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Wildi, O. (2003). Irrtum. Vorwort zum Artikel von Walter Keller. Informationsblatt Landschaft, 58, 1.

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Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 58 2003 1

58

ISSN 1422-9277

Landschaft

2003

Swiss Federal Research Institute WSL

Informationsblatt Forschungsbereich

Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf

Institut fédéral de recherches WSL Istituto federale di ricerca WSL

Rechtzeitig zum zwanzigjährigen Ju- biläum des Waldsterbens bringt W.

Keller in dieser Nummer des Informa- tionsblattes Landschaft einen Artikel über einen Irrtum in der Wissenschaft.

Hätte es sich bei dem geschilderten Beispiel nur um einen «Betriebsun- fall» gehandelt, lohnte sich eine kriti- sche Analyse wohl nicht: Unfälle gibt es immer. Bewegt man sich, wie W.

Keller, über längere Zeit in der For- schung, so stösst man leicht auf allzu viele Fälle von Irrtümern, mehr jeden- falls, als es der Zufall zulassen dürfte.

Und wir lernen auch gleich eine der Hauptursachen kennen: Die Durch- schlagskraft menschlicher Schwächen, auch jener von Wissenschaftern.

Dass der in Biologie nicht bewan- derte Laie versucht, die Vitalität eines Baumes mit den eigenen körperlichen Erfahrungen zu vergleichen, ist sicher verständlich. Ein schweizerisches Waldsterben konnte jedoch nur ent- stehen, weil auch Wissenschafter so dachten. Hierzulande gab es 1983 kein Übermass an toten Bäumen. Also wurde der Zustand der Bäume am schütteren Erscheinungsbild der Kro- nen gemessen, am so genannten Na- del- Blattverlust – eine fatale Fehlein- schätzung. Jedes Bäumchen, das an der Waldgrenze den härtesten Um- weltbedingungen zu trotzen vermag, wäre nach diesem Kriterium «krank».

Schon damals wurde das «schüttere Haupt» als Metapher für die «schüttere Krone» diskutiert. Obwohl sie in dop- peltem Sinne falsch ist. Sowenig die schüttere Krone ein Indiz für einen geschwächten Baum ist, ist der schüt- tere Haarwuchs (von seltenen Aus- nahmen abgesehen) ein Zeichen von Krankheit.

Was W. Keller auch erwähnt, ist die Langlebigkeit von Irrtümern. Wieder nehme ich als Beispiel den Nadel- Blattverlust: Im Tagesanzeiger vom

Irrtum

Vorwort zum Artikel von Walter Keller

26. August 2003 findet sich auf der Seite 2 eine Grafik mit folgender Le- gende: «Die Sanasilva-Erhebung weist den prozentualen Anteil jener Bäume aus, die mehr als ein Viertel ihrer Nadeln oder Blätter verloren ha- ben (Kronenverlichtung).» Der grosse Irrtum von 1983 war es, zu glauben, Nadeln und Blätter seien verloren gegangen. Das waren sie nicht, es hat- te einfach weniger, als der sich am Idealbild eines Baumes orientierende Mensch erwartete. Und schon steht der Irrtum mit neuem Jahrgang 2003 wie- der in alter Frische da. Wie konnte es dazu kommen? Eine mögliche Ursa- che für das Wiederaufleben dieses Irr- tums könnte in der modernen Compu- tertechnologie gelegen haben, die es so leicht macht, Legenden aus alten Do- kumenten in neue zu kopieren!

Falls die obige Vermutung richtig ist, würde sie auch belegen, dass bei Irrtümern selten böse Absichten im Spiel sind. Meistens entstehen sie auf der Stufe der Interpretation. Hätte man 1983 über Daten zur Belaubung von Bäumen aus früheren Jahren verfügt, so wären die damaligen Beobachtun- gen an Bäumen wohl nicht als alarmie- rend angesehen worden. In der heute gepflegten naturwissenschaftlichen Praxis sind Daten die Grundlage jegli- chen Erkenntnisgewinnes. «Original- untersuchung» nennen sich stolz jene Projekte, die neue Daten vorlegen.

Leider werden in vielen Publikationen nur Auswertungen ohne Daten gezeigt.

Im Zeitalter der Modellierung ist das bedauerlich, denn neue Modelle, die auf alte Daten angewendet werden, können ebenfalls zu neuen Erkenntnis- sen führen. Das heisst in der Regel nicht, dass die alte Interpretation ein

«Irrtum» war. Von einem wissen- schaftlichen Irrtum kann nur dann ge- sprochen werden, wenn eine Interpre- tation nicht dem aktuellen Stand des Wissens entspricht. Den zu kennen

und zu beachten ist ebenfalls eines der Grundprinzipien naturwissenschaftli- chen Forschens.

W. Keller mahnt, dass wir zur Ver- meidung von Irrtümern aus der Ge- schichte lernen sollten. Was liegt da näher, als die Klimaerwärmung zu thematisieren. In der letzten Ausgabe des Informationsblattes Landschaft (Nr. 57) habe ich die von ESPER et al.

(2002) publizierte Kurve der Wachs- tumsgeschwindigkeit der Bäume im Zeitraum 800 bis 2000 n. Chr. als Bei- spiel historischer Forschung zitiert.

Ich wurde verschiedentlich darauf auf- merksam gemacht, dass die Interpreta- tion dieser Kurve gefährlich sei, weil sie zur Verharmlosungen der Situation Anlass geben könne. Ich wage deren Interpretation trotzdem: Erstens, es ist (bei uns) in den letzten hundert Jahren eindeutig wärmer geworden. Zwei- tens, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es schon morgen wieder kühler wird. Auch wenn mir dieser Schluss nicht so richtig behagt und ich eigentlich vor der Erwärmung warnen möchte, erinnere ich mich doch an die Regel 10 in der Methodenbibel von Roger H. Green aus dem Jahre 1979:

«An unexpected or undesired result is not a valid reason for rejecting the method and hunting for a ‘better’ one.»

Otto Wildi

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