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Selbstbestimmung, Inklusion und Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen in der Lebenswelt Eine kritische Reflexion

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Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung

Studiengang Soziale Arbeit

Selbstbestimmung, Inklusion und Lebensqualität von Menschen

mit Behinderungen in der Lebenswelt

– Eine kritische Reflexion

Bachelorarbeit

vorgelegt von:

Erik Fricke

Erstgutachterin: Prof. Dr. Júlia Wéber Zweitgutachter: Dr. Thomas Markert

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung S. 1 1 Begriff der Behinderung S. 2 1.1 Definition von Behinderung aus soziologischer Sicht S. 2 1.2 Rechtliche Definition von Behinderungen S. 4 2 Wohnformen für Menschen mit Behinderungen S. 5 2.1 Stationär betreutes Wohnen S. 6 2.1.1 Wohnen in einem Wohnheimen S. 7 2.1.2 Gesetzliche Regelungen - Wohnberechtigung S. 7 2.2 Ambulant betreutes Wohnen S. 9 2.2.1 Form des ambulanten Wohnens S. 9 2.2.2 Gesetzliche Einordnung – gesetzliche Betreuungsrecht S. 11 2.3 Wohnen in der Familie S. 12 2.4 Vergleich der Wohnformen S. 12 3 Lebensqualität S. 14 3.2 Aus soziologischer Sicht S. 15 3.3 Aus medizinischer Sicht S. 16 4 Von der Lebensqualität zur Inklusion S. 17 5 Behinderung und Gesellschaft S. 18 5.1 Weg der Inklusion S. 18 5.1.1 Exklusion S. 18 5.1.2 Separation/Segregation S. 20 5.1.3 Integration S. 21 5.1.4 Inklusion S. 22 6 Kritische Auseinandersetzung – Inklusion und Gesellschaft S. 24 6.1 Inklusion und Schule S. 25 6.2 Inklusion und Arbeitsmarkt S. 27 6.3 Fazit zur inklusiven Gesellschaftliche S. 29 7. Selbstbestimmtung und Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen S. 31 7.1 Selbstbestimmte Lebensführung – Wohnen und Entscheidungen S. 32 7.2 Teilhabe oder nur Bedarfsdeckung? S. 35 7.3 Lebensqualität – Betrachtung mit der Zuhilfenahme der KWP

Forschungsergebnissen S. 38 8 Relevanz des Themas für die Soziale Arbeitsklima S. 39 9 Zusammenfassung S. 40 10 Ausblick S. 41 11 Quellen S. 43

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Einleitung

Inklusion, Teilhabe an der Gesellschaft und Arbeitschancen für Menschen mit Behinderungen1 sind Schlagworte die in der heutigen Zeit immer heller und lauter durch

die Gesellschaft und der Politik hallen. Rechte, die lange für nichtbehinderte Menschen bestehen werden, sollen nun auch für behinderte Menschen zugänglich gemacht werden. Eine inklusive Gesellschaft soll entstehen. Eine Gemeinschaft, die Menschen in ihre Gesellschaft aufnehmen, ungeachtet von den Diversity-Merkmalen wie Behinderung. Entspricht das der Wirklichkeit?

Durch meine Arbeit in der Behindertenhilfe habe ich mit behinderten Menschen Kontakt aufgebaut, ein Arbeitsfeld mit vielen Vorurteilen, wie zum Beispiel: „Die können ja nichts, den muss man ja das Essen reichen, die sitzen ja alle im Rollstuhl.“2

Kennengelernt habe ich das Arbeitsfeld jedoch ganz anders: Menschen mit Lebensfreude, Selbstständige Individuen und in erster Linie liebenswerte Menschen.

Während meiner Zeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, hinterfragte ich oftmals die Lebensbedingungen der Beschäftigten, da viele von ihnen schon ein Leben lang in Wohnheimen untergebracht sind und auch fast genauso lange an der Werkstatt arbeiten. Um einen Einblick in das Privatleben behinderter Menschen zu bekommen, entwickelte ich zusammen mit einem Kommilitonen einen Fragebogen, den wir im Rahmen des Moduls KWP 5 mit behinderten Menschen ausfüllten, um deren Eindruck zur eigenen Lebenssituation festzuhalten. Dazu im Laufe dieser Arbeit mehr (siehe Kapitel 7.3)

Nachdem ich einen Eindruck über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung gewinnen konnte, interessierte mich dieses Thema weiterhin. So entstand diese Arbeit, welche sich gezielt mit Inklusion, Teilhabe und Lebensqualität von Menschen mit Behinderung auseinandersetzt. Dazu soll jedes der folgenden Themen kritisch betrachtet werden.

1 Auf eine gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Schreibform wir aufgrund der besseren Lesbarkeit verzichtet

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Im Folgenden soll der Begriff der Behinderung geklärt werden, dazu werden verschiedene soziologische Ansätze aufgegriffen und eine rechtliche Definition verfasst. Da sich diese Arbeit stark mit dem Begriff Wohnen auseinandersetzt, werden die gängigsten Wohnformen definiert und die rechtlichen Bestimmungen zu diesem Gebiet dargelegt. Im Anschluss sollen die gängigsten Wohnformen verglichen werden. Der Begriff der Lebensqualität soll definiert werden, sowie aus soziologischer, als auch aus medizinischer Sicht.

Der „Weg der Inklusion“ wird veranschaulicht dargestellt und zudem wird der Begriff der Inklusion kritisch betrachtet. Die kritische Auseinandersetzung wird sich speziell auf die Lebensbereiche der Schule und den Arbeitsmarkt ausrichten. Bevor zum Schluss dieser Arbeit die Relevanz des Themas für die Soziale Arbeit erläutert werden soll, wird im Kapitel zuvor eine Begriffsbestimmung der selbstbestimmten Lebensweise stattfinden und auch kritisch Betrachtet.

Diese Arbeit soll der Sozialen Arbeit einen Anstoß zur Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung und Gesellschaft geben, diese kritisch zu betrachten und auf westliche Differenzen zwischen der Theorie und Praxis hinweisen.

1 Begriff der Behinderung

In dieser Arbeit wird über Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen berichtet. Es wird von Menschen mit einer Behinderung, ob physisch oder kognitiv, in allen hier aufgeführten Fällen, die Rede sein. Dabei wird in dieser Arbeit kein Unterschied zwischen den verschiedenen Behinderungsformen vorgenommen. Da diese Arbeit das Privat- und Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen betrachtet, darstellt und reflektiert, werde ich hauptsächlich Bezug auf Menschen nehmen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) angestellt sind und in einer betreuten Wohnform leben.

1.1 Definition Behinderung aus soziologischer Sicht

Eine genaue und einheitliche Definition von Behinderung ist schwer greifbar, deshalb werde ich im folgenden auf verschiedene Erklärungsansätze eingehen.

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Dedereich geht davon aus, dass eine anerkannte Definition bisweilen nicht möglich ist, obwohl der Sprachgebrauch der Behinderung und die wissenschaftliche Verwendung etabliert ist. Einen Grund hierfür sieht er darin, dass es verschiedene Disziplinen braucht, um eine vollwertige Aussage über die Fähigkeit und Unfähigkeit eines Individuums zu tätigen. Disziplinen gibt Dederich wie folgt an: medizinische Disziplinen, psychologische Disziplinen, pädagogische Disziplinen, soziologische Disziplinen und bildungspolitische Disziplinen. (vgl. Dedereich 2009, S.15) Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, bei einer Abweichung vom „Normalen“ in einer dieser Disziplinen, also eine Beeinträchtigung, einen Menschen als behindert zu diagnostizieren, obwohl die Kernfähigkeiten der anderen Bereiche durchschnittlich oder gar überdurchschnittlich sind.

Eine gute Zusammenfassung dazu gibt Modes zu diesem Thema. Sie beschreibt die Behinderung als ein komplexes Phänomen der wahrnehmbaren Beeinträchtigung, dabei fasst sie drei große Gruppen zusammen. Dabei wird deutlich, dass zwischen einer reinen körperlichen Beeinträchtigung oder einer rein geistigen Beeinträchtigung unterschieden wird. Beim Auftreten beider Symptome wird von einer Mehrfachbehinderung gesprochen. (vgl. Modes 2016, S.52) Modes beschreibt weiterhin: Eine körperliche Behinderung, in den meisten Fällen erkennbar durch Zuhilfenahme von Hilfsmitteln wie Rollstühlen oder Gehhilfen, ist oft sofort zu sehen. Nicht an Äußerlichkeiten fest zu machen sind intellektuelle Behinderungen, diese werden erst bei der Interaktion mit den Menschen wahrgenommen.(vgl. Modes 2016, S. 52) Intellektuelle Beeinträchtigungen werden auch oft mit einer Lernschwäche oder einer kognitiven Unterentwicklung des jeweiligen Menschen beschrieben. Beim Erkennen beider Auffälligkeiten besteht eine Mehrfachbehinderung.

