DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
KURZBERICHT
Nebenwirkungen an der Haut
durch anabole Steroide
Tilo Freudenberger, Ingrid Moll
und Ernst G. Jung
nabole Steroide werden seit den fünfziger Jahren bei russischen und ameri- kanischen Hochleistungs- sportlern eingesetzt (1). In Deutsch- land wurde die Einnahme dieser Substanzen zur Unterstützung des Muskelaufbaus erstmals bei Sportar- ten wie Gewichtheben, Speer- oder Hammerwerfen praktiziert. Der in der Vergangenheit auf eine kleine Gruppe von Hochleistungsathleten beschränkte Gebrauch von anabolen Steroiden hat mit dem Anlaufen der Fitneßwelle eine viel stärkere Ver- breitung gefunden. Kraftsport dient bei einem großen Personenkreis pri- mär dem sportiven Aussehen, wobei der Weg dorthin mit Training allein oft zu langwierig und mühsam ist.
Nach Schätzungen ist mittlerweile von einer Prävalenz der Anabolika- einnahme um zehn Prozent im Hob- bykraftsportbereich auszugehen.
Die Anwendung erfolgt oft ohne jede ärztliche Kontrolle und in viel- fach höheren Dosen als erlaubt.
Weiterhin werden Substanzen einge- nommen, die zum Teil keine Zulas- sung auf dem deutschen Arzneimit- telmarkt haben. Häufig angetroffen werden Testosteronester (Testovi- ron), Methandrostenolon (Diana- bol), Metenololacetat (Primobolan), Mesterolon (Proviron) und Stanozo- lol (Winstrol). Üblicherweise wird ein orales Präparat über einige Wo- chen stufenweise aufgebaut, dann in einer Erhaltungsdosis eingenommen und dosisreduziert. Parallel erfolgt einmal wöchentlich eine Testoste- roninjektion. Diese Zyklen werden mit zwischengeschalteten therapie- freien Intervallen mehrfach wieder-
holt. Begleitend erfolgt häufig eine eiweißreiche Diät, die teilweise mit Vitamin-B-Präparaten angereichert ist. Die Vitamin-B-Präparate sind wiederum selbst akneigen (2).
Die auftretenden Nebenwirkun- gen sind überwiegend bekannt, in der Regel auch den Anwendern. Oft sind Hauterscheinungen die Erstma- nifestation. Hierzu zählt insbesonde- re Akne vulgaris (Abbildung). Eine vorbestehende Akne kann exazerbie- ren, in seltenen Fällen kommt es zu Akne-fulminans-Episoden (3). Die-
Abbildung: Beispiel einer ausgedehnten Akne vulgaris
ses akute Krankheitsbild tritt vor al- lem bei jungen Männern auf und geht mit hämorrhagischen Nekrosen im Bereich der Akne-Prädilektions- stellen, Fieber und schwerem Krank- heitsgefühl sowie ausgeprägter Leu- kozytose einher. Die Therapie der Akne fulminans besteht in der Gabe von systemischen Steroiden, die oft über einen längeren Zeitraum erfor- derlich ist (4). Diese Nebenwirkung wurde auch bei ärztlich kontrollier- ter Testosterontherapie bei Heran- wachsenden beschrieben (5). Die In- zidenz ist als rar anzugeben (bei Te- stosterontherapie zirka ein bis zwei
Prozent). Spätschäden an der Haut in Form von Narbenbildung sind je- doch unausweichlich.
