in der Hausarztpraxis und nicht zuletzt auch der Verwaltungsaufwand in der Facharztpraxis durch die gegen Strafe (10 EUR) eingeführte Pflicht zur Vorlage eines Überweisungsschei- nes. Der Anspruch der Gesetzlichkeit, den Haus- arzt hier als Lotsen zu etablieren – bereits bevor

„Hausarztmodelle“ favorisiert werden, bedarf eines Kraftaktes in der ärztlichen Praxis, wel- cher ohne Ausgleich stattfindet. Ich will unter- stellen, dass durch die kostenneutrale Einfüh- rung von Hausarztmodellen so erprobt und er- leichtert werden soll.

3. Mit Inkrafttreten des GMG (Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenver- sicherung – übrigens der falsche Titel, denn nicht die GKV sondern die Versorgungsstruktu- ren werden „modernisiert“) wurde immer wie- der moniert, dass keine Ausführungsbestimmun- gen, selbst nicht für kurzfristig greifende Ände- rungen – Chronikerregelung, Fahrtkostenerstat- tung, rezeptfreie Medikamente – bestehen, so wurde wieder ein Stück aus dem Tollhaus ins- zeniert. Hatte doch der bis zum 31. 12. 2003 eingesetzte „Gemeinsame Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen“ bereits eine strenge For- mel für die Chronikerregelung gefunden, so wurde diese vom Bundesgesundheitsministe- rium zurückgewiesen. Noch bevor der neue Ausschuss arbeitsfähig war, führten Drohge- bärden aus dem BMGS zu Spannungen im Ver- hältnis. Folge ist nun eine „Chronikerregelung“, welche den Vergleich mit einem „Superweich- spüler“ nicht scheuen muss. Fraglich, ob so eine Kostenersparnis durchgesetzt werden kann.

4. Ebenso treffen uns Ärzte die Nöte der Er- klärung unseres Verordnungsverhaltens in Hin- blick auf rezeptfreie Arzneimittel. Bereits lange vor Inkrafttreten des Gesetzes ist aus ärztlicher Sicht darauf verwiesen worden, dass hier Rege- lungen getroffen werden müssen, da es sonst zu Verwerfungen kommt. Die Unzulänglichkeiten bemerkend, wurde in letzter Minute eine mehr als mehrdeutige Übergangsregelung geschaf- fen. Leidtragender bleibt hier wieder der Pa- tient, der entweder tiefer in die Tasche greifen muss oder nebenwirkungsbehaftetere Medika- mente schluckt. Vielerlei noch in der Folgezeit auf die Patienten- und Ärzteschaft zukommen- de Beschwernisse sind in ihren Ausprägungen und Auswirkungen nicht abzusehen. Welche an- deren Wege könnte es geben? Es bleibt unbe- nommen, jahrelange Forderungen der Ärzte- schaft nach Ausgliederung versicherungsfrem- der Leistungen aus der GKV (z. B. Sterbegeld) sind umgesetzt worden. Eine Stärkung der Pati- entensouveränität kann nicht gesehen werden.

Die Installation eines Beamten- und Beraterap- parates – genannt Patientenbeauftragte – be- mäntelt dieses wesentliche Element nicht.

Patientensouveränität sollte aber nicht damit verwechselt werden, dass jeder Arzt die Ver- antwortung für sein Tun trägt. Selbst der pro- klamierte mündige Patient benötigt sach- und fachgerechte Beratung und Betreuung. Der Pa- tient muss aber auch wissen, und das ist ein ge- sellschaftlicher Prozess, dass er auch für sich selbst in einem hohen Maße Verantwortung trägt. Das kann bis dahin gehen, dass zum

Beispiel spürbare erhöhte Aufwendungen zur Sozialversicherung notwendig werden, wenn offensichtliche, nicht krankheitsbedingte Ge- sundheitsrisiken bestehen oder entsprechendes Verhalten betrieben wird. So ist es sicherlich konsensfähig in einer breiten Masse der Bevöl- kerung, dass Erkrankungen, die hauptsächlich durch persönliches Fehlverhalten mitverursacht sind, bei fortgesetztem Fehlverhalten (zum Bei- spiel persistierender Nikotinabusus bei COPD) zum Ausschluss aus der Solidargemeinschaft führen könnten. Es ist aus meiner Sicht unver- antwortlich, dass bereits heute Menschen – ohne dass ein gesellschaftlicher Diskurs geführt wurde, aus der Solidargemeinschaft ausge- schlossen werden, indem sie infolge ihrer Er- krankung „tiefer in die Tasche greifen müssen“.

Ein anderes Beispiel – kurzfristig könnten Aus- gaben für Arzneimittel eingespart werden, wenn, wie in den meisten Ländern üblich, nur der hal- be Mehrwertsteuersatz erhoben würde. Der Ver- waltungsaufwand könnte deutlich reduziert werden, wenn nur die durch übereifrige und überschießende Bürokraten eingeführten Belas- tungen gesenkt werden und die notwendigen Verwaltungen in weniger Krankenkassen zu- sammengefasst werden. Ebenso bietet die deut- sche Ärzteschaft, wie auch nicht zuletzt das Bündnis Gesundheit 2000, genügend weitere Ansätze zur Gestaltung einer echten „Gesund- heitsreform“ und das nicht im Sinne des Lob- byismus. Fazit ist:

– Kurzfristige Einsparungen sind mit den Maß- nahmen dieses Gesetzes nicht zu erreichen.

Preiserhöhungen im Niedrigpreisbereich der Arzneimittel (jahrelang wurde die Ärzteschaft gedrängt „billig“ zu verordnen) fressen Sen- kungen im Bereich der hochpreisigen Arznei- mittel auf – Rechnungen und Gegenrechung sind aus dem BMGS bisher noch nicht öffent- lich gemacht.

– Mehraufwand an Verwaltung kann nicht kostenneutral erfolgen.

– Schnellschussartige Einführung neuer, nicht erprobter Versorgungsstrukturen wird Opfer fordern.

Zu guter Letzt bleibt die Frage: Ist es denn über- haupt notwendig, im Schnellschuss unüberleg- te Gesetzlichkeiten zu verabschieden? Wir ha- ben doch erfahren müssen, dass das Defizit der GKV in 2003 trotz „Vorzieheffekt“ im 4. Quar- tal 2003 um fast 2 Mrd. EURO geringer ausge- fallen ist, als angenommen – wer lügt denn hier?

Erik Bodendieck Vorstandsmitglied, niedergelassener Arzt

Praxisgebühr, Überweisung,

Versorgungszentrum, Patientenbeauftragte

– ein Alptraum meiner schlaflosen Nächte?

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