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Archiv "Arztbild in den Medien: Dr. Stefan Frank hätte sich mehr Zeit genommen . . ." (07.11.2003)

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ei der Visite war es passiert. Die äl- tere Dame, die an einem Ober- schenkelhalsbruch operiert wor- den war, hatte die Hand des Oberarztes ergriffen, ihn zu sich herabgezogen und eindringlich auf ihn eingeredet: Er solle sich setzen, die anderen hinausschicken, sie habe ein privates Problem mit ihm zu bereden. Ob die Schwester vielleicht einen Kaffee bringen könnte. Der Oberarzt hatte einigermaßen verständ- nislos reagiert und mit dem Hinweis darauf, dass noch andere Patienten visi- tiert werden müssten, das Zimmer fluchtartig verlassen. Dem Vorfall folg- te eine Beschwerde bei der Verwal- tungsleitung des Krankenhauses: Ein solch unhöfliches Gebaren sei die Pati- entin nicht gewöhnt, andere Ärzte hät- ten immer ein offenes Ohr, insbesondere dieser nette Dr. Stefan Frank.

Herzenswärme

Wer kennt ihn nicht, den stets sympathi- schen, besorgt dreinschauenden Frau- enschwarm, der in fast jeder Folge eigen- händig die Infusionsflasche neben dem Krankenbett herschleppt, keine Sekun- de zaudert, wenn er zu den unpassend- sten Gelegenheiten ins Krankenhaus zu einem vermeintlichen Notfall gerufen wird und obendrein auch immer mit per- fekt gestylter Föhnwelle dort ankommt.

Soviel Dynamik, Schönheit und Her- zenswärme können nicht spurlos am deutschen Patienten vorübergehen – diesen Verdacht hatte bisher so man- cher Klinikarzt gehegt. Untermauert wird er von dem Umstand, dass in den gängigen Serien geradezu rigide Vor- stellungen von der Rolle des Arztes und seinen Helfern umgesetzt werden. Das Krankenhauspersonal ist streng hierar-

chisch organisiert, das chirurgische Arztpersonal nahezu durchgehend männlich, die Krankenschwestern alle- samt jung, hübsch und nett. Alle sind über die Maßen engagiert, selbstlos, kompetent und patientenorientiert.

Der Patient selbst hat den undankbar- sten Part: Meist unattraktiv in Nachtwä- sche gekleidet, muss er liegend zum Krankenhauspersonal aufschauen, von dem die Rettung kommt und dessen po- sitive Ausstrahlung vor diesem Hinter- grund umso mehr leuchtet. Be- denkt man, dass Patienten nach den Ergebnissen mehrerer Studien der Kommunikation mit Ärzten und Pflegepersonal sowohl auf emotio- naler als auch auf kognitiver Ebene einen hohen Stellenwert beimes- sen, wird die Vermutung, dass Dr.

Stefan Frank und Co. in den Augen mancher Patienten als vorbildliches Krankenhauspersonal betrachtet werden, schon fast zur Gewissheit.

Inwieweit das im Fernsehen in zahlreichen Serien vorgeführte Krankenhauspersonal tatsächlich die Erwartungshaltung von Patien- ten beeinflusst, untersucht eine Stu- die der Fachhochschule Fulda, die im Fachbereich Pflege und Gesundheit als Diplomarbeit vorgelegt wurde. Zur Er- hebung der Daten wurde ein Kollektiv von 71 Patienten (36 weiblich, 35 männ- lich) eines Akutkrankenhauses der Grund- und Regelversorgung mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren be- fragt. Es handelte sich ausschließlich um Patienten, die nicht als Notfall in die Kli- nik eingewiesen worden waren und die über keine eigenen Erfahrungen auf- grund früherer Krankenhausaufenthal- te verfügten. Als Messinstrument dien- ten zwei Fragebögen, die Daten zur Per- son (Alter, Geschlecht, Familienstand,

Beschäftigungsverhältnis, Kinder, Aus- bildung), zum Konsum von Kranken- haus- beziehungsweise Arztserien im privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehen sowie zur Zufriedenheit mit dem pflegerischen und ärztlichen Perso- nal des Krankenhauses erfassten. Un- ter medienwissenschaftlichen Aspekten dienten Patienten, die Quizsendungen bevorzugen, als Kontrollgruppe.

