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Archiv "Geschlossenheit der Ärzteschaft unerläßlich für die Selbsterhaltung" (18.05.1978)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Geschlossenheit der Ärzteschaft unerläßlich

für die

Selbsterhaltung

Einen umfassenden Überblick über die Schwerpunkte ärztli- cher Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik 1977/78 enthält der

„Tätigkeitsbericht '78" der Bun- desärztekammer, der soeben er- schienen ist und der bei der Ver- lagsbuchhandlung der Deut- scher Ärzte-Verlag GmbH, 5000 Köln-Lövenich, Dieselstraße 2, bezogen werden kann.

Aus der Einleitung

des Tätigkeitsberichtes der Bundesärztekammer, von deren Vorstand und Geschäftsführung dem 81. Deutschen Ärztetag vorgelegt

Für 1977 bleibt hervorzuheben, daß die zentralen sozialpolitischen Probleme waren und für 1978 noch immer sind:

1. Der permanent drohende Bankrott der sozialen Rentenversiche- rungen,

2. die permanent hohe Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

Beide Probleme haben die Gesetzgeber der sechziger und siebziger Jahre selbst verschuldet. Statt in der Zeit des Aufschwunges und der vollen Kassen, statt in den sieben „fetten Jahren" Reserven anzu- häufen für die voraussehbar mageren Jahre, oder statt doch zumin- dest nur die Beitragssätze zurückzunehmen, wurden die temporär anfallenden Überschüsse zur Grundlage für permanente Leistungen und Zahlungsverpflichtungen gemacht. Gleichzeitig wurden durch forcierte Lohn- und Preispolitik der Leistungswille der Arbeitnehmer abgebaut und utopische Begehrlichkeiten der Versorgungsberech- tigten aufgebaut.

Statt Wahrheit und Klarheit zur Grundlage des Reformwillens und der Reformen zu machen, gelang es der Bundesregierung — unter Akklamation der Mehrzahl der öffentlichen Meinungsmacher — von diesen Grundproblemen abzulenken und zunächst durch öffentliche Reden, sodann durch Gesetze das bis dahin bewährte und intakte System der gemeinsamen Selbstverwaltung in der sozialen Kranken- versicherung aus den Angeln zu heben. Es ist abzusehen, daß Bedarfsplanung und einnahmenorientierte Ausgabenpolitik das risi- kodeckende Versicherungssystem zu einem plangesteuerten Ver- sorgungssystem machen. Der sozialen Verunsicherung der Rentner

Heft 20 vom 18. Mai 1978 1163

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wurde damit die der Krankenversi- cherten und ihrer Ärzte hinzuge- fügt.

Zu ohnehin bereits drängenden und ungelösten Problemen der Rentenversicherung und der Ar- beitslosigkeit wurde damit also ein weiteres Problem hausgemacht:

3. Der Bestand des bewährten Sy- stems der Sicherung im Krank- heitsfalle ist gefährdet.

Soweit es die Ärzteschaft im be- sonderen und die freien Berufe im allgemeinen angeht, aber auch im Hinblick auf die gesamte Struktur des Bildungswesens und der Be- rufsgliederung, wurde gleichzeitig ein vierter Problemkomplex- kei- neswegs ohne Zutun der Verant- wortlichen in Regierung und Par- lament - entwickelt:

4. Die kostspielige Produktion von Akademikern auf unseren Hochschulen schafft schon heute die sozial Unzufriedenen, die Sy- stemveränderer und die Revoluz- zer von morgen.

..,. Die ärztliche Sozial-, Gesund- heits- und Berufspolitik im enge- ren Sinne ist in diesem Kräftespiel des Verfalls spätrömischen Aus- maßes sehr viel mehr Objekt, als die Chance besteht, aus den Posi- tionen der Ärzteschaft heraus sub- jektiv und aktiv einen Wandel die- ser katastrophalen Entwicklung auch nur partiell herbeizuführen.

