Dirk{Gunnar Welsh
1 Einf
uhrung 5
2 Axiomatishe Grundlagen 11
2.1 Mewerte und Wahrsheinlihkeitsamplituden . . . 11
2.2 Erwartungswerte und Operatoren . . . 17
2.3 Darstellungen . . . 28
2.4 Die Shrodinger-Gleihung . . . 34
2.5 Zeitlihe Entwiklung von Erwartungswerten . . . 40
2.6 Die Heisenbergshe Unsharferelation . . . 44
2.7 Kanonishe Quantisierung . . . 48
2.8 Vollstandige Satze vertragliher Observablen . . . 52
2.9 Stationare Zustande . . . 57
3 Ein Teilhen im konservativen Kraftfeld 61 3.1 Ortsdarstellung des Impulsoperators . . . 62
3.2 Shrodinger-Gleihung und Mittelwerte . . . 64
3.2.1 Ehrenfestshe Satze . . . 65
3.2.2 Kontinuitatsgleihung . . . 67
3.3 Kraftefreie Bewegung . . . 69
3.4 Eindimensionale Bewegung . . . 72
3.4.1 Allgemeine Aspekte . . . 72
3.4.2 Stukweise konstante Potentiale . . . 82
3.4.3 Linearer harmonisher Oszillator . . . 99
3.5 Teilhen im Zentralkraftfeld . . . 115
3.5.1 Bahndrehimpuls . . . 115
3.5.2 Separationsansatz . . . 120
3.5.3 Wasserstoatom. . . 130
4 Die Dira-Formulierung der Quantentheorie 151
4.1 Mathematishe Grundlagen . . . 151
4.1.1 Hilbert-Raum-Vektoren. . . 152
4.1.2 Hilbert-Raum-Operatoren . . . 162
4.1.3 Eigenwertproblem hermitesher Operatoren . . 172
4.1.4 Unitare Transformationen . . . 173
4.1.5 G-Darstellung . . . 175
4.2 Der formale Aufbau der Quantentheorie . . . 177
4.2.1 Grundprinzipien. . . 177
4.2.2 Erwartungswerte . . . 180
4.2.3 Zeitlihe Entwiklung . . . 182
4.3 Symmetrietransformationen . . . 201
4.3.1 Zeitlihe Translationsinvarianz . . . 204
4.3.2 Raumlihe Translationsinvarianz. . . 206
4.4 Shrodingershe Wellenmehanik . . . 208
4.4.1 Ortsdarstellung . . . 208
4.4.2 Shrodinger-Bild . . . 215
4.5 Heisenbergshe Matrizenmehanik . . . 215
5 Ausgewahlte Probleme 225 5.1 Bahndrehimpuls und Spin . . . 225
5.1.1 Drehimpulseigenwertproblem . . . 226
5.1.2 Der Spin (eines Elektrons) . . . 231
5.1.3 Die Pauli-Gleihung. . . 236
5.1.4 Addition von Drehimpulsen . . . 244
5.2 Reine und gemishte Zustande . . . 246
5.2.1 Der Dihteoperator . . . 246
5.2.2 Die von Neumann-Gleihung . . . 250
5.2.3 Wehselwirkende Systeme . . . 251
5.3 Storungstheorie . . . 254
5.3.1 Shrodingershe Storungstheorie . . . 255
5.3.2 Dirashe Storungstheorie . . . 261
5.4 Systeme identisher Teilhen . . . 274
5.4.1 Symmetrishe und antisymmetrishe Zustande . 276 5.4.2 Das Pauli-Prinzip . . . 282
5.4.3 Elektronen in atomaren Systemen . . . 285
Kapitel 1
Einf
uhrung
denkt keiner sehr viel.