Im Rahmen der Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF), formulierte Cloerkes vier Faktoren, welche die Begrifflichkeit der Behinderung beschreiben sollen. Diese werden nun kurz beleuchtet:

Als Erstes beschreibt Cloerkes eine zeitliche Dimension im Zusammenhang mit Behinderung. Eine Beeinträchtigung kann zeitlich begrenzt sein oder auch ein Leben lang anhalten. (vgl. ebd. 2007, S.9) Ein gebrochener Knochen wächst wieder zusammen und beeinträchtigt das Individuum nur über einen kurzen Zeitraum, eine verletzte Wirbelsäule oder fehlende Gliedmaßen sind meist lebenslange Beeinträchtigungen. (vgl. Dederich; Beeinträchtigung in der medizinischen Disziplin in diesem Kapitel)

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Abhängigkeit von Grad und Schwere der Beeinträchtigung auf. So kann diese vom Einzelnen unterschiedlich bewertet werden. (vgl. Cloerkes 2007, S.9) So kann es sein, dass ein Mensch mit einer kognitiven Beeinträchtigung, der weder Lesen noch Schreiben kann, seine Lebenssituation als weniger beeinträchtigt erfährt, als ein Mensch, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, dementsprechend ohne kognitive Einschränkungen. Cloerkes weist speziell auf die Subjektivität des Individuums hin und das Beeinträchtigung von diesem unterschiedlich aufgefasst werden kann.

Den dritten Faktor verknüpft Cloerkes mit dem zweiten Faktor und weitet diesen zusätzlich aus. Er spricht weiterhin von der subjektiven Wahrnehmung des Menschen, nur jetzt in der Verbindung mit dem alltäglichen Leben. So ändert sich die Empfindung der Behinderung zum Beispiel hinsichtlich der Bereiche Beruf und der Freizeit. (vgl. ebd. 2007, S.9) Für einen Menschen kann die Lebensbewältigung aufgrund von verschiedenen Faktoren, wie das Nutzen eines Rollstuhles, um einiges erschwert werden.

Als Letztes geht Cloerkes auf die Abhängigkeit von der kulturspezifischen sehr unterschiedlichen Reaktionen auf Behinderung ein. (vgl. ebd. 2007, S.9) An dieser Stelle stoßen wir auf den Begriff Diskriminierung. Dabei ist ein Mensch mit einer körperlichen Beeinträchtigung schneller davon betroffen, als ein Mensch mit einer reinen kognitiven Beeinträchtigung. In den meisten Fällen erkennbar durch Zuhilfenahme von Gehhilfen. Nicht nur Gehbehinderte, vielmehr durch die Behinderung stark deformierte Menschen sind davon betroffen. (vgl. Modes; erkennbare Behinderung von außen sichtbar in diesem Kapitel) Zurück zu Cloerkes: Je nachdem in welchen Kontext oder auch Umfeld sich ein behinderter Mensch bewegt, wird er mehr oder weniger von außen als behindert angesehen und/oder diskriminiert.

1.2 Rechtliche Definition von Behinderung

„Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die sie an der vollen wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.“ (UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) Präambel e 2009) So gibt die UN-BRK mit einem Satz einen sozialen Definitionsversuch bezüglich der Deutung von Behinderung in unserer Gesellschaft, während die rechtlichen Bestimmungen unterdessen viel trockener definiert sind. Im Folgenden soll von einer internationalen Einordnung der rechtlichen

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Bestimmung abgesehen werden und nur auf das neunte Sozialgesetzbuch eingegangen werden, da der Bruch zwischen dem internationalen Recht und dem deutschen Recht zu groß ist. Dort steht geschrieben: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) Zu erkennen ist eine Anlehnung an die Präambel der UN-BRK. Auch hier wird auf die umweltbedingten Barrieren Bezug genommen, welche einen Menschen an der Teilhabe hindern oder einschränken können. Diese Barrieren können Stufen für einen körperlich eingeschränkten Menschen oder das Berechnen des gesamten Einkaufpreises, für einen geistig eingeschränkten Menschen sein. Die Besonderheit in diesem Gesetz wird bestimmt durch die Zeitangaben von „länger als sechs Monate“, in der ganzen Präambel der UN-BRK ist keine Zeitangabe formuliert, ab welchem Zeitpunkt ein Mensch einer Behinderung unterliegt. Nur Cloerke sprach bei seiner Definition von einer zeitlichen Dimension (vgl. 1.1), welche vom deutschen Gesetzgeber aufgegriffen wird.

Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. An dieser Stelle ist zu betrachten das gerade die Überprüfung des „nicht normalen“ eine sehr schwierige Analyse ist. Nach Dederich sind mehrere Faktoren für diese Bestimmung notwendig.(vgl. 1.1)

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. (vgl. §4 ff. SGB IX)

Wie schon am Anfang des zweiten Kapitels erwähnt wurde, ist eine genaue und einheitliche Definition von Behinderung bis heute nicht möglich. Diese drei Klärungsversuche sind reine soziologische Ansätze für den Versuch einer Erklärung. So unterschiedlich diese auch sind, einige Gemeinsamkeiten haben diese dennoch miteinander. Außerdem haben diese Theorien die Gesetzgebung hinreichend beeinflusst, dies wird im Kapitel 1.2 verdeutlicht.

„Leistungen der Sozialen Arbeit werden im Leistungsrecht nicht explizit genannt. Im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es jedoch zahlreiche Hinweise darauf, dass Gesundheit, Krankheit und Behinderung in ihren sozialen Bezügen zu betrachten und zu behandeln sind.“ (Welti, Fuchs o.J., S. 26) Somit können die

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Regelungen eine Leistungsbeschreibung der Hilfsangebote der Sozialen Arbeit und eine Verpflichtung gegenüber dem behinderten Menschen darstellen.

2. Wohnformen für Menschen mit Beeinträchtigungen

Geeignete Wohnformen für Menschen mit Behinderungen und besonderen Ansprüchen zu finden, stellt in der Regel einen großen Spagat zwischen den vielen Angeboten der Behindertenhilfe dar. Auf der einen Seite muss betrachtet werden, wie selbstständig ein behinderter Mensch sein Leben bewältigen kann, beziehungsweise welche Hilfen ein zu Betreuender benötigt. Auf der anderen Seite sind die Entscheidungen des behinderten Menschen zu berücksichtigen. In aller Regel hat jeder, zumindest kognitiv beeinträchtigter Mensch, einen gesetzlichen Betreuer. Dieser Betreuer kann ein Verwandter, zum Beispiel ein Elternteil, oder ein gerichtlich festgelegter Betreuer einer Einrichtung Sein. (Dazu mehr im Kapitel 2.2 ff) Dieser Betreuer entscheidet mit dem Klienten über eine angebrachte Wohnform.

Im folgenden sollen die drei häufigsten Wohnformen für Menschen mit Beeinträchtigungen beschrieben werden. Diese sind: das stationär betreute Wohnen, das ambulant betreute Wohnen und das Wohnen in der Familie. Zudem möchte ich meine persönlichen Erfahrungen einbringen, die habe ich in der Arbeit mit behinderten Menschen in und um Neubrandenburg gewinnen können.

2.1 Stationär betreutes Wohnen

Diese Unterbringungsform kann beschrieben werden als: Eine betreute Wohngemeinschaft mit den Konzept einer Familie. Wolf-Ostermann und Gräske beschreiben dies folgendermaßen:

„Die Zielsetzung von ambulant betreuten WGs orientiert sich an der im Konzept verankerten Idee der Beibehaltung familienähnlicher Lebensstrukturen. So

steht insbesondere im Vordergrund, dass sich der Alltag der Bewohner nicht an Notwendigkeiten der Pflege, sondern primär an einem >> familiären Alltag<< orientiert.“

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2.1.1 Wohnen in einem Wohnheim

Da sich diese Arbeit auf behinderte Menschen bezieht, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, wird nun auf Wohnheime für behinderte Menschen eingegangen, da diese oftmals in Formen dieser Wohnart untergebracht sind. Wohnheime oder Wohngemeinschaften für behinderten Menschen sind Einrichtungen, in denen eine 24-Stunden-Versorgung der Bewohner stattfindet. In den Wohnheimen ist es üblich, dass der einzelne Bewohner ein privates Zimmer besitzt, welches nach Belieben eingerichtet werden kann. Neben dem eigenen Zimmer werden andere Räume wie Wohn- und Esszimmer, Küchen und Bäder oftmals gemeinschaftlich genutzt. Tagesabläufe werden gemeinsam gestaltet, durch gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten, wie zum Beispiel Ausflüge am Wochenende. (vgl. Wolf-Ostermann, Gräske 2014 S.19) Im Gegensatz zu ambulanten Wohnformen ist hier eine 24-Stunden-Betreuung gewährleistet. Die behinderten Bewohner werden täglich rund um die Uhr betreut, jedoch wird auch in dieser Wohnform stets versucht die Bewohner in den Alltag einzubeziehen, wie zum Beispiel die Reinigung der privaten Zimmer, selbständiges Zubereiten von Mahlzeiten und eigenständiges Einkaufen von Lebensmitteln. (vgl. ebd., S.21) Die Betreuer sind nicht zur Freizeitgestaltung in der Einrichtung angestellt, sondern als Ansprechpartner oder Bezugsbetreuer, die sich um materielle Angelegenheiten und um Kontakte mit der Familie kümmern, sie übernehmen in der Regel nicht die gesetzliche Betreuung. (vgl. Appel, Kleine Schaars 2008, S. 36)

2.1.2 Gesetzliche Regelungen - Wohnberechtigung

Das folgende Gesetz sieht vor, dass andere Leistungen vor dem Wohnheim Vorrang haben:

„Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen.“

(§13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII)

Dieses Gesetz besagt, dass von stationären Leistungen, wie Wohnheime, abzusehen ist, wenn ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung umsetzbar ist. Aufgrund von Mehrfachbehinderungen ist es beeinträchtigten Menschen nicht möglich alleine zu

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Wohnen, aufgrund dessen sind diese auf ein Wohnheimplatz angewiesen. Sollte sich der beeinträchtigte Mensch für ein Wohnheimplatz entscheiden, so beantragt er diesen Platz beim Sozialamt. Dieses Amt prüft die beantragte Leistung und entscheidet über Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Über die grundsätzliche Aufnahme des Behinderten in einem Wohnheim, entscheidet nicht das Sozialamt, dieses finanziert nur den Platz, sondern die Wohnheimleitung fasst den Entschluss über die Aufnahme von dem behinderten Menschen.

