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Lauter Sprüch’

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Bayerisches Är zteblatt 9/2011

Varia

dividuen befasst gar nicht geben kann und soll.

Und keiner stellt die Frage: Brauchen wir das als Patienten? Oder als Arzt: Habe ich das nötig, mich hier an den Pranger stellen zu lassen? Wie gesagt: das Urteil kann die reale Existenz von Menschen durch gezielte Manipulation übel meinender Zeitgenossen schnell zerstören. Die Welt ist sicher komplexer geworden, die Ange- bote unüberschaubar. Der Mensch ruft nach Si- cherheit. Natürlich leben wir nicht mehr alle in lauschigen aber auch manchmal bedrängenden und einengenden kleinen Dorfgemeinschaften, aber die soziale Kontrolle funktioniert dort nicht nur effektiv sondern auch nachprüfbar ehrlicher. Nichts sein, aber in einer Cyber-Welt, die nicht mehr vom persönlichen Kontakt, son- dern von Avataren beherrscht scheint, ist es leichter zu manipulieren oder umgekehrt sich mit Federn zu schmücken – alles nur eine Frage des persönlichen Marketings seines Verfassers.

Der Inhalt stimmt – oder auch nicht.

Genauso scheint die ach so solide Politik der Bayerischen Staatskanzlei gestrickt zu sein.

So hat vor kurzem der Zukunftsrat der Baye- rischen Staatsregierung den Bericht 2010 un- ter dem klangvollen Titel „Zukunftsfähige Gesellschaft – Bayern in der fortschreitenden Internationalisierung“ veröffentlicht und ins Internet gestellt. Da wird von Visionen, wie

„Vernetzungsstrategien, Cluster und Patch- workmustern“ getönt und schwadroniert: „Die Einbindung des Umlands ist Gewinn für Stadt und Land“. Handlungsempfehlungen sprechen davon, die Vernetzung zu fördern. Sinniger- weise geht es hier in erster Linie um die „Ver- fügbarkeit moderner Informationstechniken für Unternehmen und Private überall“. Es sol- len „neue Gouvernance(!?)-Strukturen, ein einheitliches E-Gouvernement-System mit einheitlichen Daten(IT-System) und eines Ma- nagementsystems zur gezielten Steuerung(!) und Kontrolle(!) geben. Da graut einem nicht nur angesichts der Vergewaltigung der Mut- tersprache. Das Neusprech-Kauderwelsch der Staatsregierung macht auch Angst, was die angedeuteten Inhalte angeht. Big Brother in Bayern?

Doch gemach. Die fünfte Handlungsempfeh- lung „Chance für Olympia 2018: München – Garmisch – Königssee als Modell(?) und Antwort(?)“ hat sich – Gott sei´s gedankt – vermutlich ob seiner Phrasendrescherei selbst erledigt.

Auf jedem Verbandstag im Freistaat, landauf, landab, werden die bayerischen Minister, Mi- nisterialen und Bundes- und Landtagsabge- ordnete – soweit in irgendeiner Form auch nur annähernd mit der Gesundheitspolitik befasst – nicht müde, das hohe Lied einer hochwertigen Gesundheitsversorgung den Protagonisten in die Ohren zu blasen. Mit stolz geschwellter Brust schreitet so mancher Arzt gestärkt aus diesen hohen Messen der Standespolitik zu- rück in seine Klinik, seine Praxis, um sich dem grauen Alltag zu stellen, mit all den Unzuläng- lichkeiten des Systems , der überbordenden Bü- rokratie, dem Zeitdruck und den Finanzproble- men. Schließlich meinen es ja alle gut mit den Ärzten. Nur leider, leider, die Umstände sind es, die die Politik daran hindern, dem Berufsstand die eigentlich zugedachte Aufmerksamkeit und Honorierung zukommen zu lassen. Wartet nur ab und alles wird gut irgendwann, irgendwie, irgendwo! – so die treuherzig verkündete Bot- schaft. Und Mediziner, angetrieben von Empa- thie und in ihrer Ausbildung mit dem Hilfs-Gen intubiert, glauben daran und kehren zurück in den Hamsterkäfig.

Tatsächlich ändert sich nichts zum Positiven.

Die Überwachung und Bevormundung nimmt zu. Die Krankenkassen wälzen unbeeindruckt von Sonntagsreden der Politiker den Kosten- druck steigender Leistungsanforderungen einer modernen Medizin auf die Leistungserbringer ab. Immer mehr für immer weniger Geld. Die Zauberworte der smarten Betriebswirte und Rechner lauten Effizienz und Evidenz. Dazu muss alles belegt werden, immer engmaschiger, immer undurchschaubarer, … und komisch, das Vertrauen schwindet in demselben Maße wie die anonyme Überwachung perfektioniert wird. Das Arzt-Patienten-Verhältnis verküm- mert hinter einer Papierwand von Formularen und verschwindet in irgendwelchen elektro- nischen Datenbanken. Jüngster Auswuchs sind der Aufbau eines bundesweiten Arztnavigators im Auftrag von zwei großen Krankenkassen und mithilfe der Bertelsmann Stiftung. Ein Schelm, wer böses dabei denkt! Auf den ersten Blick eine gute Sache! Ein schneller Blick ins Internet und ich weiß, wie gut der Mediziner ist, das Krankenhaus dem ich meine Gesundheit anvertraue. Wer kennt nicht die unsäglichen Rankings, der beste Nasenoperateur, der sen- sibelste Gynäkologe, der gesprächigste Haus- arzt. Hier wird Objektivität vorgegaukelt, die es nicht gibt und in der Medizin, die sich mit In-

Lauter Sprüch’

Was allerdings hinter diesem aufgeblasenen Wortgeklingel erschreckt, ist, dass die Ge- sundheitsversorgung der Menschen in dieser zukunftsfähigen Gesellschaft offenbar keinen Platz hat, ja nicht einmal in einer Randnotiz überhaupt Erwähnung findet. Ein Versehen?

Vermutlich, aber es zeigt, wie wenig vorbereitet die weiß-blaue Gesellschaft in ihrer Präpotenz – einer seltsamen Mischung aus Laptop und Le- derhose – sich von den wahren Problemen ih- rer Bürger entfernt hat. Wer pflegt? Wer heilt?

Wer versorgt künftig die Kranken, die Alten in dieser Bussi-Bussi- Gesellschaft? Der Cyber- Hausarzt oder der Robodoc im Krankenhaus?

Deshalb cave! Von wegen Verständnis für die Ärzte. Alles nur geheuchelt! Alles nur Sprüch’!

oder allgemeiner ausgesprochen: Die Wölfe blöken und die Schafe fühlen sich verstanden!

Cave! Nichts wird gut, wenn man sich nicht sel- ber darum kümmert.

Autor

Hans-Edmund Glatzl, dgd-Re- dakteur Vincentz- Network, Berlin

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