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Keller, W. (2001). Wie licht und artenreich sind Niederwälder? Informationsblatt Landschaft, 51, 1-3.

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Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 51, 2001 1

51

ISSN 1422-9277

Landschaft

2001

Swiss Federal Research Institute WSL

Informationsblatt Forschungsbereich

Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf

Institut fédéral de recherches WSL Istituto federale di ricerca WSL

Wie licht und artenreich sind Niederwälder?

Der botanische Artenreichtum von Waldbeständen hängt sowohl vom na- türlich gegebenen Standort als auch von der Bewirtschaftung ab. Die Aus- wirkung einer bestimmten Waldbehandlung auf den Artenreichtum ist standortsspezifisch. Am Beispiel des Niederwaldes wird auf die Fragwürdig- keit von vorschnellen Verallgemeinerungen hingewiesen.

Walter Keller

La richesse des peuplements fores- tiers en espèces botaniques dépend de la station naturelle aussi bien que de la gestion. Les effets d’un traite- ment particulier sur la richesse en espèces varient avec la station. On démontre à l’exemple du taillis le danger d’une généralisation hâ- tive.

Je schwächer die Stellung der Forst- wirtschaft auf dem Holzmarkt wird, desto stärker bestimmen die Bedürf- nisse von Erholung oder Naturschutz die Überlegungen und die Massnah- men der Waldwirtschaft. Längst ver- gangene Nutzungsarten wie der Nie-

derwald, der als licht und artenreich gilt, werden wieder interessant. Was wissen wir aber darüber wirklich?

In der Holzproduktion hat der Nie- derwald, jedenfalls in unseren Breiten, seine Rolle längst ausgespielt. Von der

einstigen Niederwaldbewirtschaftung zeugen in der Schweiz gemäss der zwei- ten Landesforstinventur (1993/95) nur noch einige Reste von ausgewachse-

Abb. 1: Niederwaldschlag im Leitha-Gebirge (Burgenland, Österreich).

Fig. 1: Coupe de taillis dans les montagnes de Leitha (Burgenland, Autriche).

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Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 51, 2001 2 nen Stockausschlagbeständen; es han-

delt sich um Flächen von insgesamt 23 400 ha, hauptsächlich auf der Alpen- südseite. Einen Begriff von bewirt- schafteten Niederwäldern gibt ein neu angelegter Versuchsbestand der WSL in Rothenfluh (BL); er besteht aber noch nicht lange genug (seit 1998), als dass er eine Antwort auf die Frage erlaubte, wie sich der Niederwald- betrieb langfristig auf den botanischen Artenreichtum auswirke. Die Frage wurde schon in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts, also in einer Zeit, die noch über aktuelles Anschau- ungsmaterial verfügte, sehr kontrovers beantwortet.

Klimaxfrage in der Nordschweiz

J. BRAUN-BLANQUET stellte 1932 die These auf, in der Nordschweiz seien aufgrund der klimatisch bedingten Bodenversauerung und Podsolierung bodensaure Eichenwälder des Ver- bandes Quercion robori-petraeae als Klimaxgesellschaften, als klimatisch bedingte Endstadien der Vegetations- entwicklung, anzusehen. W. Lüdi widersprach 1935 dieser Auffassung vor allem mit dem Hinweis auf den

Bewirtschaftungseinfluss beim Mit- tel- und Niederwaldbetrieb: «Die neutrophilen Fagionarten sind zu- meist zugleich schattenliebend, die azidiphilen Arten des Quercetum roboris lichtliebend. Durch die in kurzen Zwischenräumen erfolgende Lichtstellung der Bodenvegetation werden die Fagionarten geschädigt, die Quercetum roboris-Arten begünstigt.»