Walter Lippmann
Wurde man versuhen, die Gesetzmaigkeiten der klassishen Meha-
nikzusammenmitdenender(klassishen)ElektrodynamikaufErshei-
nungen atomarer Groenordnungen anzuwenden, so gelange man zu
Ergebnissen, die niht nur im krassen Gegensatz zu experimentellen
Befundenstehen,sondernsihprinzipielleinerklassishenDeutungent-
ziehen.BetrahtenwiralseinfahesBeispiel dasklassisheAtommodell,
bei dem (analog zur Bewegung der Planeten im Gravitationsfeld der
Sonne) die Elektronen im (abgeshirmten) Coulomb-Feld des Atom-
kerns Bahnkurven um den Kern durhlaufen. Eine solhe Bewegung
Abbildung 1.1: Instabiles
"
klassishes\ Atom.
ist eine beshleunigte Bewegung, die nah den Gesetzen der Elektro-
dynamik zu einer Abstrahlung elektromagnetisher Wellen und somit
einer Energieabstrahlung fuhren mu. Um diese Energie mu sih be-
kanntlih die kinetishe Energie der Elektronen verringern. Verlieren
die Elektronen kinetishe Energie, verringert sih im Laufe der Zeit
ihr (mittlerer) Abstand vom Kern, so da sie shlielih in den Kern
sturzen.
Da die auf der Vorstellung von Bahnkurven beruhende klassishe
Theorie somit auf instabile Atome fuhrt, kann eine solhe Theorie be-
reitsdieExistenzvon AtomenalsdenzentralenBausteinender unsum-
gebenden Materie und damit die Existenz dieser stabilen Materie (uns
einbegrien)nihterklaren.DerAufbaueinerTheoriezur Beshreibung
atomarerErsheinungenerfordertoensihtliheine radikale
Anderung
grundlegender klassisher Vorstellungen und Gesetze.
1
Ein anderer Hinweis auf das Versagen der klassishen Mehanik im
Mikrokosmos ist die Tatsahe, da Teilhen wie beispielsweise Elek-
tronen zu physikalishen Eekten Anla geben konnen, die
ubliher-
weise Wellen zugeshrieben werden. Ein eindruksvolles Beispiel ist die
Beugungvon Elektronenstrahlenam Einfah-undDoppelspalt.So ent-
PSfrag replaements
Elektronenstrahl
Spalt
Shirm
Abbildung 1.2: Beugung von Elektronenstrahlen.
steht beim Durhgang eines homogenen Elektronenstrahls durh einen
hinreihend shmalen Spalt (in einem ansonsten fur Elektronen un-
durhlassigenMedium)hinter demSpaltaufeinem ShirmeinBildvon
Intensitatsmaximaund -minimavollig analog zu dem Beugungsbildim
Falle elektromagnetisher Wellen. Unter gewissen Bedingungen weist
1
UnteratomarenErsheinungenwollenwirgrobgesprohendasphysikalisheVerhaltenvonTeil-
hensehrkleinerMasseinsehrkleinenRaumgebietenverstehen.ZudenkenistetwaanElektronen
(Masse10 32
kg)inAtomen(raumliheLinearausdehnung10 10
m).
also das Verhalten von Elektronen Zuge auf, die fur Wellenvorgange
typish sind und mit dem Teilhenbild niht vertraglih sind 2
und in
keiner Weise mit der Vorstellung uber die Bewegung der Elektronen
langs Bahnkurven in Einklang gebraht werden kann.
Die fur die genannten und andere mikroskopishen Ersheinungen
zustandige Mehanik { die Quantenmehanik { mu also Vostellungen
uber die Bewegung von Teilhen (wie etwa Elektronen) entwikeln, die
von den Vorstellungender klassishenMehanikprinzipiell vershieden
sind.Gleihzeitigmu dieQuantenmehanikals
ubergeordneteTheorie
die fur makroskopishe Ersheinungen zustandige klassishe Mehanik
als Grenzfall enthalten; sie mu die klassishe Mehanik dahingehend
verallgemeinern,da die neue Mehanik auhim atomaren Bereihan-
wendbar ist.
Ein quantitatives Kriterium fur das Versagen der klassishen Me-
hanik und damit die Notwendigkeit der Anwendung der Quantenme-
hanik kann mit Hilfe des Plankshen Wirkungsquantums
~ = h
2
(h 6:625610 34
Js): (1.1)
(auh Plankshe Konstante genannt) gegeben werden. Es sei W ein
Ma fur die harakteristishen Wirkungen, die mit den betrahteten
physikalishen Ersheinungen verknupft sind. Solange
W h (1.2)
ist, hat man es in der Regel mit makroskopishen Ersheinungen zu
tun und die klassishe Betrahtungsweiseist ausreihend. Wird W ver-
gleihbar mit h,
W
= h; (1.3)
hat man es in der Regel mit mikroskopishen Ersheinungen zu tun,
und die Quantenmehanik liefert das adaquate Werkzeug zur ihrerBe-
shreibung.DieklassisheMehanikkannsomitalsGrenzfallderQuan-
tenmehanik im Sinne des Grenzubergangs
h
W
!0 (1.4)
2
DasPhanomen,unter bestimmtenBedingungenTeilheneigenshaftenundunteranderenWel-
aufgefatwerden.
