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Archiv "Kassenarztabrechnung und Datenschutz: Strikte Rechtsgüterabwägung bei Datenweitergabe" (25.02.1988)

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(1)

Justitielle Erledigung der Verfahren gegen Ärzte Einstellungen

ins- son-

§ 1531 I §153 a I stige I ge- samt Antrag

auf Straf- befehl An-

klage § 170 II

Ärzte, gegen die er- mittelt

wird

andere Beschul-

digte der Heilbe- rufe**) Erfas-

sungs- zeitraum

1. 1. 1982- 31. 12. 1984

1. 1.- 30. 6. 1985

1. 7.- 31. 12. 1985

1. 1.- 30. 6. 1986

39*)

179 1946 584

51 96

60 4 10

14 29 42 4

1 10 58 537

613 7 7 468

14 48

1 12 5

1238 3 17

2 10 5 27

551 6 9 10

1. 7.- 31. 12. 1986

110 264 6 9 15 16 5 14 50

1. 1.- 30. 6. 1987

7 9 9

6 18 59 84

180 415

Ermittlungsverfahren gegen Ärzte Generalstaatsanwaltschaft Hamm (1982 bis 1987)

insgesamt 1239 5027 40 75 611 42 58 95 806

*) Zu Beginn des Erfassungszeitraumes anhängige Verfahren gegen 39 Arzte.

**) z. B. Zahnärzte, Apotheker (sowie deren Personal), Patienten und Verantwortliche von Krankenhäusern.

Quellen: Auszug aus der Halbjahresstatistik der Generalstaatsanwaltschaft Hamm über Er- mittlungsverfahren wegen „Abrechnungsmanipulationen im Medizinalbereich"; Berechnun- gen Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (L 26); Wissenschaftliches Symposium der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dortmund, September 1987 (Protokollband der Tagung erscheint im Frühjahr 1988).

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

Kassenarztabrechnung und Datenschutz:

Strikte Rechtsgüterabwägung bei Datenweitergabe

Prinzipiell unterliegen die auf dem Krankenschein und anderen Unterlagen bei den Kassenärzt- lichen Vereinigungen und den Kran- kenkassen über Patienten und Ärzte festgehaltenen personenbezogenen Daten dem weitreichenden Schutz des Sozialgeheimnisses gemäß § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I (SGB I).

Sofern die Betroffenen nicht zur Da- tenweitergabe eingewilligt haben, dürfen personenbezogene Daten der Patienten und Arzte, insbesondere die in der Patientenkartei des Arztes festgehaltenen Daten, nach § 35 Abs. 2 SGB I nur unter den Voraus- setzungen der §§ 68 bis 77 SGB X of- fenbart werden.

Allerdings ist die Kassenärzt- liche Vereinigung nach § 69 Abs. 1 SGB X befugt, ihre für die Durch- führung eines Strafverfahrens ge-

mäß § 73 SGB X erforderlichen Erkenntnisse an die Staatsanwalt- schaft zu offenbaren. Die Offenba- rung unterliegt einer strikten Rechtsgüterabwägung. Dies hatte der Landesbeauftragte für den Da- tenschutz Nordrhein-Westfalen, Dr.

jur. Heinrich Weyer, Düsseldorf, schon im 8. Tätigkeitsbericht sei- ner Behörde auf Grund einer An- frage einer HKV. Das gleiche hat inzwischen auch der Bundesbeauf- tragte für den Datenschutz in sei- nem 10. Tätigkeitsbericht ausge- führt.

Die HKV hatte den Daten- schutzbeauftragten um Klärung dar- über gebeten, ob es zulässig sei, die von Kassenärzten abgerechneten Krankenscheine an die Ermittlungs- behörde weiterzuleiten. Bei der Er- mittlung muß nach Darlegung des

Datenschutzbeauftragten folgendes beachtet werden:

0

Es muß prinzipiell eine rich- terliche Anordnung vorliegen damit

§ 73 SGB X zum Zuge kommt, der die Offenbarung personenbezogener Daten für die Durchführung eines Strafverfahrens nur unter strengsten (in § 73 SGB X genannten) Voraus- setzungen zuläßt. (Die richterliche Anordnung lag in dem zu klärenden Fall nicht vor). Danach ist eine Of- fenbarung von Patientendaten dann zulässig, wenn diese zwingend not- wendig sind, um eine gesetzliche Aufgabe nach dem Sozialgesetzbuch zu erfüllen oder ein damit zusam- menhängendes gerichtliches Verfah- ren (einschließlich eines Strafverfah- rens) durchzuführen. Dabei werden die Staatsanwaltschaft beziehungs- weise die Ermittlungsbehörden nicht

