ISSN 1421-0304
Informationsblatt des Forschungsbereiches
Landschaftsökologie
CH-8903 Birmensdorf
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft Institut federal de recherches sur la foret, la neige et le paysage lstituto federale di ricerca per la foresta, la neve e il paesaggio Swiss Federal Institute for Forest, Snow and Landscape Research
32
November 1996
MULVA-5: Analyse von Vegetation und Standort
Für einfache Arbeiten in Pflanzenökologie stehen heute Schlüssel, Zeiger- werte und Verbreitungskarten in Datenbankform zur Verfügung. Schwieri- gere ~robleme lassen sich jedoch nur durch spezielle Untersuchungen, verbunden mit einer Datenerhebung, Datenselektion oder Datensimulation lösen. Ein geeignetes Werkzeug dafür ist MULVA-5.
Otto Wildi
MULVA-5 ist die Weiterentwicklung von MUL VA-4. Insider wissen, dass Vorversionen schon lange existieren.
Unterdessen ist die Entwicklung abge- schlossen, das Programm relativ stabil und eine eingehende Anleitung mit Beispielen publiziert (WILD! & ORL6cr 1996).
Für wen ist das Programm geeignet?
Die statistische Analyse von Vege- tations- und Standortsdaten ist und bleibt sowohl konzeptionell als auch technisch immer recht schwierig. Das liegt weniger am allgemein üblichen, erheblichen Stichprobenumfang von mehreren hundert bis tausend Aufnah- men, als vielmehr an der sehr grossen Zahl von Variablen (Arten). Zudem wird in der Regel mit zwei komple- mentären Variablensätzen gearbeitet, nämlich den Vegetations- und den Standortsdaten. Immer öfters sind auch geostatistische Untersuchungen ge- fragt, die das Vorhandensein von Raumvariablen voraussetzen, sowie Zeitreihenanalysen, die auf Zeit- variablen beruhen.Wer in diesem Kon- text Daten im Feld erhebt, mit Stich- proben aus Datenbanken arbeitet oder Daten simuliert, findet in MULV A-5 eine geeignete Software.
Was leistet es?
Im Vergleich zur Vorgängerversion bietet MUL V A-5 mehr Operationen
und Analysen an. Vereinfacht sind es drei grundlegende Leistungen, welche erbracht werden können:
1. EineAnalyseder Datenqualität. Das Programm erkenntAusreisser, gibt Auskunft über fehlenden inneren Zusammenhang in den Aufnahmen und ermittelt Redundanz in den Da- ten. Eine Qualitätskontrolle und all- fällige Massnahmen zur Verbesse- rung der Datenstruktur (z.B. durch Eliminierung von Ausreissern, Re- duktion der Variablen oder Bil- dung von Teildatensätzen) bilden eine unerlässliche Voraussetzung einer erfolgreichen statistischen Analyse.
2. Eine Musteranalyse. Mit verschie- denen Methoden werden Gruppen- und Gradientenstrukturen erkannt.
Damit lassen sich z.B. Vegetations- tabellen ordnen oder Datensätze so reduzieren, dass Zusammenhänge leichter erkennbar sind.
3. Eine Standortsanalyse. Im Gegen- satz zur Vorgängerversion stehen verschiedene Methoden zur Verfü- gung, um Zusammenhänge zwi- schen der Vegetation einerseits so- wie Standortsfaktoren, Raum- und Zeitvariablen anderseits zu ermit- teln. Voraussetzung ist, dass die zusätzlichen Variablen für alle Aufnahmen vorliegen.
Inf.bl. Forsch.bereiches Landsch.ökol. 32, 1996
Anwendungen
Eine der häufigsten Anwendungen ist das Ordnen einer Vegetationstabelle (Abb. 1). Der im Programm eingebau- te Algorithmus generiert die allgemein angestrebte Diagonalstruktur in den besetzten Zellen der Vegetationsliste.
Differenzierende Arten werden in den oberen, nicht differenzierende in den unteren Teil derselben geschoben. Ins- gesamt entspricht die Anordnung den pflanzensoziologischen Konventionen ( c.f. MUELLER-DOMB0IS &ELLENBERG 1974).