Um einen Überblick über die Voraussetzungen auf einen Wohnheimplatz zu bekommen, sollen beispielhaft die Regeln der „Lebenshilfe Nienburg“ genannt werden. Gewählt habe ich diese Regeln, weil die meisten Wohnheime gleiche oder ähnliche Richtlinien zur Aufnahme von Bewohnern beachten.

- Es sollte keine akute psychische Erkrankung vorliegen. - Eine geistige Behinderung muss attestiert sein.

- Es sollte keine Drogenabhängigkeit vorliegen.

- Der Bewohner bzw. die Bewohnerin muss volljährig sein.

- Der Bewohner bzw. die Bewohnerin verbringt die Tagesstunden im Regelfall in der WfbM.

- Die Bewohnerin bzw. der Bewohner sollte Interesse haben an einem Leben in Gemeinschaft mit Anderen, um eine größtmögliche Selbständigkeit zu erreichen.

- Ältere Bewohnerinnen und Bewohner können weiterhin im Wohnheim wohnen. Wenn sich ihr Gesundheitszustand nach ärztlichem Zeugnis so verändert, dass ein Wohnen im Heim nicht mehr möglich ist, muss über ein Ende der Betreuung in einem Wohnheim als Einrichtung der Eingliederungshilfe entschieden werden.

(Lebenshilfe Nienburg o.A, Abgerufen: 23.08.2018 URL1 )

Gewählt habe ich diese Regeln, weil die meisten Wohnheime gleiche oder ähnliche Richtlinien zur Aufnahme von Bewohnern beachten. Viele Wohnheime setzten voraus oder haben es vertraglich geregelt, dass ein Bewohner gleichzeitig dazu verpflichtet ist einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen nachzugehen. So muss auch eine attestierte geistige Behinderung nachgewiesen sein, um einen Platz in einem Wohnheim zu bekommen.

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bewältigen, hat er ein Anrecht auf ambulante Hilfe (dazu mehr im nächsten Kapitel) oder auf einen Wohnheimplatz. Dazu prüft das für den Kreis zuständige Sozialamt die Notwendigkeit und die Wohnheime stellen ihrerseits Regeln für eine Aufnahme auf.

2.2 Ambulant Betreutes Wohnen

Das ambulante Wohnen stellt eine weitere, oft genutzte Wohnform für behinderte Menschen dar. Wie schon in 2.1.2 erwähnt, soll diese laut Gesetz die bevorzugte Wohnform für Behinderte darstellen. Der größte Unterschied zur betreuten stationären Unterbringungsform ist in der höheren Selbstbestimmung der ambulant betreuten Behinderten auszumachen. Zudem fällt eine Rund-um-Versorgung weg. Dieses wird anschaulich beschrieben von Röh:

„Ambulant betreutes Wohnen unterscheidet sich von der stationären

Versorgung dadurch, dass nun nicht mehr die ,Rund-um-Versorgung‘ durch einen Träger im Vordergrund steht, sondern – vereinfacht dargestellt – das Wohnen mit den notwendigen individuellen Hilfen. Institutionell vorgegebene Strukturen (z. B. gemeinschaftliche Essenseinnahme, feste Essenszeiten, Tage der offenen Tür) entfallen. Behinderte Menschen sollen mehr Aspekte des

Alltagslebens selbst bestimmen und eigenverantwortlich regeln“

(Röh 2009, S. 87, zitiert nach BaGüS 2006a, S. 13f)

2.2.1 Form des ambulanten Wohnen

In meiner Zeit als Betreuer von beeinträchtigten Menschen, habe ich die ambulante Wohnform am häufigsten auf dieser Weise kennengelernt: Der Beeinträchtigte lebt alleine oder mit seinem Partner, einem Mitbewohner oder den Kindern in einer Wohnung. Dabei lebt der Einzelne selbstständig, soweit es ihm körperlich und kognitiv möglich ist. Da das Leben eines behinderten Menschen geprägt ist durch Fremdbestimmung, Instrumentalisierung und Fremdunterbringung (vgl. Thesing 1998, S. 45) ist das ambulante Wohnen eine Möglichkeit, seine eigenen Interessen nachzugehen, sei es in Verbindung mit Wohnen, Freizeitaktivitäten oder Tagesablauf.

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aufgrund seiner Behinderung seine Angelegenheiten zu erledigen, wird diesem in der Regel ein gesetzlicher Betreuer gestellt. (vgl. §1896 Abs. 1 Satz 1 BGB) Darauf soll zu einem späteren Zeitpunkt nochmals genauer eingegangen werden. (Kapitel 2.2.2)

Röh beschreibt Ziele des ambulanten Wohnens aus sozialethischer Sicht, dazu formuliert er:

- behinderten Menschen ein weitestgehend autonomes und selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum zu ermöglichen,

- die dafür notwendigen Hilfen bereitzustellen, wobei wirklich nur die für den individuellen Fall benötigten Hilfen in Frage kommen und keine

Pauschalleistungen wie in der stationären Versorgung,

- die Wahrscheinlichkeit einer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft damit erhöht wird,

- durch die Selbstständigkeit auch die Selbsthilfefähigkeiten der Betroffenen erhöht werden sollen und

- sekundäre Behinderungsfolgen (erlernte Hilflosigkeit, Hospitalismus) verringert bzw . verhindert werden können .

(Röh 2009, S. 88)

So soll einem beeinträchtigten Menschen ein an der Normalität angrenzendes Leben ermöglicht werden. Die individuellen Hilfen werden häufig nur durch eine rechtliche Betreuung geleistet, welche vor allem finanzielle Angelegenheiten regelt. Wie zum Beispiel: Geltendmachung von Einkommensansprüchen, Antragstellung auf Leistungen, Zahlung von Verpflichtungen wie Miete, Strom, Telefon und Schuldenregulierungen. (vgl. gesetzliche-betreuung.com o.A Abgerufen: 27.08.2018 URL2)

Neben den finanziellen Angelegenheiten benötigen die Menschen auch andere Hilfen zur Bewältigung des Alltages, zum Beispiel Anleitung und Trainingseinheiten, um vorhandene Fähigkeiten weiter zu entwickeln und auszuprägen, dazu gehört die Stabilisierung der Kenntnisse, die zur selbständigen Lebensführung benötigt werden. (vgl. Arenz 2011, S. 109)

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2.2.2 Gesetzliche Einordnung – gesetzliche Betreuung

Die gesetzliche Einordnung der ambulanten Leistungen wird im §53 ff. SGB XII und dem § 55 ff. SGB IX dargestellt. Der § 53, Abs.3 SGB XII beschriebt die Aufgabe der Eingliederungshilfe, er soll eine Behinderung und dessen Folgen beseitigen oder mindern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft eingliedern. Während der §53 SGB XII sich mehr auf die Leistungsberechtigten bezieht, definiert der §55 Abs. 1 SGB IX die zu erbringenden Leistungen. Laut diesem Gesetz soll einem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden oder soweit wie möglich eine Unabhängigkeit vom Pflegepersonal zu entwickeln. Im §55, Abs.2, Punkt 3 ff. , SGB IX werden Hilfen benannt, wie Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt, sowie Hilfen zur Teilhabe am öffentlichen Leben. Diese Gesetze haben eine präzise Gemeinsamkeit, sie regeln, dass die Behinderten in die Gesellschaft eingliedert werden und dem Individuum ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Diese Hilfen zu dem ambulanten Wohnen und das alleine Wohnen, werden meistens durch eine gesetzliche Betreuung geleistet.

„Die Tätigkeitsfelder der Betreuung sind gesetzlich als Rahmen normiert und

werden durch die Betreuungsgerichte für jeden Einzelfall konkretisiert.“ (Ließfeld 2012, S.

91) Weiterhin beschreibt Leißfeld, dass der gesetzlichen Betreuung große Aufgabenkreise, wie Gesundheitsfürsorge oder Vermögenssorge, übertragen werden, dennoch wird zwischen den vielen Aufgaben differenziert. In diesem Zusammenhang konstruiert er ein Beispiel: Im Rahmen der Vermögenssorge kann beispielsweise ausschließlich der Aufgabenkreis der Rentenangelegenheiten übertragen werden, oder ein Aufgabenkreis wird nur in den Bereich festgelegt, die den Umständen des Einzelfalls entsprechen. So soll Rücksicht auf die Restfähigkeit des Betroffenen Rücksicht genommen werden. (vgl. ebd., S. 92) Selten ist es notwendig, dass ein beeinträchtigter Mensch in allen seiner Angelegenheiten eine Unterstützung benötigt. Leißfeld zeigt einige Aufgabenbereiche aus verschieden Disziplinen auf, diese sind: Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten,

Erbangelegenheiten, Übersiedlung in ein Heim, Gesundheitsfürsorge und Bereich der Unterbringung. (vgl. Leißfeld 2012, S. 92 f.) Um einen genauen Aufgabenkreis der

Betreuung festzulegen empfiehlt Leißfeld das Betreuungsgericht um eine Klarstellung zu bitten. (vgl. ebd. 2012, S. 94)

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Zusammenfassend kann ausgesagt werden: Ist ein beeinträchtigter Mensch in der körperlichen und kognitiven Verfassung alleine eine Wohnung zu bewohnen, ist die ambulante Betreuung des Menschen sinnvoll. In den nächsten Kapitel werden die Wohnformen verglichen und eine Gegenüberstellung wird vorgenommen.

