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Archiv "Wahlkampf: Heimspiel für den Minister" (13.09.2013)

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A 1660 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 37

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13. September 2013

P O L I T I K

E

s gibt sicherlich Berufsgrup- pen, mit denen der Bundesge- sundheitsminister sich schwerer tut.

Am 3. September stellte Daniel Bahr (FDP) sich in Frankfurt/M.

und am darauffolgenden Abend in Düsseldorf den Fragen von ins - gesamt etwa 450 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Eingeladen hatten die Kassenärztlichen Verei- nigungen Hessen und Nordrhein.

Zwar musste der Minister einiges an Kritik einstecken, allzu hart gin- gen die Ärzte aber nicht mit ihm ins Gericht. Dafür gab es in entschei- denden Punkten zu viele Überein- stimmungen: Wie viele anwesende Ärzte plädiert Bahr für den Erhalt des Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Wie sie befürwortet er eine Ausweitung der Kostenerstattung sowie die Ein- führung einer vertragsärztlichen Gebührenordnung in Euro und Cent.

Viele Ärzte, so schien es am En- de der beiden Veranstaltungen, sä- hen es gerne, wenn Bahr auch nach

der Wahl Minister bliebe. Eine Wahlkampfveranstaltung für die FDP sei der Termin aber nicht, wie der Vorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Peter Potthoff, betonte.

Das bekräftigte auch Mitgastgeber Dr. med. Andreas Gassen, Vorsit- zender des Spitzenverbands Fach- ärzte Deutschlands. Allerdings warnte dieser im gleichen Atemzug vor den Risiken für die Gesund- heitsversorgung, die ein Wahlsieg von Grün oder Rot – auch als Teil einer großen Koalition – berge: „Ei- ne Bürgerversicherung löst kein einziges Problem.“

In Frankfurt hatte auch Bahr in seiner Eingangsrede betont, dass er die Diskussion nicht als Wahl- kampfauftritt werte. Bei der hessi- schen Opposition aus SPD und Grü- nen sorgte der Auftritt des Ministers dennoch für Empörung. Die Frak- tionen sahen darin eine Wahlkampf- hilfe für die hessische FDP und set- zen das Thema prompt auf die Agenda des Sozialpolitischen Aus- schusses des Hessischen Landtages.

An den beiden Saalmikrofonen bildeten sich kleine Schlangen von Ärzten, die Fragen und Kritik los- werden wollten. Die zunehmende ökonomische Ausrichtung der Me- dizin, Regresse, der Hausärzteman- gel, unsichere Zukunftsaussichten für junge Mediziner sowie die Kon- kurrenz für Niedergelassene durch Medizinische Versorgungszentren waren dabei die Themen, die den Teilnehmern am meisten auf den Nägeln brannten. „Sie reden die medizinische Realität schön, wäh- rend die hausärztlichen Strukturen mehr und mehr auseinanderbrechen und das Gesundheitssystem in eine Krise hineinläuft“, kritisierte Allge- meinärztin Dr. med. Ulrike Pflaum aus Wiesbaden.

In Düsseldorf standen die unfai- ren Wettbewerbsbedingungen zwi- schen Krankenhäusern und Arzt- praxen, die gedeckelten Honorare, der Ausbau der Kostenerstattung auch für gesetzlich krankenversi- cherte Patienten sowie eine ange- messene Vergütung vertragsärztli- cher Leistungen in Euro und Cent im Mittelpunkt der Diskussion.

Bahr stellte klar, dass es in erster Linie Aufgabe der Selbstverwal- tung sei, hier Lösungen zu erarbei- ten. So sei es die Pflicht des Ge- meinsamen Bundesausschusses, mit Hilfe entsprechender Richtlinien die sektorübergreifende Versorgung voranzutreiben. Auch die Kritik an den gedeckelten Honoraren wies Bahr zurück. Begrenzte Ressourcen werde es immer geben, sagte der Minister. „Aber wir haben die An- bindung der vertragsärztlichen Ver- gütung an die Grundlohnsumme ab- geschafft.“ Über angemessene Ho- norarsteigerungen werde jetzt ver- handelt. Benötigten die Ärzte mehr Geld für die Versorgung, müssten sie dies in den Verhandlungen aber auch darstellen können.

