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ie Offenlegung der Vor- standsbezüge ist ein wichti- ger Schritt zu mehr Transpa- renz im Gesundheitswesen.“So hat Bundesgesundheitsmi- nisterin Ulla Schmidt am 26.
März kommentiert, dass die Vorstände der Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) und der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV) ihre Einnahmen veröffentlicht ha- ben (DÄ, Heft 13/2004). Der KBV-Vorsitzende Dr. med.
Manfred Richter-Reichhelm hatte zuvor die gesetzlich vor- geschriebene Pflicht zur Of- fenlegung als „Schnüffelei“
bewertet. Die Zahlungen trü- gen schließlich nicht dazu bei, dass die Beitragssätze einer Krankenkasse angehoben wer- den müssten. Zudem hätten et- liche KV-Vorsitzende erhebli- che rechtliche Bedenken ge- äußert, ob man ihnen mitten in ihrer Amtszeit aufgrund einer neuen Vorschrift Finanzaus- künfte abverlangen könne.
Am Ende habe jedoch die Überzeugung überwogen, dass eine Verweigerung der Anga- ben massiven politischen Är- ger nach sich ziehen werde.
Im Rahmen der Presse- konferenz der KBV wurde gleichwohl bemängelt, dass die veröffentlichten Angaben unvollständig sind. Auskünfte beispielsweise zu Sitzungsgel- dern fehlen. KBV-Hauptge- schäftsführer Dr. med. An- dreas Köhler verwies darauf, dass für Sitzungen sehr unter- schiedliche Entschädigungen gezahlt werden: „Das reicht von 20, 30 bis zu 500 Euro.“
Eine umfangreiche Veröf- fentlichung, so die KBV, wäre möglicherweise zu unüber- sichtlich geraten.
Trotz seiner generellen Kri- tik erläuterte Richter-Reich- helm, dass er als Vorsitzender der KV Berlin 2003 rund 7 400 Euro an Sitzungsgel- dern erhalten habe (Basis: 25
Euro pro Stunde). Der dorti- ge KV-Vorstand trifft sich dreimal im Monat, die Vertre- terversammlung tagt neun bis zehn Mal pro Jahr. Sitzungs- geld wird auch für die Beteili- gung an Pressekonferenzen, Hintergrundgesprächen und für Vorträge gezahlt. Bei der KBV wird die Teilnahme an Sitzungen des KBV-Vorstands und der Vertreterversamm- lung mit 60 Euro pro Tag ent- schädigt, die an Gremien wie dem Gemeinsamen Bundes- ausschuss oder Pressekonfe- renzen mit rund 250 Euro.
Richter-Reichhelms Einnah- men aus KBV-Sitzungen be- liefen sich im Jahr 2003 auf rund 32 000 Euro.
Die Bezüge der KV-Vor- stände weichen im Durch- schnitt nicht von den Gehäl- tern der Kassenvorstände ab, analysiert die KBV. Zwischen den Einnahmen der einzel- nen Vorsitzenden gibt es aber erhebliche Unterschiede. Die
„Frankfurter Rundschau“ hat- te kritisiert, dass sich mancher künstlich arm rechne.Als Bei- spiel wurde die KV Branden- burg angeführt. Ihr Vorsit- zender, Dr. med. Hans-Joa- chim Helming, erhalte zwar nur eine Aufwandsentschädi- gung von 33 600 Euro jähr- lich, aber ein Sitzungsgeld von 500 Euro pro Tag. Wei- ter berichtete die Rundschau, auch für Helming gelte ein Beschluss, durch den die Zah- lung einer Übergangsentschä- digung am Ende der Amtszeit abgeschafft wurde. Doch zu- vor habe er sich Ansprüche in Höhe von 375 000 Euro aus- zahlen lassen.
Ralf Herre, Pressesprecher der KV Brandenburg, korri-
giert diese Darstellung. 2001 einigte man sich darauf, Vor- standsmitgliedern eine gerin- gere pauschale Vergütung zu zahlen, dafür aber höhere Sit- zungsgelder. So habe man den Vorwurf vermeiden wol- len, die Vorstände erhielten viel Geld und täten dafür we- nig, sagt Herre. 500 Euro wer- den tatsächlich als Aufwands- entschädigung gezahlt, aber nur, wenn zwölf Stunden für eine Sitzung, ein Treffen mit Ärzten oder eine Vortrags- veranstaltung überschritten werden. Dauert ein Treffen inklusive An- und Abfahrt weniger als drei Stunden, werden lediglich 56 Euro fäl- lig. Das gelte für alle ehren- amtlich tätigen Ärzte in der KV.Auch für die vorgezogene Auszahlung der Übergangs- entschädigung gibt es laut Herre eine Begründung: Sol- che erworbenen Ansprüche stünden dem Betreffenden zu. Das habe das Sozialge- richt bestätigt. Rie A K T U E L L
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A890 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 142. April 2004
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erufspendler leiden häufiger an psychosomatischen Be- schwerden wie Kopfschmer- zen, Magen-Darm-Beschwer- den, Ängsten sowie an arte- rieller Hypertonie, Arthrose, grippalen Infekten und Zahn- problemen. Darauf wies Dr.med. Steffen Häfner von der Forschungsstelle Psychothera- pie bei der 55. Jahrestagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin hin.
Müdigkeit, Stress und Kon-
zentrationsmangel infolge der langen Wege wirken sich ne- gativ auf Arbeitsmotivation und -produktivität aus. Die verkürzte Schlafdauer halten nur die „Abendtypen“ durch.
Die „Morgentypen“ geben das Pendeln im Schnitt nach zehn Jahren auf, weil es zu sehr mit ihrem Schlaf-Wach- Rhythmus kollidiert.
Die Forschungsstelle Psy- chotherapie untersuchte die Belastungen von Pendlern,
die täglich länger als 45 Minu- ten in eine Richtung mit der Bahn zur Arbeit fahren. Die Auswertung der mehr als 400 Fragebögen ergab, dass die Pendler durchschnittlich drei Stunden täglich für Wegezei- ten aufwenden. Männer pen- deln wegen besserer Ver- dienst- und Karrieremöglich- keiten, weil sie ein Haus ge- kauft oder am Schulort der Kinder bleiben wollen. Pen- delnde Frauen sind meist kin- derlos und ledig. Besonders belastend erlebten die Be- fragten häufiges Umsteigen und Warten. Als Schutzfakto- ren für die psychische Ge- sundheit erwiesen sich schla- fen während der Fahrt, lesen, lernen oder arbeiten. Musik hören oder sich unterhalten dagegen waren nicht protek- tiv. Die Fernpendler gaben an, medizinische Versorgung oder Psychotherapie wegen der feh- lenden Zeit kaum in Anspruch nehmen zu können. Die Frage, ob sie mobile Behandlungsein- heiten im Zug oder am Bahn- hof begrüßen würden, beant- worteten 43 Prozent positiv.PB
Berufspendler
Belastung für die Psyche
Mobile Versorgung erwünscht
Bahn-Pendler: Als besonders bela- stend erlebten die Befragten häufiges Umstei- gen und Warten.
KV-Vorstände
Bezüge in der Diskussion
„Transparenz“, lobt Ulla Schmidt, „Schnüffelei“, rügt der KBV-Vorsitzende.
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