Das Auftreten oder die Verstär- kung von Akne vulgaris durch anabo- le Steroide sind nicht verwunderlich, da bereits bei früheren Untersuchun- gen in mehr als 50 Prozent der unter Akne leidenden weiblichen Heran- wachsenden erhöhte Plasmakonzen- trationen androgener Hormone nachgewiesen wurden (6). Akne vul- garis als Nebenwirkung der Testoste- rontherapie zur Verminderung des Größenwachstums bei pubertären männlichen Jugendlichen wurde mit 64 Prozent des Gesamtkollektivs angegeben (5). Die experimentelle Verabreichung von Testosteron an männliche Probanden war von einer Zunahme der Talgdrüsenaktivität gefolgt (7). In einer ausführlichen Untersuchung wurde 1988 nachge- wiesen (8), daß insbesondere bei
Personen, die anabole Steroide zum Zweck des Muskelaufbaus einnah- men, eine Zunahme der Oberflä- chenlipide und eine Vermehrung der Propionibacterium-acnes-Population festzustellen war. Propionibakterien werden vor allem für die entzündli- che Komponente der Akneefflores- zenzen verantwortlich gemacht. Au- ßerdem fand sich eine Zunahme des Sebumgehaltes an Cholesterin und freien Fettsäuren, die ebenfalls ak- neigen sind.
Die Therapie richtet sich nach den Prinzipien der Aknebehandlung und erfordert an erster Stelle das A-4140 (74) Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991
Absetzen der anabolen Steroide. Die durch die Ausprägung der Akne un- ter Umständen erforderliche Thera- pie mit Tetrazyklinen oder Isotreti- noin (Roaccutan) sollte in Anbe- tracht der Lebertoxizität sowohl der Therapeutika als auch der zuvor eingenommenen anabolen Steroide sorgfältig erwogen werden.
Weitere Begleiterscheinungen, die sich an der Haut manifestieren, sind eine verstärkte Seborrhoe, Fu- runkulosen, androgenetische Alope- zie, Striae distensae und Hirsutis- mus. Diese Erscheinungen gehören zu den durch Fehlregulation der androgenen Hormone ausgelösten Krankheitsbildern. Sie demonstrie- ren die Auswirkungen der androge- nen Wirksamkeit anaboler Steroide, die je nach Substanz unterschiedlich stark ausgeprägt ist, aber nie völlig fehlt. Auch hier können Resterschei- nungen (Narben, fehlende oder überschießende Behaarung) nach dem Absetzen der Anabolikamedi- kation verbleiben. Es handelt sich um häufige dermatologische Erkran- kungen, die prima vista nicht unbe- dingt an eine Steroidmedikation als Auslöser denken lassen.
Außer den beschriebenen Haut- nebenwirkungen mit den zugehöri- gen Folgeschäden sind Hepatotoxizi- tät, Induktion von Tumoren der Le- ber, Hodenatrophie mit Verringe- rung der Spermiogenese (9), Gynä- komastie, Prostatahyperplasie, Zy- klusstörungen bis zur Amenorrhoe und Klitorishypertrophie hei Frauen sowie psychische Veränderungen bei beiden Geschlechtern bekannt. Um bei bereits aufgetretenen Nebenwir- kungen Schäden zu begrenzen und weitere zu vermeiden, sollte bei be- rechtigtem Verdacht auf Einnahme von anabolen Steroiden eine ent- sprechende Anamnese erhoben wer- den. Die Einnahme wird vom Patien- ten allerdings nur ungern und oft auch nach eingehender Befragung nicht zugegeben. Von den am unpro- blematischsten erkennbaren Haut- manifestationen, allen voran die Ak- ne vulgaris, geht eine wichtige Si- gnalwirkung für den behandelnden Arzt aus. In Anbetracht der vielfa- chen Nebenwirkungen, die bleiben- de Schäden hinterlassen können, sollten die Patienten über die Gefah-
ren der Einnahme anaboler Steroide aufgeklärt und gegebenenfalls von der Einnahme abgebracht werden.
Die Verfasser danken Herrn Priv.-Doz. Dr.
Dr. med. habil. W. Mayerhausen/Brannen- burg sowie Herrn Professor Dr. med M Landthaler/Universitätshautklinik der Lud wig-Maximilian-Universität München für die Überlassung von Bildmaterial.
Literatur
1. Scott, M. J. jr, Scott, M. J. III: Dermatologists and anabolic-androgenic drug abuse. Cutis 44 (1989) 30-35
2. Boonen, H., Voigtländer, V.: Vitamin-B-Ak- ne bei Sportlern. Akt. Dermatol. 12 (1986) 33 3. Mayerhausen, W.; Riebel, B.: Acne fulmi-
nans nach Anabolikaeinnahme. H + G Zschr.