MUL V A-5 eröffnet die Möglichkeit, Vegetations- und Standortsschlüssel herzustellen und auch benutzerfreund- lich anzuwenden. Vegetationsschlüssel erlauben dem Benützer, auf Grundei- niger Artfunde die Zugehörigkeit einer Fläche zu einer (oder mehreren) Vegetationseinheiten zu bestimmen (Abb. 2). Obwohl sich Mehrdeutigkei- ten und Unschärfen bei diesem Ver- fahren besonders klar abzeichnen, er-
MULVA-5: Analyse de la vegetation et de la Station Les travaux courants d'ecologie vegetale se font aujourd'hui
a
l 'aide de cles, de valeurs indicatrices et de cartes de distribution disponibles dans des banques de donnees. Quant aux problemes plus complexes, ils ne peuvent etre resolus qu
'a
l'aide d'analyses speciales accompagnees de releves, d'une selection ou d'une simulation de donnees. MULVA-5 est un instrument approprie
a
ce genre d'etudes.- 2 -
.
REl.EVENO. 6 2 25 49 9 18 39 50 27 10 4 Veirfügbarkeit
GROUP NO. 3 3 3 3 2 2 2 1 1 ·1 1
1 PH 4.8 4,4 5 4.8 5.13 6 5.2 5.8 6 6.5 6.2
2 ALTITUDE 420450480550580400500 520 450 560 500
Kleinere Versionen fürDOS/Windows sowie Macintosh sind über Internet kostenlos abrufbar (http://W\J\N1.wsl.ch/
land/LandEco!og>J.html). In der WWW- Dokumentation befindet sich eine Kurzanleitung. Die vollständige Be- schreibung (WILDI & ÜRL6CI 1996) ent- hält neu auch zahlreiche Beispiele für praktische Anwendungen. Sie ist im Buchhandel, aber auch an der WSL direkt erhältlich.
3 SLQPE, DEG. 4.5 10 18
8 VACCINIUM MYRTILLIJS 2 1 2 6 SArvmucus RACEMOSA 2 1 2 21 POLYTRICHIJM FORMOSUM 2 1 + + 12 LIJZIJLA NEMOROSA 2 + 2 1
·13 VEROMIC/l, OFFICIWfüS 2 1 1 + 2 QUERCUS PETRAEA 3 " <- ·1 3
·1 FAGUS SILVATICA 3 4 3 4 3. P,CER PSEIJDOPLAT,11,MUS 1
4 FHAX!NUS EXCELSIOR ·1 '19 RAl'-JUNCULUS FICARIA ·1
'16 PRiMUl.1-\ ELATIOR 1 17 ALUUM URSINUf\/1 1
·14 GALIUM ODORATUM 999 + + 9 C/J,REX SILVATICA 999 i + 10 OMLIS ACETOSELLA 999 + + + 1 ·1 V!OU'li SILVESTF:IS 999 + + 20 EURHYNCHIUM STRiATUM 999 "i + 15 LAMIUM·GALEOßDOLON 999 + + 5 LONICERA XYLOSTEUM 999 + ❖ 7 SAl\ilßUCUS NIGRA 999
18 J!,HUM MACULATUM 999
·15 6 2.5 12.5 3 +
+ 3 2 +
4 1 + + 2 4 5 5 +
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2.5 L!
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Ut~n1.:1.1r
Hueller-Dombr,is, D.; EHenberg, H.,. 1974;
Ahm and Methods of Vegetation Ecology. John Wiley & Sons, J\lew York Chichester Brisbane Toronto.
547 p.
Wildi, O.; Orl6ci, L., 1996: Nume1ical exploration of community pattems. A guide to the use of MULVA-5. 2nd ed. SPE Academic PubHshing bv,
Amsterdam. 171p.
WildL O.; Keller, W,; Kuhn, N.; Krüsi, R 0.; Schütz. M.; Wohlgemuth T., 1996:
Revision der Waldgesellschaften der Schweiz: Die Analyse einer nicht- systematischen Datenbasis. Land- schaftsentwicklung und Umwelt- forschung 103. TU Berlin. Im Druck.
