Jugendpsychiatrie
Zu dem Beitrag „Psychisch kranke Kinder und Jugendliche: Stiefkinder des Gesundheitssystems?“ von Dr. Peter Pohl in Heft 16/2000:
Fachärztliche Behandlung
. . . Der Autor konnte ein- drucksvoll zeigen, dass nur ein geringer Teil psychisch kranker Kinder und Jugend- licher in Deutschland profes- sionell behandelt wird, viele psychisch kranke Kinder und Jugendliche sind in Kinder- kliniken oder in psychiatri- schen Kliniken für Erwachse- ne fehlplatziert.
Der Autor zieht den Schluss:
„Um Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankun- gen nicht mehr wie Stiefkin- der des Gesundheitssystems zu behandeln, sollten – etwa auf dem Hintergrund des Psychotherapeutengesetzes – neben dem monopolistischen Angebot zusätzliche ambu- lante und stationäre Einrich- tungen geschaffen werden.“
Diese Schlussfolgerung ist falsch, und dieser muss ich entschieden widersprechen.
Nur ein kleiner Teil der psy- chisch kranken Kinder und Jugendlichen braucht primär eine ausschließliche Psycho- therapie, die weitaus meisten benötigen eine fachärztliche Behandlung, die, wie in der Kinder- und Jugendpsychia- trie, Tradition, psychiatrische, neurologische, psychothera- peutische und psychosoziale Ansätze integriert und so ei- ne ganzheitliche Therapie si- cherstellt. Gott sei Dank gibt es inzwischen eine sehr star- ke Gruppe von niedergelas- senen Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, wenngleich diese in Deutschland ca. 500 Kollegen bei weitem noch nicht den Bedarf vollständig abdecken können. Dennoch handelt es sich um die zah- lenmäßig am schnellsten wachsende Facharztgruppe in Deutschland. 200 dieser niedergelassenen Fachärzte für Kinder- und Jugend- psychiatrie und Psychothera- pie setzen die zum 1. Juli 1994
zwischen den Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abge- schlossene „Sozialpsychia- trievereinbarung“ um. In vie- len, wenn auch nicht in allen Bundesländern haben sich die Primärkassen dieser Ver- einbarung angeschlossen. In diesem Konzept wird ein fachübergreifender multimo- daler Diagnostik- und Be- handlungsansatz verwirk- licht. Die „Sozialpsychiatrie- vereinbarung“ sieht vor, dass jeder daran teilnehmende Kinder- und Jugendpsychia- ter mindestens 1,5 nichtärztli- che Mitarbeiter (Psycholo- gen, Heilpädagogen, Sozial- pädagogen etc.) in seiner Praxis beschäftigen muss.
Die „Sozialpsychiatrieverein- barung“ hat sich als hoch effektiv und zugleich als sehr kostengünstig und lei- stungsfähig erwiesen. . . . Univ.-Prof. Dr. med. Götz-Erik Trott, Frohsinnstraße 26,
63739 Aschaffenburg
Im guten Mittelfeld
. . . Die ambulante psycho- therapeutische und kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung von psychisch kranken Kindern und Ju- gendlichen ist tatsächlich bis- her erst etwa zur Hälfte ge- deckt. Seit 1988 hat sich nach unserer Einschätzung im Ge- gensatz zur Darstellung von Herrn Pohl die ambulante Versorgungssituation im Be- reich der ärztlichen Kinder- und Jugendpsychotherapie und Kinder- und Jugend- psychiatrie jedoch deutlich gebessert. Es sind ca. fünfmal mehr Kollegen niedergelas- sen als 1988, allein in den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der niedergelasse- nen Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendpsychotherapie ver- doppelt.
