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Gesundheitsreform 1
Kein Flächenbrand
B
undesgesundheitsminister Horst Seehofer hat erneut betont, daß bei der näch- sten Stufe zur Strukturreform im Gesundheitswesen die akut er- krankten Patienten und chronisch Kranken nicht zusätzlich belastet werden dürften. Das Postulat, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, müsse für die Ge- samtheit der Versicherten gelten.So sei beispielsweise mehr Eigen- engagement bei der Übernahme von Fahrkosten geboten, schließ- lich sei der Krankenschein kein Freibrief dafür, Taxi- und Kran- kenfahrkosten ausschließlich über die Krankenkassen abzurechnen.
Bei einem Empfang der Bun- desärztekammer und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung in Bonn sagte Seehofer, daß die Lohnquote, also der Anteil der Löhne und Gehälter am Bruttoso- zialprodukt, seit einigen Jahren
sinke. Deshalb sei es nur zwangs- läufig, daß die Beitragssätze stei- gen müßten. Dies auf Kosten der Kranken zu verhindern, sei nicht zu verantworten. Um den medizi- nischen Fortschritt rasch in den Leistungskatalog der Krankenkas- sen zu implementieren und solida- risch zu finanzieren, müßten not- falls Beitragssatzsteigerungen von 0,3 oder 0,4 Prozentpunkten zu La- sten aller Versicherten hingenom- men werden. Dies löse aber keinen
„Flächenbrand" aus. Schließlich würden auch in anderen Sektoren Fortschritte über Preiserhöhungen bezahlt werden müssen. Zudem gebe das SGB V eine Handhabe, um vom verabsolutierten Grund- satz der Beitragsstabilität in Aus- nahmefällen abzuweichen.
Seehofer verwies auch zutref- fend darauf, daß sich der Anteil der Arzthonorare an den Gesamtaus- gaben der Krankenkassen von
1989 bis heute von 18,5 auf rund 16,2 Prozent vermindert habe. An- gesichts dessen sei eine Erhöhung der hausärztlichen Grundvergü- tung um 600 Millionen DM und ei- ne Erhöhung des Honorarvolu- mens für Vertragsärzte in den neu- en Bundesländern um 240 Millio- nen DM eine vertretbare Größen- ordnung. Die Politik werde ihre Glaubwürdigkeit deswegen nicht aufs Spiel setzen. Die Kassenärzte rechnen daher fest mit dem 4.
SGB-V-Änderungsgesetz und bau- en darauf, daß die Alternativrege- lung über die Selbstverwaltung nicht zum Zuge kommt Die Alter- nativlösung wäre unzureichend und nicht zielkonform, weil sie nur im Jahr 1996 einmalig im Wege des Solidarausgleichs unter den Kas- senärztlichen Vereinigungen eine Förderung ermöglichen würde, so der KBV-Vorsitzende Dr. Winfried Schorre beim Bonner Date. HC
Gesundheitsreform II Geschlossenheit
M
it den Petersberger Ge- sprächen zwischen Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer und Spitzenvertre- tern der Ärzteschaft von Januar bis März dieses Jahres scheint das Ver- ständnis des Ministers für die Be- lange der Ärzteschaft gewachsen.Diesen Eindruck sieht Dr. med.
Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer, auch durch die jüngsten Beratungen im Rah- men der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen bestätigt.
Auf dem 2. Fortbildungssemi- nar der Bundesärztekammer Ende September in Würzburg verwies Vilmar auf die Aussagen des Bun- desgesundheitsministers während der Haushaltsdebatte des Deut- schen Bundestages. Dort hatte Seehofer erklärt, daß die Hälfte des aktuellen Defizits der gesetzli- chen Krankenversicherung von der Politik zu verantworten sei.
Vor der Konzertierten Aktion ha-
be Bundesgesundheitsminister Seehofer ferner ausdrücklich be- tont, daß allein aufgrund der Ho- norarentwicklung bei den Ärzten seit 1975 keine einzige Reform des Gesundheitswesens notwendig ge- wesen wäre. Tatsächlich, so der Präsident der Bundesärztekam- mer, habe es seither aber 46 Geset- ze mit rund 6 800 Einzelbestim- mungen gegeben.
Im Hinblick auf die nächste Stufe zur Gesundheitsreform zeig- te sich Dr. Vilmar bei der Würz- burger Veranstaltung vorsichtig optimistisch. Nach dem bisherigen Verlauf der Beratungen sei es vor allem die Geschlossenheit der ge- samten Ärzteschaft, die beim Bun- desgesundheitsminister Eindruck hinterlassen habe. „An diesem Weg müssen wir festhalten, wenn wir unsere Interessen im Dialog mit der Politik erfolgreich vertre- ten wollen", forderte der Präsident der Bundesärztekammer.
Erste Erfolge sieht Vilmar in den Beschlüssen der Konzertier- ten Aktion für die Weiterentwick- lung der ambulanten Versorgung.
Daß dort rund 840 Millionen DM zur Finanzierung verschiedener neuer Leistungen, zur Verbesse- rung der hausärztlichen Grundver- gütung und zur besseren Bewer- tung der ambulanten Operations- leistungen vereinbart worden sei- en, könne durchaus als positives Signal verstanden werden.
Entschieden wandte sich Dr.
Vilmar gegen eine Ausklamme- rung des Krankenhausbereichs aus der jetzt anstehenden Reform. Die FDP hatte zuletzt diese Forderung aufgestellt. Der von Seehofer wie- derholt proklamierte Grundsatz
„Vorrang für die Selbstverwal- tung" könne aber nur effektiv um- gesetzt werden, wenn der Selbst- verwaltung auch umfassende Mög- lichkeiten zur Regulierung eröff-
net würden. JM
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 41, 13. Oktober 1995 (1) A-2687