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Einfluss von Calreticulin-Mutationen auf die Prognose von Patienten mit Myelofibrose nach allogener Stammzelltransplantation

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation der Medizinischen Hochschule Hannover

Einfluss von Calreticulin-Mutationen auf die Prognose von Patienten mit Myelofibrose nach allogener Stammzelltransplantation

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Rabia Shahswar aus Kabul

Hannover 2018

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 09.09.2019 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. Michael Heuser

1. Referent: Prof.‘in Dr. med. Gudrun Göhring 2. Referent: Prof. Dr. med. Kais Hussein

Tag der mündlichen Prüfung: 09.09.2019 Prüfungsausschuss

Vorsitz: Prof. Dr. med. Arnold Ganser

1. Prüfer: Prof. Dr. med. Anibh Das

2. Prüfer: Prof.‘in Dr. med Sibylle von Vietinghoff

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Meinen Eltern, meinen Brüdern

Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht

forschen.

(J. W. Goethe 1829)

(4)

IV Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ... IV

1 Einleitung ... 6

1.1 Myeloproliferative Neoplasien ... 6

1.1.1 Definition und Einteilung ... 6

1.1.2 Klinik ... 7

1.1.3 Epidemiologie, Ätiologie und Risikofaktoren ... 8

1.1.3.1 Häufigkeit und Überleben ... 8

1.1.3.2 Ätiologie und Risikofaktoren ... 12

1.2 Primäre und sekundäre Myelofibrose ... 15

1.2.1 Definition und Klinik ... 15

1.2.2 Klassifikation ... 16

1.2.3 Diagnostik ... 19

1.2.3.1 Histopathologische Eigenschaften ... 24

1.2.3.2 Molekulargenetische Eigenschaften ... 27

1.2.3.3 Zytogenetische Eigenschaften ... 27

1.2.4 Pathogenese ... 29

1.2.5 Differentialdiagnosen ... 39

1.2.6 Prognose und Risikostratifizierung ... 41

1.2.7 Therapie ... 53

1.2.7.1 Therapie der Niedrig- und Intermediär-1-Risikogruppe ... 54

1.2.7.2 Therapie der Intermediär-2 und Hoch-Risikogruppe ... 62

1.3 Zielsetzung der Arbeit ... 65

2 Patienten, Material und Methoden ... 66

2.1 Patienten ... 66

2.1.1 Allgemeine Charakterisierung der Studienpopulation ... 66

2.1.2 Zyto-und molekulargenetische Untersuchung der Studienpopulation ... 66

2.2 Material ... 67

2.3 Methoden ... 73

2.3.1 Isolierung der mononukleären Zellen aus Vollblut oder Knochenmark ... 73

2.3.2 Bestimmung der Zellzahl mittels Neubauer-Zählkammer ... 74

2.3.3 Einfrieren von Zellen durch Kryopräservation ... 75

2.3.4 DNA-/RNA-Extraktion ... 75

2.3.5 Vervielfältigung von DNA-Abschnitten durch Polymerase-Kettenreaktion ... 79

2.3.6 Gel-Elektrophorese ... 83

2.3.7 Aufreinigung von PCR-Produkten ... 86

2.3.8 DNA-Sequenzierung nach Sanger ... 87

(5)

2.4 Statistische Auswertung ... 90

3 Ergebnisse ... 92

3.1 Charakterisierung der Studienpopulation ... 92

3.2 Calreticulin-Mutationsstatus in der Studienpopulation ... 97

3.3 Auswirkungen von Calreticulin-Mutationen auf klinische Parameter ... 105

3.4 Auswirkungen von Calreticulin-Mutationen auf Transplantationsparameter ... 105

3.5 Assoziation zwischen Calreticulin-Mutationen und anderen Mutationen ... 106

3.6 Einfluss von Calreticulin-Mutationen und anderen klinischen Parametern auf das Gesamtüberleben von transplantierten Myelofibrose-Patienten ... 111

3.7 Einfluss von Calreticulin-Mutationen und anderen klinischen Parametern auf das Rezidiv-freie Überleben von transplantierten Myelofibrose-Patienten ... 118

3.8 Einfluss von Calreticulin-Mutationen und anderen klinischen Parametern auf die Non-relapse mortality und die kumulative Rezidivinzidenz von transplantierten Myelofibrose-Patienten ... 124

4 Diskussion ... 137

4.1 Prognostische Bedeutung von Calreticulin-Mutationen bei Myelofibrose-Patienten nach allogener Stammzelltransplantation ... 137

4.2 Patientencharakteristika ... 140

4.3 Prognostische Bedeutung von Transplantationsparametern bei Myelofibrose- Patienten nach allogener Stammzelltransplantation ... 142

4.4 Calreticulin-Mutationen bei anderen myeloproliferativen Erkrankungen ... 143

4.5 Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 Calreticulin-Mutationen ... 144

4.6 Die Funktion von Calreticulin ... 145

4.7 Calreticulin als unabhängiger prognostischer Marker ... 147

5 Zusammenfassung ... 148

Literaturverzeichnis ... 150

Abbildungsverzeichnis ... 169

Tabellenverzeichnis ... 172

Abkürzungsverzeichnis ... 174

Lebenslauf ... 177

Publikationen ... 179

Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 und 7 der Promotionsordnung ... 181

Danksagung ... 182

(6)

6 1 Einleitung

1.1 Myeloproliferative Neoplasien

1.1.1 Definition und Einteilung

Die myeloproliferativen Neoplasien bilden eine heterogene Gruppe klonaler hämatopoetischer Stammzellerkrankungen, welche charakterisiert sind durch eine Proliferationssteigerung der erythtroiden, megakaryozytären oder granulozytären Zellreihe und einer Progressionstendenz zur akuten myeloischen Leukämie. [1]

Erstmals begrifflich unter dem Namen „myeloproliferative disorders“ (MPD) erfasst wurden sie 1951 von William Dameshek. Unter Berücksichtigung der Eigenschaft zur unkontrollierten trilineären Proliferation sowie des Risikos der Transformation in eine akute myeloische Leukämie erfolgte die Umbenennung in „myeloproliferative neoplasms“ (MPN) und umfasste ursprünglich die primäre Myelofibrose (PMF), die essentielle Thrombozythämie (ET), die chronische myeloische Leukämie (CML) sowie die Polycythaemia vera (PV). [1] Die einzelnen Entitäten wurden bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert beschrieben [2]: die CML 1845 durch J.H. Bennett, die PMF 1879 durch G. Heuck, die PV 1892 durch L.H. Vaquez und die ET 1934 durch E. Epstein und A. Goedel. [3] Die Entdeckung des Philadelphia-Chromosoms und seines regelhaften Vorkommens bei CML-Patienten im Jahre 1960 durch P. Nowell und D. Hungerford, die Charakterisierung desselbigen als reziproke Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (t(9;22)(q34;q11)) durch J. Rowley (1972) sowie die weitere Identifizierung des BCR/ABL1-Transkripts (1985/6) und seines daraus resultierenden und CML verursachenden Fusionsproteins P210 führten zu einer Abgrenzung dieser Entität von den anderen sogenannten BCR/ABL1-negativen, klassischen myeloproliferativen Neoplasien. [4]

Die von der WHO (World Health Organization) 2001 herausgegebene und 2008 erneuerte Klassifikation zählte insgesamt 8 Entitäten der myeloproliferativen Neoplasien, welche in den folgenden Jahren aufgrund neuer Erkenntnisse insbesondere auf molekularer Ebene modifiziert wurden. [1]

Die klassischen myeloproliferativen Neoplasien stellen hierbei die häufigste Subgruppe dar.

Sie entstehen als Resultat erworbener somatischer Mutationen in einer einzelnen hämatopoetischen Stammzelle, welche zu einem Selektionsvorteil der mutierten gegenüber den normalen Stammzellen führen und eine übermäßige Produktion terminal differenzierter, voll funktionsfähiger Blutzellen zur Folge haben. [4–5] Eine Ausnahme stellt die primäre Myelofibrose dar, die infolge ineffektiver Hämatopoese zur Fibrosierung des Knochenmarks

(7)

und damit einhergehender Insuffizienz und Panzytopenie im späteren Krankheitsstadium führt.

Je nach Entität ist bei der Polycythaemia vera die erythrozytäre Zellreihe primär betroffen und vorherrschend, bei der essentiellen Thrombozythämie die megakaryozytäre und bei der primären Myelofibrose die megakaryozytäre und granulozytäre Zellreihe. [6–7] In über 95 % der Fälle von myeloproliferativen Neoplasien treten Mutationen eines der Gene JAK2, MPL oder CALR auf. [5] Eine genaue Beschreibung der genannten Gene sowie ihrer Rolle in Pathogenese, Diagnose und Therapie erfolgt im weiteren Verlauf dieser Arbeit.

1.1.2 Klinik

Klinisch treten je nach Entität sehr unterschiedliche Symptome auf. Myelofibrose-Patienten zeigen sich zu Beginn der Erkrankung nicht selten asymptomatisch und fallen erstmals durch Blutbildveränderungen, am häufigsten Thrombozytose und transfusionspflichtige Anämie, auf.

Im weiteren Verlauf treten dann, infolge der Verdrängung der physiologischen Blutbildung im Knochenmark durch zunehmende Fibrosierung, Zytopenie-typische Symptome wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Infektanfälligkeit sowie Kachexie und mit extramedullärer Hämatopoese einhergehende Hepatosplenomegalie auf. [8–10]

Krankheitsassoziierte Komplikationen wie venöse und arterielle Thromboembolien, Hämorrhagien und leukämische Transformationen, Letztere mit einer Häufigkeit von 20 % in den ersten 10 Erkrankungsjahren angegeben, stellen mitunter häufige Todesursachen dar.