2.3 Wohnen in der Familie

Neben den zwei häufigsten Wohnformen, dem ambulanten und stationären betreuten Wohnen, soll an dieser Stelle noch eine Wohnform vorgestellt werden. Die meisten nicht behinderten Menschen sind in familiären oder familienähnliche Strukturen aufgewachsen. Leider ist es einigen Menschen mit Behinderungen nicht vergönnt, diese Art der Betreuung kennenzulernen, da eine frühe Einweisung in ein Wohnheim oftmals die Regel ist. Gerade ältere Bewohner, die vor 40 oder 50 Jahren als Kind in eine weit entfernten stationären Wohneinrichtung aufgenommen wurden, haben nie ein Familienleben kennengelernt. Diejenigen, die in einer liebevollen Familie aufgewachsen sind und eine persönliche Zuwendung erlebt haben, ziehen erstmals nach dem Tod der Eltern in ein Wohnheim. (vgl. Lüking 2012, S.139)

In der Praxis ist es heute jedoch anders, behinderte Kinder werden nicht so häufig wie vor drei oder vier Jahrzehnten nach der Geburt in eine fremde Wohneinrichtung gegeben. Bei Gesprächen mit Behinderten, die in der Familie wohnen, zeigt sich, dass dort Behinderte jeden Alters leben. Viele der jüngeren behinderten Menschen leben bei ihren Eltern, Großeltern oder Verwandten in der Häuslichkeit, auch ältere Menschen leben noch bei ihren Eltern oder Verwandten.

2.4 Vergleich der Wohnformen

Um einen übersichtlichen Vergleich der drei erwähnen Wohnformen zu gewährleisten, folgt eine Tabelle, in der einige ausgewählten Aspekte gegenübergestellt werden.

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Ambulantes Wohnen Stationäres Wohnen Wohnen in der Familie Selbstbestimmung und

Selbstständigkeit - hohes Maß an Selbstständigkeit - eigene Wohnung - selbstständige Tagesabläufe - selbstständige Verpflegung - Freizeitaktivitäten müssen selbst organisiert werden - Unterstützungsbedarfe, meist in Form einer gesetzlichen Betreuung - eingeschränkte Selbstständigkeit - vorgegebene Tagesabläufe - Lebensmittel werden gestellt - Zimmer kann selbstständig gestaltet werden - Freizeitaktivitäten werden durch Einrichtungen angeboten - abhängig von Unterstützung in Form von Pflege innerhalb der Wohnform - Abhängigkeit von Familienmitgliedern - Anpassung an den Tagesablauf innerhalb der Familie - behinderten Menschen wird oft wenig

Selbstständigkeit zutraut, auch im

vorangeschrittenen Alter - Unterstützung wird familiärer ausgeführt

Verwaltung von Gehalt - Verwaltung erfolgt in der Regel durch den

gesetzlichen Betreuer - selten wird das Geld in Eigenverantwortung verwaltet

- Geld zum täglichen Leben wird in Form von

Taschengeld vom Betreuer eingeteilt

- freie Verfügung über das Taschengeld

- Betreuer spart zusammen mit dem Klienten für größere Anschaffungen

- Verwaltung erfolgt durch die Betreuer im Wohnheim

- Gehalt wird zum Teil für die tägliche Verpflegung einbehalten - Ausgabe von angesparten Taschengeld für größere Anschaffungen (bsp. Fernseher, Radio) oder Luxusgütern (bsp. Zigaretten)

- Verwaltung durch betreuendes Familienmitglied

Finanzierung - geleistete Hilfen sind in Vergleich zu stationären Unterbringung viel geringer - je nach

Unterstützungsbedarf werden nur wenige Fachleistungsstunden geleistet (oftmals nur 2 Stunden in der Woche)

- teuerste Unterbringungsform für behinderte Menschen - hoher Unterstützungsbedarf bedeutet viele Fachleistungsstunden - ganztägige Betreuung durch Fachpersonal

- Hilfe wird von der Familie geleistet - bei erhöhten Pflegebedarf werden Leistungen von gesetzlicher Pflegeversicherung erbracht (vgl. §36 SGB XI)

- wenn keine Pflegestufe vorhanden ist, gibt es keine Ausgaben für externe Einrichtungen oder Dienstleistungen Soziales Umfeld - wohnt alleine, mit

Kindern, mit Mitbewohnern oder mit Partner/in in einer Wohnung

- wenig Kontakt zu anderen Menschen mit

Behinderungen - wenig Kontakt zur Gesellschaft

- Selbstbestimmung über Zugehörigkeit von Sozialen

- wohnt in einer

Wohngruppe mit anderen behinderten

Menschengruppen - viel Kontakt zu anderen Menschen mit

Behinderungen - kaum bis keinen Kontakt zu nichtbehinderten Menschen, außer von

- wohnt bei der Familie - soziales Umfeld ist stark abhängig von den Familienmitgliedern - Kontakt zu nichtbehinderten Menschen ist abhängig von der Familie (bsp. Kontakt zur

Nachbarschaft, Familienfeiern, Besuch

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Gruppen

- freie Entscheidung über den Besuch von kulturellen Veranstaltungen

Betreuern in dem Wohnheim

- soziale Gruppe ist mit den Mitbewohnern festgelegt

- Veranstaltungen und deren Besuch wird von Betreuern geplant und festgelegt - besuchte Veranstaltungen sind oftmals für behinderte Menschen konzipiert von Veranstaltungen im Heimatort) - wenig Kontakt zu anderen behinderten Menschen

- Familie bietet ein soziales Umfeld

3. Lebensqualität

Der Begriff Lebensqualität entwickelte sich erst spät, erstmals in den 80er Jahren begannen Forschungen und Studien speziell zu diesem Thema. Die in der Psychologie einsetzende „Happiness – Forschung“ kann eher als eine „Glücksforschung“ angesehen werden. (vgl. Schübel 2016 S. 236) Im Zuge dessen entstanden Forschungen bezüglich des empfundenen Glückes, wie in Deutschland der „Deutsche Post Glücksatlas“. So wird im Laufe des 20. Jahrhunderts der Begriff der Lebensqualität eher als eine positive subjektive Befindlichkeit beschrieben. (vgl.Schübel 2016 S. 236 ) Zudem kann der Begriff der Lebensqualität nicht mit dem selben Maßstab auf die Gesamtheit der Bevölkerung angewendet werden. Wie ein Sprichwort besagt: „Andere Länder, andere Sitten“. Es kann zur Untersuchung der Lebensqualität angewandt werden. Denn verschiedene Umweltfaktoren in den Ländern (beispielsweise Deutschland und Russland) beeinflussen andere Lebensbereiche, welche unsere Lebensqualität beeinflussen. Dazu ein Zitat, welches die Thematik zusammenfasst.

„Health-Related Quality of Life (HRQOL) refers to individual's perception of their position in life in the context of the culture and value systems in which they live and in relation to their goals, expectations, standards and concerns.“

(Vahedi, 2010, URL3 )

Da ein einheitlicher Begriff der Lebensqualität nur schwer definierbar ist, werden verschiedene Ansätze im folgenden ausgearbeitet und dargestellt.

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3.1 Lebensqualität aus soziologischer Sicht

„Und was wissen wir über Lebensqualität? (…) Eine Kultur- und

Geistesgeschichte der zahlreichen Antworten wäre ein Thema für sich. Hier genügt der Hinweis, daß Lebensqualität und angrenzende Bezeichnungen wie Glück, Zufriedenheit, Wohlbefmden, Lebensstandard, Wohlfahrt u.ä.m. bei uns schon seit einiger Zeit besondere Aufmerksamkeit erfahren.“

(Bellebaum, Barheier 1994, S. 8)

Mit diesem Zitat soll aufgezeigt werden, dass dieses Thema sehr weitreichend ist und es viele Ansätze zu betrachten gilt. Bellebaum und Barheier sprechen von vielen

Dimensionen wie Zufriedenheit, Wohlbefinden und Lebensstandard welche die Lebensqualität beeinflussen, eben so viele wissenschaftliche Disziplinen (Soziologie, Psychologie, Medizin, Philosophie etc.) sind an der Forschung und Deutung von diesem Begriff beteiligt.(vgl. Schäfers 2008, S. 26) Weiterhin stellt Schäfers eine Auswahl an Ansätzen einer Definition dar, von denen zwei eine wesentliche Bedeutung für diese Arbeit haben.

1. Auswahl:

„Lebensqualität ist das Synonym für den Gebrauch all jener

Errungenschaften, die uns eine funktionierende Wirtschaft bereithält für ein menschenwürdiges Leben in der Industriegesellschaft. Dazu gehören neben der materiellen Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen ebenfalls mehr Gleichheit und Gerechtigkeit, Chancengleichheit in

Ausbildung und Beruf, eine gerechte Einkommensverteilung, die Humanisierung der Arbeitswelt u. a. m.“ (Reinhold 1997, 400, zit. n. Noll 2000, 7).

(Zitiert nach Schäfers 2008, S. 26) 2. Auswahl:

„Quality of Life is defined as an individual’s perception of their position in life in the context of the culture and value systems in which they live and in relation to their goals, expectations, standards and concerns. It is a broad ranging concept affected in a complex way by the person’s physical health, psychological state, level

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of independence, social relationships, and their relationship to salient features of their environment” (WHOQOL 1993, 1).

