Keine Frage ist es für die Liebhaberschnitzer in den Alpen, daß die meisten ihrer schlichten Werke in der Tra- dition sakraler Volkskunst wurzeln. Schon ihrer Selten- heit wegen zählen heute die sogenannten Osterkrippen zu den Kostbarkeiten in nur we- nigen Kirchen vornehmlich in Tirol, wo die Besucher Sze- nen wie aus einem Passions- spiel schauen.
In der glücklichen Lage, ein erlesenes und beispielge- bendes Werk zu bewahren, kann sich das kunsthistorisch bedeutende Meraner Muse- um in Südtirol rühmen. Vor rund 135 Jahren (um 1860) stellte Schlossermeister Alois Höllrigl aus Naturns im Vintschgau die Passion Jesu dar. Der Volkskünstler schuf eine Fülle selbständiger Kreuzweg-Stationen auf meh- reren Ebenen eines Krippen- berges, mit einer farbigen, phantasievollen Stadtkulisse von Jerusalem im orientali- schen Stil. Einfallsreich sind die Gebäude, deren Dächer auf Säulen ruhen.
Höllrigl, der 220 vollge- schnitzte, zuweilen symbol- haft bemalte Figuren entste- hen ließ, erweist sich als Ken-
ner der Bibel. Mit Hingabe ist unter anderem das letzte Abendmahl, das Gebet auf dem Ölberg, der Verrat und
die Gefangennahme, die Dornenkrönung und die Ver- zweiflung des Judas geschil- dert. Der technisch begabte Krippenbauer bastelte außer- dem einen ausgeklügelten Mechanismus, der ganze Gruppen auf Laufbändern beweglich macht und einzel- nen Figuren „Leben ein-
haucht“. Kurt Lorz
A-922 (74) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 14, 5. April 1996
V A R I A FEUILLETON
Meraner Museum
Ausstellung einer Osterkrippe
Die Auferstehungsszene der „Oster- krippe“ von Alois Höllrigl Foto: Kurt Lorz
„Kunst und Psychiatrie“
heißt eine internationale öf- fentliche Kunstausstellung, die begleitend zum Kongreß
„Forum Rehabilitation – 2.
Europäisches Forum zur Psy- chosozialen Prävention – Therapie – Rehabilitation“
vom 2. bis 4. Mai 1996 im Congress Centrum Hamburg gezeigt wird.
Diese Ausstellung präsen- tiert nach Angaben der Ver- anstalter schwerpunktmäßig Werke von Künstlern aus
Deutschland und Polen und soll dazu beitragen, der Psychiatrie und den psychisch kranken Menschen mehr Aufmerksamkeit zu verschaf- fen und Vorurteile gegen die Psychiatrie abzubauen.
Gezeigt werden die Ar- beiten von Gruppen und Ein- zelpersonen aus unterschied- lichen Arbeitszusammenhän- gen, zum Beispiel aus der Kunsttherapie, aus Kunstpra- xen oder aus Malkreisen an Gesundheitsämtern. WZ