[4,8,11]Bei Patienten mit essentieller Thrombozythämie und Polycythaemia vera äußert sich die teils massiv erhöhte Thrombozyten- respektive Erythrozytenzahl in Mikrozirkulationsstörungen mit Seh- und Sprachstörungen, Splenomegalie sowie erhöhtem Blutungs- und Thromboembolie-Risiko. Ähnlich der Myelofibrose treten auch hier Müdigkeit, Gewichtsverlust und Knochenschmerzen, jedoch weitaus seltener, auf. Neben einer Progression in eine akute myeloische Leukämie ist eine Transformation in eine Post-ET- respektive Post- PV Myelofibrose (sekundäre Myelofibrose) möglich. [12–13] Trotz klinisch und laborchemisch unterschiedlicher Charakteristika ist eine exakte Diagnosestellung zu Krankheitsbeginn bisweilen schwierig. Es sind Fälle zu beobachten, in denen Entitäten ineinander übergehen. Auch die Unterscheidung zwischen essentieller Thrombozythämie und frühem Stadium präfibrotischer Myelofibrose mit Thrombozytose („falsche“ ET) stellt mitunter eine Herausforderung dar. Die Differenzierung ist nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, weil die PMF eine ungünstigere Prognose aufweist. [4,14]

(8)

8

1.1.3 Epidemiologie, Ätiologie und Risikofaktoren 1.1.3.1 Häufigkeit und Überleben

Inzidenz und Prävalenz der MPN

Die myeloproliferativen Neoplasien zählen zu den seltenen malignen hämatologischen Tumorerkrankungen mit einer Inzidenz von weniger als 6 pro 100.000 Personen pro Jahr und einem Manifestationszeitpunkt im mittleren bis höheren Lebensalter. Epidemiologische Daten zu Inzidenz und Prävalenz sind aufgrund später Diagnosestellung, Transformation in eine andere Entität und nicht zuletzt durch Revisionen der WHO in Nomenklatur und Diagnosekriterien nur unvollständig respektive grob geschätzt. [13,15–16]

In einer von Titmarsh et al. 2014 durchgeführten Meta-Analyse zeigte sich die essentielle Thrombozythämie mit einer Inzidenz von 1.03 pro 100.000 pro Jahr als häufigste Entität unter den klassischen myeloproliferativen Neoplasien, gefolgt von der Polycythaemia vera (Inzidenz 0.84 pro 100.000 pro Jahr) und der primären Myelofibrose (0.47 pro 100.000 pro Jahr). [15]

Das SEER-18-Programm (Surveillance, Epidemiology and End Results) des US National Cancer Institute (NCI) untersuchte zwischen 2001 und 2012 Daten von 18 US-amerikanischen Krebsregistern und ermittelte innerhalb dieses Zeitraums etwa 31.900 Fälle von MPN. Die altersadjustierte Inzidenzrate lag am höchsten für die PV bei 10.9/100.000 Personenjahren, für die essentielle Thrombozythämie bei 9.6/100.000 Personenjahren sowie für die primäre Myelofibrose bei 3.1/100.000 Personenjahren mit einem medianen Erkrankungsalter zwischen 65 bis 70 Jahren. Die Inzidenzrate für die BCR/ABL1-positive CML belief sich auf 3.3/100.000 Personenjahren im genannten Zeitraum. Die niedrigsten Inzidenzraten wiesen die chronische Neutrophilenleukämie, die chronische Eosinophilenleukämie und die Mastozytose (Inzidenzraten zwischen 0.1 bis 0.4/100.000 Personenjahren) auf (Tabelle 1.1). [17]

(9)

Tabelle 1.1: Altersadjustierte Inzidenzraten und medianes Erkrankungsalter von

myeloproliferativen Neoplasien in den USA gemäß SEER, 2001–2012; nach Srour et al. 2016 Medianes

Erkrankungsalter (in Jahren)

Inzidenzrate:

gesamt

Inzidenzrate:

Männer

Inzidenzrate:

Frauen

MPN 32.4 36.9 28.8

CML, BCR/ABL1- positiv

54 3.3 3.8 2.7

PV 65 10.9 13.7 8.4

PMF 70 3.1 4.1 2.3

ET 68 9.6 8.5 10.6

CNL 71 0.1 0.1 0.04

CEL-NOS 57 0.4 0.5 0.3

Mastozytose 55 0.4 0.4 0.4

MPN, nicht klassifizier- bar

73 4.8 5.8 4.1

Weiterhin ging aus den Daten des SEER-Programms hervor, dass mit Ausnahme der essentiellen Thrombozythämie die Inzidenzraten für alle Entitäten in der männlichen Bevölkerung signifikant höher waren als in der weiblichen (Abbildung 1.1). Die Gender- Verteilung für die ET, die PV und die PMF konnte auch in oben genannter Meta-Analyse von Titmarsh et al. sowie in einer auf die Europäische Union bezogenen Analyse von Moulard et al. reproduziert werden. [8,18–19] Moulard et al. verglichen Daten von 31 Studien aus dem europäischen Raum von 2001 bis 2012. Eine Gegenüberstellung der für die Europäische Union und die USA ermittelten Prävalenzen ist in Tabelle 1.2 dargestellt. [13,20]

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Mortalität und Fünfjahresüberlebensrate (5JÜR)

Den Daten des SEER-18-Programms des National Cancer Institute zufolge war die relative Fünfjahresüberlebensrate (5JÜR) am günstigsten für die PV und die ET sowie bei Patienten

≤60 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Diese lag für die PV bei 92 % und für die ET bei 96.7 %. In der Altersgruppe ≥60 sank die Rate auf unter 79 % für die PV respektive unter 87 % für die ET. Frauen wiesen mit Ausnahme der PV, der BCR/ABL1-positiven CML und der CML-NOS (not otherwise specified – nicht näher bezeichnet) in allen Altersgruppen eine bessere 5JÜR auf. [17] Aus SEER-Daten von 2001 bis 2004 ging für die PMF die ungünstigste Prognose mit einer 5JÜR von 53 % hervor. [18] In Hinblick auf das Gesamtüberleben wird für die Altersgruppe ≥60 Jahre und die essentielle Thrombozythämie ein medianes Überleben von 20 Jahren sowie für die Polycythaemia vera ein medianes Überleben von 14 Jahren angegeben mit deutlich längerem medianem Überleben in der Patientengruppe ≤60 Jahre (ET 30 Jahre; PV 24 Jahre; PMF 15 Jahre). Die vergleichsweise niedrigere Prävalenz der PMF gegenüber den beiden anderen Entitäten ist mitunter darin begründet, dass für PMF-Patienten das mediane Überleben lediglich bei unter 6 Jahren liegt (Abbildung 1.2). Bekannte prognostische Risikofaktoren sind unter anderem Alter und Geschlecht sowie Leukozytose, Thrombosen und der Mutationsstatus. [8,19,21]

Eine detaillierte Beschreibung prognostischer Scoring-Systeme zur Risikostratifizierung erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit.

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Abbildung 1.2: Vergleich des medianen Gesamtüberlebens zwischen ET vs. PV vs. PMF in einer Kohorte von 826 Patienten der Mayo Clinic (Rochester, Minnesota (USA)); nach Tefferi et al. 2014.

1.1.3.2 Ätiologie und Risikofaktoren

Zur Entstehung myeloproliferativer Neoplasien lassen sich häufig keine genauen Ursachen nachweisen und nur wenig ist bisher bekannt. Nichtsdestotrotz wurden in Studien einige potentielle Faktoren beschrieben, die mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von MPN assoziiert sind.

Genetische Risikofaktoren und Keimbahnmutationen

Noch vor weniger als 15 Jahren war die molekularbiologische Pathogenese der Philadelphia- negativen myeloproliferativen Neoplasien unbekannt. Im Jahr 2005 wurde von 4 unabhängigen Arbeitsgruppen die bis dahin erste und, wie sich alsbald herausstellte wichtigste und häufigste rekurrent auftretende Genmutation beschrieben. Die erworbene somatische Punktmutation in Exon 14 von JAK2, die zu einem Austausch der Aminosäure Valin durch Phenylalanin in Kodon 617 führt, tritt mit einer Häufigkeit von 95–97 % bei Patienten mit Polycythaemia vera, zu 50–60 % bei Patienten mit essentieller Thrombozythämie und zu 55–65 % bei Patienten mit primärer Myelofibrose auf. [4,22–25]

Pikman et al. beschrieben im darauffolgenden Jahr Mutationen in Exon 10 des Thrombopoetin- Rezeptor-Gens MPL (MPLW515L/MPLW515K) mit einer Häufigkeit von 3–4 % in Patienten mit

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essentieller Thrombozythämie und 6–7 % in Patienten mit primärer Myelofibrose. [26–27]

Schließlich wurde Ende 2013 die Lücke im Mutationsprofil der JAK2- und MPL-negativen Fälle von essentieller Thrombozythämie und primärer Myelofibrose durch die Beschreibung von erworbenen Frameshift-Mutationen in Exon 9 des Gens Calreticulin (CALR) geschlossen (in 15–35 % der Patienten mit ET und PMF). [28–29] Mit der Entdeckung dieser sogenannten driver mutations wurde die genetische Landschaft der MPN in großen Teilen durchleuchtet.

