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Konventionelle Therapie oder Biologika?

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Bei der Therapie von Patienten mit chronisch entzündlichen Darm- krankheiten geht der Trend an- scheinend zu den Biologika. An der Jahrestagung der Schweizer Ge- sellschaft für Pharmakologie und Toxikologie gab Prof. Christophe Beglinger einen Überblick zum aktuellen Stand.

RENATE BONIFER

Seit Ende der Siebzigerjahre seien Stero ide die Basis der Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkran- kungen, sagte Prof. Christophe Beglin- ger vom Universitätsspital Basel. Bei rund der Hälfte der Morbus-Crohn-Pa- tienten erreicht man damit nach einem Monat eine völlige Remission, bei wei- teren rund 30 Prozent eine partielle.

Jedem fünften Patienten nützen sie nichts. Beglinger erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die Plazeborate hierbei rund 30 Prozent betrage, eine Grössenordnung, an die man beim Lesen neuer Studien immer denken sollte. Skepsis sei angebracht, wenn die Plazeborate in einer Studie wesentlich von diesem Wert abweiche.

Während Steroide initial also rund 80 Prozent der Morbus-Crohn-Patien- ten helfen, sieht es im Langzeitverlauf nicht so rosig aus: Einen Monat nach Absetzen der Steroide sah man in der klassischen Studie von Munkholm 1994, dass die Remission zwar bei gut der Hälfte der Patienten auch ohne

Steroide anhielt (55%), bei den ande- ren aber flammte die Erkrankung ohne Steroide sofort wieder auf, ein Phäno- men, das man als Steroidabhängigkeit bezeichnet.

Da eine langfristige systemische Stero id - gabe mit den bekannten Nebenwir - kungen verbunden ist, begann man be- reits in den Achtzigerjahren, diese mit Immunsuppressiva wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder Methotrexat zu kombinieren (zu Beginn 3 Monate lang Steroid plus Immunsuppressivum, da- nach weiter mit Immunsuppressivum alleine). «So machen wir das auch heute noch», sagte Beglinger. Azathioprin sei die beste konventionelle Therapie zur Aufrechterhaltung der Remission. Die konventionelle immunsuppressive The- rapie sei zwar wirksam, aber sie verän- dere den Verlauf der Erkrankung wahr- scheinlich nicht, und viele Patienten be- nötigten wegen der Nebenwirkungen eine andere Medikation, erläuterte Beglinger: «Sie sind sicher besser als Plazebo, aber die Wirksamkeit ist doch beschränkt.»

Biologika

Für die Behandlung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen mit Biologika kommen verschiedene Me- chanismen infrage, wie TNF-Blockade (z.B. Infliximab, Adalimumab, Certo - lizumab Pegol, Golimumab), Zelladhä- sionshemmung (Natalizumab, Vedoli- zumab, AJM300, rhuMab 7), Janus- Kinaseinhibition (Tofacitinimab) und Antikörper gegen bestimmte Inter - leukine (z.B. gegen IL-12 und -23;

Ustekinumab).

Für Morbus Crohn sind derzeit nur die Anti-TNF-Antikörper Infliximab (Re- micade®), Adalimumab (Humira®) und Certolizumab Pegol (Cimzia®) zugelas- sen, deren Wirksamkeit vergleichbar sei, sagte Beglinger. Aufgrund der Zu-

lassungsstudien darf man nach einer achtwöchigen Anwendung bei zirka 40 bis 50 Prozent der Patienten mit einer Remission rechnen, die bei den meisten von ihnen auch nach einem Jahr noch anhält.

Bis anhin ist nur Infliximab auch für Colitis ulcerosa zugelassen, für Adali- mumab und Golimumab sei die Zulas- sung für diese Indikation eingereicht, ergänzte der Basler Gastroenterologe.

Unter den mannigfaltigen Molekülen, die man als Ziel für eine Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkran- kungen bereits ins Visier genommen hat, erwiesen sich viele als nicht geeig- net. Insofern seien die TNF-Blocker zurzeit noch immer die wirksamsten Substanzen, sagte Beglinger.

Bei den Biologika in der «Pipeline» ste- hen zurzeit die Zelladhäsionsblocker im Vordergrund. Sie sollen verhindern, dass aktivierte Leukozyten in das Ge- webe infiltrieren und die Entzündung am Laufen halten. Dass dieser Ansatz bei Morbus Crohn funktioniert, wurde mit Natalizumab in einer Studie belegt.

Da es unter Natalizumab jedoch zu En- zephalitisfällen gekommen war, schei- terte die Zulassung für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Nun hofft man auf den Antikörper Vedo - lizumab, der darmspezifisch sein soll und in ein bis zwei Jahren verfügbar sein könnte.

Wohin geht der Trend?

Bei Morbus Crohn sei der Gebrauch von Mesalazinpräparaten (5-ASA) rückläufig, berichtete Beglinger. Er selbst verwende es bei diesen Patienten ohnehin nicht, und auch die deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie habe Mesalazin aus ihren Therapieempfeh- lungen bei Morbus Crohn gestrichen.

Während der Steroidgebrauch mehr oder weniger konstant geblieben ist,

BERICHT

ARS MEDICI 4 2013

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Fortschritte in der Pharmakologie

Swiss Society of Pharmacology and Toxicology 31. Januar 2013, Bern

Konventionelle Therapie oder Biologika?

Trends bei der Behandlung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

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sieht man einen gewissen Anstieg der Immunsuppressiva und einen deut - lichen Zuwachs beim Gebrauch der Biologika.

Anders als bei Morbus Crohn steigt der Einsatz von Mesalazin bei Colitis-ulce- rosa-Patienten, ebenso der Gebrauch von Steroiden und Immunsuppressiva.

Die Antikörpertherapie spiele bei Coli- tis ulcerosa noch keine grosse Rolle, nicht zuletzt, weil bis anhin nur ein Prä- parat dafür zugelassen sei, so Beglinger.

Er wies auch darauf hin, dass der Ge- brauch von Medikamenten gegen ent- zündliche Darmerkrankungen generell gestiegen sei, weil die Anzahl der Pa- tienten wachse. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.

Wie läuft es in der Praxis?

In der Fragerunde nach seinem Vortrag fasste Beglinger die derzeit gängige Strategie bei Morbus Crohn stichwort- artig zusammen: primär Steroide (nicht länger als 3 Monate) plus Azathioprin für Patienten, die mehr als einen Schub pro Jahr erleiden. TNF-Blocker kom- men bei Steroidunwirksamkeit oder Steroidabhängigkeit infrage, oder wenn es unter Azathioprin oder einem ande- ren Immunsuppressivum trotzdem zu einem Therapieversagen kommt. Auf Nachfrage bestätigte Beglinger, dass man anstelle der systemischen Steroide auch Budesonid einsetzen könne; es sei zwar weniger wirksam, weise dafür aber auch weniger Nebenwirkungen auf.

Konventionell behandeln oder mit Biologika sei im Übrigen keine Ent - weder-oder-Entscheidung, sondern man brauche «beides gezielt für den rich - tigen Patienten», so Beglinger. Auf die Frage, welcher Arzt die teure und kompli zierte Behandlung mit Biologika verordnen und durchführen sollte, ant- wortete er: «Wichtiger als der Fach- arzttitel ist die Erfahrung mit diesen

Substanzen.» ❖

Renate Bonifer

BERICHT

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ARS MEDICI 4 2013

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