Schlaganfall
Häufige Fehler bei der Akutbehandlung
und 90 Prozent der Apoplex-Patienten erreichen in Deutschland zu spät eine auf die Behandlung des ischämischen Insultes eingerichtete Klinik, wie Wissenschaftler beim Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer in Köln betonten. Das hat verschie- dene Gründe: So kennt man in der Öffentlichkeit kaum die Symptome des Hirninfarktes und schätzt ihn nicht als Notfall ein. Laut Prof. Karl Max Einhäupl (Berliner Cha- rité) hängt die Prognose des Betroffenen nicht nur vom Ausmaß der Ischämie ab, sondern auch von den Akut- maßnahmen des erstbehandelnden Arztes sowie von der Zeit bis zur Ankunft in der Klinik. Denn die Zeitspanne für gute Behandlungschancen ist laut Einhäupl mit drei bis sechs Stunden deutlich kürzer als bislang angenom- men. Ursache ist eine Vielzahl von Kaskadenreaktionen, die sich gegenseitig addieren oder potenzieren und die Zelle schließlich in eine metabolische Situation bringen, die eine Restitution nicht mehr zuläßt.
ie schnell diese Prozesse ablaufen, hängt unter anderem von der Körpertemperatur und dem Glukosegehalt des Blutes ab. Als einen häufi- gen Fehler bei den Akutmaßnahmen nannte Einhäupl die Blutdrucksenkung. Diese Maßnahme wird inzwi- schen als obsolet angesehen, da sie die Restperfusion des Gehirns weiter mindert. „Der Blutdruck muß infolge der gestörten Autoregulation auf einem hohen Niveau stabi- lisiert werden“, so Einhäupl. Sobald der Rettungswagen eingetroffen ist, sollte der Patient unverzüglich in die nächstgelegene Neurologie transportiert werden, zumin- dest jedoch in ein Krankenhaus, in dem eine Computer- tomographie durchgeführt werden kann. Patienten mit einer Gehirnblutung gehören nach Prof. Hans Christoph Diener (Essen) dagegen primär in die Neurochirurgie.
Dies erfordert präklinisch eine gewisse Differentialdia- gnose, die sich meist aus der Symptomatik ergibt.
ür eine Ischämie sprechen vorangegangene tran- sitorische ischämische Attacken (TIA), eine schrittweise Verschlechterung der klinischen Symptomatik, ein erhaltenes Bewußtsein, der Beginn der Beschwerden in den Morgenstunden und Hinweise auf atherosklerotische Erkrankungen wie koronare Herzer- krankung oder periphere arterielle Verschlußkrankheit.
Dagegen muß eine Blutung vermutet werden, wenn die Beschwerden mit Kopfschmerzen – während des Tages und bei körperlichen Anstrengungen – begonnen haben.
Auch ein lange vorbestehender und schlecht eingestellter Bluthochdruck weist nach Diener ebenso wie das Fehlen von Prodromi, eine rasche Ausbildung der neurologi- schen Ausfälle und Bewußtseinsstörungen bis hin zum Koma auf eine Blutung hin. Christine Vetter
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S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 6, 9. Februar 1996