(Zitiert nach Schäfers, 2008 S. 27)

Die Auswahl dieser Definitionen erfolgte aus dem Grund, weil wichtige Punkte mit erfasst sind, die zu einem auf jeden Menschen anpassbar sind und vor allem eine Beurteilung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderung zulassen.

Schäfers grenzt die Begrifflichkeiten weiter ein:

– denn Lebensqualität reicht über materiellen Wohlstand und Lebensstandard hinaus, wichtig sind immaterielle Werte wie Chancengleichheit, Solidarität und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung.

(vlg. Schäfer 2008 S. 27 zitiert nach Glatzer 2002 ohne Seitenangabe)

– Lebensqualität zielt auch auf objektive Zustände und Lebensbedingungen, und andere subjektive Bedürfnislagen und Befindlichkeiten.

(vlg. Schäfer 2008 S. 27 zitiert nach Zapf 1984 S. 337)

– Zuletzt ist das Wohlbefinden und Wohlergehen ein wichtiger Faktor bei der Betrachtung von Lebensqualität und die Qualität von Gesellschaft.

(vlg. Schäfer 2008 S. 27 zitiert nach Veenhoven 1997 ohne Seitenangabe)

„Die meisten Wissenschaftler lösen das Problem indes ganz praktisch, indem sie einzelne Konzepte wie Lebenszufriedenheit, Glück oder Wohlbefinden in das Gesamtkonzept Lebensqualität integrieren.“

(Kaltenegger 2012, S. 31)

3.2 Lebensqualität aus medizinischer Sicht

Mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung gehen oftmals körperliche und/oder seelische Erkrankungen einher. Viele behinderte Menschen sind angewiesen auf medizinische Beratung, Versorgung und Hilfe. Je nach Grad der Beeinträchtigung beeinflusst die Qualität der medizinischen Versorgung die Lebensqualität immens.

(19)

geprägt durch ein einseitig biologisches und körperlich orientierten Verständnis von Krankheit und Heilung. Erst später entwickelte sich der Begriff der Heilung zu dem Begriff der Gesundheit und verwaltet neben körperlichen Gebrechen nun auch die psychische und die soziale Dimensionen von Krankheit und Gesundheit ins Blickfeld der Medizin. (vgl. Kaltenegger 2012, S. 30)

Medizinische Behandlung hat heute nicht mehr allein die Aufgabe der Heilung oder der Verlängerung des Lebens. Immer mehr rückt die subjektive Wahrnehmung des Gesundheitszustandes der erkrankten Menschen in den Vordergrund, wie sie den Alltag beschreiten und soziale Bindungen gestalten. Patienten sollen selber bei der Behandlung zu Wort kommen, um die Auswirkungen der Therapie selbst zu beurteilen. Aufgrund der subjektiven Bewertung der gesundheitlichen Situation von Patienten sind Forschungen im Bereich der Genesung und der Rehabilitation möglich. Insbesondere der Bereich der chronischen Erkrankungen und Behinderungen ist heute ein zentrales Forschungsthema und gewinnt in der Pflege an Bedeutung. (vgl. Kaltenegger 2012, S. 30)

Bei der Bestimmung des Begriffes Lebensqualität muss auch der Einfluss der Medizin betrachtet werden. Die Qualität des Lebens ist von Gesundheit abhängig und den Umständen entsprechend ohne sie nicht möglich. Damit soll nicht ausgesagt werden, dass ein chronisch erkrankter oder behinderter Mensch kein lebenswertes Dasein führen kann. An dieser Stelle soll eher ein Punkt untermalt werden, dass die Medizin die Möglichkeiten besitzt die Lebensqualität des Einzelnen positiv zu beeinflussen.

4 Von der Lebensqualität zur Inklusion

In einer Zeit, in der Gleichheit und Teilhabe in der Gesellschaft ein immer größer werdendes Thema darstellt spielt auch die Lebensqualität einen entscheidenden Faktor. Denn heute noch kommt es vor, dass es einem behinderten Menschen abgeschrieben wird, ein „gleich gutes Leben“ führen zu können. Lebensqualität beginnt bei der Teilhabe an der Gesellschaft und dem gelingen des Reha-Prozesses, das eigenständig geführte Leben und selbstbestimmte Entscheidungen über das eigene Wohl zu entscheiden. Dazu werden die Themen „Weg der Inklusion“ und „Selbstbestimmung“ im folgenden definiert und kritisch reflektiert.

(20)

5 Behinderung und Gesellschaft

Die Diferenzen zwischen der Gesellschaft und behinderter Menschen wird in der heutigen Zeit immer kleiner. Einen Grund dafür stellt das deutsche Bundesteilhabegesetz basierend auf der UN-BRK vom 31.12.2016 dar. Dabei wird sich von der Teilhabe in der Gesellschaft viel positives erhofft, ausgeblendet wird hierbei, wie sich das Leben in der Gesellschaft gestaltet und was es bedeutet ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft zu führen und führen zu müssen. (vgl Cechura 2016, S. 57) Dabei haben die Politiker bei der Übersetzung der Konvention darauf bestanden, den Begriff der Inklusion mit dem Begriff der Integration zu übersetzen. (vgl. ebd.) Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die beiden Begriffe zwar Ähnlichkeit besitzen, jedoch unterschiedliche Definitionen inne haben, im folgenden werden die Unterschiede veranschaulicht.

Inklusion geht von einer grundsätzlich heterogenen Gesellschaftsstruktur aus (Diversity). Menschen unterscheiden sich voneinander, jedoch soll niemand der zum Beispiel eine andere körperliche Verfassung hat, aus einer gesellschaftlichen Regelstruktur ausgegrenzt werden. Dabei sollen Barrieren abgebaut und soziale Institutionen zugänglich gemacht werden. (vgl. Niehoff 2011, S. 447)

Integration „in seiner ursprünglichen Bedeutung (Wiederherstellen oder

Einführung in ein größeres Ganzes) variiert in der Wissenschaftssprache. […] In der Pädagogik meint Integration die Einbeziehung von behinderten Kindern in die Regelschulen oder den Kindergarten, aber auch von Kindern mit Migrationshintergrund.“

(Iben 2011, S. 452) Selbstverständlich bezieht sich Integration nicht nur auf die schulische, sondern auch auf die berufliche und gesellschaftliche Ebene.

5.1 Weg der Inklusion

Inklusion ist gerade in der heutigen Zeit ein großes Thema in der Gesellschaft. Um den Diskurs zwischen den Begrifflichkeiten, wie im Kapitel 5. angeregt, weiter zu führen, soll der Weg der Inklusion mit Zuhilfenahme von Abbildungen beschrieben werden.

5.1.1 Exklusion

(21)

das Phänomen der Armut als soziales Problem. Später erweiterte sich der Fokus auf unterschiedliche marginalisierte Gruppen sowie Ungleichheitslagen zwischen verschiedenen Menschengruppen, daraus entstand der Begriff der „sozialen Exklusion“. (vgl. Dobusch 2015, S. 63) Da die Entstehung des Begriffes während einer eher ökonomischen Krise entstanden ist, werden heute vielmehr Aspekte des Lebensstils, der Lebensspanne, der Dichte der sozialen Beziehungen sowie horizontaler Ungleichheiten wie Geschlecht, Ethnizität, Behinderung und räumlicher Verortung unter Exklusion zusammengefasst. ( vgl. Dobusch 2015, S. 64) Exklusionslagen entstehen vorrangig etwa durch Arbeitslosigkeit, Verlust an sozialen Beziehungen, ungenügende ökonomische Ressourcenausstattung (vgl. ebd.) und/oder Behinderungen.

”Social and economic deprivation has to be seen as temporalized. It is a status that will apply to many more persons during their life course than can be ascertained at any one point, but which for most will not be a chronic condition(…).”

(Woodward, Kohli 2001, S.3)

Exklusion findet weder ein Leben lang noch täglich statt. Je nachdem in welcher gesellschaftlichen Situation sich ein Individuum befindet, tritt Exklusion mehr oder weniger stark auf.

(Ähnelt Bild Abgerufen: 11.09.2018 URL4) Die blauen Symbole in der Mitte der Abbildung sollen die „funktionierende“ Gesellschaft darstellen, die nicht von Exklusion betroffen ist. Außerhalb des Kreises befinden sich Symbole, die die betroffene Personen von Exklusion darstellen. Diese Personen können Arbeitslose, Menschen ohne soziale Beziehungen oder auch behinderte Menschen sein.

(22)

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, besteht für die Personen, die von einer Exklusion betroffen sind, keine Möglichkeit sich in die Gesellschaft einzugliedern. Eine Verknüpfung der außenstehenden Personen besteht nicht.

Unterschiede sind in Vergleich zur Segregation zu erkennen, darauf wird im folgenden Kapitel eingegangen.

5.1.2 Segregation

„Segregation im Allgemeinen bezeichnet die >>räumliche Konzentration der Bevölkerung mit bestimmten Merkmalen in bestimmten Teilen der Stadt<< (Strohmeier 2006, S. 13). Dabei wird unter sozialer Segregation u. a. die >>räumliche Trennung von Arm und Reich" (ebd.) verstanden, gemessen beispielsweise an Arbeitslosenquote, Einkommen und Bildungschancen.<<

(Sieben o.J Abgerufen: 12.09.2018 URL5 )

Im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit, wird Segregation auf den Behindertenbegriff bezogen. Merkmale der Einquartierung in bestimmten Teilen der Stadt, trägt zum Thema bei, wird später erneut aufgegriffen. Weber, Danninger und Feyerer wendet den Begriff der Segregation am Beispiel von Schulformen an. So ist die Beschulung von beeinträchtigen Kindern in Sonderschulen, ohne die Wahl einer anderen Beschulung, eine Form von Segregation. Dabei kommt es bei den Kindern zur keiner erhofften, höheren Chancengleichheit. (vgl. ebd. 2016, S. 226 f.)