In seinem Handexemplar von Lüdis Publikation setzte H. ETTER, Pflanzen- soziologe an der damaligen EAFV und späterer Professor in Teheran (vgl. den Nekrolog von NIPKOW und PARSA PAJOUH 1997) zu diesen Ausführungen die Randbemerkung «Mittelwald i. a.

die dunkelste Waldform!!» und kom- mentierte mit einem deutlichen «Nein»

die Folgerung von Lüdi: «So wird, wenn wir im übrigen gleiche Konkurrenz- kraft voraussetzen, durch den Mittel- wald- und Niederwaldbetrieb die Quercion roboris-Vegetation gegen- über der Fagionvegetation in hohem Masse begünstigt.» Zwei führende Schweizer Pflanzensoziologen – Her- mann Etter war Forstingenieur und be- schrieb u.a. die Eichen-Hainbuchen- wälder im Mittelland und im Kanton Genf – hatten also durchaus konträre

Ansichten vom Lichtregime in Mittel- und Niederwäldern und deren Auswir- kungen auf die Krautschicht. Wenn die heute gängige Auffassung zur potenti- ellen natürlichen Vegetation jener von Lüdi zuneigt, so dürfen wir nicht rück- schliessen, die Niederwaldwirtschaft fördere lichtliebende Arten: das hiesse, die eine These durch die andere bewei- sen zu wollen. Bilder (Abb. 1 und 2) von Beständen unter damaliger Niederwaldbewirtschaftung im bur- genländischen Leitha-Gebirge machen anschaulich, dass die Verjüngungs- flächen im Niederwald mit ihrem gro- ssen Lichtangebot der Schlagflora zwar so günstig sind wie nur eine Schlag- fläche im Kahlschlagbetrieb eines Hochwaldes, dass aber der sehr rasch aufwachsende, dicht schliessende und bald dunkelnde Niederwald die Rand- bemerkungen von Etter zum Nieder- und Mittelwald jedenfalls verständlich macht.

Standörtliche Bindung

Worauf mag sich denn die Auffassung zurückführen lassen, Niederwälder sei- en lichter und artenreicher als beispiels- weise Hochwälder? Zum Teil spielt

Abb. 2: Geschlossener Niederwaldbestand im Leitha-Gebirge (1965).

Fig. 2: Peuplement fermé de taillis dans les montagnes de Leitha (1965).

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Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 51, 2001 3 hierbei die standörtliche Bindung der

früheren Niederwälder eine Rolle. Die- ser Zusammenhang wurde im zweiten Aargauer Forstkreis untersucht. Aus den Bestandesbeschreibungen in den Wirtschaftsplänen über die 6567 ha öffentlichen Waldes wurden 10 Be- stände mit 21,78 ha als ehemalige Niederwälder aus Stockausschlägen identifiziert; dabei mussten mehrere Bestände mit Föhrenanteil ausgeschlos- sen werden, weil Föhren keine Stock- ausschläge bilden und die entsprechen- den Bestände der Definition eines Nie- derwaldes nicht entsprechen. Die Niederwaldbestände gehören zu 14 Waldgesellschaften (Abb. 3). Der Ver- gleich mit der Verteilung der Wald- gesellschaften im ganzen Forstkreis (9242 ha) in Abb. 3 zeigt, dass der Niederwald in den buchenfreien Laub- waldgesellschaften (Waldlabkraut- Hainbuchenmischwald, Kronwicken- Eichenmischwald, Platterbsen-Eichen- mischwald, Lindenmischwald) sehr deutlich übervertreten ist, nämlich bis zu 77mal stärker als bei gleichmässiger Verteilung zu erwarten. Das rührt vor allem daher, dass auf diesen zuwachs- schwachen Standorten Umwandlungen und Pflanzungen wenn nicht aussichts- los, so doch höchst unrentabel sind.

Gerade diese Waldgesellschaften sind aber die artenreichsten im untersuch-

ten Forstkreis. Die Frage bleibt, ob der Artenreichtum der Niederwaldreste, die unser Bild vom Niederwald prägen, auf die Bewirtschaftung oder auf den Standort zurückzuführen sei. Von 16 publizierten Vegetationsaufnahmen aus dem Galio-Carpinetum primu- letosum veris von Villigen, Remigen und Thalheim lassen sich drei dem früheren Niederwald, 13 dem ehema- ligen Mittelwald zuordnen. Die mittle- re Artenzahl macht im Niederwald 51,66 + 10,69, im Mittelwald 57,00 + 9,69 aus. Daraus ist ein grösserer Ar- tenreichtum der Niederwälder jeden- falls nicht abzuleiten; eher scheinen die – strukturreicheren – Mittelwälder artenreicher; aber dies ist nach den vorliegenden Daten zufällig. Der Arten- reichtum der Niederwälder ist also standörtlich bedingt: überproportional viele Niederwaldreste stocken auf Standorten artenreicher Waldgesell- schaften. Dieser Umstand bedingt un- sere Ansicht vom Niederwald.

