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Archiv "Rahmenbedingungen in Deutschland" (07.03.2003)

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P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 107. März 2003 AA607

Das Finanzierungsproblem war auch Thema des Symposiums „Risiken, Le- bensqualität und Versorgung hochaltri- ger Menschen“ der Gesellschaft für So- zialen Fortschritt e.V. in Berlin. Anfang Februar diskutierten Wissenschaftler, Selbsthilfegruppen, Ärzte und Pflege- fachpersonal, wie zukünftig die Versor- gung der älteren Bevölkerung organi- siert und finanziert werden soll. Ähnlich wie der Ständige Ausschuss der Eu- ropäischen Ärzte sahen die Teilnehmer dringenden Handlungsbedarf. Die Ver- sorgung der älteren Generation sei eine ebenso moralische wie intellektuelle Herausforderung an die Familien, an die Wirtschaft und Gesellschaft und an den Staat, da die Ressourcenanforderungen hoch sind, der konzeptionelle Innovati- onsbedarf beträchtlich ist und differen- zierte Informationen kaum vorliegen, so die Veranstalter.

Die Bevölkerungsstruktur in Deutsch- land hat sich wie die anderer euro- päischer Länder verändert. Während 1950 die Zahl der unter 20-Jährigen noch doppelt so hoch war wie die der über 59-Jährigen, wird sich dieses Verhältnis bis 2050 umkehren. Die Bundesregierung rechnet damit, dass in 50 Jahren acht Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein werden. Es wird zunehmend weniger Familien geben, die sich um ihre älteren Angehörigen kümmern.

Versorgungsleistungen bei Pflegebe- dürftigkeit werden in den meisten eu- ropäischen Ländern über die Kommu- nen finanziert. In Deutschland wurde für diese Leistungen 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt. Nach Meinung der Leiterin des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität Witten/Herdecke, Prof. Dr. Sabine Bar- tholomeyczik, hat sich die Pflegeversi-

cherung jedoch nicht bewährt. Die Pfle- geversicherung soll mit ihren Geldlei- stungen eine ausreichende Pflege ge- währleisten. Allerdings bildeten die drei Pflegestufen den Pflegeaufwand nicht ab. Aktivierende Pflege, ambulante Re- ha-Maßnahmen und eine Versorgung

nach Qualitätsstandards sind laut Bar- tholomeyczik mit den gezahlten Leistun- gen der Pflegeversicherung nicht mög- lich. Sobald Hochaltrige in einem Heim versorgt werden, sind sie häufig auf er- gänzende Sozialleistungen angewiesen.

Ein Sozialversicherungszweig, der die versicherten Risiken nicht abdeckt, sei eine Scheinlösung.

Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem, Ge- sundheitsökonom an der Universität Greifswald, betonte, dass infolge der starren Trennung der Sozialversiche- rungszweige eine Kooperation und eine Vernetzung nicht realisierbar seien.Wa-

sem schlägt deshalb vor, Kranken- und Pflegeversicherung zusammenzulegen.

So könne vermieden werden, dass sich die beiden Versicherungsarten gegen- seitig Pflege- beziehungsweise Behand- lungskosten zuschieben.

Bei den über 80-Jährigen ist jeder Fünfte von Demenz betroffen, bei den über 90-Jährigen jeder Dritte. Heute leiden etwa 900 000 hauptsächlich älte- rer Menschen an einer Demenz. Im Jahr 2050 werden weit über zwei Millionen Deutsche betroffen sein. Die Pflegever- sicherung lehnt bisher einen Leistungs- anspruch aufgrund einer Demenz ab.

Bartholomeyczik forderte, die bisherige Definition von Pflegebedürftigkeit um den Begriff der „Versorgung demenzi- ell Erkrankter“ zu erweitern, worin sie vom Medizinischen Dienst der Kran- kenkassen unterstützt wird. Prof. Dr.

med. Gisela Fischer, Leiterin der Abtei- lung für Allgemeinmedizin der Medizi- nischen Hochschule Hannover, präsen- tierte Studienergebnisse, nach denen bei einem Drittel der älteren Patienten viele Probleme und Symptome dem Hausarzt nicht bekannt seien. Beispiel- haft nannte sie Inkontinenz, Alkohol- abhängigkeit und Armut, die von den Patienten häufig aus Scham verschwie- gen werden. Sie forderte die Ärzte auf, sich ihre alten Patienten genau anzu- schauen.

Fischer sieht ein Dilemma: Viele alte Menschen konsultieren vermutlich nur deshalb ihren Arzt, um persönliche Zu- wendung zu erfahren. Sie bezweifelte allerdings, dass das Bedürfnis nach Zu- wendung in der Hausarztpraxis am be- sten befriedigt werden könne. Sie fragte deshalb: „Könnten nicht Betätigungs- felder für die älteren Menschen gefun- den werden, damit sie andere Sozial- kontakte finden können und aus dem Gesundheitswesen ,befreit‘ werden?“

Es handele sich hier, so Fischer wei- ter, um eine gesamtgesellschaftliche Koordinierungsaufgabe, bei der die Pflege, die Angehörigen, Spezialisten, Kommunen und Krankenhäuser mit- einander in Übereinstimmung gebracht werden müssten.

Fazit der Tagung: Es bedarf weniger der Versorgungsforschung als vielmehr eines Bekenntnisses zur Verantwortung für diesen wachsenden Teil der Gesell- schaft. Dr. med. Daniel Rühmkorf

ciert werden. Wichtig sei neben der rein klinischen Forschung eine stärke- re Berücksichtigung der Versorgungs- forschung.

Der Ständige Ausschuss der Europäi- schen Ärzte weist darauf hin, dass eine am Optimum ausgerichtete medizini- sche und soziale Versorgung alter Men-

schen enorme Kosten verursachen wer- de. „Ab einem bestimmten Punkt müs- sen sich alle Gesellschaften mit dem Problem der Finanzierung . . . auseinan- der setzen und eine Lösung für die mit der Kosten-Nutzen-Analyse verbunde- nen Probleme finden, die gerecht, fair und transparent sein sollte.“Thomas Gerst

Rahmenbedingungen in Deutschland

Professionelle Versorgung älterer Menschen in Senioreneinrichtungen Fotos: Daniel Rühmkorf

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