(Ähnelt Bild Abgerufen: 11.09.2018 URL4)

(23)

Im Gegensatz zur Exklusion verknüpfen sich die Personen außerhalb der hier dargestellten Gesellschaft. Um einen Bezug zur behinderten Gesellschaft zu bekommen, kann ein Teil der separierten Kreise beispielsweise das Wohnen in einem Wohnheim, mit anderen behinderten Menschen oder das Arbeiten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung darstellen.

5.1.3 Integration

Integration hat heute eine große Rolle in der Gesellschaft. So entstand der Begriff besonders geprägt durch Soziologie, Psychologie und Bildungspolitik schon im 19. Jahrhundert und hat auch heute noch seine gesellschaftliche Bedeutung. (vlg. Cloerkes 2007, S. 173) Allgemein, so Cloekes weiter, wird in der Pädagogik unter Integration die gesamte Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Kinder verstanden. (vgl. ebd.) Es muss beachtet werden, dass ein Teil der Adoleszenz in die Schulzeit fällt und prägend für die Zukunft ist. Wichtig ist auch nach der schulischen Ausbildung, dass eine Inklusionspraxis weitergeführt wird, denn Inklusion soll vor allem ein Leben lang betrieben werden. Eingliederung von beeinträchtigten Menschen in das soziale System soll Kontakt zwischen Behinderten und nichtbehinderten Menschen hervorbringen, um Nähe und Distanz zu ermöglichen. Ziel ist es eine von Mitleid freie Umgebung für den Behinderten zu schaffen, in der er eine respektierende und achtende Einstellung hervorbringen kann, daraufhin charakterisiert sich Integration als soziokulturellen Wandel für den Behinderten. (vgl. ebd., S. 175)

„Wenn wir in der Soziologie der Behinderten von Integration sprechen, dann ist damit gemeint, dass behinderte Menschen unabhängig von der Art und

Schweregrad ihrer Behinderung in allen Lebensbereichen grundsätzlich die gleichen Zutritts-und Teilhabechancen haben sollen wie nichtbehinderte Menschen.“

(Cloerkes 2007, S. 173)

Cloerkes nimmt Bezug auf Feuser, der als radikal-gesellschaftskritischer Integrationspädagoge die Meinung vertritt, dass „alle Kinder und Schüler, in Kooperation

(24)

Handlungskompetenzen […] mit einem gemeinsamen Gegenstand spielen, lernen und arbeiten soll“ (Cloerkes 2007, S. 174 zitiert nach Feuser 1995, S. 173-174) Das was

Feuser beschreibt, kann kaum noch als Integration gesehen werden, vielmehr passt der Begriff der „Inklusion“. Integration scheint heute ein eher veralteter Begriff, im Vergleich zur Inklusion, darzustellen.

(Ähnelt Bild Abgerufen:

11.09.2018 URL4) „Eingliedern“ stellt eine gute Beschreibung der Integration dar. In der Veranschaulichung gliedern sich die außenstehenden Gruppierungen in die Gesellschaft ein, sie sind inmitten der Gesellschaft oder im Prozess der Eingliederung. Bei genauerer Betrachtung der Grafik ist jedoch sehr gut zu erkennen, dass noch immer Grenzen zwischen den verschiedenen Gruppierungen bestehen. Behinderten Menschen ist es nun möglich, annähernd alle täglichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten ohne Einschränkungen nach zu gehen, dabei stoßen die integrierenden Menschen weiterhin auf Probleme, welche sie selber zu lösen wissen müssen. Beispielsweise könnten die grünen Punkte, die noch für sich alleine innerhalb der Gesellschaft abgegrenzt sind, Rollstuhlfahrer darstellen. Auch heute ist es nicht für jeden Gehbehinderten oder Menschen mit Bewegungseinschränkungen möglich, alle Einrichtungen, wie zum Beispiel Restaurants, WCs oder Strände, zu besuchen.

5.1.4 Inklusion

„Die UN-Kovention für die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN- BRK), die am 26. März 2009 von Deutschland ratifiziert wurde und damit geltenden Recht ist, […] definiert für Selbstbestimmung inbesonderte Art. 12 (equal recognition

(25)

befor the law) und für Inklusion insbesondere Art. 19 (living independently and being included in the community).“

(Graumann 2016, S. 91)

Zwei gezielte Rechte werden den behinderten Menschen von der UN-BRK eingeräumt: Gleichheit vor dem Gesetz, selbstständiges Wohnen und ein Teil der Gesellschaft sein. Gesetze, die in Deutschland jedem Mitbürger ab der Geburt zustehen. Darin wird die Gleichheit vor dem Gesetz bestimmt (vgl.Art. 3 GG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung. (vgl. Art. 13 GG) Behinderte Menschen sollen die gleichen Rechte bekommen wie nichtbehinderte Menschen? Nein, denn der Art. 19 UN-BRK wird weitergeführt:

„[...] alle Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf eine unabhängige Lebensführung und auf die volle und gleichberechtigte Einbeziehung in die Gemeinschaft. […] Alle Barrieren, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zum „normalen“ Lebensbereichen bislang verwehren, müssen beseitigt werden und Voraussetzungen […] im Bezug auf alle Entscheidungen, die ihr eigenes Leben betreffen, geschaffen werden. Das schließt insbesondere die

Verpflichtung ein, ein inklusives und befähigendes Lebensumfeld zu schaffen [...]“

(Graumann 2016, S.92 zitiert nach Weber 2015, ohne Seitenangabe)

Inklusion kann nur von der Gesellschaft ausgehen. So bedeutet Inklusion im pädagogischen Bereich, die Aufnahme von Menschen in kleinteilige Arbeits- und Lebenszusammenhängen, die nach den üblichen und konventionellen Erwartungen dafür nicht geeignet sind und als ungeeignet, sich alleine in die Gesellschaft einzugliedern, abgestempelt werden. (vgl. Brumlik 2017 S. 25 zitiert nach Katzenbach/Schroeder 2007, ohne Seitenangabe) Inklusion wirkt in zwei Richtungen, einerseits soll sie die Ausgeschlossenen bestärken und ermutigen und andererseits soll sie die Nichtbehinderten aufklären und mehr Berührungspunkte mit Behinderten schaffen. (vgl. Brumlik 2017, S. 25)

(26)

(Ähnelt Bild Abgerufen:

11.09.2018 URL4) Eine inklusive Gesellschaft besteht dann, wenn alle Personen mit den unterschiedlichsten Merkmalen „bunt durchmischt“ zusammen leben. Menschen, auch mit den unterschiedlichsten Merkmalen, (Behinderte, Arbeitslose, Menschen ohne soziale Kontakte) interagieren und leben miteinander. Die Gesellschaft schließt den vorher in der Exklusion befindlichen Menschen ein, dabei verändert sich die Gesellschaft als solche um sich den individuellen Bedürfnissen aller Individuen anzupassen.

6 Kritische Auseinandersetzung – Inklusion und Gesellschaft

Inklusion ist ein Begriff der gerade in der heutigen Zeit immer wieder verwendet und in diesem Zusammenhang gefordert wird. Ein Stichwort, dass ohne die Betrachtung von Exklusion, Segregation und Integration schwer auszumachen ist. Der „Weg der Inklusion“ ist eine Veranschaulichung dessen, welche „Phasen“ ein aus der Gesellschaft gefallener Menschen durchschreiten muss, um wieder in die Gesellschaft eingliedert werden zu können. Dieser „Weg“ stellt in der Regel für viele Menschen eine Schwierigkeit dar, die mit der Eingliederung in der Gesellschaft entstanden ist. Die Charakteristik eines Weges in der Inklusion, der beschritten und zurückgelegt wird, kann in folgender Regel festgehalten werden:

Die verschieden Stufen der Inklusion sind nicht von dauerhafter Existenz.

Ein Mensch ist niemals sein Leben lang von Exklusion oder Segregation betroffen, Gleiches gilt für die Integration und Inklusion. Ein Mensch befindet sich

etappenweise zwischen diesen „Zuständen“, dabei können diese wöchentlich oder sogar stündlich wechseln. Also ist der Weg nicht nur in einer Richtung „begehbar“.

(27)

Neben den mangelnden Möglichkeiten für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen besteht heute noch kein Konsens über die Begrifflichkeiten von Integration und Inklusion. Während die Politik die Integration anstrebt und vor allem mit Inklusion gleichsetzt (vgl. 6.1), verschwimmen die Begriffe weiterhin miteinander. Integration liegt einer Normalitätsvorstellung der Gesellschaft zugrunde, dabei ist es irrelevant wer die Verantwortung zur Angleichung der beiden Parteien vornimmt. (Köttig 2017, S. 34) Köttig sieht beide Parteien, die Gesellschaft und den Integrierenden, in der Pflicht, Anpassung zu betreiben. Die Gesellschaft soll Hilfestellungen geben, an denen der zu Integrierende lernen kann, um sein Verhalten besser dem „Ganzen“ anzupassen. (vgl. 3.1.3) Anders als die Inklusion es vorschreibt, wird dem behinderten Menschen erst zu einem späteren Zeitpunkt seiner Adoleszenz, die Möglichkeit geboten, zu integrieren. Da dieser in der Regel bis zum Abschluss der Förderschule im Netzwerk der Hilfesysteme eingebunden . (vgl. 6.1) Mit der Normalitätsvoraussetzung verbindet sich die Inklusionsidee zur gesellschaftlichen Zugehörigkeit von Anfang an. (Köttig, 2017, S.34 zitiert nach Schröer 2015, S.3) Zugehörigkeit von Anfang an, schließt eine gemeinsame Betreuung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in Kindergärten, Schulen bis zur Arbeitswelt mit ein.