Das Vorkommen familiär gehäuft auftretender Fälle myeloproliferativer Neoplasien deutete auf eine hereditäre Komponente hin, sodass neben den oben genannten erworbenen Mutationen jüngst auch Keimbahnmutationen in JAK2 und MPL gefunden wurden, die mit den wenigen Fälle familiärer Formen von ET und PV assoziiert werden. [30] So beschreibt eine Arbeit eine autosomal dominant vererbte Mutation in JAK2R564Q als Ursache für die familiäre ET. [31] In zwei weiteren Arbeiten wurde die hereditäre Thrombozythämie mit einer Keimbahnmutation in JAK2V617I assoziiert. [32–33]

Ding et al. beschrieben eine in allen betroffenen Familienmitgliedern vorkommende Punktmutation in Kodon 505 von MPL (MPLS505N) in einem Stammbaum mit familiärer essentieller Thrombozythämie und autosomal dominantem Vererbungsmuster. [34] Obschon in überwiegender Mehrheit in sporadischen Fällen von MPN vorkommend, konnte interessanterweise eine Keimbahnmutation in Kodon 617 von JAK2 als prädisponierender Faktor in familiär auftretendem MPN nicht bestätigt werden, sodass JAK2V617F-Mutationen sowohl in sporadisch als auch in familiär auftretenden Fällen eine erworbene genetische Veränderung darstellen. [35–36] Gleichwohl wird in Familien mit myeloproliferativen Erkrankungen die Disposition, Mutationen in JAK2 (sowohl Exon 14 als auch Exon 12 betreffend) zu erwerben, in autosomal dominanter Form mit inkompletter Penetranz vererbt.

[35,37–39] Überdies haben Genom-weite Untersuchungen des JAK2-Gens zur Identifizierung von Keimbahnvariationen geführt, die mit einer erhöhten Suszeptibilität für MPN einhergehen.

So wurden unter anderem die Einzelnukleotid-Polymorphismen rs12343867 (C/T) in Intron 14 und rs10974944 (G/C) in Intron 12 des JAK2-Gens (bezeichnet als GGCC-Part des 46/1 Haplotyps auf Chromosom 9p) als Risikofaktoren erkannt. [40–45] Der 46/1-JAK2-Haplotyp kommt in ungefähr der Hälfte der Bevölkerung vor und ist mit einem 3.7-fach erhöhten Risiko für die Entwicklung einer JAK2V617F-positiven MPN assoziiert. [46] Auch von einem erhöhten Risiko für JAK2V617F-negative und MPL-positive MPN wurde berichtet. Tefferi et al. stellten gar einen Zusammenhang zwischen oben genanntem Polymorphismus und einem geringeren Gesamtüberleben von PMF-Patienten fest. [40] Entlang erstgradiger Verwandtschaft von

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14

MPN-Patienten wurde ein 5- bis 7-fach erhöhtes Risiko ermittelt. [47] Die Prävalenz familiär auftretender Fälle von MPN wird auf mindestens 7.6 % beziffert. [39]

Autoimmunerkrankungen

Weiterhin besteht eine Verbindung zu Autoimmunerkrankungen. Hierbei wurde in zwei großen Studien eine übereinstimmende Assoziation mit dem Morbus Crohn beschrieben. Auch die Polymyalgia rheumatica sowie die Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) und die Sklerodermie wurden in diesem Zusammenhang genannt. In der von Kristinsson et al.

durchgeführten Studie wurde ein um 20 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer MPN bei jeglicher Autoimmunerkrankung beschrieben. In dieser mehr als 11.000 MPN-Patienten umfassenden Studie wurde das höchste Risiko für die Entwicklung einer MPN bei Patienten mit Riesenzellarteriitis, Aplastischer Anämie oder Reiter-Syndrom in der Vorgeschichte ermittelt. [46,48]

Exogene Noxen

Der Stellenwert chemischer Noxen als Risikofaktor für die Entstehung myeloproliferativer Neoplasien wurde in mehreren Fall-Kontroll-Studien untersucht. Terreros et al. berichten über ein 50-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer MPN bei Patienten mit Benzolexposition.

[49] In weiteren Publikationen wurden Erdöl und der langjährige Gebrauch von Haarfärbemitteln als Risikofaktoren identifiziert. [50] Jedoch sind ebenso Studien vorhanden, die kein erhöhtes Risiko im Umgang mit Pestiziden, Herbiziden und aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Benzol sehen. [51] Ein definitiver Stellenwert von chemischen Noxen als anerkannte gesicherte Risikofaktoren lässt sich aufgrund gegensätzlicher Ergebnisse somit nicht definieren. Weiterhin sind Untersuchungen in Hinblick auf Expositionsdauer und –dosis notwendig, um genauere Aussagen über eine mögliche Assoziation zwischen Benzolexposition und der Entstehung myeloproliferativer Neoplasien zu treffen. [52] Anders als bei der akuten myeloischen Leukämie und den myelodysplastischen Syndromen [53–54], konnte in Studien zudem keine signifikante Assoziation zwischen ionisierender Strahlung und dem Auftreten von MPN nachgewiesen werden. [52] In einer mehr als eine Million weibliche Probanden umfassenden Studie, die den Einfluss von inhalativem Zigarettenrauch und Genussmitteln wie Alkohol auf die Entstehung hämatologischer Tumorerkrankungen verglich, konnte Ersterer als begünstigender Faktor ermittelt werden (RR 1.42 (1.31–1.55)). [55]

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1.2 Primäre und sekundäre Myelofibrose

1.2.1 Definition und Klinik

Die Myelofibrose, erstmals 1879 von Hueck, G. beschrieben, gehört zu den myeloproliferativen Neoplasien und ist eine klonale Erkrankung der Stammzellen des blutbildenden Systems. Mit der klonalen Proliferation gehen reaktive Knochenmarkfibrosierung, Osteoskleorose, extramedulläre Blutbildung und abnormale Zytokinexpression einher. Die progressive Knochenmarkfibrosierung resultiert in einer insuffizienten Hämatopoese mit verminderter Produktion ausgereifter, funktionsfähiger hämatopoetischer Zellen. Symptomatisch wird die daraus resultierende Panzytopenie durch schwere transfusionspflichtige Anämien, erhöhte Infektanfälligkeit sowie Thrombosen und Blutungsneigung. Das klinische Erscheinungsbild sowie der Verlauf der Erkrankung können jedoch sehr vielfältig sein. Zu Beginn ist die Symptomatik mit Müdigkeit und Knochenschmerzen sowie die mit Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust einhergehende B-Symptomatik unspezifisch. Kachexie und körperlicher Zerfall sind mitunter durch Tumormasse, Hyperkatabolismus und gesteigerten Zellumsatz bedingt. Circa 30 % der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung asymptomatisch und die PMF stellt einen klinischen Zufallsbefund aufgrund von Veränderungen im Blutbild oder einer vergrößerten Milz dar. Hepato- und Splenomegalie, die durch die extramedulläre Blutbildung bedingt sind, führen wiederum zu abdominellen Beschwerden wie Völlegefühl, Oberbauchschmerzen und peripheren Ödemen. Akut oder subakut aufgetretene Schmerzen im linken oberen Quadranten können auf einen Milzinfarkt als Komplikation einer Splenomegalie hinweisen. [11,56] Folge einer Hepatomegalie ist unter anderem die portale Hypertension, die zu abdominellem Aszites und Varizenblutung führen kann. Bildungsort extramedullärer Hämatopoese können auch die Lymphknoten, die serösen Häute von Brust- und Bauchfell (Pleura und Peritoneum) sowie die Wirbelsäule und die Extremitäten sein, woraus Kompression von Rückenmark und Spinalwurzeln und diffuser Extremitätenschmerz resultieren können (Abbildung 1.3).

Bei circa 20 % der Patienten kommt es im Verlauf der Erkrankung zu einem Progress in eine akute myeloische Leukämie, die mitunter eine häufige Letalitätsursache darstellt. Weitere letale Ursachen können Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Ereignisse und Zytopenie-Folgen wie Infektionen und Blutungen sein. [57–58]

(16)
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so wird der Terminus Post-ET-Myelofibrose respektive Post-PV-Myelofibrose angewandt (sekundäre Myelofibrose) (Tabelle 1.3). [56–57] Nach WHO-Kriterien ist bei Nachweis eines Blastenanteils ≥20 % im peripheren Blut oder Knochenmark oder einer extramedullären Proliferation von Blasten die Diagnose einer de novo AML erbracht. Ein solcher Nachweis bei Patienten mit PMF kennzeichnet den Progress der Erkrankung in die Blastenphase und somit die Transformation in eine (sekundäre) AML. Ein Blastenanteil von 10–19 % definiert die akzelerierte Phase. [60–61]

Tabelle 1.3: Empfohlene Nomenklatur der International Working Group for Myelofibrosis Research and Treatment (IWG-MRT); nach Mesa et al. 2007

Erkrankung Kriterium

Primäre Myelofibrose (PMF) de novo aufgetretene Myelofibrose Post-PV-Myelofibrose

(Post-PV-MF)

Transformation in Myelofibrose aus vorheriger Polycythaemia vera Post-ET-Myelofibrose

(Post-ET-MF)

Transformation in Myelofibrose aus vorheriger essentieller Thrombozythämie Primäre Myelofibrose in Blastenphase