Die Analyse der Daten ergab: Patien- ten, die mehrere Krankenhausserien kennen oder regelmäßig verfolgen, emp- fanden die Zeit, die das Pflegepersonal für ein Gespräch mit ihnen aufwendete, überwiegend für nicht ausreichend (65 Prozent), wohingegen Patienten, die weniger Serien kennen oder diese nicht regelmäßig verfolgen, zu 65 Prozent mit dem pflegerischen Gespräch zufrieden waren. Auch bei der Bewertung des Ge- sprächs mit den Ärzten zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Patien- ten, die aufgrund der Kenntnis mehrerer Krankenhausserien eine höhere Akzep-

tanz und häufigeren Konsum dieses Fernsehformats vermuten lassen, und denjenigen, die nur ein bis drei Serien nennen konnten oder diese nur selten se- hen. Während die erste Gruppe zu 37,5 Prozent die Gesprächszeit für nicht aus- reichend hielt, waren in der zweiten Gruppe nur 20,9 Prozent damit unzufrie- den. Die Patienten, die Krankenhausseri- en den Quizsendungen vorziehen, waren mit der pflegerischen und ärztlichen Be- treuung unzufriedener als die Befragten des gesamten Patientenkollektivs, die lie- ber Quizsendungen verfolgen. Ein stati- stisch signifikanter Unterschied besteht zwischen Patienten, die die in Kranken- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003 AA2933

Arztbild in den Medien

Dr. Stefan Frank hätte sich mehr Zeit genommen . . .

Einfluss von Fernsehserien auf die Erwartungshaltung von Patienten im Krankenhaus

Mit diesem „guten Samariter“ aus dem Fernsehen können „echte“ Ärzte in der Regel nicht mithalten.

Foto:dpa

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T H E M E N D E R Z E I T

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A2934 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003

Er lag so tief im Koma, dass ich mir nicht die Mühe machte, ein Lokalan- ästhetikum zu verwenden, als ich die Wunde in seinem Gesicht nähte. Es war an einem Sonntagnachmittag in der Intensivstation, und ich war von zu Hause in die Klinik gerufen worden, um seine Gesichtsverletzungen zu versor- gen. In der vorangegangenen Nacht war er auf einer dunklen Straße durch die Windschutzscheibe geflogen.

Eigentlich war das eine Aufgabe für einen plastischen Chirurgen. Die Wun- de reichte von der Schädelmitte bis tief in das Gewebe um die Augen herum und weiter die Wange hinunter bis in den Mund hinein. Ich wusste, warum sie mich, den Intern, gerufen hatten. Man rechnete nicht damit, dass dieser Mann am Leben bleiben würde.

Ich tat mein Bestes, achtete sorgfältig darauf, dass die Hautfalten genau rich- tig zusammengefügt wurden, stach den glänzenden Halbmond der Nadel im- mer wieder in sein Fleisch und zog ihn wieder heraus, wischte die dunklen Blutstropfen ab, die sich an der Spitze der Nadel bildeten, band die Knoten wie ein Angler, der mit Fliegen fischt.

Der Thermostat im Zimmer war ganz hochgedreht, aber er war dennoch kalt – ich fühlte es durch die Handschuhe.

Nach einiger Zeit verschwamm sein Gesicht vor meinen Augen. Nur die Wunde blieb klar erkennbar und bekam ein Eigenleben. Die Intimität, die ich anfangs empfunden hatte, als ich mich über ihn beugte und mein Atem ihn einhüllte, verschwand, und übrig blieb nur meine Aufgabe.

Es dauerte Stunden. Mein Rücken schmerzte, und mein Baumwollanzug

wurde feucht unter dem blauen OP-Kit- tel. Außer dem regelmäßigen Zischen des Sauerstoffgeräts war nichts zu hören. Die weiche, braune Haut um sei- ne Augen herum war wie die eines Kin- des. Das Auge war starr geradeaus ge- richtet, und die Pupille bewegte sich nicht, nicht einmal, als ich das Augenlid nähte, wobei ich ängstlich darauf be- dacht war, nicht in den Augapfel selbst zu stechen. Als ich fertig war, zitterten mir die Hände. Ich stand auf, streckte mich und trat vom Bett zurück. Er war in Decken eingehüllt, und erst jetzt be- merkte ich, dass zwischen seinen Knien eine einzelne Adlerfeder und eine klei- ne Plastiktüte mit gelben Pollen lag, die wohl seine Familie bei ihm zurückgelas- sen hatte, um ihn zu retten.