Abb. 1: Geordnete Vegetationstabelle, berechnet rnit MUL V .A-5, förrnatiert mit EXCEL™.
Wohigemuth, T., 1992: Die vegetations- ki.mdliche Datenbank. Schweiz. Z.
Forstweß. 143, 1: 22 - 36.
Fig. l: Tablesu de la vegetation ordmmee, calcule 21 l'aide de MULVA-5 et formate avec EXCEJLTM.
folgt die Zuordnung absolut repro- duzierbar. Bei Standortssrhlüsseln werden Standortsfaktoren vorgegeben.
Sie em1itteln, welche Vegetaüonsein- heü zu erwaiten ist, aber auch 'Nekhe Pflanzenarten vorkommen sollten.
MUL V A,5 verfügt über viele Schnittstellen zu anderen Programmen.
So lassen sich aHe Daten aus EXCELT111 importieren und in dieses exportieren (Abb. l ist ein Beispiel dafür: die Ta- belle wurde mitEXCEL™ formatiert).
Daec und ResuHa,te fass,.;;n sich aber auch in Statistikprogran~_me übertra- gen, die andere Leistungen erbringen als MULV A. fo Abbildung 3 ist eine Ordination der WaldgeseHschaften der Schweizdargestefü{Wn,met al.1996).
Sie beruht auf eine Stich.probe aus der vegetationskmitdlichen Walddatenbank der WSL (WüHLGEMUTH 1992). Die dunklen Punkte entsprechen Aufnah- men, in denen Quercus spec. als Baum vorkommt. Die Ordination zeigt ei- nerseits den Schwerpunkt der Ver- breitung, andererseits ein verstreu- tes Vorkommen über einen weiten
Standortsbereich -eine Konseauem:
der Kultivierung. Die Ordination wurde mit MULV A-5 gerechnet und mit DataDeskTM dargestellt. Auf dem Bildschirm ist sie in drei Dimensio- nen frei drehbar.
SPECIES LIST:
3 ACER PSEUDOPLATANUS 1 7 J,LLIUM URSINUM TASK
OPTl .l\.DD SPECIES SCORE ( defa.ul.t) OPT2 DI::S:PLAY CURREN'I' fl.ELEVE Ol?T3 ERJ,SE CURRENT RELEVE OPT7 LOAD .A. RELEVE SPECIFY OPT:
4
VEGETl'.TION TYPE NO.
11 2 5 8 4 9 6
SIMILARITY 0.222 0.209 0 .191 0.139 0.087 0.066 0.063
1 2
OPT4 IDRN'TIFY
OPT5 SWITCH FULL NA11E - SHOR'J: Nl:U1E OPT6 DISPL.l\Y SPECIES LIST
OPT8 EXIT
HISTOGRAM
IIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIII III III IIIII IIIH
Abb. 2: Ergebnisse des Vegetationsschlüssels. Der Zugehörigkeitsgrad einer Fläche mit den Arten Acer psfrudoplatanus und Allium ursin.um zu 7 verschiedenen Typen des
Schlüssels wird gezeigt. .
Fig. 2: Exemple d'une surface dotee de A.cer pseudoplatanus et AJlium ursinuin dont le coefficient de similitude indique les diverses possibilites d' appartenance
a
l.'un destypes de la cle.
Inf.bl. Forsch.bereiches Landsch.öko!. 32, J.996
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Abb. 3: Ordination einer Stichprobe aus der vegetationskundlichen Datenbank der Schweiz, 3 Projektionen. Dunkle Punkte markie- ren Aufnahmen, in denen Quercus spec. als Baum vorkommt. Der Punkteschwarm ist in DataDesk™ in drei Dimensionen drehbar.
Fig.' 3: Trois projections d'une ordination. Les releves sont un echantilloni:iage de la banque de donnees phytosociologiques de Suisse. Les points fonces indiquent la presence de Quercus spec. en tant que plante adulte. Le nuage de points peut etre toume afin d'etre vu en trois dimensions dans DataDesk™.