3
DieQuantenmehanikals
ubergeordneteTheorieist
i. allg. wesentlih komplizierter handhabbar als die klassishe Meha-
nik. Man wird sie deshalb in der Praxis nur dann heranziehen, wenn
klassishe Betrahtungen denitiv versagen.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, da in der Quantenmeha-
nik der Begri der Bahnkurve, so wie er in der klassishen Meha-
nik verwendet wird, seine Bedeutung verliert, strenggenommen uber-
haupt niht existiert. Der Begri der Bahnkurve wie
uberhaupt die
Einfuhrung physikalisher Begrie und Groen zum Erfassen von Na-
turzusammenhangen basiert primar auf experimentellen Untersuhun-
gen, d.h. auf Messungen. Dabei bedienen wir uns der vershiedensten
Memethoden, wobei die Meinstrumente in der Regel als makrosko-
pishe (d.h. klassishe) Objekte ausgelegt sind, die folglih (mit hin-
reihend hoher Genauigkeit)klassish beshrieben werden konnen. Das
Ergebnis einer Messung stellt sih dann als Ergebnis der Wehselwir-
kungdeszuuntersuhendenObjektsmitdemklassishenObjekt
"
Me-
gerat\ dar.
Dabei ist i. allg. sorgfaltig zwishen Einzelmessung und wieder-
holter Messung (auh Ensemblemessung genannt) zu untershei-
den. Wird beispielsweise die Bewegung eines Elektrons untersuht und
zu diesem Zwek zu einem bestimmten Zeitpunkt der Ort des Elek-
trons festgestellt, so spriht man von einer Einzelmessung.
4
Wird diese
Einzelmessung hinreihend oft unter identishen Anfangsbedingungen
des Elektrons (bzw. mit einem Ensemble identish praparierter Elek-
tronen) wiederholt, spriht man von einer wiederholten Messung bzw
Ensemblemessung.
Unter den vershiedenen Messungen (an einem Teilhensystem)
spielt bekanntlih die Messung der Koordinaten und Impulse eine zen-
trale Rolle. Die Beshreibung des Bewegungsablaufseines Teilhens im
Rahmen der klassishen Mehanik mittels einer Bahnkurve bedeutet,
da zu jedem Zeitpunkt eine wiederholte Messung von Teilhenkoor-
dinaten und -impulskomponenten Werte fur die Koordinaten und die
3
Die Situation ist in gewissem Sinne
ahnlih der beim Vergleih zwishen nihtrelativistisher
undrelativistisher Mehanik.So kann die nihtrelativistisheMehanikbekanntlih alsGrenzfall
derrelativistishenMehanikimSinnevonv=!0aufgefatwerden(v-harakteristisheSystem-
geshwindigkeit,-Vakuumlihtgeshwindigkeit).
4
Impulskomponentenliefert,die(imRahmenderklassishenMegenau-
igkeit) als wohldeniert angesehen werden konnen, wobei dasErgebnis
jeder Einzelmessung mitdemErgebnis der wiederholtenMessung (wie-
der im Rahmen der klassishen Megenauigkeit)
ubereinstimmt.