Bahr betonte sowohl in Frankfurt als auch in Düsseldorf, dass das deutsche Gesundheitssystem im in- ternationalen Vergleich immer noch sehr gut dastehe, was sich auch in Zu Gast im Ärztehaus: In Düssel- dorf erwarteten knapp 100 Ärztin- nen und Ärzte Bundesgesundheits- minister Daniel Bahr.

Foto: Lajos Jardai

WAHLKAMPF

Heimspiel für den Minister

Daniel Bahr hat sich in Frankfurt/M. und Düsseldorf dem Dialog mit niedergelassenen Ärzten gestellt. Trotz Kritik sähen es offenbar viele gerne, wenn er auch nach der Wahl Gesundheitsminister bliebe.

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einer großen Zufriedenheit der Bür- ger mit der Versorgung widerspiege- le, wie Umfragen zeigten. Gründe hierfür seien das besondere Vertrau- ensverhältnis zwischen Ärzten und ihren Patienten. „Es ist meine Grundüberzeugung, dass die Freibe- ruflichkeit einer der Gründe dafür ist, dass dieses Vertrauensverhältnis besser ist als in anderen europä - ischen Ländern.“

Der Minister zog eine positive Bilanz der vergangenen Legislatur- periode. Der schwarz-gelben Regie- rung sei es gelungen, einen Paradig- menwechsel bei den Gesundheits- ausgaben herbeizuführen. Beim Re- gierungswechsel habe man in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen historischen Schulden- stand von neun Milliarden Euro vor- gefunden. Inzwischen gebe es – auch Dank der guten Konjunktur – Überschüsse von fast 30 Milliarden Euro. „Wir haben damals keine Leistungen gekürzt, sondern nur Zu- wächse begrenzt“, sagte Bahr. „Und wir geben heute wieder mehr für die ambulante Versorgung aus als für Arzneimittel.“

Mit dem Versorgungsstrukturge- setz habe man zudem das Problem des Ärztemangels erfolgreich ange- packt: Um Ärzten die Entscheidung für eine Niederlassung zu erleich- tern, habe man die Residenzpflicht abgeschafft und die Gründung von Zweigpraxen erleichtert. Bei dro- hender Unterversorgung dürfe es künftig keine Mengenabstaffelung mehr geben, außerdem seien Zu- schläge vorgesehen.

Zustimmung erhielt Bahr für sei- nen Vorschlag, angesichts des dro- henden Ärztemangels bei der Zulas- sung zum Medizinstudium nicht nur die Besten eines Abiturjahrgangs zu berücksichtigen: „Die Abiturnote sagt nicht viel darüber aus, ob man ein guter Arzt ist.“ Großen Beifall erntete der Minister in beiden Städ- ten für sein Bekenntnis zur Wahlfrei- heit zwischen GKV und PKV. „Wir hätten dieses Versorgungssystem nicht, wenn es diesen Wettbewerb nicht gäbe“, sagte Bahr. „Der Patient darf nicht Bittsteller einer Einheits- kasse werden. Damit lösen wir kein Versorgungsproblem.“

Heike Korzilius, Petra Spielberg

Er sei frustriert von der Gesundheitspolitik, meint Dr. med. Michael Goroncy, Kinderarzt aus Tau-

nusstein. Jede Regierung ha- be in der Vergangenheit nur Flickschusterei betrieben. Das sei auch unter Daniel Bahr nicht anders gewesen. „Wir verlieren immer mehr sozial engagierte Ärzte.“ Ärzte, die sich für ihre Kassenpatienten einsetzten, seien verraten und verkauft. Er jedenfalls sei es leid, wegen möglicher Nichteinhaltung seines Budgets ständig am Pranger zu stehen.

DIALOG IN FRANKFURT UND DÜSSELDORF

Zwischen Frust und Lob

Ärztinnen und Ärzte sprachen mit dem DÄ über vier Jahre schwarz-gelbe Gesundheitspolitik und ihre Erwartungen an die neue Regierung.