(PMF-BP) Transformation in akute Leukämie

Post-PV/-ET-MF in Blastenphase Transformation in akute Leukämie

Die Einteilung der primären Myelofibrose und anderer myeloproliferativer Neoplasien erfolgt nach den Richtlinien der WHO. Diese beruhen auf morphologischen, zytogenetischen und molekularbiologischen sowie klinischen Kriterien. Zuletzt 2008 überarbeitet, jedoch aufgrund zahlreicher neuer zytogenetischer und molekularbiologischer Erkenntnisse lange Zeit Gegenstand der Diskussion, erfolgte jüngst eine Revision der Klassifikation und der diagnostischen Kriterien. Insbesondere der Entdeckung der sogenannten driver mutations und ihrer diagnostischen, prognostischen und teils auch therapeutischen Relevanz ist mit der Revision Rechnung getragen worden. Eine Erläuterung der diagnostischen Kriterien erfolgt im nächsten Unterkapitel. In Tabelle 1.4 ist zunächst die aktuelle Version der WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2016 dargestellt, in der als beispielhafte Neuerung die Mastozytose erwähnt sei, die künftig nicht mehr als eine Untergruppe der myeloproliferativen Neoplasien geführt wird, sondern eine eigene Kategorie bildet. Die Aufnahme einer Untergruppe myeloischer

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18

Tumorerkrankungen mit Keimbahnmutationen ist das Resultat von Studien über familiär gehäuft auftretende Fälle von MPN, die belegen konnten, dass eine vererbbare Komponente vorhanden ist. Weiterhin haben einige provisorische Entitäten Einzug gefunden, deren Bedeutung der kritischen Evaluierung durch tiefergehende Studien bedarf. [62]

Hinsichtlich der Myelofibrose wurden die im Folgenden genannten zentralen Veränderungen in die neue Version integriert:

• Präfibrotische/frühe PMF, in der Version von 2008 bereits als Prodromalphase erwähnt, wird nun anhand separater diagnostischer Kriterien spezifisch definiert, die es ermöglichen, eine Abgrenzung zu manifester PMF und ET zu erzielen. [16]

CALR-Mutationen ergänzen das molekulargenetische Profil und zeigen als Treibermutation neben JAK2 und MPL die klonale Genese der MPN an und erweisen sich als wichtige diagnostische und prognostische Parameter.

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Tabelle 1.4: Auszug aus der WHO-Klassifikation der Myeloischen Neoplasien und Akuten Leukämien von 2016; nach Arber et al. 2016

Myeloproliferative Neoplasien (MPN)

Chronische Myeloische Leukämie (CML), BCR/ABL1+ Chronische Neutrophilenleukämie (CNL)

Polycythaemia vera (PV) Primäre Myelofibrose (PMF)

PMF, präfibrotisches/frühes Stadium PMF, fibrotisches Stadium

Essentielle Thrombozythämie (ET)

Chronische Eosinophilenleukämie, nicht näher bezeichnet (NOS) MPN, nicht klassifizierbar

Mastozytose

Myeloische/lymphoide Neoplasien mit Eosinophilie und PDGFRA-, PDGFRB- oder FGFR1- Rearrangement oder mit PCM1-JAK2

Myeloische/lymphoide Neoplasien mit PDGFRA- Rearrangement Myeloische/lymphoide Neoplasien mit PDGFRB- Rearrangement Myeloische/lymphoide Neoplasien mit FGFR1- Rearrangement

Provisorische Entität: Myeloische/lymphoide Neoplasien mit PCM-JAK2

Myelodysplastische/Myeloproliferative Neoplasien (MDS/MPN) Chronische Myelomonozytäre Leukämie (CMML)

Atypische Chronische Myeloische Leukämie (aCML), BCR/ABL1- Juvenile myelomonzytäre Leukämie (JMML)

MDS/MPN mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (MDS/MPN-RS-T) MDS/MPN, nicht klassifizierbar

Myeloische Neoplasien mit Keimbahnmutationen

1.2.3 Diagnostik

Die Diagnosekriterien der primären Myelofibrose sind durch die aktualisierten Richtlinien der WHO definiert und basieren auf der Erfassung klinischer, laborchemischer, morphologischer und zyto- sowie molekulargenetischer Merkmale. Post-PV-Myelofibrose und Post-ET- Myelofibrose werden hingegen gemäß den Kriterien der IWG-MRT diagnostiziert. Ergibt sich

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nach gezielter anamnestischer, klinischer sowie laborchemischer Untersuchung mit Beurteilung von großem Blutbild, klinischer Chemie und peripherem Blutausstrich und nach Ausschluss von Differentialdiagnosen insbesondere von Splenomegalie, Anämie und reaktiven respektive sekundären Ursachen von Thromobozytose, der Verdacht auf PMF, gilt es die Verdachtsdiagnose durch morphologische und molekulargenetische Diagnostik zu sichern.

[60,62] In der Primärdiagnostik sind zusätzlich die Erfassung weiterer Daten, unter anderem Alter und Vorhandensein konstitutioneller Symptome, zur Bestimmung des klinischen Status und Zuordnung in eine diagnostische und prognostische Kategorie wichtig. Im peripheren Blutausstrich sind neben Dakrozyten (Tränentropfen-Erythrozyten) Vorläuferzellen der Erythropoese und eine Linksverschiebung der Granulopoese bis hin zum Myeloblasten zu erkennen. Dieses als leukoerythroblastisches Blutbild respektive Leukoerythroblastose bezeichnete Merkmal kommt nicht ausschließlich bei der PMF vor, ist jedoch sehr charakteristisch und hat folglich Einzug in die WHO-Kriterien gefunden (Tabelle 1.5 und Tabelle 1.6). Weiterhin imponieren die roten Blutzellen durch Variabilität in Größe, Form und Färbeeigenschaft (Anisozytose, Poikilozytose und Polychromasie). [60]

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Tabelle 1.5: Diagnosekriterien für die präfibrotische PMF nach der WHO-Klassifikation der Myeloischen Neoplasien und Akuten Leukämien von 2016; nach Arber et al. 2016

Hauptkriterium

1. Proliferation dysplastischer und atypisch verteilter Megakaryozyten, ohne höhergradige retikuläre Faservermehrung >Grad 1*, begleitet von einer erhöhten altersadjustierten Knochenmark-Zellularität, granulozytärer Proliferation und oftmals verminderter Erythropoese

2. WHO-Kriterien für BCR/ABL1+-CML, PV, ET, MDS oder andere myeloische Neoplasien nicht erfüllt

3. Vorhandensein einer JAK2-, CALR- oder MPL-Mutation oder bei Fehlen eines anderen klonalen Markers** kein Hinweis von geringgradiger reaktiver retikulärer Faservermehrung des Knochenmarks***

Nebenkriterien

Vorhandensein mindestens eines der nachstehenden, in zwei aufeinanderfolgenden Bestimmungen bestätigten Kriterien

a. Anämie (nicht durch Komorbidität bedingt) b. Leukozytose (≥11 x 109/l)

c. Palpable Splenomegalie

d. Erhöhte LDH (≥obere Normgrenze)

Die Diagnose einer präfibrotischen PMF erfordert das Vorliegen aller Haupt- und mindestens eines Nebenkriteriums

* Siehe Tabelle 1.9.

** Bei Fehlen eines der drei klonalen Treibermutationen ist die Suche nach einer der häufigsten begleitend vorkommenden Mutationen (ASXL1, EZH2, TET2, IDH1/IDH2, SRSF2, SF3B1 u.a.) zur Bestimmung der klonalen Genese der Erkrankung erstrebenswert.

*** Geringgradige (Grad 1) retikuläre Faservermehrung sekundär nach Infektionen, autoimmunen oder anderen chronisch inflammatorischen Prozessen, Haarzell-Leukämien oder anderen lymphoiden Neoplasien sowie metastatischen oder toxischen Schäden.

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Tabelle 1.6: Diagnosekriterien für die manifeste PMF nach der WHO-Klassifikation der Myeloischen Neoplasien und Akuten Leukämien von 2016; nach Arber et al. 2016

Hauptkriterium

1. Vorhandensein megakaryozytärer Proliferation und Atypie, begleitet von retikulärer und/oder kollagener Fibrose der Grade 2 oder 3*

2. WHO-Kriterien für BCR/ABL1+-CML, PV, ET, MDS oder andere myeloische Neoplasien nicht erfüllt

3. Vorhandensein einer JAK2-, CALR- oder MPL-Mutation oder bei Fehlen eines anderen klonalen Markers** kein Hinweis auf reaktive/sekundäre Myelofibrose***

Nebenkriterien

Vorhandensein mindestens eines der nachstehenden, in zwei aufeinanderfolgenden Bestimmungen bestätigten Kriterien:

a. Anämie (nicht durch Komorbidität bedingt) b. Leukozytose ( ≥11 x 109/l)

c. Palpable Splenomegalie

d. Erhöhte LDH (≥obere Normgrenze) e. Leukoerythroblastose

Die Diagnose einer manifesten PMF erfordert das Vorliegen aller Haupt- und mindestens eines Nebenkriteriums

* Siehe Tabelle 1.9.

** Bei Fehlen eines der drei klonalen Treibermutationen ist die Suche nach einer der häufigsten begleitend vorkommenden Mutationen (ASXL1, EZH2, TET2, IDH1/IDH2, SRSF2, SF3B1 u.a.) zur Bestimmung der klonalen Genese der Erkrankung erstrebenswert.

*** Geringgradige (Grad 1) retikuläre Faservermehrung sekundär nach Infektionen, autoimmunen oder anderen chronisch inflammatorischen Prozessen, Haarzell-Leukämien oder anderen lymphoiden Neoplasien sowie metastatischen oder toxischen Schäden.