Am nächsten Morgen ging ich in sein Zimmer, um meine Arbeit zu überprü- fen. Sein Gesicht sah ganz heil aus. Nur die dünnen blauen Linien der Nylonfä- den verrieten, wie groß die Wunde war.

Erst nachdem ich mindestens eine Mi- nute lang mein Werk bewundert hatte, fiel mir auf, dass das Geräusch des Sau- erstoffgeräts, das am Tag zuvor in die- sem Zimmer mein ständiger Begleiter gewesen war, verstummt und dass der Mann tot war. Frank Huyler

Das Deutsche Ärzteblatt beabsichtigt, demnächst auch literarisch anspruchsvolle Geschichten aus der Ärzteschaft zu veröffentlichen. Diese sollten eine Länge von 4 800 Anschlägen nicht überschreiten.

Wer andere an seinen Erfahrungen und Erlebnissen teilhaben lassen möchte, schicke bitte seine Beiträge an die Feuilleton-Redaktion des Deutschen Ärzteblat- tes (Ottostraße 12, 50859 Köln, Fax: 0 22 34/70 11- 142, E-Mail: aerzteblatt@aerzteblatt.de). Weitere Informationen: Telefon: 0 22 34/70 11-110

Eine schöne Naht

Die Geschichte „Eine schöne Naht“ wurde dem Buch „Notaufnahme.

Geschichten zwischen Leben und Tod“ von Frank Huyler entnommen (173 Seiten, C. H. Beck, 2001, 23,80 Euro). In diesen Geschichten berichtet Frank Huyler über seine Ausbildung zum Notarzt an einer US-amerika- nischen Notfallklinik. Er berichtet über Patienten, Arztkollegen und die eigenen Schwierigkeiten in einem anspruchsvollen Beruf.

hausserien dargestellte Wirklichkeit für wenig wahrheitsgetreu halten,und denje- nigen, die diese als realistisch einschät- zen: So bezeichneten die Erstgenannten die vom Pflegepersonal aufgewandte Zeit häufig als „vollkommen ausrei- chend“, wohingegen Letztere die Ge- sprächszeit meist für zu knapp hielten.

Unter den Befragten gaben deutlich mehr Frauen als Männer an, regelmäßige Konsumenten von Krankenhausserien zu sein. Im Ergebnis bezeichneten Frau- en auch die Zeit, die das Pflegepersonal sich für ein Gespräch mit ihnen nahm, als deutlich geringer als Männer.

Die in vielen Krankenhausserien ver- mittelte Wirklichkeit hat häufig mit dem realen Krankenhausalltag wenig zu tun.

Gerade Serien wie „Für alle Fälle Stefa- nie“, „Schwarzwaldklinik“ oder „Dr.

Stefan Frank – der Arzt, dem die Frauen vertrauen“, die von den Probanden am häufigsten genannten Serien, gehören in die Kategorie „guter Samariter“.

Enttäuschung programmiert

Für diese Serien ist typisch, dass Einfüh- lungsvermögen, Engagement für andere und Selbstlosigkeit das Handeln des Arzt- und Pflegepersonals außerhalb je- des realistischen Rahmens prägen. Die Medizin und Pflege mit den entsprechen- den Abläufen liefern nur den Hinter- grund für die glanzvolle Präsentation der Protagonisten.Eine Unterscheidung zwi- schen medialer und primärer Wirklich- keit ist umso schwieriger, je mehr die Er- fahrung der medialen Wirklichkeit an die Stelle der Erfahrung primärer Wirklich- keit tritt.Dies ist offensichtlich auch dann der Fall, wenn Patienten ihr Wissen über den Alltag im Krankenhaus nahezu aus- schließlich aus entsprechenden Serien im Fernsehen beziehen. Dieses Wissen führt zu einer Illusionsbildung und zur Entste- hung von Klischees. Findet dann eine Konfrontation mit der Wirklichkeit statt, muss es zu einer Enttäuschung kommen:

Die im Krankenhaus tatsächlich erlebte Wirklichkeit tritt in Konkurrenz zur me- dialen und als ideal empfundenen Wirk- lichkeit. Ärzte und Schwestern, die weder wie Dr. Stefan Frank noch wie Schwester Stefanie daherkommen, haben dann von vornherein schlechte Karten.

Dr. med. Kai Witzel, Tanja Hipp, Cornelia Kaminski

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