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Archiv "Standpunkt: Schlechter Stil" (23.04.2004)

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A1204 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004

S T A T U S

F

rüh am Montagmorgen, noch im Bett liegend, wird mir schlagartig bewusst, welche Flut von Terminen heu- te auf mich zurollt. Auch ein beherztes Einkuscheln hilft einfach nicht. Gestern erst hat- te ich mit meinem Mann alle Termine des Monats in unse- ren Familienterminplaner ein- getragen, der hinterher aussah wie ein Schlachtfeld: seine Ter- mine in blau, meine in grün und dann noch die der Kinder.

Als ich in die Praxis komme, habe ich natürlich auch dort Termine. Aber stimmt das überhaupt? Eigentlich haben doch die Patienten Termine mit mir. Und da liegt auch im- mer noch die Anfrage in der Begutachtungsangelegenheit:

„Wir bitten um rasche Bear- beitung.“ Die Sachbearbeite- rin hat die Angelegenheit zwei- felsohne auf Termin gelegt.

Die ersten Patienten rufen an.

Es gibt, wie ich en passant mit- bekomme, eine Reihe von Ter- minschwierigkeiten. Unter an- derem hat der Krankengym- nast von Frau X. die Linde- rung der interkurrent aufgetre- tenen Rückenschmerzen mithil- fe eingeschobener Termine zu- gesagt, die aber dann mit unse- rem Termin am Mittwochkol- lidieren – na, macht nichts.

Und die Tochter von Frau K.

hat endlich den Termin zur Führerscheinprüfung bekom- men. Theoretisch ist sie schon zweimal durchgefallen, des-

halb ist der mütterliche Trans- port zur praktischen Prüfung in der Kreisstadt am Donners- tagbesonders wichtig.Wir ver- schieben den Termin. Herr L.

hat endlich die Zusage für die Kur bekommen, weiß aber jetzt mit seiner dementen Mut- ter nicht weiter.

Die weiteren Umstellungen bekomme ich nicht mehr mit, denn mir fällt ein, dass ich schon seit zwei Wochen versu- che, für unseren Ärztearbeits- kreis einen Termin mit dem Klinikdirektor zu vereinbaren.

Leider hat er noch nicht zu- rückgerufen, weil er total be- schäftigt ist. Ich erreiche seine Sekretärin, die mir erklärt, dass er heute einen auswärti- gen Termin hat. „Bitte rufen Sie doch morgen wieder an, aber keinesfalls vor 16 Uhr.“

Ob das klappt? Ich habe am

Dienstag drei eingeschobene Termine in der Nachmittags- sprechstunde; ab 19 Uhrmuss ich in Richtung Schule unter- wegs sein (um 19.30 Uhrist El- ternabend) und dann noch die Geschichtsarbeit meiner Toch- ter am Donnerstag.

Ich gehe noch schnell bei der Post vorbei, das dicke Gut- achten möchte ich gern selbst abschicken. Dort erwartet mich eine eindrucksvolle Schlange von Leuten. Die Frau vor mir in der Reihe entpuppt sich als die Mutter der Freundin mei- ner Tochter. Sie hat überhaupt keine Zeit, denn sie hat noch einen Termin beim Steuerbe- rater.

Ich komme nach Hause und esse mit meinen Lieben, die pünktlich und hungrig erschei- nen. Unsere kurze Mittags- pause wird von einem Anruf unterbrochen. Es ist die Praxis der Kieferorthopädin. Am Donnerstaghat jemand abge- sagt. Es gibt ein Zeitfenster für eine Erstuntersuchung unse- rer Tochter, beginnend ab elf Uhr. Klasse, der nächste re- guläre Termin wäre erst Mo- nate später gewesen. Don- nerstagum elf passt gar nicht gut, denn da ist der Kran- kengymnast von Frau X schon ausgebucht, und ich erinnere mich dumpf, dass jede Minute bei mir verplant ist. Egal, so ein Termin ist wie ein Gottes- geschenk.

Also, alles muss umgestellt werden, das bin ich meiner Aufgabe als Mutter schuldig.

Was die Schule dazu sagt, wa- ge ich noch zu fragen, aber meine Tochter belehrt mich,

dass alle aus der Klasse stän- dig vormittags Termine bei Kieferorthopäden haben. „So ist das eben heutzutage“, lerne ich dazu. Eins ist klar: Am Dienstagwird es eng, am Mitt- wochwar doch noch was, und wie soll ich das mit Donners- tag– ach egal, auf keinen Fall darf ich die Patienten oder meine Tochter im Stich lassen.

Es ist alles eine Frage der Ko- ordination.

Am Nachmittagneben den üblichen Anrufen, Terminver- einbarungen und Absagen ruft noch eine Kollegin an. Zu unserer Fortbildungsrunde am Mittwochkönnen sie und ihre Kollegin nicht kommen.Wahr- scheinlich hat der Chef kurz- fristig eine Fortbildung ange- sagt, denke ich mir. Überhaupt kommt mir der Tag irgendwie anstrengend vor. Ich muss auch noch Geschichte üben mit unserer Tochter. Kurz er- reiche ich meinen Ehemann am Telefon. Er hat wenig Zeit und wirkt angestrengt und klagt, dass bei ihm am Nach- mittagetliche Patienten ohne Termin erschienen sind, die seinen Zeitplan durcheinan- der gebracht haben. Es ist alles nur eine Frage der Organisati- on, oder? „Du musst einfach konsequenter sein“, höre ich noch meinen Oberarzt sagen.

Er aber hatte sich für das Singletum entschieden. Wäre das die Lösung des Problems?

Sicher nicht. Und da ist auch schon wieder dieses unbe- stimmte Gefühl, dass ich heute irgendeinen total wichtigen Termin vergessen habe.

Dr. med. Ulrike Wendt

Terminchaos

Der tägliche Wahnsinn

Foto:BilderBox,Eberhard Hahne [m]

Die Veröffentlichung des so genannten Schwarzbuches of- fenbart die fehlende Souveränität und Dünnhäutigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung und stellt einen eklatanten Stilbruch in der Wortwahl dar.

Die Strategie ist klar: Von der eigenen Verantwortung ablenken – und zwar so, dass die Betroffenen – nämlich die

Ärzte – keine Chance haben, sich zu wehren. Das ist ein neues, unwürdiges Kapitel im sattsam bekannten Schwarze-Peter-Spiel. Dieses Spiel ist leicht zu durchschau- en: Knapp 100 Tage nach der Gesundheitsreform lobt sich das Ministerium selber in den höchsten Tönen, um einen Tag später hemmungslos draufzuhauen auf die Leistungs- erbringer. Offensichtlich möchte das Ministerium von ei-

nem Hauptflop der Gesundheitsreform ablenken: Die Kran- kenkassen werden ihre Beitragssätze nicht, wie von Bun- desgesundheitsministerin Ulla Schmidt mehrfach verspro- chen, auf 13,6 Prozent senken können, und deswegen guckt man bereits einen Schuldigen aus, der ersatzweise geprügelt wer- den soll. Das Papier zuerst der Presse zu geben, ohne mit den Ärzten vorher das Gespräch ge- sucht zu haben, ist ganz schlechter Stil. Ich fordere Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt auf, sich von dem Machwerk und der Art und Weise des Vorgehens zu distan- zieren. So kann man nicht miteinander umgehen.

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Schlechter Stil

S T A N D P U N K T

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