Wie Meliorationen die Ausstattung der Kulturlandschaft verändern
Um die Veränderungen von landschaftlichen Kleinstrukturen über einen kurzen Zeitraum hinweg zu ermitteln, wurden in drei von ihrer Lage her vergleichbaren Gemeinden im Tafeljura des Kantons Basel-Landschaft Differenzkartierungen zu bestehenden Landschaftsinventaren vorgenom- men. Erhoben wurden Strukturelemente, deren Verlust sich negativ auf die Biodiversität auswirkt. In der Gemeinde Wintersingen ist während des untersuchten Zeitraums eine Gesamtmelioration durchgeführt worden. Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt für diese Gemeinde eine,deutlich schlechtere Bilanz als für die beiden andern Gemeinden, in welchen es zwischen den Kartierungen keine Melioration gab. Es ergeben sich Forderungen im Blick auf künftige Meliorations-Eingriffe.
Karl Martin Tanner, Stefan Zoller Durch Meliorations-Eingriffe ist in der Schweiz in den vergangenen J ahrzehn- ten ein grosser Teil der landwirtschaft- lichen Nutzflächen verändert worden.
Im Laufe der Zeit haben sich vielerorts mehrere Generationen von sogenann- ten Bodenverbesserungsmassnahmen überlagert. Durch die Professur für Natur- und Landschaftsschutz (ETH/
WSL) wurde nun das AusmE1SS der strukturellen Veränderungen in der Kulturlandschaft über einen kurzen Zeitraum hinweg (rund 10 Jahre) an- hand von drei Fallbeispielen erhoben mit dem Ziel, «normale» Dynamik mit
Dr. Karl Martin Tanner ist Oberassistent in der Professurfür Natur- und Landschaftsschutz.
Dipl. bio!. Stefan Zoller ist zur Zeit Doktorand bei PD Dr.
Christoph Scheidegger, Gruppe REM, WSL.
meliorationsbedingter zu vergleichen.
Untersucht wurden die Entwicklungen in drei nahe beieinander liegenden, von ihrer Lage und Bewirtschaftungs- struktur her vergleichbaren Gemein- den im Tafeljura des Kantons Basel- Landschaft.
In der Gemeinde Wintersingen wur- de zwischen 1983 und 1994 eine Gesamtmelioration durchgeführt.
Demgegenüber kam es in Arisdorf und Ormalingen in den vergangenen Jahren zu keinen gemeindeweiten Meliorations-Eingriffen.
Gerade noch vor der Melioration wurde 1983 in Wintersingen ein Landschaftsinventar aufgenommen.
In Ormalingen geschah dies im glei- chen Jahr und in Arisdorf 1985. Diese unpublizierten Inventare im Massstab
· 1:5000 (einzusehen beim Amt für Orts- und Regionalplanung Basel- Landschaft) dienten uns als Arbeits- grundlage. 1994nahmen wir in Winter-
singen und 1995 in Arisdorf und Ormalingen Differenzkartierungen vor:
Für jedes im Landschaftsinventar fest- gehaltene Strukturelement wurde im , ganzen Landwirtschaftsgebiet abge-
klärt, ob es an den Orten der Erst- kartierung noch oder nicht mehr vor- handen bzw. ob es an neuen Stellen aufgetreten sei. Kartiert wurden nur · neue und verschwundene Vorkommen.
Bei dieser Methode ist die Nachvoll- ziehbarkeit der ersten Aufnahme von entscheidender Bedeutung.
Im folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchungen in geraffter Form vorgestellt. Dabei sind die Befunde
Comment les ameliorations f oncieres modifient-elles la structure du paysage agricole 1 Afin de decouvrir l'ampleur des modifications apportees aux microstructures du paysage entre 1983 et 1994, des cartes com- paratives ont ete etablies pour trois communes baloises du Jura tabulaire. C' est ici que furent releves les elements du paysage dont la perte a des effets negatifs sur la biodiversite. Une ameliora- tion integrale ayant ete realisee durant la periode d'observation dans la commune de Wintersingen, cette derniere obtient un resultat nettement moins bon que !es deux autres oil aucune intervention n 'a eu lieu.
Inf.bl. Forsch.bereiches Landsch.ökol. 32, 1996