Hautkr. 64 (1989) 875-880
4. Heydenreich, Ci.: Testosterone and anabolic steroids and acne fulminans (letter). Arch Dermatol. 125 (1989) 571-572.
5. Traupe, H.; von Mühlendahl, K. E.: Bräms- wig, J.; Happle, R.: Acne of the fulminans type following testosterone therapy in three excessively tall hoys. Arch. Dermatol 124 (1988) 414-417
Koronare Herzerkrankung:
Regression möglich?
In den letzten zehn Jahren konnte durch große plazebokontrol- lierte und randomisierte Studien nachgewiesen werden, daß die Inzi- denz der koronaren Herzerkrankung (KHK) durch Behandlung der Hy- perlipidämie gesenkt werden kann.
In zahlreichen Studien mit klini..
sehen Endpunkten (Lipid Research Clinics Coronary Primary Prevention Trial, Helsinki Heart Study, Corona- ry Drug Project, WHO Cooperative Trial) konnte durch medikamentöse Senkung des Gesamt- und LDL- Cholesterins und Erhöhung des HDL-Cholesterins ein Rückgang der KHK-Morbidität und -Mortalität von 11 bis 34 Prozent erreicht werden.
In Studien mit Koronarangiographie (NHLBI Typ II Coronary Interventi- on Study, Cholesterol Lowering Athe- rosclerosis Study, Familial Atheros- clerosis Treatment Study) konnte ei- ne verzögerte Progression der KHK und teilweise sogar eine quantitativ meßbare Regression der koronaren Läsionen unter medikamentöser Cholesterinsenkung beobachtet wer-
6. I licky, A. W.; Mc Guire, J.; Rosenfield, R. L.
et al Plasma androgens in women with acne vulgaris. J. Invest. Dermatol. 81 (1983) 70-74 7. Porhi, P. F..; Strauss, J. S.: Sehaceous gland
response in man to the administration of tes- to7st 3e 6rone, androstenodione, and dehydroiso- androsterone. J Invest. Dermatol. 52 (1969) l
g Kiniy.C. I , Alen, M.; Korvola, J.; Horsman- heimn, M The effect of testosterone and anaholic steroids an the skin surface lipids and the population of P. acnes in young post- pubertal men. Acta Derm. Venereol. 68 (1988) 21-26
9 Knnth. U A . Maniera, H.; Nieschlag, F.: An- ahnlic steroids and semen parameters in bo- dybuilders. Fertility and Sterility 52 (1989) 1041-1047
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Tilo Freudenberger Hautklinik, Fakultät
für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg Postfach 10 00 23
W-6800 Mannheim 1
FAIR SIE REFERIERT
den. Die angiographisch nachweisba- re verzögerte Progression oder sogar Regression der KHK korrelierte mit einer geringeren klinischen Inzidenz an koronaren Ereignissen,
Die Besserung der KHK war in den meisten Studien proportional zum Ausmaß der Lipidsenkung. Da- neben schienen Medikamente wie Acetylsalicylsäure und Calziumanta- gonisten die frühe Entwicklung von koronaren Läsionen zu verhindern.
Die Autoren empfehlen daher in ih- rer Übersichtsarbeit aufgrund der vorliegenden Daten eine aggressive Behandlung von Patienten mit Hy- percholesterinämie, die über die bis- herigen, nach Meinung der Autoren zu konservativen Empfehlungen hin- ausgeht. acc
Waters, D , J. Lesperanee: Regression of Coronary Atherosclerosis - An Achievable Goal? Review of Results from Recent Cli- nical Trials. Am. J. Med 91, 1B (1991) 10-17.
David Waters, M. D., Research Centre, Montreal Heart Institute, 5000 East Belan- ger Street, Montreal, Quebec H1T 1C8, Canada.
Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991 (77) A-4141