Ein gutes Zeugnis für den amtierenden Bun- desgesundheitsminister stellt Dr. med. Martin Fa-

britz, Allgemeinarzt aus Neun- kirchen, aus: „Daniel Bahr hat die richtigen Weichen hin zu mehr Freiberuflichkeit und weniger Staatsdirigismus ge- stellt und zeigt mit seinem Auftritt hier in Frankfurt, dass er sich den Fragen und Sor- gen der Ärzteschaft stellen will.“ Unter der jetzigen Regierung sei es zudem erstmals wieder gelungen, dass die Krankenkassen Überschüsse erwirtschaftet haben. Für die kom- mende Legislaturperiode wünscht sich Fabritz, dass endlich die GOÄ-Novelle umgesetzt wird.

„Ich hätte mir mehr Dialog und weniger Po- litfloskeln gewünscht“, sagt Dr. med. Mirjam

Rang, Radiologin aus Frank- furt, über die Veranstaltung mit Bundesgesundheitsmi- nister Daniel Bahr. So habe der Auftritt doch einen Hauch von Wahlkampf bekommen.

Dennoch wünscht sich Rang, dass Bahr auch nach der Wahl im Amt bleibt – man- gels besserer Alternativen.

Von der künftigen Regierung erhofft sie sich die Einführung von Modellen zur Kostenerstattung.

„Ich glaube, dass jeder andere denkbare Ge- sundheitsminister wesentlich schlimmer

wäre, allen voran der Herr mit der Fliege [gemeint ist Prof. Dr. med. Karl Lauter- bach von der SPD, die Re- daktion]“, sagt Dr. med.

Reinhard Kennemann, Kin- derarzt in Essen. Er hält es für die Pflicht des künftigen Gesundheitsministers, dafür zu sorgen, dass nach beinahe 30 Jahren die GOÄ

„in ähnlicher Weise angepasst wird wie beispiels- weise die Einkommen der Abgeordneten oder an- derer Politiker“.

Die ambulante psychotherapeutische Versor- gung durch Ärzte wird von der Gesundheitspo- litik vernachlässigt, findet Dr. med. Gabriele Friedrich-Meyer, ärztliche Psychotherapeutin in

Bonn. Die neue Bedarfspla- nung weite die Niederlas- sungsmöglichkeit für Psycho- logische Psychotherapeuten aus, eine dauerhafte Quoten- regelung für die ärztlichen Psychotherapeuten fehle aber nach wie vor. Außerdem könn- ten sich die Niederlassungs- möglichkeiten für ärztliche Psychotherapeuten durch die gesetzlich vorgesehenen psychosomati- schen Institutsambulanzen verschlechtern. Diese hätten Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Er- mächtigung, würden aber nach der neuen Bedarfs- planungsrichtlinie bei der Bedarfsermittlung für die niedergelassenen Ärzte berücksichtigt. „Insofern bin ich nicht zufrieden mit der Politik.“

„Minister Bahr hat bis jetzt kein schlechtes Verhältnis zu uns Ärzten gehabt“, sagt Dr.

med. Heidemarie Pankow- Culot, Kinderärztin aus Heili- genhaus. Wirklich zufrieden mit dessen Gesundheitspoli- tik ist sie jedoch nicht. Die Einführung der elektroni- schen Gesundheitskarte ha- be sie viel Geld gekostet, der neue EBM stelle keine große Verbesserung dar, und bei der Novellierung der GOÄ herrsche immer noch Stillstand. „Da fühle ich mich schon ein bisschen im Stich gelassen“, sagt Pankow-Culot. Von der künftigen Regierung erwartet sie, dass sie das Problem des Ärzteman- gels anpackt und für Honorargerechtigkeit sorgt.

„Und ich möchte vor allem die Freiheit haben, meine Patienten so zu behandeln, wie ich das für richtig halte, ohne dass mir eine Krankenkasse über die Schulter schaut.“

Fotos: Lajos Jardai, Petra Spielberg

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