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iel des Mutterschutzge- setzes ist es, das Risiko einer Schädigung der werdenden Mutter und des Kindes am Arbeitsplatz auf das Risiko der Allgemeinbe- völkerung abzusenken.Das Bundesverwaltungs- gericht hat mit Urteil vom 27. Mai 1993 (Az.: 5 C 42.89) entschieden, daß eine wer- dende Mutter keinen Um- gang mit infizierten stechen- den, schneidenden oder boh- renden Gegenständen haben darf. Das Infektionsrisiko ist im Einzelfall zwar sehr ge- ring, aber doch vorhanden.
Generell gilt, daß die Ein- trittswahrscheinlichkeit eines Schadens (hier der Infektion von Mutter und Kind) um so geringer sein kann, je höher der zu erwartende Schaden ist, um entsprechende Ge- genmaßnahmen zu rechtferti- gen.
Da das Recht auf Leben und Gesundheit von Mutter und Kind ein sehr hohes Rechtsgut darstellt, kann be- reits die Eintrittswahrschein- lichkeit einer Infektionser- krankung durch eine Stich- verletzung, so gering sie sein mag, entsprechende Maß- nahmen begründen.
Konkret bedeutet dies für Arztpraxen, daß die wer- dende Mutter folgende Tätig- keiten nicht übernehmen darf:
Blutzucker messen, wenn mit einer Lanzette ge- arbeitet wird;
Heparin oder Insulin spritzen (subcutan) oder an- dere Injektionen vornehmen;
Impfungen (Tetanus) oder „Schmerzspritzen“ ge- ben (intramuskulär);
Blut abnehmen.
Ein ausreichender Schutz durch Handschuhe ist nicht möglich, da Handschuhe durch infizierte spitze Instru- mente perforiert werden kön- nen. Sofern für die Tätigkeit ein gesetzliches Beschäfti- gungsverbot besteht, werden
die Lohnkosten bei Betrieben bis zu 20 Mitarbeitern nach
§ 10 Lohnfortzahlungsgesetz von den Krankenkassen bis zu 100 Prozent übernommen, sofern eine Umsetzung an ei- nen nicht gefährdenden Ar- beitsplatz unmöglich ist.
Wenn nach einer Umsetzung nur ein Teil der Arbeitszeit geleistet werden kann, ersetzt die Krankenkasse die Diffe- renz zum vollen Gehalt.
Um das Risiko eines Scha- dens der werdenden Mutter auf das der Allgemeinbevöl- kerung abzusenken, ist auch ein Umgang mit krebserzeu-
genden, fruchtschädigenden oder erbgutverändernden Ge- fahrstoffen nicht gestattet.
Ebenso darf die werden- de Mutter strenggenommen nach der Verordnung keinen Krankheitserregern ausge- setzt sein.
Um dieses Schutzziel in der Praxis zu erreichen, sind zusätzlich noch folgende Punkte zu beachten:
kein Kontakt zu of- fensichtlich infektiösen Pa- tienten, das heißt solchen mit Husten, Fieber, star- kem Schwitzen oder Durch- fall;
kein Wechseln von in- fizierten Verbänden;
in der Regel kein Ein- satz im Labor, sofern durch Kontakt zu Blut, Sputum, Stuhl die Gefahr von Schmierinfektionen beson- ders hoch ist;
kein Umgang mit ioni- sierenden Strahlen im Kon- trollbereich;
kein Einsatz im selben Raum, in dem mit Ethylen- oxid zum Sterilisieren ge- arbeitet wird. Bei Einsatz von Formaldehyd muß nach- gewiesen werden, daß die Auslöseschwelle unterschrit- ten ist;
kein Herrichten von Zytostatikainfusionen, kein Katheterziehen nach Zy- tostatikainfusionen (Aus- scheidungen von Chemothe- rapie-Patienten gelten als krebserregend!);
in der Regel kein Ein- satz im selben Raum, in dem mit flüchtigen Inhalations- narkotika gearbeitet wird;
kein Heben oder Tra- gen von regelmäßig mehr als fünf Kilogramm, von zehn Kilogramm nur gelegentlich.
Konkret bedeutet dies, daß eine Mobilisation von Patien- ten (zum Beispiel das Führen zur Toilette) nicht möglich ist, da ein fallender Patient von der werdenden Mutter aufgefangen werden müßte.
Weiterhin gelten in Arzt- praxen Einschränkungen be- züglich der Arbeitszeit. Er- laubt ist eine Arbeitszeit von 8,5 Stunden (Jugendliche nur acht Stunden) an Werktagen zwischen 6 und 20 Uhr. Sonn- und Feiertagsarbeit sind nicht gestattet.
Das Mutterschutzgesetz gilt allerdings nur für abhän- gig beschäftigte Arbeitneh- merinnen (zum Beispiel Assi- stenzärztinnen, Arzthelferin- nen). Es gilt nicht für selb- ständige Praxisteilhaberin- nen oder Ärztinnen mit eige- ner Praxis.
Bei Meldung einer Schwangerschaft ist der Ar- beitgeber verpflichtet, die Schwangerschaft nach § 5 Mutterschutzgesetz dem re- gional zuständigen Gewerbe- aufsichtsamt mitzuteilen. Dort berät man ihn auch weiter.
Dr. med. Helmut Herrmann Medizinaloberrat
Gewerbeaufsichtsamt Ludwigstraße 33 97070 Würzburg
A-2103 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 36, 4. September 1998 (55)
V A R I A WIRTSCHAFT
Arbeit in Arztpraxen
Hinweise zur Umsetzung des Mutterschutzgesetzes
Manchen Ärztinnen und Ärzten ist unklar, welche konkreten Arbeiten schwangere Helferinnen und Assistentinnen in der Praxis nicht mehr übernehmen dürfen. Der Autor des folgenden Beitrags beschreibt als im gewerbeärztlichen Dienst Tätiger, was im Detail in Arztpraxen zu beachten ist.
Das Mutterschutzgesetz schließt schwangere Helferinnen und Assistentinnen von bestimmten Tätigkeiten in der Praxis aus, beispielsweise von der Blutabnahme.
Foto: Eberhard Hahne