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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

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Academic year: 2022

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Die Pathophysiologie der chronisch entzünd- lichen Darmerkrankungen ist nach wie vor ungeklärt. Einigkeit besteht darin, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt.

Als ursächliche Faktoren werden verschiedene Hypothesen diskutiert, so beispielsweise bakterielle, virale oder immunologische Faktoren. Neue Studien unterstreichen die Bedeutung von genetischen Faktoren. Auch Umweltfaktoren scheinen ätiopathologisch eine Rolle zu spielen.

A N N A L S O F I N T E R N A L M E D I C I N E

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn als die beiden wichtigsten Ver- laufsformen, gehören zu den Erkrankungen, deren Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Man schätzt, dass etwa 30 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 10 und 30 Jahren davon betroffen ist. Obwohl beide Erkrankungen viele Übereinstimmungen hinsichtlich Entstehung und Verlauf zeigen, sind sie doch in ihrer klinischen Pathologie unter- schiedlich klar definiert. Neue veröffentlichte Daten hinsicht- lich der Pathogenese bieten einen neuen Erklärungsansatz und haben die Meinung der Autoren über die Entstehungs- geschichte der CED grundsätzlich geändert.

Die Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist nach wie vor ungeklärt. Es werden verschiedene Theorien diskutiert, wie das Vorliegen einer Immunreaktion auf eine per- sistierende intestinale Entzündung, eine defekte mukosale Bar- riere für intestinale Antigene oder eine dysregulierte Immunre-

aktion auf ubiquitäre Antigene. Des Weiteren werden sowohl eine genetische Suszeptibilität sowie Umwelteinflüsse für die Manifestation der Erkrankung als ursächlich angesehen. Ein weiterer Faktor für die Entstehung stellt das Zusammenspiel von mikrobieller Darmflora und intestinalem Immunsystem dar.

Neue, unerwartete Daten aus einer Reihe von Tiermodellen, die humane, chronisch entzündliche Darmerkrankungen imitie- ren, haben diese allgemein akzeptierten Hypothesen nun infrage gestellt. Dieser Bericht zeigt neue Konzepte der Patho- physiologie und diskutiert die Auswirkungen auf die klas- sischen Paradigmen für CED.

Die Rolle des angeborenen Immunsystems

Es ist generell akzeptiert, dass chronisch entzündliche Darm- erkrankungen aus einer komplexen Störung der intestinalen Barriere und Fehlregulation des mukosalen Immunsystems resul- tieren, die durch endogene und exogene Faktoren bedingt sind.

Die Gewebeschädigung der Darmschleimhaut bei CED wird durch das Immunsystem des Darmes bewirkt. Sämtliche Im- munzellpopulationen der intestinalen Lumina weisen bei Pa- tienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine vermehrte Aktivierung auf. Eine solch überschiessende Reak- tion gegen normale Bestandteile des Darminhaltes wird für die Auslösung und Verstärkung der Entzündung im Darm verant- wortlich gemacht. Bei diesen Prozessen könnte eine Auto- immunreaktion durch eine Störung der immunologischen Tole- ranz oder eine unspezifische Schädigung durch eine über- schiessende Reaktion auf exogene Antigene eine Rolle spielen.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Neue Konzepte in der Pathophysiologie

ARS MEDICI 9 ■2007

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■ Bei entzündlichen Darmerkrankungen ist womöglich die immunologische Toleranz gestört. Vielleicht spielt auch eine überschiessende Reaktion auf exogene Antigene eine Rolle.

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■ Entzündliche Darmerkrankungen können sich auch unter keimfreien Bedingungen entwickeln.

M M M

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Ausserdem sind T-Zellen von grosser Bedeutung für die Ent- wicklung autoimmuner Erkrankungen.

Alternativ dazu könnten CED durch eine primäre Fehlregulie- rung der Lymphozyten und Zytokine verursacht werden, wie etwa Interleukin-10 und den Transforming Growth Factor-β(TGF).

Das Gen Nod2

Stärkster Risikofaktor für entzündliche Darmerkrankungen ist eine positive Familienanamnese. Der Verdacht auf eine starke genetische Komponente bei der Krankheitsentstehung konnte eindeutig verifiziert werden, nachdem der Nachweis eines für den Morbus Crohn offensichtlich spezifischen Gendefektes ge- lungen. So lässt sich bei rund einem Drittel der Morbus-Crohn- Patienten eine Mutation im Nod2-Gen (CARD 15), das auf dem Locus IBD1 lokalisiert ist, nachweisen. Das Gen reguliert nor- malerweise die Entzündungsreaktion als Antwort auf Bakterien im Darm. Bei der Colitis ulcerosa scheint dieses Gen nicht von Bedeutung zu sein.

Die Rolle von intestinalen Epithelzellen

Die intestinalen Epithelzellen spielen eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung der mukosalen Homöostase. Konzeptionell kann man das Epithel als Teil des immunologischen Abwehr- systems des Darms verstehen, in welchem es eine wesentliche integrale Funktion in der Kommunikation zwischen luminalen

Antigenen, Bakterien und bakteriellen Produkten zum einen und mukosalen Entzündungs- und Abwehrzellen zum anderen einnimmt. Eine Dysfunktion des Kontrollmechanismus, der die im Normalfall kontrollierte Reaktion des Immunsystems auf lu- minale Antigene ermöglicht, also eine kontinuierliche Entzün- dung im Darm verhindert, mag ein entscheidender Schritt bei der Entstehung von CED sein.