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Sekundäre Myelofibrose

Eine wichtige Komplikation sowohl der Polycythaemia vera als auch der essentiellen Thrombozythämie ist die Transformation in eine sekundäre Myelofibrose. Im Jahre 2007 wurden durch die IWG-MRT erstmals spezifische Diagnosekriterien für die Post-PV- und Post- ET-Myelofibrose definiert. Folglich wurden durch Konsensusbeschluss die in Tabelle 1.7 und Tabelle 1.8 genannten Punkte als erforderliche Diagnosekriterien ermittelt. [63]

Tabelle 1.7: Diagnosekriterien für die Post-PV-Myelofibrose nach Empfehlung der IWG-MRT von 2008; nach Barosi et al. 2008

Hauptkriterien

1. Dokumentierte Diagnose einer Polycythaemia vera gemäß den WHO-Kriterien 2. Knochenmarkfibrose Grad 2–3 (auf einer 0–3 Skala*) oder Grad 3–4 (auf einer 0–4

Skala**) Nebenkriterien

1. Anämie oder dauerhafter Wegfall der Notwendigkeit einer Aderlasstherapie oder zytoreduktiven Therapie der Erythrozytose

2. Leukoerythroblastisches Blutbild

3. Palpable Splenomegalie ≥5 cm oder neu aufgetretene palpable Splenomegalie 4. Neu aufgetretene konstitutionelle Symptome (mindestens 1 der folgenden

Symptome): >10 % Gewichtsverlust in 6 Monaten, Nachtschweiß, ungeklärtes Fieber

≥37.5 °C

Die Diagnose einer Post-PV-MF erfordert das Vorliegen beider Haupt- und zweier Nebenkriterien

* Thiele et al. 2005

** Manoharan et al. 1979 [217]

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Tabelle 1.8: Diagnosekriterien für die Post-ET-Myelofibrose nach Empfehlung der IWG-MRT von 2008; nach Barosi et al. 2008

Hauptkriterien

1. Dokumentierte Diagnose einer essentiellen Thrombozythämie gemäß den WHO- Kriterien

2. Knochenmarkfibrose Grad 2–3 (auf einer 0–3 Skala*) oder Grad 3–4 (auf einer 0–4 Skala**)

Nebenkriterien

1. Anämie und ein Hämoglobin-Abfall ≥2 g/dl vom Ausgangswert 2. Leukoerythroblastisches Blutbild

3. Palpable Splenomegalie ≥5 cm oder neu aufgetretene palpable Splenomegalie 4. Erhöhte LDH (≥obere Normgrenze)

5. Neu aufgetretene konstitutionelle Symptome (mindestens 1 der folgenden Symptome):

>10 % Gewichtsverlust in 6 Monaten, Nachtschweiß, ungeklärtes Fieber ≥37.5 °C Die Diagnose einer Post-ET-MF erfordert das Vorliegen beider Haupt- und zweier Nebenkriterien

* Thiele et al. 2005

** Manoharan et al. 1979 [217]

1.2.3.1 Histopathologische Eigenschaften

PMF-Patienten präsentieren nicht nur klinisch ein äußerst heterogenes Bild. Auch die Befunde von Blutbild und Knochenmark weisen große Unterschiede auf mit dem Resultat der erschwerten Diagnosefindung. Insbesondere die histopathologische Untersuchung des Knochenmarks kann verschiedene Grade der Fibrosierung aufweisen.

Im präfibrotischen Stadium weisen die meisten Patienten nur gering ausgeprägte klinische Symptome und eine milde Anämie, jedoch eine deutliche Thrombozytose auf, weswegen differentialdiagnostisch an eine ET gedacht und diese ausgeschlossen werden sollte. Eine Gewebeentnahme des Knochenmarks als entscheidendes Kriterium zeigt im präfibrotischen Stadium (auch frühe primäre Myelofibrose genannt) eine erhöhte altersadjustierte Zellularität mit gesteigerter megakaryozytärer Proliferation und Atypien in Form und Verteilung sowie eine

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Zunahme der Granulopoese und eine Abnahme der Erythropoese. Eine retikuläre und/oder kollagene Faservermehrung ist in diesem Stadium nicht oder kaum vorhanden (Grad 0–1) (Tabelle 1.9). Obwohl charakteristisch, ist folglich das Vorliegen einer Knochenmarksfibrose zur Diagnose einer frühen PMF nicht zwingend erforderlich. Zur Diagnosesicherung ist zusätzlich zu den genannten histopathologischen Merkmalen der Ausschluss einer mit einer anderen MPN assoziierten Myelofibrose durch Hauptkriterium 2 und reaktive Ursachen von Myelofibrose durch Hauptkriterium 3 erforderlich (Tabelle 1.6). [64]

Der weitere Krankheitsverlauf gestaltet sich stadienhaft mit zunehmender Fibrosierung.

[16,60,65] Im fortgeschrittenen Stadium ist die Aspiration bisweilen nicht mehr möglich (Punctio sicca).

Tabelle 1.9: Ausprägungsgrad der Knochenmarkfibrosierung nach dem European consensus on grading bone marrow fibrosis and assessment of cellularity; nach Thiele et al. 2005

Grad Befund

MF-0 Vereinzeltes, verstreut liegendes Retikulin ohne Überschneidung, normalem Knochenmark entsprechend

MF-1 Lockeres Netzwerk von vermehrtem Retikulin mit Überschneidung, insbesondere in perivaskulären Bereichen

MF-2 Diffuse und dichte retikuläre Faservermehrung mit ausgedehnter

Überschneidung, bisweilen mit lokaler kollagener Faserbündel und/oder lokaler Osteosklerose*

MF-3 Diffuse und dichte retikuläre Faservermehrung mit ausgedehnter Überschneidung und grobkörniger kollagener Faserbündel verbunden mit Osteosklerose*

Anmerkungen: Der Grad der Faservermehrung sollte nur in Bereichen, in denen Hämatopoese stattfindet (sogenanntes rotes Knochenmark) beurteilt werden.

* In den Fibrosierungsgraden MF-2 und MF-3 wird eine zusätzliche Trichrom-Färbung empfohlen.

In Abbildung 1.4 sind charakteristische Befunde aus Knochenmarkbiopsien von MPN- Patienten vergleichend illustriert.

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hyperzelluläres Knochenmark, Proliferation von dichte Cluster bildenden atypischen Megakaryozyten (H&E, 40x Vergrößerung); (E) manifeste PMF (kollagene Fibrosierung):

kollagene Faserbündel innerhalb hämatopoetischer Lakunen (Masson-Trichrom-Färbung, 40x Vergrößerung). [16]

1.2.3.2 Molekulargenetische Eigenschaften

In circa 90 % der PMF-Patienten findet sich eine Mutation in eines der drei Gene JAK2, CALR oder MPL. Folglich schließt ein negativer molekulargenetischer Befund eine PMF nicht aus.

Umgekehrt ist keine der sogenannten driver mutations PMF-spezifisch, treten sie doch zu einem nicht unerheblichen Maß in allen BCR/ABL1-negativen MPN und zumindest im Falle von JAK2 in diversen anderen Erkrankungen auf. So wird eine Mutationshäufigkeit von mindestens 50 % für JAK2V617F in Fällen von Refraktärer Anämie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (RARS-T), einer MDS/MPN-Mischform angegeben. [65] Entsprechend ihres prozentualen Vorkommens in PMF wird folgende Reihenfolge in der Gendiagnostik empfohlen: Screening auf das Vorliegen einer JAK2-Mutation und falls negativ auf CALR. In 6–7 % der PMF-Patienten tritt eine Mutation im MPL-Gen auf, sodass in Fällen von negativem JAK2- und CALR-Status auf diese Treibermutation gescreent werden sollte. [35] Weiterhin kann bei positivem Mutationsstatus die Bestimmung der Tumorlast zur weiteren Diagnosefindung hilfreich sein. Eine JAK2V617F-Allel-Last von über 40 % ist bei ET ungewöhnlich und weist eher auf präfibrotische/frühe PMF oder maskierte PV hin. Der Einfluss der Allel-Last auf die Prognose soll später erläutert werden. Bei positivem Mutationsstatus in einem der genannten Gene ist in der Primärdiagnostik das weitere Screening auf zusätzliche in MPN vorkommende Mutationen mangels Sensitivität und Spezifität unwesentlich. [8,65]

Anders verhält es sich jedoch in den restlichen 5–10 % der PMF-Fälle, den sogenannten triple- negativen. Nach WHO-Kriterien ist hier zur Abgrenzung von reaktiver Fibrosierung als Folge von autoimmuner Erkrankung oder anderer sekundärer Ursache und zur Erfassung der klonalen Genese der zugrunde liegenden Erkrankung die Suche nach weiteren, häufig in PMF vorkommenden Mutationen, erforderlich. [8,16,62] Beispielhaft seien die Gene ASXL1, TET2, SRSF2 sowie U2AF1 und SF3B1 genannt, deren Mutationsfrequenz sich in PMF auf bis zu 10 % belaufen kann und mit einer ungünstigeren Prognose einhergeht. Der Einfluss der einzelnen molekulargenetischen Veränderungen auf die Pathogenese wird im nächsten Kapitel erläutert.