Der -Druck von außen kann zur Härtung des inneren Kernes einer Nation, einer Gruppe, eines Be- rufsstandes führen. Er kann je~

doch ebensowohl auch innere Erosionen bewirken. Für das zu- rückliegende Berichtsjahr muß festgestellt werden:

Zwar hat sich die Einheit der deut- schen Ärzte in den elementaren Existenzfragen bewährt, aber in ihrem Organisationsleben wie in den Publikationen nach außen mehren sich die Zeichen dafür, daß an allzu vielen Stellen der Gruppenegoismus - und leider

auch der berufspolitische Ehrgeiz - vorherrscht und die Prinzipien der Solidarität - und leider gele- gentlich auch die des Anstandes und selbst die der bloßen Vernunft - mißachtet werden. Der für die berufliche Funktion der Ärzte wünschenswerte und notwendige i_ndividuelle Pluralismus kann sich für die zur Selbsterhaltung uner- läßlich notwendige Einheit und Geschlossenheit nach außen ver- hängnisvoll auswirken.

Das Berichtsjahr 1977/78 stand demnach unter dem doppelten Zeichen der Gefährdung durch Druck und Systemveränderung von außen wie durch gruppenspe- zifisch pointiertes und gruppen- egoistisches Verhalten im Inneren. Die Bemühungen von Vorstand unc;l Geschäftsführung der Bun- desärztekammer können nur auf diesem Hintergrund wachsender Gefährdung von außen und ge- schwächter Solidarität im Inneren realistisch gewürdigt werden.

Die Programmatik sozialistischer Systemveränderung

Ende September 1977 veröffent- lichte die Gewerkschaft ÖTV ihr gesundheitspolitisches Pro- gramm. Gegenüber den seit gut fünf Jahren bekannten Plänen des

·Deutschen Gewerkschaftsbundes enthält dies in Inhalt und Zielset- zung nichts grundsätzlich Neues, nur Präzisionen und Bestätigun- gen aller bisner von gewerkschaft- licher Seite bereits bekanntgewor- denen Tendenzen zu einer totalen Veränderung des Systems der so- zialen Sicherheit in der Bundesre- publik Deutschland.

Wenige Wochen später verab- schiedete der Parteitag der SPD in Harnburg in atemberaubender Schnelligkeit ohne jede Diskus- sion sein gesundheitspolitisches Programm. Die diskussionslose Verabschiedung dieses Pro- gramms erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß an der Basis der Partei jahrelange Diskussionen voraus- gegangen waren. Inhalt und Ziel-

setzung dieses Programms stim- men mit den gewerkschaftlichen Vorstellungen voll überein: Ein ,.integriertes System medizini- scher Versorgung" soll in einem der Sozialpolitik eingegliederten Gesundheitswesen aus dem mün- digen Bürger einen ganzheitlich versorgten und kontrollierten Pa- tienten machen, der in Medizi- nisch-technischen Zentren, Medi- zinischen Gemeinde-Zentren und durch ein zentrales Informations- system in seinen Beziehungen zum Arzt den Sozial- und Gesund- heitsfunktionären "transparent"

wird.

... ln dem Presseseminar des Bundesverbandes der Ortskran- kenkassen in Maria Laach, Dezem- ber 1977, wurde deutlich, daß Ver- waltung, Arbeitnehmer und Arbeit- geber im Bundesverband der Orts- krankenkassen sich in der Beurtei- lung der bisherigen Gesetzgebung auf diesem Gebiet- Krankenversi-

cherungs- Weiterentw ic kl u ngsge- setz und Kostendämpfungsgesetz - vollständig einig sind. Der ge- sundheitspolitische Sprecher der SPD bestätigte dies ausdrücklich in seinem Pressedienst Er erklär- te, es bestehe weitgehende Über- einstimmung in den gesundheits- politischen Vorstellungen der SPD, des DGB und des Bundes- verbandes der Ortskrankenkas- sen.

Schon vorher hatte anläßlich der dritten Lesung des Krankenversi-

cherungs-Kostendämpfungsge- setzes im Deutschen Bundestag Alfred Schmidt in seiner Doppel- rolle als DGB-Funktionär und Vor- standsmitglied des Bundesver- bandes der Ortskrankenkassen er- klärt, daß die Verabschiedung des

Krankenversicherungs-Kasten- dämpfungsgesetzes "wichtige Elemente der zukunftsweiten Überlegungen" des DGB und des Bundesverbandes der Orts- krankenkassen verwirklichen wer- de.

