K
lassik“, „ideales klas- sisches Maß“, „klassi- sche Schönheit“ – kaum eine andere Epoche hat zu diesen Begrif- fen einen entscheidenderen Beitrag geleistet als die grie- chische Kultur des 5. Jahr- hunderts v. Chr.Vor allem die Darstellung der menschlichen Gestalt gelangte während die- ser Periode zu einer solchen Reife, dass sie späteren Gene- rationen bis heute Vorbild blieb. Lei- der sind die meisten griechischen plasti- schen Werke verlo- ren gegangen. Viele sind als römische Mar- mor- oder Bronzekopien überliefert. „Ideale klassi- sche Maße“ weist auch der„Athlet von Ephesos“ auf, ei- ne Bronzestatue, die 1896 im Areal des Hafengymnasiums in Ephesos von österreichi- schen Archäologen geborgen wurde. Sie war, möglicherwei-
se durch ein Erdbeben in der Antike bedingt, in 234 Frag- mente zerbrochen.
Die Wiederherstellung die- ser Bronzeplastik gelang in Wien mithilfe eines Gipsabgus- ses einer schon seit dem 16.
Jahrhundert bekannten, in den Uffizien befindlichen Marmorkopie. Sie stellt ei- nen Athleten mit wohlge- formtem, muskulösem Kör- per und schweißnassem Haar dar. Die Rekonstruk- tion ergab zunächst einen Apoxyomenos (Schaber), der sich mit einer Strigilis (Schabeisen aus Bronze, mit dem sich die Athleten nach dem Wettkampf von Öl und Schmutz reinigten) in der rechten Hand den Hand- rücken der linken säubert.
Ein bekanntes Beispiel eines Apoxyomenos ist die im Vatikanischen Museum aufbe- wahrte römische
Marmorkopie nach einem Ori- ginal des Lysipp (um 330 v. Chr.).
Der Vergleich mit einer Mar- morreplik aus Frascati (Muse- um of Fine Arts, Boston) führte dann jedoch zu einer Korrektur der Haltung des rechten Armes:
Danach handelt es sich um einen Strigilisreiniger,
der also nicht sich selbst, son- dern mit den Fingern der lin- ken Hand die benutzte Stri- gilis reinigt.Eine endgültige Klärung der Handhaltung beziehungsweise Aktion der Hände könnte sich durch einen Vergleich mit einem Neu- fund ergeben:
1999 wurde in der kroati- schen Adria ei- ne maßgleiche Aus- führung des ephesischen Athle- ten entdeckt.
Obwohl die Restaurierung der Bronzeplastik aus Ephesos damals nach neuestem Kennt- nisstand erfolgte, führte die an- gewandte Methode im Laufe
der Jahre zu Veränderungen und Schäden der Oberfläche.
Der „antike Patient“ musste deshalb in den letzten Mona- ten eingehenden Untersuchun- gen unterzogen werden: Com- putertomographien und Durch- strahlungsaufnahmen doku- mentieren den derzeitigen Zu- stand des Athleten und geben zugleich Aufschluss über anti- ke Guss- und Formtechniken.
Eine genauere „Hautanalyse“
mittels digitaler Aufnahmen machte selbst feinste Ober- flächenrisse deutlich.
Die Restaurierwerkstätten der Wiener Antikensammlung wollen die jetzt notwendige Nachbehandlung der Bronze- statue in Zusammenarbeit mit Frank Willer, Experte für die Restaurierung von Metallob- jekten, vornehmen. Als Mitar- beiter der Werkstätten des Rheinischen Landesmuseums
Bonn, die sich mit der Aufarbei- tung der Funde aus dem antiken Schiffswrack von Mahdia interna- tionales Ansehen erworben haben, war er maßgeb- lich an der Re- staurierung der Bronzeobjekte beteiligt. Die Be- funde der Guss- und Formtech- nik, der Ober- flächen und der Art der Versok- kelung sprechen im Fall des Athleten von Ephesos für ein römisches Werk. Ein Ver- gleich mit dem „Zwilling“ aus Kroatien, der am rechten Fuß noch Reste eines Metall- sockels aufweist, könnte mög- licherweise Hinweise auf die- selbe antike Werkstatt erge- ben und eine genauere Datie- rung zulassen.
Zurzeit ist der Athlet von Ephesos in der Bonner Kunst- halle ausgestellt: als wertvolle Leihgabe in der von der Anti- kensammlung Berlin organi- sierten Ausstellung, die die Kunst und Kultur des klassi- schen Griechenlands und die Nachwirkungen der Klassik in späteren Epochen umfassend darstellt. Dr. Stephanie Krannich V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3820. September 2002 AA2497
Der Athlet von Ephesos
D ER
ANTIKE
P ATIENT
Die Ausstellung„Die Grie- chische Klassik – Idee oder Wirklichkeit?“ist noch bis zum 13. Oktober in der Kunst- und Ausstellungs- halle der Bundesrepublik Deutschland, Museumsmeile,
Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn zu sehen.
Öffnungszeiten: dienstags und mittwochs 10 bis 21 Uhr, donnerstags bis sonn- tags 10 bis 19 Uhr, montags
geschlossen. Katalog: 25,50 Euro. Weitere Informationen:
Telefon: 02 28/91 71-2 00, Internet: www.kah-bonn.de
In Wien gelang die Wiederherstellung einer Bronzeplastik, die in 234
Fragmente zerbrochen war. Sie ist
zurzeit in einer Bonner Ausstellung zu sehen.
Der Schaber von Ephesos, Bronze, Höhe: 192 cm Feuilleton
Foto:Kunst- und Ausstellungshalle