1.2.3.3 Zytogenetische Eigenschaften

Die Bestimmung des zytogenetischen Status nimmt weniger bei der Diagnosefindung als vielmehr bei der Prognosefestlegung eine wichtige Rolle ein. [67] Durch Karyotypisierung

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können so klonale chromosomale Anomalien in bis zu einem Drittel der PMF-Fälle entdeckt werden, obschon keine charakteristische zytogenetische Auffälligkeit für die PMF bis dato definiert ist und Studien, welche sich mit dem Einfluss des Karyotyps auf den Krankheitsverlauf befasst haben, auf vergleichsweise kleinen Fallzahlen beruhen. [67–69] Die häufigsten chromosomalen Veränderungen sind Deletionen des langen Armes von Chromosom 20 (20q–) und von Chromosom 13 (13q–), welche mit einer günstigen Prognose assoziiert sind. [70]

Gleiches trifft auch auf Patienten mit Trisomie 9 (+9) und solche mit normalem Karyotyp zu.

[69] In einer weiteren von Caramazza et al. durchgeführten 433 PMF-Patienten umfassenden Studie konnten diese Ergebnisse reproduziert und zusätzlich noch chromosomale Veränderungen von Chromosom 1, sowohl Translokationen als auch Duplikationen, als prognostisch günstig gewertet werden. [71] Deletionen des Chromosoms 7 oder des langen Armes von Chromosom 7 (–7/7q–) ebenso wie Patienten mit Trisomie 8 (+8) und solche mit drei oder mehr Veränderungen im Karyogramm, sogenanntem komplexem Karyotyp, werden als prognostisch ungünstig eingestuft. [67–69] In einer weiteren Studie war unter anderem das Vorliegen eines monosomalen Karyotyps, einer Inversion 3 (inv(3)) oder eines Isochromosoms 17 (i(17q); Verlust des kurzen Arms und Duplikation des langen Arms von Chromosom 17) mit einer über 80%igen 2-Jahres-Mortalitätsrate assoziiert. Als weitere Risikofaktoren wurden in dieser Arbeit die Leukozytenzahl sowie der zirkulierende Blastenanteil identifiziert. [72]

Bis dato nicht Bestandteil der vorbestehenden prognostischen Scoring-Systeme wurde infolge übereinstimmend der zytogenetische Status als wichtiger, vom IPSS- und DIPSS unabhängiger Prognosefaktor beschrieben, sodass die bereits bestehenden Scoring-Systeme um einen zusätzlichen erweitert wurden. Die Erfassung etwaiger chromosomaler Aberrationen ist ein prognostisch relevanter Faktor des DIPSS-Plus-Score. [67,71,73]

Eine gegenüberstellende Beschreibung genannter Scoring-Systeme erfolgt in Kapitel 1.2.6.

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1.2.4 Pathogenese

Die Pathogenese der myelopoliferativen Neoplasien ist sehr komplex und bis heute nicht in Gänze verstanden. Die Entdeckung der Treibermutationen und mit ihr eine Reihe weiterer molekulargenetischer Aberrationen hat dazu geführt, dass die molekularen Mechanismen und ihr Einfluss auf die Krankheitsentstehung im Wesentlichen identifiziert wurden.

Neben ihrer Rolle in der Pathogenese haben Mutationen in den Genen JAK2, CALR und MPL distinkten Einfluss auf den Phänotyp sowie therapeutische und prognostische Relevanz und führen so in hohem Maße zu einer klinisch äußerst heterogenen Erkrankung. Alle MPN- Entitäten entstehen aus einer einzelnen somatisch mutierten hämatopoetischen Stammzelle (hematopoetic stem cell – HSC), die klonal expandiert und zu einer Vermehrung nahezu aller myeloischer Zellen führt. Die klonale Expansion der HSC resultiert in eine uni- oder multilineäre Hyperplasie. Die Heterogenität der MPN ist nicht nur durch die Art der vorhandenen Treibermutation, sondern auch durch ihre Assoziation zu anderen Mutationen und der Reihenfolge ihres Auftretens bedingt. Die Genese der Myelofibrose ist multifaktoriell bedingt und Faktoren wie genetische Prädisposition, Alter und Inflammation tragen zur Krankheitsentstehung bei.

Veränderungen auf molekularer Ebene als Teil der Pathogenese Januskinase 2 (JAK2)

Die somatische Punktmutation c.1849G→T in Exon 14 des auf Chromosom 9p24 lokalisierten Januskinase 2 Gens (JAK2) ist die am häufigsten auftretende Treibermutation bei den myeloproliferativen Neoplasien und führt zu einem Austausch der Aminosäure Valin gegen Phenylalanin an Codon 617 (p.V617F) in der Pseudokinase-Domäne. Die Mutation ist in 50–

60 % der Patienten mit PMF und ET zu finden und in 95 % der Fälle von PV. JAK2, Mitglied aus der Familie der JAK-Tyrosinkinasen (JAK1, JAK2, JAK3, TYK2), hat eine duale Kinase- Struktur: die katalytisch aktive Tyrosinkinase-Domäne JH1 ist gekoppelt an die katalytisch inaktive Pseudokinase-Domäne JH2. Letztere übt physiologisch eine inhibierende und somit regulatorische Funktion auf die JH1-Domäne aus.

Als zytoplasmastische, aktivierende Tyrosinkinase kommt ihr eine zentrale Rolle bei der Signaltransduktion von Wachstumsfaktor-Rezeptoren zu. Die Januskinase 2 übt eine wichtige Funktion bei der Regulierung der Proliferation hämatopoetischer Stammzellen aus, indem sie als Signalvermittler zwischen spezifischen Zytokinen der Hämatopoese (Thrombopoetin-, Erythropoetin-, Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) und ihren Rezeptoren in der Zelle fungiert. Homodimere Rezeptoren wie TPOR, EPOR oder G-CSFR sind nicht-kovalent

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an JAK2 gebunden. Bindet ein Ligand an seinen Rezeptor an der Zelloberfläche, führt dies zu einer Phosphorylierung und folglich Aktivierung des JAK2-Proteins. Die aktivierte Januskinase 2 bindet wiederum an spezifische Domänen intrazellulärer Rezeptoren und führt ihrerseits durch Phosphorylierung zu einer Aktivierung derselbigen. Die phosphorylierten Rezeptoren fungieren als Bindungsstellen für die SH2-Domänen der „Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription“ (STATs). In geringerem Ausmaß werden auch der MAPK- (mitogen- activated protein kinase) und PI3K/Akt (phosphoinositide 3-kinase Akt)- Signalweg aktiviert (Abbildung 1.5). [74]

Diese Transkriptionsfaktoren beeinflussen, im Zellkern angelangt, die Transkription und Proliferation hämatopoetischer Zellen. Im physiologischen Zustand wird dieser JAK/STAT- Signalweg durch Ligandenbindung aktiviert.

Ist nun infolge einer V617F-Mutation im JAK2-Gen die inhibierende Funktion der Pseudokinase-Domäne (JH2) aufgehoben, resultiert eine unkontrollierte und von der Ligandenbindung entkoppelte Proliferation und Differenzierung hämatopoetischer Zellen.

Die Mutation entsteht auf Stufe der pluripotenten hämatopoetischen Vorläuferzelle und betrifft alle myeloischen Zellreihen. Gelegentlich ist sie in lymphatischen Zellen, insbesondere in B- und NK-Zellen nachzuweisen.

Mit einer Häufigkeit von 95 % ist die V617F-Mutation im JAK2-Gen pathognomonisch für die Polycythaemia vera.

JAK2V617F-Mutationen sind mit folgenden phänotypischen Charakteristika assoziiert: höheres Alter, höhere Hämoglobinwerte und Leukozytose. [75] Weiterhin ist das Risiko für das Eintreten kardiovaskulärer, insbesondere thromboembolischer Ereignisse, bei Patienten mit JAK2-Mutation im Vergleich zu anderen molekulargenetisch aberranten Konstellationen am höchsten. [76]

Der prognostische Einfluss eines positiven JAK2V617F-Mutationsstatuts wird später erörtert.

Genetische Alterationen in Exon 12 des JAK2-Gens sind in circa 3 % der JAK2V617F- negativen PV-Patienten beschrieben und führen im Vergleich zur V617F-Mutation zu einer stärkeren Zytokin-unabhängigen Aktivierung des JAK/STAT-Signalweges. [77] Über siebzehn verschiedene Mutationen sind bis dato identifiziert. Phänotypisch äußert sich eine stärkere Aktivierung des JAK/STAT-Signalwegs in einer Proliferationssteigerung der Erythropoese und führt folglich zu einer Dominanz der roten Zellreihe mit höheren Hämoglobinwerten und niedrigeren Leukozyten- und Thrombozytenwerten, wohingegen niedrige JAK2- Aktivierungslevel, die durch eine V617F-Mutation erreicht werden, mit einer Dominanz der Megakaryopoese assoziiert sind. Die Inzidenzen bezüglich thromboembolischer Ereignisse,

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ERp57 als Proteinkomplex, der korrekten Faltung und Ausschleusung unvollständig gefalteter respektive fehlgefalteter Proteine und Glykoproteine. [81]

Je nach Lokalisation nimmt Calreticulin eine zentrale Rolle in einer Reihe weiterer wichtiger Prozesse ein. Extrazellulär, außerhalb des endoplasmatischen Retikulums, ist Calreticulin an der Zelloberfläche und im Zytosol vorzufinden und ist hier an der Modulation der Genexpression, der Zelladhäsion und dem immunogenen Zelltod beteiligt. Auch an der Transkriptionsaktivierung des Steroidrezeptors und anderer Transkriptionsfaktoren ist Calreticulin beteiligt und reguliert den nukleären Transport des Glukokortikoidrezeptors.