Der Bundesarbeitsminister Dr. Eh- renberg selbst erklärte im .,Vor- wärts", mit diesem Gesetz seien

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Kooperation im Krankenhaus und mit der freien Praxis

Die Information:

Bericht und Meinung

wesentliche Ziele des Mannheimer Parteitages der SPD erreicht worden.

In der Einleitung zum Tätigkeits- bericht der Bundesärztekammer für 1976/77 war im Hinblick auf den Ausgang der Bundestagswahl 1976 festgestellt worden:

1. Die Regierungskoalition kann mit ihrem Fortbestand für die Dau- er einer weiteren Legislaturperi- ode rechnen.

2. Die Regierungskoalition muß bei allen Zustimmungsgesetzen um die Mehrheit im Bundesrat oder um für sie tragbare Kompro- mißformeln im Vermittlungsaus- schuß bangen, falls die Opposi- tionsparteien die zweite gesetzge- bende Körperschaft, den Bundes- rat, konsequent als Oppositionsin- strument nutzen.

Im diesjährigen Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer ist fest- zustellen, daß hinsichtlich des

Krankenversicherungs-Kosten- dämpfungsgesetzes die Opposi- tionsparteien die zweite gesetzge- bende Körperschaft, den Bun- desrat, nicht konsequent als Op- positionsinstrument genutzt ha- ben.

Während die Opposition im Deut- schen Bundestag geschlossen ge- gen das Gesetz aufgetreten ist, ha- ben die CDU-geführten Regierun- gen in Saarbrücken und Hannover die eben geschilderten Triumphe der Herren Alfred Schmidt und Mi- nister Ehrenberg zur Verwirkli- chung gewerkschaftlicher und so- zialdemokratischer Programmvor- stellungen möglich gemacht: Die besseren Argumente zur Erhal- tung des bewährten Systems in der sozialen Krankenversicherung blieben auf der Strecke. Die Grundprobleme der Arbeitslosig- keit und der Rentenversicherung blieben auf dem Tisch. Weder die Bonner Koalitionsparteien noch die Opposition haben ihre Wahl- versprechen gehalten. Das mag nicht neu sein. Aber es bleibt de- primierend und skandalös.

Die Praxis

machtpolitischer Dezimierung der Selbstverwaltung

Bevor noch das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Krankenversi-

c heru ngs-Weiterentwi cklu ngsge- setz in der sozialen Wirklichkeit greifen konnte und lange bevor noch das Krankenversicherungs- Kostendämpfungsgesetz auch nur in Kraft getreten war, zeigte sich, daß die auf der alten Gesetzge- bung basierenden Maßnahmen der gemeinsamen Selbstverwal- tung und insbesondere der ärztli- chen Selbstverwaltung und deren honorarpolitische Zurückhaltung zur Kostendämpfung außerordent- lich wirkungsvoll waren.

Diese Erfolge der alten Gesetzge- bung und der kassenärztlichen Zurückhaltung in der Empfeh- lungsvereinbarung sind in der Öf- fentlichkeit als Erfolg der Bundes- regierung und der neuesten Ge- setzgebung dargestellt worden.

Die Öffentlichkeit ist hier das Op- fer eines Täuschungsmanövers geworden.

Die großen Anstrengungen aller ärztlichen Organisationen, dies der Öffentlichkeit in der Bundesre- publik Deutschland korrigierend sichtbar zu machen und damit gleichzeitig auf die eigentlichen Probleme der Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens und der sozialen Sicherung hinzuwei- sen, sind praktisch gescheitert. In

den meinungsführenden Medien hat der Wille zu tendenzieller Mei- nungsführung die Bemühung um objektive Unterrichtung weitge- hend verdrängt. Auch außerhalb der ärztlichen Berufsgruppe auf- kommende Kritik an dieser, die de- mokratische Meinungs- und Wil- lensbildung irritierenden Tendenz der allgemeinen Publizistik wird nicht offen diskutiert, sondern führt vielfach — das Übel ver- schlimmernd — zur Solidarisierung der um Objektivität bemühten Pu- blizisten mit Tendenzpresse und publizistischem Schaustellerge- werbe.