„präventiv", von sich aus tätig, son- dern nur auf Grund einer Anzeige (also repressiv). Darauf hat auch Kriminalrat Axel Lüdders, Landes- kriminalamt Düsseldorf, anläßlich eines „Wissenschaftlichen Symposi- ums über Rechtsfragen bei Ermitt- lungsverfahren gegen Kassenärzte wegen fehlerhafter Honorarabrech- nung", veranstaltet von der KV Westfalen-Lippe, hingewiesen.

©

Nach § 368 n, Abs. 1 RVO müssen die KVen den Krankenkas- sen und den Krankenkassenverbän- den gegenüber gewährleisten, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Er- fordernissen entspricht. Falls die KV feststellt, daß ein Kassenarzt gegen diese Erfordernisse in einer Weise verstößt, die strafrechtlich relevant ist, ist die Kassenärztliche Vereini- gung nach § 69 Abs. 1, Nr. 1 SGB X befugt, ihre für die Durchführung ei- nes Strafverfahrens erforderlichen Erkenntnisse an die Staatsanwalt- schaft zu offenbaren.

(e)

Die Krankenkassen sind be- fugt, ihre Erkenntnisse und die da- zugehörigen Unterlagen (Rezepte, Krankenscheine, AU-Bescheinigun- gen, Überweisungsformulare, Kar- teikarten u. a.) an den Zulassungs- ausschuß für Ärzte zu offenbaren, um

gegebenenfalls den Kassenarzt die

Zulassung zu entziehen, weil er seine kassenärztlichen Pflichten „gröb- lich" verletzt hat (gemäß §§ 368 a Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988 (37) A-423

(2)

Abs. 6 RVO und 368 b Abs. 1 RVO). Soweit die Verletzung der kassenärztlichen Pflichten straf- rechtlich relevant ist (etwa bei der Abrechnung nicht selbst erbrachter Leistungen), sind die Krankenkas- sen und/oder deren Verbände be- fugt, begründete Verdachtsfälle und Erkenntnisse zur Einleitung von Strafverfahren an die Ermittlungs- behörden weiterzugeben.

8

Allerdings dürfen personen- bezogene Daten der Versicherten nur insoweit offenbart werden, als dies zur Beweisführung zwingend er- forderlich ist. Der damit verbundene Eingriff in das "informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patien- ten" nach Artikel 2 Abs. 1 in Ver- bindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nach Angaben der NRW-Datenschutzbeauftragten

"verhältnismäßig", da das Interesse der Versichertengemeinschaft, sich gegen Abrechnungsmanipulationen wirksam zu schützen, höher zu be- werten ist.

Bei der Weiterleitung personen- bezogener Daten durch die Kassen- ärztliche Vereinigung oder die Kran- kenkassen oder deren Verbände an die Ermittlungsbehörden muß stets eine Rechtsgüterabwägung erfolgen.

Der Arzt ist zur Offenbarung dann befugt, soweit dies der Schutz eines höheren Rechtsgutes erfordert (§ 2 Abs. 4 der ärztlichen Berufsord- nung). Bei der Abwägung können auch berechtigte eigene oder fremde Interessen berücksichtigt werden.

Stets müssen alle Umstände des Ein- zelfalles berücksichtigt und der Ver- hältnismäßigkeitsgrundsatz (wie im Strafverfahren) beachtet werden.

Aus dem Gesamtzusammenhang und der Rechtsgüterabwägung (Ge- heimhaltung von Patientendaten;

ärztliche Schweigepflicht; § 203 StGB) ergibt sich nach Interpretation der Datenschutzbeauftragten des Bundes und Nordrhein-Westfalens:

~ Das Interesse der Kranken- kassen an der Verhinderung oder strafrechtlichen Verfolgung von Ma- nipulationen hat prinzipiell Vorrang vor dem Interesse des Patienten an einer strikten Geheimhaltung seiner der KV beziehungsweise der Kran- kenkasse zu Abrechnungszwecken

offenbarten Daten. HC

Orphan Drugs -

die USA als Vorbild

Ein Europäisches Förderungs- programm für die Erforschung und Entwicklung von Orphan Drugs for- derten Vertreter der europäischen Pharmaindustrie auf einer Tagung von Organisationen der forschenden Industrien Ende 1987 in Brüssel.