Wird nun die Genauigkeit der Ortsmessung erhoht und somit die
Position des Teilhens (beispielsweise eines Elektrons) bei einer Einzel-
messung zu einem gewissen Zeitpunkt immer genauer xiert, so stellt
man fest, da die Shwankungsbreite der unmittelbar danah wieder-
holt gemessenen Impulskomponenten des so raumlih xierten Teil-
hens und somit die Unbestimmtheit seiner Impulskomponenten (zum
betrahtetenZeitpunkt)immergroerwird.DiesewahsendeUnsharfe
in der Bestimmungder Impulskomponenten fuhrt shlielih dazu, da
es
uberhaupt keinen Sinn mehr maht, dem Teilhen irgendwelhe Im-
pulskomponenten zuordnen zu wollen. Das gleihe gilt nun auh umge-
kehrt. Hat das Teilhen im Ergebnis einer Einzelmessung zu einem ge-
wissen Zeitpunkt wohldenierte, sharfe Impulskomponenten erhalten,
dann sind seine Koordinaten zu diesem Zeitpunkt vollig unbestimmt 5
und dem Teilhen kann folglih keine bestimmte Position im Raum
zugeordnet werden.Da also Ort und Impulsniht gleihzeitigwohlde-
nierte (sharfe) Werte annehmen konnen, kann das Teilhenoensiht-
lih keine (an die gleihzeitige Existenz wohldenierter Koordinaten-
und Impulswerte gebundene) Bahnkurve besitzen.
Wahrend in der klassishen Theorie der Zustand eines (mehani-
shen) Systems zu einem gegebenen Zeitpunkt durh Vorgabe aller
Koordinaten und Impulse (zu diesem Zeitpunkt) vollstandig beshrie-
ben ist, ist eine solhe Beshreibung in der Quantentheorie niht mehr
moglih. Die Beshreibung des Zustands im Sinne von experimentell
feststellbaren, wohldenierten Werten physikalisher Systemgroen er-
folgt hier durh eine kleinere Anzahl von Groen als in der klassishen
Theorie; sie ist also niht so eingehend wie die klassishe. So wie die
Messung der Koordinatenund Impulse eines Systemsniht gleihzeitig
wohldenierte Werte liefert, ist auh niht jeder andere Satz von phy-
sikalishenGroen in der Quantenmehanik gleihzeitig sharf mebar.
SatzephysikalisherGroen,dieeine maximaleAnzahlvonGroenent-
5
Dasheit,beieinerwiederholtenMessungderKoordinateneinesTeilhens,dasvorjederMes-
sungwohldenierte(gleihe)Impulskoordinatenbesitzt,ergibtsih(inderTendenz)eineunendlih
halten,diegleihzeitig sharfmebar sind (die also gleihzeitigwohlde-
nierte Werte annehmen konnen) werden als vollstandige Satze von
physikalishen Groen bezeihnet.
Das erwahnte Beugungsbild, das beim Durhgang eines Elektro-
nenstrahls durh einen Spalt beobahtbar ist, ist das Ergebnis einer
Ensemblemessung. Wird das Experiment mit einem Elektron nur ein-
mal durhgefuhrt, so ndet man auf dem Shirm hinter dem Spalt
nur einen Shwarzungspunkt (den Ort des Elektrons beim Auftreen
auf dem Shirm),
uber dessen Lage im Vorfeld einer solhen Einzel-
messung keine Aussage moglih ist. Erst im Rahmen einer Ensemble-
messung bildet sih das Beugungsbild heraus, und zwar entsprehend
der relativen Haugkeit, mit der die Elektronen an den vershiedenen
Orten auf dem Shirm auftreen. Wahrend die klassishe Mehanik
prinzipiell eine deterministishe Theorie ist und Wahrsheinlihkeits-
betrahtungen in diesem Rahmen nur subjektiv bedingte Unkenntnis
zumAusdrukbringt,ist dieQuantenmehanikaprioriist einestatisti-
she Theorie. Die typishe Aufgabenstellung in der Quantenmehanik
ist folglih die Bestimmung der Wahrsheinlihkeit, dieses oder jenes
Ergebnis im Rahmen von Ensemblemessungen zu erhalten und somit
die Bestimmung der Mittelwerte der jeweils interessierenden physika-
lishen Groen einshlielih ihrer Shwankungen, auh Quantenuk-
tuationen genannt.
6
Sind insbesondere die Quantenuktuationen aller
Koordinaten und Impulse hinreihend klein, so da sie praktish niht
auosbar sind, liegt der klassishe Grenzfall vor.
6
Es ist klar, da die Wahrsheinlihkeit, bei der Messung einer Groe ein bestimmtes Ergeb-
nis zu nden in manhen Fallen gleih 1 sein kann, so da das Ergebnis eindeutig wird und die
entsprehendeGroeeinendeniertenWertbesitzt.