Forschungsbedarf

Die meisten ausgewachsenen Nieder- waldbestände der Schweiz sind auf der Alpensüdseite zu finden; dort kam die Niederwaldwirtschaft erst in den 1960er Jahren zum Erliegen. Die Stockausschlagbestände sind deshalb

jünger als auf der Alpennordseite. Eine Durchsicht eigener Vegetationsauf- nahmen für das Landesforstinventar ergab, dass ausgewachsene Nieder- und Mittelwälder im – ohnehin arten- armen – Farnreichen Schneesimsen- Buchenwald (Luzulo niveae-Fage- tum dryopteridetosum) im Centovalli noch artenärmer sind als Hochwälder.

Diese Hinweise aus wenigen Aufnah- men müssten wir allerdings breiter abstützen, ehe wir Schlüsse zur Frage von Nutzen und Nachteil des Nieder- waldes für den Naturschutz ziehen.

Besonders wünschenswert wäre die langfristige Beobachtung von Nie- derwaldbeständen in Betrieb im Ver- gleich mit Hochwald auf gleichem Standort.

Einzelbeobachtungen sollten wir nicht verallgemeinern, ohne die Rand- bedingungen, besonders die stand- örtlichen Voraussetzungen zu beach- ten. An der Genese forstlicher Dog- men war schon oft festzustellen, wie schnell sich Einzelbeobachtungen mit Hilfe von plausiblen Erklärungen zu Verallgemeinerungen verdichten, die – weil verlässliches Datenmaterial fehlt – weitgehend unangreifbar sind und sich doch in der Anwendung als nachteilig oder gar verhängnisvoll er- weisen.

Literatur

Braun-Blanquet, J.; 1932:

Zur Kenntnis nordschweizerischer Waldgesellschaften. Beih. Bot. Cent.bl.

49 (Erg.bd.): 7–42.

Lüdi, W.; 1935:

Zur Frage des Waldklimaxes in der Nordschweiz. Ber. Geobot. Inst.

Eidgenöss. Tech. Hochsch., Stift. Rübel 7: 15–49.

Nipkow, P.; Parsa Pajouh, D.; 1997:

Professor Hermann Etter 1912 bis 1997.

Schweiz. Z. Forstwes. 148: 477–481.

%/%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

7 9 10 11 12 13 14 15 16 25 26 35 39 41

Abb. 3: Flächenanteil der Waldgesellschaften (Nummern nach Ellenberg und Klötzli:

7: Galio odorati-Fagetum typicum; 9: Pulmonario-Fagetum typicum; 10: Pulmonario- Fagetum melittetosum; 11: Aro-Fagetum; 12: Cardamino-Fagetum typicum; 13:

Cardamino-Fagetum tilietosum; 14: Carici albae-Fagetum typicum; 15: Carici albae- Fagetum caricetosum montanae; 16: Seslerio-Fagetum; 25: Aceri-Tilietum; 26: Aceri- Fraxinetum; 35: Galio silvatici-Carpinetum; 39: Coronillo coronatae-Quercetum; 41:

Lathyro-Quercetum) am Niederwald (öffentlicher Wald) verglichen mit dem Anteil an der gesamten Waldfläche des zweiten Aargauer Forstkreises (%:%).

Fig. 3: Part de la superficie des groupements végétaux forestiers (numérotation d’après Ellenberg et Klötzli) de taillis comparée à celle à la surface forestière totale du deuxième arrondissement forestier du canton d’Argovie (%:%).

Referenzen

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