Immunantworten bei CED

Bezüglich der lymphozytären Zytokinsynthese wird Morbus Crohn gewöhnlich als T-Helfer-Erkrankung angesehen, aufgrund eines Th1-typischen Zytokinmusters (vermehrte Produktion von Tumor-Nekrose-Faktor, Interleukin-12 und Interferon–γ).

Colitis ulcerosa hingegen ist durch eine Th2-Entzündung cha- rakterisiert (erhöhte Bildung des Th2-Zytokins Interleukin-5).

Immunologische Mannigfaltigkeit

Daten hinsichtlich der klinisch pathologischen Mannigfaltigkeit der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn könnten auf unter- schiedliche immungenetische Mechanismen hinweisen. Inner- halb des Morbus Crohn sieht man deutliche Unterschiede in der Krankheitsausprägung. Erstens scheinen Patienten mit Nod2- Mutation einem bestimmten «Krankheitstyp» anzugehören:

frühes Erkrankungsalter, häufiger Befall des terminalen Ileums und aggressiverer Verlauf der Erkrankung. Zweitens verstärken F O R T B I L D U N G

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Abbildung: Denkbare zukünftige therapeutische Strategien: Links: Im präklinischen Stadium kommen Strategien zum Tragen, die den Ausbruch der Erkrankung bei prädisponierten Personen verhindern. Mitte: In der Frühphase der Erkrankung werden auf einzelne

Mechanismen gerichtete Therapien eingesetzt. Rechts: Kombinierte Strategien gegen mehrere Mechanismen können in einem Spätstadium der Erkrankung erforderlich sein.

Ätiopathogenese

Therapeutische Strategien Genetische

Prädisposition Perinatale Ereignisse

Spezifische Infektion

Probiotika

Gentransfer Gentherapie

Westlicher Lebensstil Akute polarisierte Ereignisse Dysregulation des mukosalen Immunsystems

Antibiotika gegen spezifische Pathogene

Singuläre Zelladhäsions- molekül-Blockade

Kombinierte Zelladhäsions- molekül-Blockade Antibiotika (Probiotika) und

Antizytokin-Blockade

Th1- und Th2-Blockade Th1-Blockade

Th2-Blockade

Gentransfer

Operativer Eingriff Präklinisches Stadium Frühe Krankheitsphase oder Induktion Späte Krankheitsphase oder chronisch

Akutes Aufflammen

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sich bei Ansprechen auf eine Therapie mit «biologicals» die Variationen der Phänotypen (z.B. Infliximab). Darüber hinaus wurde die Annahme, dass Colitis ulcerosa eine rein Th2-asso- ziierte Erkrankung ist, durch gutes Ansprechen auf die Behand- lung mit dem Anti-Tumor-Nekrose-Faktor infrage gestellt.

Es scheint, dass weitere Zytokine wie beispielsweise Inter- leukin-23, -27, -21 und TL1A ebenfalls eine wichtige Rolle im Entzündungsgeschehen spielen könnten.

Gemischte immunologische Phänotypen

Studienergebnisse haben gezeigt, dass die Induktion der akti- ven Erkrankung und das Bestehen der chronischen Entzün- dung immunologisch verschiedene Phänomene sind. Ileitis in SAMP-/YitFc-Mäusen beginnt mit einer Induktionsphase, die der histologischen Erkrankung vorausgeht. In diesem Stadium ist die Erkrankung Th1-assoziiert mit vermehrter Produktion von Interferon-γund Tumor-Nekrose-Faktor. Wenn die Ileitis chronisch wird, verschiebt sich der Phänotyp zu einem Th1-/

Th2-Muster. Zusätzlich wurde eine vermehrte Produktion von Interleukin-13 und Interleukin-5 beobachtet. Das SAMP1-/

YitFc-Mausmodell verdient besonderes Interesse, da es das einzige Tiermodell ist, das spontan eine Ileitis entwickelt und keine Kolitis.

Welche Rolle spielt die Umwelt?

Umweltfaktoren spielen eine entscheidende Rolle in der Entste- hung von CED. Darunter ist die kommensale mikrobielle Flora am häufigsten am Entstehungsgeschehen von CED beteiligt.

Mausmodelle haben gezeigt, dass die Tiere keine Erkrankungs- zeichen zeigen, wenn sie in keimfreier Umgebung gehalten werden. Dies kann als wichtiger Hinweis für eine überschies- sende Immunreaktion gegenüber der intestinalen Bakterien- flora gewertet werden, die möglicherweise durch den Verlust der immunologischen Toleranz zustande kommt. Des Weiteren werden bei an Morbus Crohn erkrankten Patienten häufig er- höhte Serumantikörpertiter gegen Darmbakterien, so beispiels- weise gegen Saccharomyces cerevisiae, gefunden. Ausserdem konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass Antibiotika vor allem bei M. Crohn effektiv sind. Es scheint jedoch, dass die Darmentzündung auch unabhängig von Bakterien verursacht werden kann, denn zwei Autoren dieses Berichtes haben den Nachweis erbracht, dass sich eine Ileitis im SAMP1-/YitFc- Mausmodell auch unter keimfreien Bedingungen entwickeln kann, jedoch mit einem milderen Krankheitsverlauf.

Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass durch die Auf- klärung der grundlegenden pathogenetischen Mechanismen neue therapeutische Perspektiven eröffnet werden, wie sie in

der Abbildungskizziert sind. ■

Giorgos Bamias, MD; Mark R. Nyce, MD; Sarah A. De La Rue PhD; and Fabio Cominelli, MD, PhD, Ann Intern Med. 2005; 143: 895–904.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Claudia Sarkady

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