• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Stammzellen-Import: Druck von allen Seiten" (30.11.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Stammzellen-Import: Druck von allen Seiten" (30.11.2001)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

R

eine Verzögerungstaktik“ nennt Prof. Dr. med. Oliver Brüstle das nochmalige Verschieben der Ent- scheidungen über den Import von em- bryonalen Stammzellen. Mit seiner Einschätzung mag der Bonner Neu- ropathologe und Stammzellforscher Recht behalten. Denn trotz aller ethisch-moralischen Einwände scheint die (gesellschaftlich gebilligte) For- schung an menschlichen embryonalen Stammzellen in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Brüstle ist optimistisch und dennoch frustriert. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte er bei der Deutschen Forschungs- gemeinschaft (DFG) beantragt, mensch- liche embryonale Stammzellen zu im- portieren. „Während unsere Diskussion über den Import festzufahren scheint, wird im Ausland emsig an embryonalen Stammzellen geforscht“, kritisierte er bei einer Diskussionsveranstaltung der Berliner Medizinischen Gesellschaft am 21. November. In den USA sei inzwi- schen eine internationale Stammzell- Bank eingerichtet worden, die den Aus- tausch der Zelllinien koordiniere. Auch die Europäische Union stelle mittler- weile Fördergelder zur Verfügung.

Brüstle drängt auf die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemein- schaft. Er müsse endlich wissen, woran er wäre. Auf Bitte der Politik hatte die DFG diese bereits zweimal verschoben, zuletzt auf den 7. Dezember. Jetzt ist ein weiterer Aufschub im Gespräch, nämlich auf die nächste Sitzung des Hauptausschusses am 31. Januar. Ein Brief des DFG-Präsidenten Prof. Dr.

Ernst-Ludwig Winnacker ging in diesen Tagen an die Mitglieder des Hauptaus- schusses, in dem er empfiehlt, einer nochmaligen Vertagung zuzustimmen.

Doch so lange will Brüstle nicht mehr warten. „Meiner Meinung nach muss die DFG noch in diesem Jahr klar Stel- lung beziehen“, sagte Brüstle gegen-

über der Frankfurter Rundschau. „Das könnte so aussehen, dass sie meinem Antrag zustimmt, aber das Anlaufen der Forschungsförderung verschiebt bis nach der Bundestagsdebatte.“

Eine Alternative wäre die Stamm- zellforschung im privaten Sektor, deu- tet Brüstle an. Dies führe jedoch zu we- niger Kontrolle und Transparenz. Dass das tatsächlich so ist, zeigt das jüngste Beispiel aus den USA: Ein amerikani-

sches Biotechnik-Unternehmen hat jetzt erstmals menschliche Embryonen ge- klont. Präsident George W. Bush hatte im Sommer zwar die Forschung an exi- stierenden Zelllinien befürwortet, sich aber gegen das Klonen ausgesprochen.

Eine entsprechende Gesetzesvorlage wird derzeit vom US-Senat erarbeitet.

Die DFG und ihr Präsident stehen unter Druck – und das gleich von mehre- ren Seiten. Die Forschungsgemeinschaft werde vorgeführt, die wissenschaftliche Selbstverwaltung geschwächt, meinen Brüstle und weitere Forscher. Anderer- seits kann Winnacker schwerlich die Bitte von Bundestagspräsident Wolf- gang Thierse sowie mehreren Abgeord- neten des Deutschen Bundestages, die Entscheidung zu vertagen, ignorieren.

„Wir haben den Schwarzen Peter zuge- schoben bekommen“, sagte er der Wo- chenzeitung „Die Zeit“. Der Politik

stellt Winnacker ein Ultimatum. Die DFG benötige eine feste Zusage, dass sich der Bundestag tatsächlich während der Sitzungswoche Ende Januar ent- scheide, betonte der DFG-Präsident.