Bis dato wurden über 50 verschiedene somatische Mutationen in Exon 9 des CALR-Gens beschrieben und je nach ihrer Auswirkung auf die DNA-Sequenz klassifiziert: Deletionen werden als Typ 1 oder Typ 1-like bezeichnet, in der die 52 Basenpaaren umfassende Deletion p.L367fs*46 (Typ 1) die häufigste ist. Insertionen werden als Typ 2 oder Typ 2-like bezeichnet.

Die Mutation p.K385fs*47 (Typ 2) ist hierbei die häufigste, verursacht durch eine Insertion der fünf Basenpaare TTGTC.

Beide Subtypen führen zu einer Frameshift-Mutation, die in einer Formation des C-Terminus und folglich der hier lokalisierten KDEL-Sequenz resultiert. Die Aminosäuresequenz KDEL sorgt für einen Transport des Proteins Calreticulin in das endoplasmatische Retikulum und seine Retention darin. Wildtyp-Calreticulin ist an seinem C-Terminus überwiegend negativ geladen.

Das mutierte Calreticulin-Protein weist eine neue Aminosäuresequenz mit positiven Ladungen auf. Der Verlust der negativen Ladungen führt zu einer Störung der Calcium-Bindungsfunktion und mit dem Verlust der KDEL-Sequenz zu einer veränderten zellulären Lokalisation. Typ 1 Mutationen, die bei der primären Myelofibrose 70 % aller CALR-Mutationen ausmachen, führen hierbei zu einem Verlust aller negativen Ladungen, während im Fall von Typ 2 Mutationen (15 % aller CALR-Mutationen) noch die Hälfte der negativen Ladungen vorhanden ist.

Die Entdeckung der Mutation im CALR-Gen war eher zufällig und ihre Rolle in der Pathogenese zunächst unklar, ist das Protein doch weder ein Tyrosinkinase-Rezeptor noch direkt am pathognomonischen JAK/STAT-Signalweg beteiligt. Die Assoziation zwischen Typ 1 CALR-Mutation und dem Transkriptionsfaktor STAT5 (Signal Transducer and Activator of Transcription 5) wurde bereits in der Erstbeschreibung der CALR-Mutation in myeloproliferativen Erkrankungen identifiziert. [28] Spätere Untersuchungen am Mausmodell konnten dann zeigen, dass CALR-Mutationen zu einer Aktivierung des MPL-Gens führen. Dies führt wiederum zu einer konstitutiven Aktivierung von JAK2 und STAT5 [82] Sowohl Typ 1 (CALRdel52) als auch in milderer Ausprägung Typ 2 (CALRins5) Mutationen haben in diesen

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Mausmodellen zu einer Expansion der megakaryozytären Zellreihe und folglich Thrombozytose geführt. Für die Aktivierung des Thrombopoetin-Rezeptors benötigt das Calreticulin-Protein sowohl seine mutierte C-terminale Domäne als auch MPL. Wildtyp und mutiertes CALR binden an den N-glykosidischen Rest der extrazellulären Domäne des Thrombopoetin-Rezeptor MPL im endoplasmatischen Retikulum. Calreticulin fungiert hierbei physiologisch als Chaperon und unterstützt die korrekte Faltung von MPL. Der Thrombopoetin- Rezeptor MPL gelangt an die Zelloberfläche und kann durch Bindung von Thrombopoetin aktiviert werden. Die Bindung des mutierten Calreticulin wird durch die positiven Ladungen der veränderten C-terminalen Domäne pathologisch verstärkt, gelangt ebenfalls an die Zelloberfläche und führt über eine Thrombopoetin-unabhängigen Aktivierung des Thrombopoetin-Rezeptors MPL zu einer konsekutiv exzessiven Aktivierung der Megakaryopoese [83–84] Weiterhin wird durch die CALRmut/MPLwt-Interaktion an der Zelloberfläche die Dimerisation und liganden-unabhängige Aktivierung des JAK/STAT- Signalwegs induziert (Abbildung 1.6).

In MPL-Knockout-Mäusen konnte gezeigt werden, dass CALRdel52 allein keine Thrombozytose induzieren kann. Diese Beobachtung unterstreicht die pathophysiologische Interaktion von mutiertem CALR und Wildtyp-MPL mit dem Resultat einer ausgeprägten Proliferation der Megakaryopoese auf Ebene der hämatopoetischen Stammzelle. Mutationen im CALR- Gen sind fast ausschließlich bei der essentiellen Thrombozythämie und der Myelofibrose zu finden. [82] Mutiertes Calreticulin aktiviert nicht den Erythropoetin-Rezeptor und zeigt eine nur schwache Aktivierung des G-CSF-Rezeptors. [85]

PMF-Patienten mit CALR-Mutationen sind vorzugsweise männlich, jünger (<60 Jahre) und haben höhere Hämoglobin-Spiegel und Thrombozytenzahlen im Vergleich zu MPL- und JAK2- mutierten Patienten. Sie stellen einen klinisch indolenteren Verlauf der Erkrankung dar. [75]

Hinsichtlich ihres prognostischen Wertes, der später näher beleuchtet wird, konnten Analysen von Tefferi et. al zeigen, dass CALR Typ 1 bzw. Typ 1-like Mutationen mit einem günstigeren Gesamtüberleben assoziiert sind. [85–87]

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Abbildung 1.6: Pathophysiologische Rolle von Wildtyp-CALR (A) und mutiertem CALR (B) im JAK/STAT-Signalweg, nach Vainchenker, Kralovics 2017.

Myeloproliferative Leukemia Virus Oncogene (MPL)

Das MPL-Gen ist auf Chromosom 1p34 lokalisiert und codiert für den Thrombopoetin- Rezeptor (TPOR). 2006 wurden somatische Mutationen in Exon 10 des MPL-Gens beschrieben, die mit einer Häufigkeit von 5–10 % der JAK2-unmutierten Fälle von PMF und ET vorkommen. [26–27] An der Nukleotidposition 1544 führt der Basenaustausch von Guanin durch Thymin (GàT) zu einer Substitution der Aminosäure Tryptophan durch Leucin (W515L). Daneben wurden neben der W515K-Mutation (Austausch von Tryptophan durch Lysin) eine Reihe weiterer seltenerer Mutationen im MPL-Gen (W515R, W515A) identifiziert.

Als Keimbahnmutation wurde MPLS505N in Fällen von hereditärer Thrombozytose erstbeschrieben. [34]

Die Aktivierung des Thrombopoetin-Rezeptors durch seinen Liganden Thrombopoetin führt physiologisch über eine Aktivierung des JAK/STAT-Signalweges zur Proliferation der Megakaryopoese. Der mutations-bedingte Aminosäure-Austausch im MPL-Gen führt zu einer Konformationsänderung und folglich konstitutiven Aktivierung des Thombopoetin-Rezeptors.

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Diese von der Liganden-Bindung unabhängige Aktivierung des JAK/STAT-Signalweges resultiert in einer unkontrollierten Vermehrung megakaryozytärer Vorläuferzellen. [88] Die Funktion des TPO-Rezeptors kann nicht nur infolge einer Alteration des MPL-Gens beeinträchtigt sein. Es ist anzunehmen, dass unvollständige Glykosylierung und fehlerhafte TPOR-Oberflächenexpression eine bedeutendere Rolle in der Pathophysiologie der myeloproliferativen Neoplasien spielen als jegliche MPL-Mutation. So konnte gezeigt werden, dass JAK2V627F- und CALR-Mutationen die Expression unreifer und den Abbau funktionsfähiger TPO-Rezeptoren begünstigen.

MPL-Mutationen bei Patienten mit essentieller Thrombozythämie sind mit einem erhöhten Risiko der Transformation in eine sekundäre Myelofibrose assoziiert. Klinische Charakteristika sind höheres Alter, höhere Thrombozytenwerte und niedrigere Hämoglobinspiegel. [89] Ein Unterschied im Gesamt- und leukämie-freien Überleben zwischen MPL- und JAK2-Mutation konnte weder bei der PMF noch bei der ET beobachtet werden. [90]

In Tabelle 1.10 sind Mutationsfrequenz und klinische sowie prognostische Konsequenz von häufigen Genmutationen bei der PMF dargestellt.

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Tabelle 1.10: Mutationsfrequenz und klinische sowie prognostische Konsequenzen von häufigen Genmutationen bei der Myelofibrose; nach Tefferi et al. 2014

Genmutation Frequenz in

% Klinische Konsequenz Prognostische

Konsequenz

JAK2V617F 50–60 %

Verglichen zu CALR:

Höheres Alter, höhere Hb-Spiegel, höhere Leukozytenzahl

Intermediäre Prognose [19,91]

CALR 20–25 %

insgesamt

Verglichen zu JAK2V617F: weniger thrombogene Ereignisse [75]

Niedrigerer DIPSS-Plus, geringeres AML-

Progressionsrisiko, günstige Prognose [19,91-92]

CALR Typ 1/- like

Exon 9, 52-bp Deletion

70 % der CALR- Mutationen

Verglichen zu JAK2V617F: jüngeres Alter,

seltener Anämie,

höhere Thrombozytenzahl [86]

Günstige Prognose [86,91]

CALR Typ 2/- like

Exon 9, 5-bp Insertion

15 % der CALR- Mutationen

Verglichen zu Typ 1/-like:

höhere Leukozytenzahl, höherer zirkulierender Blastenanteil [86–87]

Höherer DIPSS-Plus, schlechte Prognose [86- 87,92]

MPL (MPLW515L, MPLW515K)

6–7 %

Verglichen zu JAK2V617F: weniger thrombogene Ereignisse

Intermediäre Prognose [19,92]

Triple-negativ 10–15 %

Höheres Alter, niedrigere Hb-Spiegel, Thrombozyten- und Leukozytenzahl [75]

Hoher IPSS, erhöhtes AML- Progressionsrisiko, ungünstige Prognose [19,92]

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Ten Eleven Translocation Methylocytosine Dioxygenase 2 (TET2)

Mutationen im TET2-Gen treten mit einer Häufigkeit von bis zu 10–20 % bei den myeloproliferativen Erkrankungen auf (PMF 17 %; Post-PV- und Post-ET MF je 14 %). [93]

Noch häufiger sind sie bei anderen hämatologischen Erkrankungen wie der chronischen myelomonozytären Leukämie (CMML) oder der sekundären AML (sAML). Sie gehören mit den DNMT3A-Mutationen zu den häufigsten, die bei der klonalen Hämatopoese von unbestimmtem Potential (clonal hematopoiesis of indeterminante potential – CHIP) vorkommen. [94–96] Das TET2-Gen ist auf Chromosom 4q24 lokalisiert und gehört zu einer Gruppe epigenetischer Regulatorgene (TET1–3), die für Dioxygenasen codieren, die eine zentrale Rolle in der DNA-Hydroxymethylierung spielen. Hierbei wird α-Ketoglutarat- abhängig 5-Methylcytosin in 5-Hydroxymethylcytosin umgewandelt und somit die epigenetische Markierung der DNA verändert. Die Reaktion wird von DNA- Methyltransferasen (DNMTs) katalysiert.