Bereits auf der konstituierenden Sitzung der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen nach § 405 a der Reichsversicherungsord- nung in der Fassung des Kranken- versicheru ngs-Kostendämpfungs- gesetzes wurde deutlich, daß durch das Krankenversicherungs Kostendämpfungsgesetz die ge- meinsame Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten eine Schwächung zugunsten der Einrede durch eine Vielfalt gesell- schaftlicher Gruppen erfahren kann. Arbeitsminister und Ge- werkschaften haben bereits ange- kündigt, daß sie in der Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswesen im Herbst Strukturfragen erörtern wollen.

In den Sitzungen des vorbereiten- den Ausschusses für die erste Konzertierte Aktion am 17. März 1978 verstärkte sich sodann der Eindruck, daß zentralistischer Diri- gismus durch gelenkten mehrheit- lichen Gruppenkonsens zum machtpolitischen Instrument ge- nau derselben Kräfte gemacht werden soll, die in ihrer systemver- ändernden Programmatik — ein- schließlich der Arbeitgeberverbän- de in den Selbstverwaltungsorga- nen der Krankenkassen — mitein- ander übereinstimmen.

Was durch Gesetzgebung und de- ren Vollzug auf offener Bühne be- trieben wird, das wird beharrlich — und der Öffentlichkeit nicht immer voll sichtbar — auch von der F y

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 18. Mai 1978 •

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kutive und in der Vorbereitung weiterer Gesetze komplettiert. An dieser Stelle sei beispielhaft ledig- lich auf zwei weitere Komplexe hingewiesen:

Das Bundesmeldegesetz wird zu- sammen mit den Bestrebungen zur Einführung eines Versicher- tenausweises in der Sozialversi- cherung den Bürger zum gläser- nen Objekt von Staats- und Sozial- funktionären machen. Die Ableh- nung einer Personenkennziffer für jeden Bürger durch alle Parteien des Deutschen Bundestages- we- gen der eklatanten Verletzung des Grundgesetzes durch ein derarti- ges Gesetz- scheint weder im In- nenministerium noch im Arbeits- ministerium respektiert zu werden. Die Visionen Orwells werden in Sonn zu Gesetzentwürfen umge- arbeitet.

Sowohl der Gesetzentwurf des In- nenministeriums zum Meldewesen als auch die unveränderten Be- strebungen zur Einführung eines Versichertenausweises im Bun- desministerium für Arbeit und So- zialordnung, ergänzt durch die be- absichtigte "Transparen7" ärztli- cher Behandlungs- und Verord- nungsweise, zeigen, daß die ver- fassungsrechtlichen Bedenken des Deutschen Bundestages die Verantwortlichen in der Regierung ganz offensichtlich überhaupt nicht irritieren in ihren Plänen, den Bürger und Versicherten für die Staats- und Sozialbürokratie transparent zu machen.

Die Regierung Brandt-Scheel war mit dem Versprechen "Mehr De- mokratie und mehr Lebensquali-

tät!" angetreten. Die politische

Praxis hat diese Versprechen ge- brochen.

Sieht man einmal von den in eini- gen Ländern der Bundesrepublik Deutschland bereits verwirklich- ten Prinzipien marxistischer Grundschulerziehung ab, sieht man weiterhin von dem vom Nu- merus clausus forcierten Lei- stungsstreß ohne Bildungsgehalt in den weiterführenden Schulen

der Bundesrepublik Deutschland ab, dann kann allein die Hoch- schulpolitik den Beweis führen, daß die derzeitigen bildungspoliti- schen Praktiken und Initiativen zu einer Destruktion unserer gesell- schaftlichen Ordnung führen müs- sen.

Die Überproduktion von Akademi- kern und damit die zum Greifen nahe explosionsartige Vermeh- rung eines akademischen Proleta- riats muß katastrophale Folgen zeitigen. Es kann keinen Sinn ha- ben, Zehntausende von Juristen zu Taxifahrern ;>:u machen oder Zehntausende von Pädagogen auf Halbtagsarbeit zu setzen. Allein an der Überproduktion von Politolo-

gen, Soziologen und Psychologen

müssen Mensch und Gesellschaft krank werden, weil ihnen das na- türliche Wachstum von Leib und Seele bis zur Qual problematisiert wird: Das Ergebnis ist Lebensqual statt Lebensqualität

..,. Wir können absehen, wann auch Tausende und Zehntausende von approbierten Ärzten dem aka- demischen Proletariat in der Bun- desrepublik Deutschland angehö- ren werden.