Es erfolgt im folgenden eine kritische Reflextion von Inklusion in Verbindung mit Schule und Arbeitswelt. Diese Bereiche wurden gewählt, da sie die zwei größten Lebensabschnitte eines Menschen darstellen.

6.1 Inklusion und Schule

„Die gesellschaftliche Konstruktion von Behinderung gilt als A-Normalität, sie ist historisch und kulturell die gängige Sicht, wie vielfach

herausgearbeitet.“

(Wesselmann 2017, S. 59 zitiert nach Dederich 2007, ohne Seitenangabe)

Diese A-Normalität hat immer den Nachruf einer Kategorisierung, auch medizinisch-diagnostischer Art und läuft immer Gefahr stigmatisierend zu wirken. Gleichseitig ist das „anders Sein“ auch eine Voraussetzungen zur Gewährleistung von medizinischer, therapeutischer oder assistierender Hilfeleistung. (vgl. Becker 2015, S. 35) Hilfestellungen

(28)

dieser Art werden Schülern mit besonderen Merkmalen, (Art und Schwere der Behinderung) in Sonderschulen geboten. Die Politik hingegen plädiert zunehmend für die Abschaffung dieser und setzt sich für die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen ein. Wird ein beeinträchtigter Mensch in einer Regelschule eingeschult, ist eine gemeinsame Beschulung mit „normalen“ Kindern nicht immer gegeben. Viele inklusive Schulen bilden ganze „Inklusive Klassen“, in denen die selektierte „Risikoschülerschaft“ untergebracht ist. (vgl. Becker 2015, S. 36) Auf der anderen Seite erhebt sich bei den Eltern Unmut über die gemeinsame Beschulung in einer Klasse. Eltern sehen ihre „normalen“ Kinder gefährdet, da diese nicht genug Aufmerksamkeit im Unterricht erhalten und Eltern von beeinträchtigten Kindern befürchten eine halbherzige Inklusion und unzureichende Förderung im Schulalltag. (vgl. ebd. S. 36 f.)

„Die Behindertenrechtskonvention macht keine Vorgaben darüber, auf welcher Weise gemeinsames Lernen zu realisieren ist. Aussagen zur Gliederung des Schulsystems enthält die Konvention nicht“

(Kultusministerkonferenz 2010, S.4)

Eine gemeinsame Beschulung wirft heute viele Fragen auf, zum Einen werden gut die Hälfte der Kinder im Bundesgebiet (67,1 %) in gemeinsamen Kindergärten untergebracht, jedoch verflacht sich diese Zahl in der Sekundarstufe I auf 20%. Zum Anderen werden für eine solche Inklusionspolitik noch ca. 9.300 Lehrkräft und ein finanzieller Aufwand von 660 Millionen Euro von Nöten sein. (vgl. Becker 2015 S. 39) Dieser Betrag gilt für die Ausgaben für das Gehalt der Lehrkräfte, zusätzlich müssten noch barrierefreie Schulgebäude, Therapie- und Rückzugsräume und Fort- und Weiterbildungen der Lehrkräfte realisiert werden. (vgl. ebd.)

Fazit: Eine qualitativ gute inklusive Beschulung ist heutzutage selten durchführbar. Förderbedarfe müssen geprüft und berücksichtigt werden, die Ausgestaltung des pädagogischen Know-hows muss gegeben sein und eine Anerkennungspraxis vom jeweiligen Förderungsbedarf muss erfolgen, dies schließt behinderte und nichtbehinderte Kinder mit ein.

(29)

6.2 Inklusion und Arbeitsmarkt

Die Politik hat die Förderung der Arbeit von behinderten Menschen in ihren Koalitionsvertrag eingebunden. Es ist geplant, dass:

– Inklusionsbetriebe weiter gefördert werden – WfbMs unterstützt werden

– dem Wunsch nach Selbstbestimmung Rechnung getragen wird

– gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Unterstützungsangebote entwickelt werden

– die medizinisch-berufliche Rehabilitation verbessert werden (vgl. Koalitionsvertrag 2018, S. 94)

Bei der Betrachtung des Koalitionsvertrages ergeben sich für die Umsetzung in der Praxis verschiedene Probleme. Einerseits ist der erste Arbeitsmarkt nicht sonderlich aufnahmefreundlich, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht, zum andern sind die beeinträchtigten Menschen oftmals sehr zurückhalten, wenn es um eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt handelt. (vgl. Becker 2015, S. 51) Zumal auch die Frage aufkommt, mit welchen Budget die Mittel für die Inklusion bezahlt werden sollen.

Die üblichste Form von Arbeitsmöglichkeiten für behinderten Menschen stellen bis heute die Behindertenwerkstätten da. In dieser Werkstatt arbeitet ein Behinderter in der Regel zwischen 20 und 40 Wochenstunden und geht dort eine Tätigkeit nach, die seiner intellektuellen und physischen Beeinträchtigung entsprechend. In einer WfbM werden unterschiedliche Tätigkeiten ausgeführt, wie verpacken von Werkzeugen und Nahrungsmitteln, Kleben und Schneiden von Druckerzeugnissen und landschaftspflegerische Tätigkeiten. Becker zählt in Deutschland etwa 700 Werkstätten mit rund 280.000 Plätzen. (ebd. 2015, S. 51) Nach § 136 SGB IX ist eine WfbM eine Einrichtung zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben, ihre Zielgruppe sind Menschen, die wegen Art und Schwere der Behinderung, nicht oder noch nicht, wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Die Menschen lernen in einer WfbM den Arbeitsalltag kennen und während der Arbeit werden sie durch begleitende Maßnahmen geschult. Das soll die Weiterentwicklung des Individuums fördern und schon Gelerntes festigen. Ziel der Rehabilitation in einer WfbM

(30)

ist es, nach dem Erwerb von relevanten Fähigkeiten, eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Oft werden die WfbMs ihrer Eingliederungsfunktion nicht gerecht, die Quote liegt bei unter einem Prozent. Radikale Anhänger fordern die Auflösung von „Sonderwelten“ für Menschen mit Behinderungen, also die WfbMs. (vgl. Becker 2015, S. 52) Der Bundesverband evangelischer Behindertenhilfe stellt in den Raum, dass ca. fünf Prozent der Beschäftigten in einer Werkstatt, fehl platziert seien. (vgl. ebd. 2008 S. 17 zitiert von Becker, 2015 S. 52) Zu kritisieren ist auch die niedrige Aufwandsentschädigung für die Menschen, die in einer Werkstatt arbeiten. Durchschnittlich bekommt jeder Beschäftigte 180 Euro im Monat, als Ausgleich seiner Arbeitskraft. (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten 2014 zitiert von Becker 2015, S.52)

Ein behinderter Mensch muss wesentlich in seinen Fähigkeiten eingeschränkt sein, um in einer WfbM arbeiten zu können. (vgl. § 53 SGB XII) Das bedeutet soviel, dass der Mensch nicht in der Lage ist, mehr als drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten zu können, um als erwerbsfähig zu gelten.

Fazit: Inklusion, im Bezug auf den Arbeitsmarkt, klingt von Seiten der Politik wie ein großes Versprechen. Alle sollen auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können und dürfen. Doch gerade dieser Arbeitsmarkt bedeutet höchste Konkurrenz zwischen Geld, Macht und Status. (vgl. Becker 2015, S. 56 zitiert nach Keup 2011, S. 2) „Dieser Konkurenzkampf

entlässt schon jetzt diejenigen, die ihm nicht gewachsen sind.“ (Becker 2015, S.56)

Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es das Unternehmen auf die Übernahme eines behinderten Menschen in den Arbeitsalltag vorzubereiten und Aufklärung über die verschiedenen Beeinträchtigungen zu betreiben, um eine Integration in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Beispielsweise durch Anschaffungen spezieller Sehhilfen oder der Umbau eines Arbeitsplatzes für einen physisch beeinträchtigten Menschen. Zudem werden die Betreibe dazu befähigt, auf behinderungsspezifische Verhaltensweisen, beispielsweise aufgrund einer Behinderung hervorgerufene Epilepsie zu reagieren und adäquat zu handeln. Bevor ein behinderter Mensch in einem Betrieb des ersten Arbeitsmarktes beschäftigt werden kann, wird der Beeinträchtigte innerhalb einer Ausbildung dazu befähigt, die für die Arbeit im Betrieb relevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubilden und diese zu festigen.