„Wenn sich anbahnt, dass keine Debatte stattfindet, aus welchen Gründen auch immer, dann ist das für uns ein ganz kla- res Signal, zu handeln.“ Winnacker lässt keinen Zweifel, wie die DFG-Entschei- dung ausfallen wird: „Der Import ist rechtlich nicht verboten.“

Rückendeckung erhält die DFG von Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn. Sie will den Import embryo- naler Stammzellen unter strengen Auf- lagen erlauben. So sollen nur Zelllinien aus „überzähligen“ Embryonen ver- wendet werden, deren Herkunft ein- deutig belegbar ist und deren Spender ihr Einverständnis gegeben haben.

Die DFG hat sich bereits im Mai für die Forschung an embryonalen Stamm- zellen ausgesprochen. Sie befürwortet grundsätzlich sowohl den Import als auch – wenn es nötig sein sollte – die Herstellung von embryonalen Stamm- zelllinien. Vorerst wolle man sich auf die Forschung an importierten Zellen beschränken, erklärt sie. Doch die zwei- te Option könnte in naher Zukunft zur Debatte stehen. Untersuchungen ha- ben nämlich inzwischen ergeben, dass von den weltweit 72 verfügbaren Zell- linien nur 20 den Kriterien an eine pluripotente Stammzelllinie genügen.

Zudem ist nicht zu erwarten, dass die Forscher langfristig wissenschaftlich und kommerziell von anderen Staaten abhängig sein wollen.

Auch das Votum des Nationalen Ethikrates steht noch aus. Er wollte sich ursprünglich am 21. November äußern.

Doch die Meinungen der 25 Mitglieder zu dieser Frage seien konträr, sagte ei- ne Sprecherin. Die Entscheidung sei deshalb auf den 29. November ver- tagt worden. Vermutlich wird der Rat mehrheitlich für den Import von menschlichen embryonalen Stammzel- len votieren. Insider gehen sogar von einer Zweidrittelmehrheit inner- halb des von Bundeskanzler Gerhard Schröder eingesetzten Gremiums aus.

Die Enquete-Kommission des Deut- schen Bundestages hatte sich mehr- heitlich gegen den Stammzellen-Im- port ausgesprochen. Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 48½½½½30. November 2001 AA3163

Stammzellen-Import

Druck von allen Seiten

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wird ihre Entscheidung vermutlich nochmals vertagen. Doch die Forscher drängen.

Prof. Dr. med.

Oliver Brüstle will möglichst bald embryo- nale Stammzell- linien impor- tieren.

Foto: Eberhard Hahne

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch Cori- na Gericke, wissenschaftliche Mitar- beiterin der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche, kritisiert, dass die For- schung an Tieren die Medizin wegen

Bei der Analyse von Skutellas Daten stießen sie auf ein überra- schendes Ergebnis: Die Zellen seien wahr- scheinlich nicht pluripotent, sondern auch ein- fache Fibroblasten,

Für die Zielgruppenmitarbeiter ohne eine anerkannte Schwerbehinderung (gemäß „Ge- genstand der Förderung, Voraussetzungen (2)“ der Bundesrichtlinie: Personen, die den

Das bislang be- währte Instrument der Mitarbeiterbetei- ligung, mit welchem für qualifizierte ärztliche Mitarbeiter – insbesondere für Oberärzte – ein für den Verbleib

Mario Ana von HORST: Gesang, Gitarre, Fotzenhobel (Mundharmonika) Luke von HORST: Gitarre, Back-Vocals,.. Steve von HORST: Gitarre ,

Der Arzt sollte sich während sei- nes gesamten Berufslebens ver- pflichtet fühlen, sich fortzubilden, um sich über die modernsten Ver- fahren in Diagnostik und Therapie

Da es sich um eine Gewissens- frage handele, wolle sie den Bundes- tagsabgeordneten nicht raten, wie sie sich bei der wegen Termin- schwierigkeiten auf Januar verscho- benen

Dagegen stimmte das Parlament mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD, wonach sich der Bun- destag voraussichtlich im