Während die Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik Deutschland rückläufig ist und im Jahre 2000 nach sorgfältigen wissenschaftli- chen Vorausberechnungen bei ca. 52 Millionen, nach anderen Be- rechnungen bei" ca. 56 Millionen liegen wird, haben in einer von der Stiftung zur Förderung der wis- senschaftlichen Forschung über Wesen und Bedeutung der freien Berufe, Ludwig-Sievers-Stiftung, veröffentlichten Arbeit Professor Dr. Beske und Dr. Rüschmann die voraussichtliche Zahl der berufs- tätigen Ärzte für das Jahr 2000 mit über 216 000 errechnet.

~ Es gibt weder wissenschaftli- che Arbeiten noch politische Pro- gramme, die einen Anhaltspunkt dafür geben, daß nicht schon in wenigen Jahren Zehntausende

• Fortsetzung auf Seite 1168

Das Programm des 81. Deutschen Ärztetages (es wurde im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATI wiederholt bekanntgegeben; in einer Kurzfas- sung steht es in diesem Heft auf Seite VI verzeichnet) ist umfang- und inhaltsreich. Die Gesundheits- und Sozialpolitik wird- wie könn- te es in dieser Zeit anders sein- sicher wieder einen breiten Raum einnehmen.

Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei die Sorge um den Nach- wuchs unserer menschlichen Ge- sellschaft. Dies zeigt der Festvor- trag in der Eröffnungsveranstal- tung mit dem Thema "Die soziale Sicherung des Kindes und der Fa- milie". ln der Arbeitstagung steht dann an zweiter Stelle ein Referat über die genetische Beratung und pränatale Diagnostik. Gerade die- sem Gebiet hat die Ärzteschaft in den letzten Jahren ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Die ärztlichen Bemühungen haben be- reits ihren Niederschlag in einer deutlichen Senkung der Säug- lingssterblichkeit gefunden.

Besondere Beachtung verdient auch das Thema "Transparenz auf dem Arzeimittelmarkt". Wir wer- den der deutschen Öffentlichkeit klarmachen müssen, daß eine Transparenz des Arzneimittelan- gebotes nicht einfach gleichge- setzt werden kann mit der Darle- gung der angeblichen Preisgün- stigkeit eines angebotenen Medi- kamentes. Es muß allen Verant- wortlichen bewußt werden, daß

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Die Information:

Bericht und Meinung

die Zusammenhänge hier wesent- lich vielschichtiger sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen mö- gen. An erster Stelle muß im Inter- esse unserer Patienten auch in Zu- kunft eine qualitativ hervorragen- de Arzneimittelversorgung stehen.

Mit der Fortentwicklung der Wei- terbildungsordnung wollen wir er- neut Beiträge liefern zu einer im- mer besseren ärztlichen Versor- gung unserer Mitmenschen.

Die Arbeitstagung wird auch in diesem Jahr die Zeit von Mitt- wochmorgen bis Samstagmittag in Anspruch nehmen. Wir wissen, daß damit allen Delegierten und Mitarbeitern sehr viel abverlangt wird. Dennoch können wir uns den gestellten Aufgaben nicht entzie- hen.

Die Geschichte der Deutschen Ärztetage zeigt, daß sich unser Be-

rufsstand stets seiner gesund- heits- und sozialpolitischen Ver- antwortung und der ihm gestellten Aufgaben bewußt war. Ich bin si- cher, daß auch der 81. Deutsche Ärztetag diese Tradition der Ver- antwortung fortsetzen wird!

