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Archiv "Kunst und Psychiatrie: Grenzgänger" (23.09.2005)

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V A R I A

A

A2578 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 38⏐⏐23. September 2005

U

nser Umgang mit Ster- ben und Tod ist von star- ken ambivalenten Ge- fühlen geprägt. Einer nur zu gern verdrängten Angst vor der eigenen Endlichkeit steht die Fürsorge für die Ver- storbenen wie die Überleben- den gleichermaßen gegenüber.

Begräbnisriten regeln den Übergang. In diesem Zusam- menhang ist seit Ende des 14.

Jahrhunderts in Europa der

„Totentanz“ zu sehen, dem mehrere Bedeutungen zu- kommen. Es kann sich um Tänze für die Toten handeln, wie sie im Mittelalter auf Friedhöfen stattgefunden ha- ben, eher jedoch sind Bilder von tanzenden Skeletten ge- meint oder auch ein Reigen, bei welchem jeweils ein Toter einen Lebenden ins Reich des Todes geleitet.

Eines der berühmtesten Beispiele dieses Bildthemas findet sich im ausgehenden Mittelalter in der „Schedel- schen Weltchronik“ (1493) des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Sche- del. Die Abbildungen in die- sem Werk stammen aus der Werkstatt von Michael Wol- gemut. Auf seinem Holz-

schnitt werden Tote nicht nur als Skelette dargestellt, son- dern – wie dies häufig ge- schah – auch als verweste Leichname, denen die Gedär- me aus der geöffneten Bauch- höhle heraushingen.

Das Bild zeigt keine be- drückte Stimmung, sondern fröhlich tanzende Figuren.

Die Vielfalt und Ambivalenz der Assoziationsmöglichkei- ten macht offensichtlich die Faszination dieses alten Bild- themas aus: Geht es hier um die christliche Freude an der versprochenen Auferste- hung? Oder handelt es sich um eine Reaktionsbildung an- gesichts der Ängste vor dem eigenen Sterben? Soll uns das Reich der Toten als frohge- stimmtes Ende des irdischen Jammertals vor Augen geführt werden – oder richtet sich die Darstellung gegen eine Ver- drängung der Begrenztheit unseres Lebens, deren bewuss- te Wahrnehmung erst jeden Tag wertvoll macht? Gehö- ren derartige Bilder zu den Bewältigungsstrategien der Überlebenden, wie dies zum Beispiel auch für den Leichen- schmaus gilt? Künstler wie HAP Grieshaber, Horst Jans-

sen, Markus Lüpertz oder Pe- ter Gilles haben diesem jahr- hundertealten Bildthema bis in unsere Zeit „lebendigen“ Aus- druck gegeben. Hartmut Kraft

Biografie Michael Wolgemut Geboren 1433 oder 1434 in Nürnberg.

Deutscher Maler und Holzschnittzeich- ner. Berühmt wurde er vor allem durch seine 1 809 Holzschnitte, die er für die

„Schedelsche Weltchronik“ (1493) an- fertigte. Bei dieser umfangreichsten

Holzschnittfolge des 15. Jahrhunderts arbeitete er unter anderem auch mit dem jungen Albrecht Dürer zusammen.

Gestorben 1519 in Nürnberg.

Literatur

Frey W, Freytag H (Hrsg.): „Ihr müsst alle nach meiner Pfeife tanzen.“ Wiesbaden:

Harrassowitz Verlag 2000.

Schuster E (Hrsg.): Das Bild vom Tod. Reck- linghausen: Verlag Aurel Bongers 1992.

Wunderlich U: Der Tanz in den Tod. To- tentänze vom Mittelalter bis zur Gegen- wart. Freiburg i. Br.: Eulen Verlag 2001.

Kunst und Psyche

Ambivalente Reaktionen

B

is zum 15. Oktober zeigt die Galerie Susanne Zan- der (Antwerpener Stra- ße 1, 50672 Köln, Tele- fon: 02 21/52 16 25, E-Mail:

s.zander@netcologne.de) eine Auswahl von Bildern aus der Sammlung von Dr. med.

Hartmut Kraft. Zu sehen (und zu kaufen) sind ins-

gesamt 25 Arbeiten von Karl L., August Wilhelm Schnietz und Friedrich Schröder- Sonnenstern. Sie alle sind

„Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie“. So lautet auch der Titel des einschlä- gigen Buches von Kraft, das

soeben in 3. überarbeiteter und erweiterter Auflage her- ausgekommen ist. Kraft, der als Nervenarzt und Psycho- analytiker in Köln niederge- lassen ist, gilt als ausgewiese- ner Kenner des Art brut, sein Buch als Standardwerk. Die Neuauflage ist im Deutschen Ärzte-Verlag erschienen, die beiden früheren Auflagen waren bei Dumont verlegt worden.

Hartmut Kraft ist den Le- sern des Deutschen Ärzte- blattes unter anderem durch die einmal monatlich erschei- nende Kolumne „Arzt und Psyche“ bekannt. NJ

Kunst und Psychiatrie

Grenzgänger

Arbeiten aus der Sammlung Kraft

Das Standardwerk von Hart- mut Kraft ist im Deutschen Ärzte-Verlag neu erschienen:

350 Seiten, 25 Farb- und 206 SW-Abbildungen, um- fangreich ergänzt, unter an- derem um einen grundlegen- den Beitrag über den Einfluss psychiatrischer Erkrankungen auf die bildnerische Gestal- tung. Preis: 39,95 Euro

„Tanz der Gerippe“, Holzschnitt im Format 19,3 cm × 22,6 cm von Michael Wolgemut aus der „Schedelschen Weltchronik“, Nürnberg 1493, S. 264

Foto:Eberhard Hahne

Referenzen

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