Mutationen im TET2-Gen sind loss-of-function-Punktmutationen oder Deletionen und gehen einer JAK2-Mutation häufig voraus. TET2-Mutationen sind wesentlich für die klonale Dominanz der krankheitstragenden Zelle. [96] Es wird vermutet, dass das zeitliche Auftreten der Mutation Konsequenzen für den Krankheitsphäntoypen habe. Ein klinisch der essentiellen Thrombozythämie gleichendes Bild wird durch das Auftreten einer JAK2-Mutation induziert, in der die Mutation im TET2-Gen zuerst bestand. Andersherum ist der Phänotyp ähnlich der PV. Als sekundäres Ereignis nach JAK2V617F- oder CALR können TET2-Mutationen auch die klonale Expansion doppelt mutierter Stamm- und Vorläuferzellen induzieren. [97]

Der prognostische Einfluss von TET2-Mutationen bei PMF-Patienten ist bis dato unklar. Es besteht eine Assoziation zu einem Progress der Erkrankung, wenn die Mutation als sekundäres Ereignis hinzukommt, insbesondere wenn sie homozygot ist. [93,98]

Additional Sex Comb Like 1 (ASXL1)

ASXL1-Mutationen sind bei 25 % der PMF-Patienten, seltener bei ET- und PV-Patienten zu finden. Das Gen gehört neben ASXL2 und ASXL3 zu der Polycomb-Gen-Familie der Chromatin-bindenden Proteine und ist über die Wirkung auf HOX-Gene ebenfalls an der epigenetischen Regulation der Genexpression beteiligt. Das Gen ist auf Chromosom 20q11.1 lokalisiert und besteht aus einem Carboxy-terminalen plant-homo-domain-finger (PHD) und mehreren nukleären Rezeptor-Box-Domänen. Weiterhin fungiert das Gen als Kofaktor einiger nukleärer Rezeptoren, wie dem Östrogen- oder dem Retinsäure-Rezeptor. Am häufigsten treten heterozygote Frameshift- und Stop-Mutationen in Exon 12 auf und resultieren in einen Verlust

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der Carboxy-terminalen PHD. [99] Im Mausmodell führte gezielter Knockout von ASXL1 zu einer ausgeprägten Zytopenie, Dysplasien myeloischer Zellen und Defekten auf Ebene der hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen. [100]

ASXL1-Mutationen bedingen bei PMF-Patienten ein signifikant geringeres Gesamtüberleben und sind mit einem erhöhten Risiko der Transformation in eine sekundäre AML assoziiert. Sie werden zu der high-molecular-risk (HMR)-Kategorie gezählt. [8]

Serine/Arginine Rich Splicing Factor 2 (SRSF2)

Mutationen, die am RNA-Splicing-Mechanismus beteiligt sind, wurden in verschiedenen myeloischen Neoplasien beschrieben. Am häufigsten sind Mutationen in SRSF2, SF3B1 und U2AF1. Sie kommen insbesondere bei den myelodysplastischen Syndromen vor, sind aber auch bei den myeloproliferativen Neoplasien, und hier ausschließlich bei der essentiellen Thrombozythämie (<3 %) und der primären Myelofibrose (8–10 %), beschrieben. [8,101]

SRSF2 codiert für ein Protein aus der großen Familie der Serin/Arginin-Splicing-Faktoren.

Diese binden an die ESE-Sequenzen (Exon-Spleiß-Enhancer) der prä-mRNA. Bisherige Daten weisen darauf hin, dass die SRSF2P95H-Mutation anders als bisher angenommen nicht zu einer loss-of-function führt, sondern durch die Bindung an die CCNG-ESE-Sequenz zu einem veränderten Splicing-Muster. Dies führt über ein falsches Prozessieren der prä-mRNA zu RNAs, die für unfunktionelle Proteine codieren. Im Mausmodell konnte gezeigt werden, dass eine heterozygote SRSF2P95H-Mutation infolge der Myelodysplasie zu einer Zytopenie führt.

Homozygote Mutationen hingegen führten zu einer Zytopenie, die durch das Fehlen hämatopoetischer Vorläuferzellen bedingt ist. [102] SRSF2-Mutationen gehören ebenfalls der HMR-Gruppe an und sind folglich mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. [103]

Isocitrat-Dehydrogenasen 1 und 2 (IDH1 und IDH2)

IDH1 und IDH2 codieren für zwei Isocitrat-Dehydrogenasen, die NADP+-abhängig die oxidative Decarboxylierung von Isocitrat zu alpha-Ketoglutarat (α-KG) katalysieren. Diese Enzyme sind in diversen zellulären Prozessen, unter anderem Adaptation an Hypoxie, Histon- Demethylierung und DNA-Modifikation beteiligt. Als Bestandteil des Tricarbonsäurezyklus ist IDH2 neben dem Zytoplasma auch im Mitochondrium lokalisiert.

Heterozygote wiederkehrende Mutationen in IDH1 (R132H; R132C) und IDH2 (R140Q;

R172K) wurden bei der AML mit einer Häufigkeit von bis zu 20 % (IDH1 7–14 %; IDH2 8–

19 %) beobachtet. [104] Viel häufiger konnten sie als mutierte Onkogene bei Patienten mit Gliomen identifiziert werden. [105–106]

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Die genomische Analyse von 1473 Patienten mit MPN hat eine niedrige Mutationsfrequenz zwischen 0.8 und 4.2 % in der chronischen Erkrankungsphase gezeigt. Im Gegensatz dazu konnte ein Anstieg der Mutationsfrequenz auf bis zu 22 % in der Phase der leukämischen Transformation (Blastenphase) beobachtet werden, sodass eine Assoziation zwischen dem Auftreten einer IDH1- bzw. IDH2-Mutation und dem Progress in eine akute Leukämie anzunehmen ist. [107–109]

Spezifische Mutationen bestimmter Codons führen dazu, dass die Proteine eine veränderte enzymatische Aktivität erlangen und in der Folge α-KG unter Verbrauch von NADPH zu 2- Hydroxyglutarat reduzieren. Es konnte gezeigt werden, dass die Akkumulation des R- Enantiomers von 2-Hydroxyglutarat (R-2HG) zu einer kompetitiven Inhibition einer Reihe α- KG-abhängiger Enzyme führt und folglich in DNA-Hypermethylierung, Chromatin- Modifikation und veränderter Hypoxie-Antwort resultiert. Die Tatsache, dass das Produkt α- KG noch vorhanden ist und als Substrat einer darauffolgenden enzymatischen Reaktion dient, stützt die Annahme, dass die Mutation heterozygot und dominant gegenüber dem intakten Wildtyp-Allel ist. [110]

Weiterhin konnte gezeigt werden, dass hohe Spiegel des Onkometaboliten R-2HG mit einer Differenzierungsblockade auf Stufe der hämatopoetischen Vorläuferzelle assoziiert sind. [111]

Enhancer of Zeste Homolog 2 (EZH2)

Mutationen in EZH2 werden mit einer Häufigkeit von 5–10 % bei PMF-Patienten beobachtet.

Das EZH2-Gen codiert für eine der zwei katalytischen Untereinheiten des PRC2-Komplexes (polycomb repressive complex 2). Der Proteinkomplex ist in diversen zellulären Prozessen, wie der Zellproliferation und –differenzierung, beteiligt. Loss-of-function-Mutationen des EZH2- Gens sind sowohl in hämatologischen als auch in soliden Tumoren, unter anderem Mamma- und Prostatakarzinom, beschrieben. [112–113]

In PMF sind EZH2-Mutationen eng mit JAK2V617F assoziiert und prognostisch als ungünstig einzustufen. [113]

1.2.5 Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch stellt nach wie vor die Unterscheidung zwischen primärer und Post- PV- respektive Post-ET-Myelofibrose eine Herausforderung dar, zumal Studien keinen signifikanten Unterschied in Hinblick auf Prognose und Therapie zwischen diesen Entitäten sehen. [57] Das Fehlen einer aktivierenden Mutation in JAK2 kann eine Post-PV-Myelofibrose, nicht jedoch eine Post-ET-Myelofibrose ausschließen. Auch die akute Myelofibrose, eine

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