Prof. Dr. Hans J. Sewering Präsident

der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages

Die zweitgrößte Landesärztekam- mer, von der Zahl der Ärzte und ihrer Delegierten her gesehen, be- grüßt den Deutschen Ärztetag zum zweiten Male in Mannheim. Wir hoffen, daß der eigentümliche Charme dieser Stadt die Delegier- ten in gleicher Weise erfreut wie schon einmal im Jahre 1963, als wir allerdings noch in freudiger Aktivität und voller Hoffnungen und positiver Erwartungen hin- sichtlich der Entwicklung unseres Gesundheitswesens waren. Da- mals glaubten wir, unseren ärztli- chen Sachverstand, die genaue Kenntnis der Erwartungen, Wün- sche und Hoffnungen unserer Kranken sowie das Wissen von Krankheit und Gesundheit in die politischen Entscheidungen um die Weiterentwicklung unseres Sy- stems gesundheitlicher Sicherung einbringen zu können. Wir waren diesem Ziel freudig zugewandt, und es kann sein, daß die heute positiv erscheinenden Eindrücke eines denkwürdigen 66. Ärztetags in Mannheim hauptsächlich Folge unseres damaligen — wie wir mein- ten berechtigten — Optimismus waren. Wenn ich allein die zahlrei- chen Impulse und Reformanstöße, die Initiativen und nach vorn wei- senden Vorstellungen der Ärzte mit unserer gegenwärtigen Pro- duktivität vergleiche, so fühle ich mich in meiner Annahme bestä- tigt:

Die Szenerie hat sich geändert und ist beherrscht von Angst und Verunsicherung der Ärzte wie lei-

der auch weiter Kreise unseres Volkes angesichts des deutlichen Trends der gegenwärtigen politi- schen Entwicklung.

Es besteht Mißtrauen gegenüber den falschen Propheten — wo im- mer sie auch stehen mögen —, Ver- drossenheit und Skepsis gegen al- les, was man unserem Volke leichtfertig verspricht, so als kön- ne man sich damit die vordring- lichste aller Aufgaben, den Zwang, den Karren aus dem Dreck zu zie- hen, großzügig sparen.

Die Ärzte werden in Mannheim ei- ne schwere Aufgabe zu vollbrin- gen haben. Uns bedrückt die Sor- ge um die eigene Geschlossenheit als Ärztestand und die rüde Tour unserer politischen Widersacher und auch unserer „Partner", miß- liebige Repräsentanten unseres Berufsstandes durch prolongier- ten Rufmord als Gegner auszu- schalten. Kein engagierter Man- datsträger der Ärzteschaft blieb bisher davon verschont! Die Tech- nik ist erprobt, also wird man wei- ter so taktieren!

Wir müssen in Mannheim zweierlei tun, nämlich Ordnung und Einig- keit in unser Haus bringen und in der Öffentlichkeit so wahrhaftig argumentieren, daß wir das von der Bevölkerung uns entgegenge- brachte Vertrauen rechtfertigen.

Als gastgebender Präsident darf ich alle Delegierten bitten, den Willen zum Vollbringen dieser Auf- gabe hierher nach Mannheim mit- zubringen. Ich bin sicher, daß wir unter dieser Voraussetzung leicht in die Lage versetzt werden, die Probleme der zu absolvierenden Tagesordnung in demokratischer Zusammenarbeit zu lösen.

et—z te.4M

Dr. Dietrich Maiwald Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 18. Mai 1978 1167

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Geschlossenheit der Ärzteschaft unerläßlich für die

Selbsterhaltung

• Fortsetzung von Seite 1166 von Ärzten keine Chance haben werden, den von ihnen erlernten Beruf ganztägig sinnvoll auszu-

üben.

Die Politik, zur Entlastung des Ar- beitsmarktes durch kostspielige Ausbildung sozial Unbefriedigte und Enttäuschte. heranzubilden, ist gegenüber der Zukunft unseres Volkes, ist gegenüber dieser Ju- gend, ist gegenüber unseren Kin- dern und Enkeln absolut verant- wortungslos.

Der objektive Vergleich der Ein- kommensentwicklung der Ärzte, der Beamten und der gewerbli- chen Arbeitnehmer, wie er im Auf- trage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland vom Ordinarius für Betriebswirt- schaftslehre an der Universität zu

Köln, Professor Dr. Günter Sieben,

angestellt worden ist, zeigt schon heute, daß der von Publizistik und Politikern behauptete überpropor- tionale Anstieg der ärztlichen Ein- kommen der tatsächlichen Ent- wicklung nicht entspricht. Wäh- rend in den letzten zehn Jahren von 1967 bis 1976 das leistungs- neutrale Einkommen der Ärzte von 100 auf 143,4 gestiegen ist, stieg das leistungsneutrale Einkommen abhängig Beschäftigter im glei- chen Zeitraum von 100 auf 211,7.