(31)

6.3 Fazit zur inklusiven Gesellschaft

Unter Inklusion kann ein räumliches Verständnis verstanden werden, darunter versteht sich ein gesellschaftlicher „Einschluss“, oder auch die gesellschaftliche Einbindung. In diesem Zusammenhang spricht Becker von einem „Drinnen und Draußen“, damit beschreibt er die Vorstellung eines räumlichen Begriffes der Inklusion.(vgl. Becker 2015, S. 69) „Drinnen“ ist die Summe aller für einen behinderten Menschen geschaffenen Hilfen in Form von Dienstleistungen von Trägern. Diese können Wohnheime, WfbM, ambulante Hilfen und Vereine für behinderte Menschen ,sein. „Draußen“ ist die Gesellschaft, alles was außerhalb von Trägern für Behindertenhilfe geschieht. Diese beiden Begriffe stehen stellvertretend für Inklusion und Exklusion, damit sind dies keine getrennten Kategorien, sondern in der sozialen Wirklichkeit immer miteinander verbundene Kategorien.(vgl. Becker 2015, S. 71 zitiert nach Simmel, S. 141) Ein Mensch mit Behinderung steht zwischen diesen beiden Kategorien und wechselt immer zwischen diesen Zuständen. (vgl. 6) An dieser Stelle wird die Frage aufgeworfen: Leben wir in einer Gesellschaft die Inklusion beinhaltet und ist diese wichtig?

Sprechen wir von behinderten Menschen so, sind diese oftmals mit „Bildungsverlierern“ gleich zu setzten, aber warum? Wie schon im Kapitel 6.1 dargelegt ist eine gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern in der Realität noch nicht gegeben, gewollt oder realisierbar. Becker stellt einige kritische Beispiele mit der Schulform der Hauptschule auf, diese ist in M-V in solchen Rahmen nicht vorhanden, aus diesem Grund wird der Vergleich in folgenden mit einer Förderschule gezogen. (vgl. Becker S. 126 ff.)

„Das Konzept der Förderschulen sieht vor, Kinder mit Benachteiligungen in ihrer generellen Entwicklung, der Bildungs- oder Lernentwicklung gezielt zu fördern. So sollen sie die Möglichkeit erhalten, ebenso an Bildung teilzuhaben, um im späteren Leben auch die Möglichkeit zu haben einen Beruf auszuüben und am Alltag teilzunehmen. Dadurch soll späterer sozialer Benachteiligung präventiv vorgebeugt und die Folgen der geistigen oder Einschränkung für das Kind gering gehalten werden.“

(32)

Förderschulen sind in der Regel grundlegend für beeinträchtigte Menschen vorgesehen, dabei besitzen die Schulen oftmals einen gezielten Förderschwerpunkt wie Schulen für Blinde, Körperbehinderte oder auch Lernbehinderte. (vgl. ebd.) Insbesondere lernbehinderte Menschen sind oft Opfer von Fremdbestimmung und sind häufig zu unrecht in Förderschulen untergebracht. Vor allem die Eltern von behinderten Kindern melden ihren Nachwuchs oftmals nur an Förderschulen an und hoffen auf die eigenen familiären Kompetenzen, die Sozialisation des Kindes zu meistern. Dieser Effekt verstärkt sich bei Familien mit niedrigeren Bildungsabschluss. ( vgl. Becker 2015, S. 130) Knigge nimmt an, dass Schüler aus Haupt- und Förderschulen bereits nach kurzer Zeit wissen, dass der Weg in eine höhere Schule nahezu versperrt ist. (Knigge 2009, S. 215 zitiert von Becker 2015, S. 131) An Förderschulen sind eine Reihe von Schülern anzutreffen, die wegen der Begutachtung durch einen Mediziner, nicht zur Beschulung in Regelschulen führt. (vgl. Becker 2015, S. 136)

Während meiner Tätigkeit in einer WfbM, habe ich immer wieder Behinderte mit kognitiv leichten Beeinträchtigungen getroffen, Menschen von denen ich verwundert war, warum eine Beschäftigung an einer WfbM nötig ist. Die meisten dieser Menschen wurden in Förderschulen unterrichtet und sind damit schon für einen Werkstattplatz vorgesehen. Oft leben sie alleine in einer Wohnung und gestalten ihren Tagesablauf vollkommen selbstständig. Jedoch kommt eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gerade für sie nicht in Frage, aber warum?

Viele Arbeitsstellen, die auch für behinderte Menschen in Frage kommen könnten3,

werden nicht besetzt und das nicht aus Gründen der Voreingenommenheit oder der Diskriminierung. Viele Unternehmer sind zu wählerisch und achten auf drei Merkmale, die eine Vermittlung in eine Ausbildung erschweren: ein Alter von mehr als 20 Jahre, eine ausländische Staatsangehörigkeit oder einen Haupt- oder Förderschulabschluss. Einige Unternehmen betreiben nur noch Besenauslese und achten fast ausschließlich auf Zeugnisse und deren Noten. (vgl. Töpper 2018 Abgerufen: 22.09.2018 URL7) Schwer haben es da nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern mittlerweile auch Haupt-und Realschüler. Diese Gruppen haben es insgesamt schwieriger, als behinderte Menschen. Während sich ein Jugendlicher auf dem ersten Arbeitsmarkt beweisen muss und durch gute Noten auffallen kann, ist für einen Behinderten, nach dem Abschluss auf der Förderschule,

(33)

der Weg in eine WfbM geebnet. Dieser behinderte Mensch wird von dem Bewerbungsstress und dem Ausstechen von Mitbewerbern nicht belastet.

„Sofern junge Menschen mit Behinderungen (im Sinne des §19 SGB III) wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht in einem Betrieb ausgebildet werden können, stehen ihnen – abhängig von ihrem individuellen Unterstützungsbedarf […] Ausbildungsangebote sowie Ausbildungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 35 SGB IX zur Verfügung.“

(Berufsbildungsbericht 2017, S. 78)

Das, was der Bildungsbericht 2017 beschriebt, gilt für fast alle Absolventen einer Förderschule, ob nun kognitiv und physisch in der Lage auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten.

Aber warum auch nicht? Keine Suche nach einem Ausbildungsplatz, mehr Möglichkeiten, sich in verschiedenen Bereiche der Werkstätten auszuprobieren und vor allem ein geschützter Bereich, in der ein Verlust der Arbeitsstelle nahezu unmöglich erscheint.

Inklusion, wird diese betrieben?!?

Wie bis jetzt aufgezeigt, weist unserer Gesellschaft einige inklusive Denkweisen4 auf,

dennoch kann von einer inklusiven Gesellschaft nicht die Rede sein. Unsere Gesellschaft auf den Weg gemacht sich an die Bedürfnisse von Behinderten anzupassen, so wie es in der Inklusion beschrieben wird. Es bestehen Verordnungen und politische Entscheidungen für Rollstuhlrampen, Fahrstühle und ähnlichem und wie Inklusion betrieben werden kann. Dennoch hat sich für kognitiv Beeinträchtige weniger in diesem Umfang getan. Behinderte leben separiert von der Gesellschaft. May beschreibt dies wie folgt: Behinderung wird ein „Ortungsraum“ zugeschrieben. „So werden Beeinträchtigungen in Behinderungen und

körperliche Unterschiede in gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse transformiert“

(May 2017, S. 167 zitiert nach Hughes 2014, S.52) Menschen mit Behinderungen werden somit durch Unvermögen und Unfähigkeit an entwertete Orte platziert. (May 2017, S. 167)

4 Denkweise in dem Sinne das Inklusion nicht stattfindet, jedoch Anstrengungen dazu in Politik und Gesellschaft vorhaben sind.

(34)

Betreibt der Behinderte von sich aus keine Integration, um von der Gesellschaft erkannt und wahrgenommen zu werden, ist er oftmals seinem eigenen Schicksal ausgeliefert. In genau diesem Maße in dem Inklusion von Menschen mit Behinderungen eine erstrebenswerte Gesellschaftsform beschreibt, muss genau diese auch kritisch gesehen werden. Viele Beschäftigte einer WfbM sind froh in eben genau so einer Beschäftigt zu sein. Einerseits ist es für viele aufgrund der schwere der Behinderung nicht möglich Regelschulen zu besuchen oder sich auf dem ersten Arbeitsmarkt durchzusetzen, andererseits herrscht ein Arbeitsklima, das nicht auf reine Gewinnerzielung ausgelegt ist. Bei Gesprächen mit den Kognitiv stärkeren Beschäftigten in einer Werkstatt stellte sich meistens heraus das ein Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt für diese nicht in Frage kommt. Gründe dafür waren weniger Stress in einer WfbM, geregelte Arbeitszeiten, Angebote zur Weiterbildungen innerhalb der Werkstatt und einen sicheren Arbeitsplatz. Jetzt könnte argumentiert werden das gerade die „stärkeren“ sich auf ihren Platz in der Werkstatt „ausruhen“. Da bin ich persönlich der Meinung das die Gesellschaft es schon alleine den nichtbehinderten Menschen schwierig macht sich in die Gesellschaft zu integrieren, und ja der Begriff Integration ist bewusst gewählt, das Behinderte mehr als jetzt schon als „Bildungsverlierer“ stigmatisiert werden.

7. Selbstbestimmung und Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen

Bezugnehmend auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung dieser Arbeit stellt, sich die Frage ob die bereits bestehenden gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen für behinderte Menschen im Kontext von Leben und Selbstbestimmung dementsprechend gestaltet sind, dass sie die Möglichkeiten, wie nicht behinderte Menschen haben. Da Lebensqualität eng mit dem Begriff der Selbstbestimmung einhergeht, soll in den nächsten Kapiteln untersucht werden, in welchen Rahmen Menschen mit Behinderungen, Selbstbestimmung wahrnehmen können und ob diese in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind.

7.1 Selbstbestimmte Lebensführung – Entscheidungen und Wohnen

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