Obwohl Herr Pohl die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psy- chotherapie im ambulanten Versorgungsbereich gänzlich vergisst, bezieht er sich bei der Beschreibung der sta- tionären Versorgung psy-
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 28–29½½½½17. Juli 2000 AA1967
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chisch kranker Kinder und Jugendlicher vorzugsweise auf die Situation in der Kinder- und Jugendpsychia- trie und -psychotherapie in Deutschland. „Danach stand Deutschland in der Europäi- schen Union 1993 an vorletz- ter Stelle der kinder- und jugendpsychiatrischen Ver- sorgung durch Fachärzte.“
Diese Einschätzung ist nicht mehr aktuell: Inzwischen be- wegt sich die deutsche Kin- der- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, „was ihre Personalausstattung und institutionelle Verankerung betrifft“, im „guten Mittel- feld in Europa“ (Rem- schmidt in Z. Kinder- und Ju- gendpsychiatr. 28 [1], 2000).
Die Zahl der ca. 5 500 kin- der- und jugendpsychiatri- schen Klinikplätze kann in- zwischen als ausreichend an- gesehen werden. Bei einer rechnerisch ermittelten sechs- bis siebenmaligen Be- legung eines Klinikplatzes pro Jahr ergibt sich eine kli- nische Behandlungskapazität von 35 000 bis 38 000 Be- handlungsepisoden (Evalua- tion der Psych-PV, 1998).
Wünschenswert ist jedoch der weitere Ausbau teilsta- tionärer Einrichtungen, zum Beispiel von Tageskliniken.
Die Hinzuziehung der Kran- kenhausdiagnosenstatistik von 1997 eröffnet interessan- te Aspekte, zur Einschät- zung des stationären Versor- gungsbedarfes ist sie aber al- lein – zumindest bezogen auf die zum Teil unsinnigen Dia- gnosen bei Säuglingen, aber auch anderen Altersgruppen – wenig aussagekräftig, da Fragen nach der Bildung der ärztlichen Diagnose oder dem Einweisungsverhalten usw. unberücksichtigt blei- ben.
Herr Pohl fordert am Ende seines Artikels, dass „neben dem monopolistischen An- gebot zusätzliche ambulante und stationäre Einrichtun- gen geschaffen werden“ soll- ten. Wir können zustimmen, dass die ambulante psycho- therapeutsche Versorgung durch spezifisch qualifizierte ärztliche und nichtärztliche
Kinder- und Jugendpsycho- therapeuten verdoppelt wer- den muss, wir fordern aber andererseits, dass weitere wohnortnahe teilstationäre Einrichtungen geschaffen und vor allem die Kooperati- on zwischen Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychia- trie und -psychotherapie und (nichtärztlichen) Kinder- und Jugendlichenpsychothe- rapeuten deutlich verbessert werden sollte. Von einem
„monopolistischen“ Ange- bot (was immer Herr Pohl damit auch meint) sind wir jedoch weit entfernt: In ca.
200 sozialpsychiatrischen Praxen wird ein fachüber- greifender multimodaler Therapie- und Behandlungs- ansatz verwirklicht, bei dem mit Heilpädagogen, Sozial- pädagogen u. a. im multipro- fessionellen Team mehr- dimensionale Behandlungs- konzepte für Kinder, Ju- gendliche und ihre Bezugs- personen erarbeitet werden.
Dabei ist die notwendige Kooperation ärztlicher und nichtärztlicher Therapeuten gegeben.
Am Abbau stationärer Bet- ten um 40 Prozent zwischen 1991 und 1996 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und an dem Zuwachs ambulanter Praxen für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie um ca.
60 Prozent im gleichen Zeit- raum lässt sich das Versor- gungskonzept der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsych- iatrie und -psychotherapie unter dem Motto „ambulant vor stationär“ ablesen. Unser Ziel ist es, die wohnortnahe Versorgung psychisch kran- ker Kinder und Jugendlicher weiter auszubauen und zu ge- währleisten.
Für die einseitige Auswei- tung stationärer psychothera- peutischer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche se- hen wir derzeit keinen Be- darf.
