A262 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 6⏐⏐6. Februar 2009
T E C H N I K
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rankenkassen dürfen nur noch Hilfsmittel der Anbieter erstatten, mit denen sie Verträge ge- schlossen haben. Das seit Januar geltende GKV-Organisationsweiter- entwicklungsgesetz (GKV-OrgWG) justiert das bestehende Recht nach und ermöglicht Hilfsmittelversor- gern wie Sanitätshäusern oder Fach- händlern, bis zum Jahresende alten Verträgen mit Krankenkassen bei-zutreten und damit versorgungsbe- rechtigt zu bleiben. Fachleute warn- ten auf einer Veranstaltung von Medinform am 21. Januar in Bonn davor, dass die neu geregelte Hilfs- mittelversorgung mittels Ausschrei- bungen oder Verträgen den Preis auf Kosten der Qualität drücken könnte.
Darüber hinaus waren die neuen engen Grenzen bei der Zusammen- arbeit von niedergelassenen Ärzten mit Leistungserbringern Thema der Veranstaltung. So wird zum Bei-
spiel die Depothaltung in Arztpra- xen, aus denen der Mediziner Hilfs- mittel abgibt, ab April dieses Jahres durch das GKV-OrgWG verboten.
Wie Sylvia Gründken von der AOK Westfalen-Lippe sagte, sind Hilfs- mittelabgaben über Depots bei Ärz- ten dann grundsätzlich unzulässig, lediglich die Notfallbehandlung stellt eine Ausnahme dar. Die Rege- lung gilt demnach auch für die Krankenhäuser. Zudem dürften nach der Neuregelung des Arzt-Lie- feranten-Verhältnisses Ärzte nicht gegen Geldzahlungen an der Versor- gung durch Leistungserbringer im Hilfsmittelsektor beteiligt werden.
Die Krankenkassen werden durch diesen Passus im Sozialgesetzbuch V (§ 128) verpflichtet, künftige Ver- stöße der Ärzte zu ahnden. Erlaubt seien dagegen direkte Vergütungs- regelungen zwischen Kassen und Ärzten.
Michael Heil vom Unternehmen Rehability warb dafür, nicht nur an die bloße Verordnung und Abgabe einzelner Hilfsmittel, sondern auch an die Versorgungsprozesse zu den- ken. Er sprach von Versorgungs- ketten, wenn beispielsweise ein Te- traplegiker zusätzlich zum Rollstuhl noch Katheter oder weitere Medizin- produkte zur Inkontinenzversorgung benötige. Ausschreibungen der Kas- sen seien hier keine Lösung, ein ein- zelnes Produkt könne ein Hersteller womöglich billiger anbieten, aber ohne Bezug zum Patienten würden ganze Versorgungsprozesse zerstört.
Institutionsübergreifender Qualitätsverbund Hilfsmittel
Heil, selbst Rollstuhlfahrer, stellte den Qualitätsverbund Hilfsmittel (QVH) vor, der institutionsüber- greifend Ärzte, Kassen, den Fach- handel, Prüfinstitute, Patienten und Hersteller zusammenbringt. Erschlug QVH-Qualitätskriterien, die nach außen mit dem QVH-Gütesie- gel dokumentiert werden, als Grund- lage von Vertragsverhandlungen vor.
Es gehe nicht an, zum Beispiel an Aktiv- oder Standardkrankenfahr- stühle dieselben Anforderungen zu stellen, hier müsse differenziert wer- den. Die Neuregelung bei den Hilfs- mitteln kann laut Heil eine Chance sein, wenn definierte Qualitätskrite- rien für das neue Präqualifizierungs- verfahren genommen würden. Dieses Verfahren, bei dem die Hilfsmittel- branche ihre Fachkunde unabhängig von einer konkreten Ausschreibung vorab nachweisen kann, um Patien- ten versorgen zu dürfen, hat das GKV-OrgWG erstmals eingeführt.
Bis Juni 2010 soll der GKV-Spitzen- verband nach Aussage von Referats- leiterin Carla Grienberger diese vor- wettbewerbliche Eignungsprüfung der Leistungserbringer etablieren.
Mit deren Verbänden wolle der GKV- Spitzenverband eng zusammen ar- beiten, sagte sie.
Kassen nutzen Machtzuwachs aus
Aus Sicht der Industrie kritisierte Klaus Grunau die bisherigen Erfah- rungen mit Kassenausschreibungen von Hilfsmitteln. Nach Angaben des Vorstandsmitglieds des Bundesver- bands Medizintechnologie hätten die Kassen im vergangenen Jahr ihren Machtzuwachs ausgenutzt und den Preisdruck zulasten der Versor- gungsqualität verschärft. Mangel- haft sei zudem das unterschiedliche Vorgehen der Kassen bei den Aus- schreibungen gewesen. Es gehe nicht an, dass es zum Beispiel bei Stomaprodukten oder Tensgeräten sowohl Ausschreibungen als auch Vertragsverhandlungen gebe.
Positiv sei aus Sicht der Medizin- produktehersteller, dass das jüngste Gesetz Hilfsmittelausschreibungen nicht mehr per se vorschreibe. Es bleibe jedoch bei der Einschränkung für die Patienten oder Behinderten, dass ihr Recht auf Auswahl eines Sanitätshauses oder Fachhändlers sowie das Mitspracherecht bei der Produktwahl weggefallen und funk- tionierende, wohnortnahe Netzwerke zerschlagen worden seien. n Susanne Imhoff-Hasse
HILFSMITTELVERSORGUNG
Auf Qualität achten
Auf dem Hilfsmittelmarkt formiert sich Widerstand gegen die Gefahr, dass zweifelhafte Anbieter von Rollstühlen bis hin zu Inkontinenzprodukten Patienten schlecht versorgen.
Kniebandage für die Akutphase, Reha und den Sport – ein Bereich der Hilfsmittel
Foto:BVMed-Bilderpool/Thuasne Deutschland