, ,Im Interesse der betreffenden Patienten muß sichergestellt wer- den, daß Arzneimittel für seltene Krankheiten entwickelt werden'', erklärte Professor Dr. Hans-Ger- hard Schwick (Behring AG): "Ich würde sonst auch keinen Sinn in den Fortschritten der Diagnostik se- hen.''

Orphan Drugs, das sind Medi- kamente gegen Krankheiten, die so selten sind, daß sich die Kosten für Forschung und Entwicklung für die Pharmaindustrie nicht lohnen: Der Absatzmarkt ist zu klein oder nicht lohnend, weil Länder der Dritten Welt die Medikamente nicht bezah- len können.

Hohe Sicherheitsanforderungen haben die Forschungs- und Entwick- lungskosten, besonders die Kosten für die klinische Erprobung, für Me- dikamente in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen. Dazu kommen Hemmnisse bei der amt- lichen Zulassung der Medikamente, die Verkürzung des Patentschutzes für Arzneimittel und die Verschär- fung der Produkthaftung. Betriebs- wirtschaftliche Überlegungen bei den Pharmakonzernen führen dazu, daß nicht für jede Krankheit nach dem benötigten Medikament ge- forscht wird.

Der Schwerpunkt der For- schung der Pharmaindustrie verla- gert sich zunehmend auf die Ent- wicklung und Vermarktung von Me- dikamenten, die möglichst wenig Forschungsaufwand benötigen und möglichst vielen Kranken Heilung versprechen. Die Auswahl ist groß- Orphan Drugs haben dabei kaum Chancen.

Die Orphan Drugs, die heute neu auf den Markt kommen, sind meist nicht aus gezielten For- schungsbemühungen entstanden, A-424 (38) Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988

sondern als "Gelegenheitsprodukt"

aus einem anderen Forschungspro- jekt, als Reputationsobjekt für die Firma oder weil die Forschungsko- sten ungewöhnlich niedrig waren.

Orphan Drugs werden in der Bundesrepublik häufig zusammen mit den Universitätskliniken er- forscht. Da aber der Anteil der me- dizinischen Grundlagenforschung sich in den letzten 20 Jahren zugun- sten der Lehre verringert hat, geht auch dieses Forschungspotential zu- rück. Allerdings hat die Max- Planck-Gesellschaft in jüngster Zeit die Einrichtung von wissenschaft- lich-klinischen Einheiten in Angriff genommen.

In den USA wurde die Proble- matik der Orphan Drugs schon frü- her erkannt. Seit 1983 gibt es ein Or- phan-Drug-Gesetz, das die Pharma- firmen für die Forschung und Ent- wicklung von Orphan Drugs finan- ziell unterstützt. Außerdem wird das Genehmigungsverfahren bei der amerikanischen Food and Drugs Administration (FDA) beschleu- nigt. Die Forschung wird von der Bundesgesundheitsbehörde beauf- sichtigt, um die Verschwendung von Forschungsmitteln zu verhindern.

Unter Orphan Drugs fallen nach diesem Gesetz Medikamente gegen Krankheiten, die weniger als 200 000 Patienten in den USA be- treffen oder die voraussichtlich ihre Entwicklungskosten in sieben Jah- ren nicht hereinbringen können. 165 verschiedene Medikamente sind durch dieses Gesetz bisher unter- stützt worden, 18 davon sind bereits auf dem Markt. Durch die finanziel- len Anreize war es möglich, Medika- mente für Patientengruppen von et- wa 30 Personen mit dem gleichen Si- cherheitsstandard wie für andere Medikamente zu entwickeln.

Insgesamt seien die Erfahrun- gen mit dem Gesetz in den USA po- sitiv, berichteten US-Vertreter - so- wohl der Industrie wie der FDA- in Brüssel. In welcher Art ein ähn- liches Förderungsprogramm auf eu- ropäischer Ebene etabliert werden kann, bleibt jedoch fraglich. Daß ein solches Gesetz notwendig ist, um die Versorgung von Orphan-Patienten sicherzustellen, bestritt auf dem Brüsseler Kongreß niemand. sk

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