Wir müssen angesichts dieser Zahlen feststellen:

Mit der Unwahrheit und dem Neid- komplex wurde und wird Politik

gemacht.

..,... Setzt man diese Entwicklungen in Beziehung zu der noch immer sich weiter steigernden Überpro-

duktion von Ärzten in der Bundes- republik Deutschland, dann wird deutlich, daß die Einebnung der Akademiker, die Einebnung der freien geistigen Berufe, die Eineb- nung der Ärzteschaft in die nivel- lierte Arbeitnehmergesellschaft bereits begonnen hat. Die ge- schichtliche Dimension dieses Vorganges, von sozialisierenden und kommerzialisierenden Politi- kern bewußt und wissend herbei- geführt oder nicht verhindert, wird ihren gesellschaftspolitischen Nie- derschlag vor allen Dingen darin finden, daß die kreativen Kräfte des Fortschritts gelähmt werden und der persönliche Leistungswil- le gebrochen wird.

Der Blick auf die parteipolitische Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist in dieser Bezie- hung entmutigend. ln der Hoff- nung auf Wähler- und Machtzu- wachs propagieren in allen Partei- en Sozialpolitiker unvernünftige und überspannte Zielvorstellun- gen, bedienen sich der Informa- tionsmanipulation und des Mei- nungsterrors, um im Kampf aller gegen alle mehr Macht für sich zu gewinnen.

Eine Besinnung auf das ökono- misch Machbare, eine Besinnung auf die Kräfte der Privatinitiative und eines erfolgversprechenden Leistungswillens - und nur diese Art der Selbstbesinnung und Selbstentscheidung - bieten die Chance für eine neue lebenstüch- tige soziale Ordnung. Es gibt gera- de in der Jugend auch Anzeichen dafür, daß eine Regeneration des sozialen Gewissens im Sinne der Privatinitiative und der Selbstver- waltung möglich ist.

..,... Die Ärzteschaft kann aus der Sozialfunktion ihres Berufes und ihrer Berufung besonderer per- sönlicher Vertrauenswürdigkeit Entscheidendes zu solcher neuen Entwicklung beitragen. Sie kann sie ermutigen - die Ärzteschaft nicht in ihren Organisationen, son- dern jeder für sich, jeder dort, wo er sich im Beruf, Freundeskreis und Gemeinde bewährt. BÄK

Zur "Report"-Sendung vom 2. Mai:

Wer will sich von Lindlau manipulieren lassen?

Alle Jahre wieder, seit Anfang der siebziger Jahre, ist die Berufsver- tretung der Ärzte unmittelbar vor, während und nach dem Deut- schen Ärztetag Zielscheibe beson- ders heftiger Agitation. Man könn- te Wetten abschließen, wer sich diesmal am meisten hervortut:

"Spiegel", "Stern", "Monitor",

"Panorama"? Bis zum Redak- tionsschluß war es Dagobert Lind- lau in "Report" ein- Höhepunkt der jahrelangen Agitation, die sich ur- sprünglich gegen Prof. Dr. Ernst Fromm (Hamburg) richtete und seit 1973/74 Prof. Dr. Hans J. Se- wering (München) gilt.

Die halbe Linke hat sich seit ihrer Machtübernahme in Propaganda- Aktionen gegen die Bundesärzte- kammer, den Deutschen Ärztetag und deren Repräsentanten zer- schlissen. Die Opponenten aus der Bundesassistentenkonferenz sind saturiert, die AUA-Demonstranten sind zerstoben (und saturiert), der

"Arzt und Publizist" Scholmer (Pseudonym) ist in der Anonymität versunken, und die offiziösen Or- gane "Vorwärts" und "Welt der Arbeit" halten sich auffallend zurück.

Aber Dagobert Lindlau macht wei- ter. Jüngstes Beispiel: die "Re-

port"-Sendung vom 2. Mai, zu der

mancher Arzt sich fragen mag, ob man wirklich (und ungestraft) der- art die Wahrheit manipulieren

kann. Man kann. Und es gibt leider

keine Möglichkeit, den Tausen-

Referenzen

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