Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4113. Oktober 2006 A2737
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ür das Beibehalten des klas- sischen Step-up-Konzeptes bei der Behandlung chronisch ent- zündlicher Darmerkrankungen hat sich Prof. Dr. med. Jürgen Schöl- merich (Universität Regensburg) ausgesprochen. Immer wieder werde diskutiert, ob nicht statt„von unten nach oben“ besser
„von oben nach unten“ (top down) behandelt werden solle.
Das aber komme einer deutlichen Übertherapie gleich, die unnötige Kosten verursache und bei der auch unnötige Arzneimittelrisi- ken für die Patienten in Kauf ge- nommen werden müssten, gab Schölmerich zu bedenken.
Ziel der Behandlung sei es, die Beschwerden der Patienten zu lin- dern, eine Remission zu induzie- ren und zu erhalten und einem er- neuten akuten Schub vorzubeu- gen. „Diese Ziele werden bei den meisten Patienten mit der übli- chen Standardtherapie gut reali- siert“, erklärte Schölmerich. Be- handelt wird dabei zunächst mit Mesalazin, im Bedarfsfall zusätz- lich mit Steroiden; nur wenn die Patienten steroidabhängig oder steroidrefraktär reagieren, seien Immunsuppressiva wie Azathio- prin indiziert.
Schubfreie Intervalle
Infliximab kommt nach diesem Konzept erst zum Einsatz, wenn sich das Krankheitsbild anders nicht beherrschen lässt. Beim Top- down-Konzept aber würde initial Azathioprin oder sogar Infliximab eingesetzt, in der Vorstellung, da- durch eine Mukosaheilung und ei- nen günstigeren Krankheitsverlauf erwirken zu können. „Das aber ist bislang keinesfalls belegt“, sagte der Wissenschaftler. Zudem sei ei- ne solche Therapie bei der Mehr- zahl der Patienten auch nicht er- forderlich, weil sie mit der her-
kömmlichen Strategie gut zu be- treuen seien. So werde meist schon mit der ersten Stufe eine Remission erzielt, und das mit lan- gen schubfreien Intervallen.
Für eine Top-down-Therapie sprach sich in Berlin dagegen Prof. Dr. Stephen B. Hanauer (Chicago) aus. Er plädierte für ei- ne bereits initial aggressive Be- handlung mit Biologika wie Infli- ximab: „So wird am ehesten eine Krankheitsstabilisierung und eine Mukosaheilung erwirkt.“ Das be- lege eine Vergleichsstudie bei 130 Patienten mit aktivem Morbus Crohn, die initial mit Infliximab plus Azathioprin oder mit Bude- sonid oder Prednisolon behandelt wurden.
Endoskopisch gesicherte Mukosaheilung
In der Infliximab/Azathioprin- Gruppe konnte bei mangelndem Therapieerfolg Prednisolon gege- ben werden; in der Gruppe, die initial ein Steroid erhielt, entspre- chend Azathioprin und auch Infli- ximab. Für das Top-down-Kon- zept spricht nach Meinung von Hanauer die Tatsache, dass in die- ser Behandlungsgruppe häufiger eine endoskopisch gesicherte Mu- kosaheilung gesehen wurde als bei der Step-up-Behandlung.
Nach einem Jahr aber waren nach Aussage von Schölmerich die Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen nur marginal. Ob vor dem Hinter- grund solcher Daten generell eine initial aggressive Therapie mit ei- ner höheren Nebenwirkungsrate und auch Mehrkosten gerecht- fertigt sei, ist nach Ansicht des
Gastroenterologen fraglich. n Christine Vetter
Symposium: „Immunregulation chronisch- entzündlicher Darmerkrankungen – Heute und morgen“ in Berlin, Veranstalter: Falk Foundation