Neben den Beta-Interferonen setzen die im zitierten Artikel aus Lancet erwähnten Substanzen (2) ge- nau an diesen Kontrollmechanismen des Immunsystems an. Wir haben es daher nicht mit einer Begriffsverwäs- serung zu tun, sondern erreichen mit dem Begriff der Immunmodulation eine Spezifikation der Ziele einer im- munologisch ausgerichteten Therapie der MS.
Beide in unserem Aufsatz refe- rierten Studien genügen den von Schulz (3) erwähnten Anforderungen an kontrollierte und randomisierte Studien in vollem Maße (4, 5). Die Frage nach der Aufrechterhaltung der Blindung von Patient und Untersu- cher bei den deutlich verumassoziier- ten Nebenwirkungen ist berechtigt. In beiden Studien konnte die Blindung der Untersucher aufrechterhalten werden, was durch regelmäßige Fra- gebögen dokumentiert wurde (5, 6).
Patienten der Betaferon-Studie gaben häufiger korrekt an, daß sie Verum er- halten hatten, Angaben zur Dosis wa- ren aber randomisiert verteilt. Da sich beide Applikationsdosen (1,6 MIU versus 8 MIU jeden zweite Tag s.c.) hinsichtlich ihrer klinischen Wirksam- keit deutlich unterschieden, kommt diesem Befund in bezug auf das Ge- samt-Studienergebnis nur geringe Be- deutung zu. In der Avonex-Studie konnten 32,2 Prozent der Patienten nach zwei Jahren richtig angeben, wel- che Studienmedikation sie erhalten hatten. Mehr als die Hälfte der Patien- ten, die IFN-b1a bekamen, wußten nicht, ob sie Verum oder Plazebo er- halten hatten. Bezüglich des Haupt-
zielkriteriums dieser Studie fand sich eine Krankheitsprogression bei 21 Prozent der Patienten, die zu Beginn der Studie korrekt angaben, daß sie IFN-b1a erhalten würden, während dies nur bei elf Prozent derjenigen auftrat, die nicht wußten, daß sie Ver- um erhielten. Aus diesem Ergebnis wurde geschlossen, daß die partielle Entblindung der Patienten keinen sig- nifikanten Einfluß auf das Gesamter- gebnis der Studie hatte (5). Zusätzlich zeigten in beiden Studien die Verän- derungen in der zerebralen Kernspin- tomographie als objektiver Surrogat- marker der subklinischen Krankheits- aktivität einen deutlichen Therapie- effekt von Beta-Interferon an (4, 5).
Es bleibt die Frage nach der Re- levanz statistisch signifikanter Studi- energebnisse für die Behandlung ein- zelner MS-Patienten. Die Indikation zur Behandlung mit Beta-Interferon wird im Einzelfall anhand der Emp- fehlungen der DMSG beurteilt. Die Erwartungen des Patienten in den Therapieerfolg müssen ebenfalls rea- listisch eingeschätzt und interpretiert werden. Die Entscheidung, eine The- rapie längerfristig (über Jahre) durch- zuführen, richtet sich im Einzelfall nach dem Auftreten vertretbar gerin- ger Nebenwirkungen und dem gün- stig erscheinenden weiteren Krank- heitsverlauf.
Die Aufklärung der Rolle neu- tralisierender Antikörper bei nachlas- sender Therapiewirkung sowie Mög- lichkeiten zur Kombinationstherapie (zum Beispiel mit Azathioprin, Phos- phodiesterase-Inhibitoren oder Co- polymer-1) sind Gegenstand derzeiti-
ger Forschung und lassen auf eine Optimierung und gegebenenfalls auch Individualisierung der Therapie der MS hoffen.
Die pessimistisch gefärbten Äußerungen über die Unheilbarkeit der MS führen am Problem des ärzt- lichen Heilungs- und Linderungsauf- trags vorbei und übersehen die ganz erheblichen Fortschritte in der MS- Therapie, die ja nur als eine der Moda- litäten Immunmodulation beinhaltet.
Literatur
1. Polman CH, Hartung HP: The treatment of multiple sclerosis: current and future. Curr Opinion Neurol 1995; 8: 200–209.
2. Fricker J: Developing drugs for multiple sclerosis. Lancet 1996; 348: 1022.
3. Schulz, KF: Randomized trials, human nature, and reporting guidelines. Lancet 1996; 348: 596–598.
4. The IFNB Multiple Sclerosis Study Group and the University of British Columbia MS/MRI Analysis Group: Interferon beta- 1b in the treatment of multiple sclerosis:
Final outcome of the randomized control- led trial. Neurology 1995; 45: 1277–1285.
5. Jacobs LD, Cookfair DL, Rudick RA, Herndon RM, Richert JR, Salazar AM, Fischer JS, Goodkin DE, Granger CV, Simon JH: Intramuscular interferon beta- 1a for disease progression in relapsing multiple sclerosis. Ann. Neurol. 1996; 39:
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6. Sibley WA, Ebers GC, Panitch HS, Reder AT, van den Noort S: Interferon beta treat- ment of multiple sclerosis (reply to letters).
Neurology 1994; 44: 188-190.
Priv.-Doz. Dr. med. P. Rieckmann Prof. Dr. med. H.-P. Hartung Prof. Dr. med. K. V. Toyka Klinische Forschungsgruppe für Multiple Sklerose Neurologische Klinik der Julius-Maximilians-Universität Josef-Schneider-Straße 11 97080 Würzburg
A-1362
M E D I Z I N DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT
(58) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997 In den Vereinigten Staaten wird
Inline-Skating von schätzungsweise 22,5 Millionen Menschen betrieben, davon wurden bisher zirka 100 000 so verletzt, daß sie sich in ambulante oder stationäre medizinische Behand- lung begeben mußten. In einer 1992 durchgeführten retrospektiven Un- tersuchung in 91 Notfallambulanzen wurden 206 Patienten mit Verletzun- gen durch Inline-Skating identifiziert, 161 (78 Prozent) hiervon konnten in die Studie eingebracht werden.
Am häufigsten traten Handge- lenksverletzungen (32 Prozent), ge- folgt von Ellbogen-, Knie- und Kopfverletzungen auf. Sicherheits- vorkehrungen wurden von knapp über der Hälfte der Verletzten getra- gen: Knieschützer (45 Prozent), Handgelenkschützer (33 Prozent), Ellbogenschützer (28 Prozent) und Helme (20 Prozent). Das Tragen von Knie- und Ellbogenschützern führte zu einem deutlichen (Faktor 10) Rückgang von Frakturen in diesem
Bereich, dagegen konnte für Knie- schützer kein signifikanter Rückgang der Verletzungen aufgezeigt werden.
Die Zahl der Kopfverletzungen war zu gering, um eine Aussage in be- zug auf das Tragen von Helmen zu er-
lauben. acc
Schieber RA et al.: Risk factors for inju- ries from inline skating and the effec- tiveness fo safety gear. N Engl. J Med 1996; 335: 1630–1635.
Dr. Schieber, National Center for Injury Prevention and Control, Centers for Disease Control and Prevention, Mail- stop K-63, 4770 Buford Hwy. NE, Atlan- ta, GA 30341, USA.