Dr. med. Christa Schaff Vorsitzende BKJPP
Dr. med. Joachim Jungmann Vorsitzender BAG
Prof. Dr. med. Ulrike Lehmkuhl Vorsitzende DGKJP
Ambulantes Operieren
Zu dem Kommentar „Dreiseitiger Ka- talog umstritten“ von Dr. med. Jür- gen Zastrow in Heft 24/2000:
Korrekte Angabe
. . . Den „Gemeinsamen Ar- beitskreis“ (der übrigens aus acht Personen besteht) von Deutscher Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkun- de, Kopf- und Hals-Chirur- gie, Arbeitsgemeinschaft der HNO-Chefärzte und dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte stellt Dr. Zastrow nach Zu- sammensetzung und Funkti- on falsch dar. Die nachfol- gende korrekte Angabe dürf- te für sich sprechen:
❃Zwei Vertreter des Präsidi- ums der HNO-Fachgesell- schaft (einer davon niederge- lassener ambulanter Opera- teur)
❃zwei Vertreter der AG der HNO-Chefärzte (davon ei- ner ambulanter Operateur)
❃vier Vertreter des Berufs- verbandes (alles niedergelas- sene Operateure).
Ergänzend sei angemerkt, dass der Deutsche Berufsver- band der HNO-Ärzte korpo- ratives Mitglied im BAO (Bundesverband Ambulan- tes Operieren e.V.) ist.
Dr. med. Klaus Otto, 2. Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte e.V.
Postfach 14 27, 24509 Neumünster
Liquidationen
Zu dem Leserbrief „Liquidationen“
von Dr. med. Martin Strowitzki in Heft 24/2000:
Beschämend
Den beschriebenen „Moral-“
beziehungsweise „Wertever- fall“ finde ich ebenfalls sehr bedauerlich und kann aus der eigenen Erfahrung bestäti- gen, dass bis auf zwei bis drei wenige noble Ausnahmen, zum Beispiel mein letzter Klinikchef, welcher mir nach stattgehabter Operation in
jenem Hause überhaupt keine Rechnung für die An- ästhesie seiner Abteilung stellte, allenorts von „Kolle- gen“ uns (das heißt meiner Frau, ebenfalls Fachärztin, und mir) in der Regel der 2,3- fache Satz (oder auch höher) berechnet wurde und wird, einmal mir sogar (belegbar) von einem operativen Chef- arzt eines Hauses, in welchem ich gleichzeitig als Anästhe- sist arbeitete, mit mehr Zif- fern als stattgefunden (. . . und welcher Assistenz- arzt innerhalb seiner FA-Wei- terbildung würde sich über eine solche Rechnungsstel- lung des Chefarztes der ande- ren Abteilung beschweren?).
Dieses Verhalten ist so be- schämend, dass man es ruhig öfter im DÄ anprangern sollte!
Dr. med. Arnulf Göbel, Bergstraße 39, 36100 Petersberg
Geschichte
Zu dem Beitrag „Georg Friedrich Lou- is Stromeyer – Orthopäde, Militärarzt und Literat“ von Wibke Kröner und Dirk Schultheiss
in Heft 23/2000:
Vom Heiraten
Die Verfasser schreiben:
„Seine (Stromeyers) älteste Tochter Anna sollte später Stromeyers berühmten Schüler Johann Friedrich Au- gust von Esmarch (1823 bis 1908) heiraten.“ Wenn die Autoren mit dieser Formulie- rung sagen wollen, dass dies lediglich eine Absicht war, haben sie Recht. Wenn sie allerdings – was wahrschein- lich ist – damit ausdrücken möchten, dass Herr Professor von Esmarch Fräulein Stro- meyer wirklich geheiratet hat, sind sie im Irrtum. Es- march machte nämlich eine nicht minder gute Partie, in- dem er Henriette Prinzessin von Schleswig-Holstein, die Tante der späteren deutschen Kaiserin Auguste Victoria, Frau des Kaisers Wilhelm II., heiratete.
Prof. Dr. med. H.-D. Göring, Auenweg 38, 06847 Dessau
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A1968 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 28–29½½½½17. Juli 2000
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