DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Aktuelle Politik
B
lüm wird offenbar nervös.Die Ausgaben der Kassen, . für die er sich politisch ver- antwortlich fühlt, steigen. Appel- le reichen scheint's nicht aus, um sie einzudämmen. Der Mini- ster wird folglich nicht umhin können, jene Maßnahmen, mit denen er schon seit langem aus der Ferne winkt, vorzulegen.
Das Dumme dabei ist, daß dem Bundesarbeitsminister bisher etwas richtig Überzeugendes nicht eingefallen ist. Das rigoro- seste Mittel, den gesetzlich ver- ordneten Beitragsstop, wird er schon allein wegen des Wider- standes der FDP nicht einsetzen können — ganz abgesehen von den dubiosen Folgen einer sol- chen Maßnahme, die einer Zen- tralverwaltungswirtschaft wür- dig wäre. Was bleibt, sind eine Fülle von Einzelmaßnahmen, die, wie aus dem Bundesarbeits- ministerium verlautet, nieman- den schonen und niemanden begünstigen werden. Die Last der Kostendämpfung soll gleich- mäßig verteilt werden. Das be- deutet zugleich, daß der verant- wortliche Minister es nieman- den recht machen und Vorwürfe von allen Seiten bekommen wird.
Die mißliche Lage, in der Blüm steckt, mag seine Ausfälle ge- gen die Ärzte psychologisch ver- ständlich machen. Der Minister mag sich auch durch überzoge- ne Aktionen einzelner Verbände der Ärzte und Zahnärzte provo- ziert gefühlt haben. Dennoch ist seine Attacke neulich vor den rheinischen CDU-Frauen in Neuss schwer zu verkraften.
Blüm sprach vom „Verfall der sozialen Sitten", von der Gefahr, daß Ärzteverbände „diesen Staat zur Beute ihrer Interessen- politik" machten. Anlaß für die-
Der Minister prügelte
die Falschen
nimemommon
Das hatte gerade noch ge- fehlt. An einem heißen Sommertag bricht Bundes- arbeitsminister Dr. Norbert Blüm mit undifferenzierten Angriffen gegen die Ärzte einen Streit vom Zaun. Und eine prominente Sozialde- mokratin, Anke Fuchs, sieht sich veranlaßt, die Ärzte gegen den Minister
in Schutz zu nehmen.
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se Vorwürfe war vor allem eine Kampagne des Hartmannbun- des. Dieser hatte bereits im März die ihm verbundenen Ärzte aufgefordert, einen Coupon aus- zufüllen, in dem sie eintragen sollten, wie viele Mitarbeiter in den Praxen bei einem neuen Kostendämpfungsgesetz entlas- sen und wieviele Ausbildungs- plätze gestrichen würden. Blüm hatte diese Kampagne schon bei der Konzertierten Aktion heftig angegriffen.
Der Hartmannbund (der in der Sache gar nicht so falsch liegt) mag sich im Regal der propa- gandistischen Möglichkeiten vergriffen haben. Blüm hätte ge- trost diese Aktion seiner Partei-
freunde Bourmer und Nöldner auf seine plakative Weise zu- rechtrücken können. Was aber soll die Verallgemeinerung, der Vorwurf gegen die Ärzte insge- samt, so als kenne der Bundes- arbeitsminister die unterschied- lichen Strömungen, Verbände und Organisationen in der Ärzte- schaft nicht? Ausgerechnet zu der Zeit, als die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre Bereit- schaft bekundete, die Ausga- benentwicklung in der gesetzli- chen Krankenversicherung für ambulante ärztliche Leistungen trotz steigender Arztzahlen und Praxiskosten hart zu begrenzen
— genau zur Zeit der Verhand- lungen mit den Kassen kam Blüm mit seinen Ausfällen.
Ausgerechnet eine prominente Sozialpolitikerin der SPD, Anke Fuchs, sah sich danach aufgeru- fen, die Ärzte gegenüber der, wie sie es nannte, maßlosen Agi- tation des Ministers in Schutz zu nehmen. Frau Fuchs sah sich dabei in einer ungewohnten Rolle, und auch mancher Arzt fand sich auf einmal in einer ver- kehrten Welt. Dem Politiker Blüm müßte das zu denken ge- ben, und er sollte auch den Hin- weis von Frau Fuchs kühl durch- denken, daß Beschimpfungen dieser Art den „Scharfmachern im Lager der ärztlichen Standes- politik" den Weg bereiten könn- ten. Denn wie stehen die verant- wortlichen Standespolitiker, die die Stabilitätspolitik unterstütz- ten, jetzt da, nachdem der Mini- ster ihnen in einem kritischen Zeitpunkt nichts anderes zu sa- gen weiß als den Vorwurf, zum Verfall der sozialen Sitten beizu- tragen?
Blüm sollte die Sache möglichst bald klarstellen. NJ Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 25/26 vom 21. Juni 1985 (21) 1917