Axiomatishe
Grundlagen
2.1 Mewerte, Wahrsheinlihkeitsampli-
tuden, Wahrsheinlihkeiten
Wir wollen fur die Gesamtheit der Koordinaten q
eines quantenme-
hanishen Systems { etwa eines nihtrelativistishen Vielteilhensy-
stems { so weit wie moglih die abkurzende Bezeihnung q verwenden,
q =bq
1
;q
2
;q
3
;:::,wobei wirannehmenwollen,da dieq
kontinuierlihe
Variablen darstellen, die {wiedie kartesishen Koordinaten einesMas-
senpunktsystems{uneingeshranktjedenreellenZahlenwertannehmen
konnenund einenorthogonalenRaum,denKongurationsraumdes Sy-
stems, festlegen. Entsprehend bezeihnen wir mit dq das Produkt der
Dierentialeder Koordinaten,dq =b dq
1 dq
2 dq
3
:::, d.h. dasVolumenele-
ment des Kongurationsraums. Speziell im Fall eines freien Teilhens
sind q und dq mit den drei kartesihen Ortskoordinaten x
1
x, x
2 y
und x
3
z des Teilhens und dem gewohnlihen dreidimensionalenVo-
lumenelement d 3
r=dxdyd z zu identizieren.
Das zentrale Grundaxiom der Quantenmehanik kann dann wie
folgt formuliert werden:
1
1
DadiefolgendenAussagenfureinenbeliebiggewahltenZeitpunkttgelten,konnenwirdasZeit-
argumentweglassen,solangewiruns nihtfurdiezeitliheEntwiklungdesSystemsinteressieren.
Der Zustand eines quantenmehanishes Systems kann (zu jedem
Zeitpunkt) durh eine im allgemeinen komplexwertige Koordinaten-
funktion (q) { die Wellenfunktion 2
{ vollstandig beshrieben wer-
den,wobeij (q)j 2
dieWahrsheinlihkeitsdihteist,dasSystem(zum
gewahltenZeitpunkt)amOrtq desKongurationsraumsanzutreen.
Entsprehend der physikalishen Interpretation von
w(q) = j (q)j 2
(2.1)
als Wahrsheinlihkeitsdihte ist
dW(q) = j (q)j 2
dq =
(q) (q)dq
(2.2)
dieWahrsheinlihkeit,dasSystemimVolumenelementdqamOrtq an-
zutreen. Wahrend bei klassishen Wahrsheinlihkeitsbetrahtungen
die Ausgangsgroen Wahrsheinlihkeiten (bzw. Wahrsheinlihkeits-
dihten)sind,basiertdas quantenmehanisheWahrsheinlihkeitskon-
zept auf Wahrsheinlihkeitsamplituden als den Ausgangsgroen.
Wiewir noh sehen werden, hat dieser UntershiedweitreihendeKon-
sequenzenzur Folge. Die Interpretationvon j (q)j 2
alsWahrsheinlih-
keitsdihte impliziert die Normierungsvorshrift:
Z
dqj (q)j 2
= Z
dq
(q) (q) = 1
(2.3)
Die Wellenfunktion mu also quadratish integrierbar sein. Wenn G
irgendeine physikalishe Groe ist, die als Funktion der Koordinaten
deniert ist,
G= f(q); (2.4)
2
1926 von E. Shrodinger eingefuhrt. Wie wir noh sehen werden (Abshnitt 5.1.3), mu die
dann kann mittels der Wahrsheinlihkeitsdihte w(q) der Mittelwert
G einer solhen Groe auf dem
ublihen Weg berehnet werden:
G = f(q)= Z
dqw(q)f(q) = Z
dq
(q) (q)f(q)
= Z
dq
(q)f(q) (q): (2.5)
Quantenmehanishe Mittelwerte werden ubliherweise als Erwar-
tungswerte bezeihnet.
Im allgemeinen sind Systemgroen Funktionen sowohl der Ko-
ordinaten q als auh der Impulse p. Es sei G =b G
1
;G
2
;:::;G
f ein
vollstandiger Satz von unabhangigen und (prinzipiell) mebaren Sy-
stemgroen,
G = f(q;p); (2.6)
die { analog zu den Koordinaten q { alle gleihzeitig sharf mebar
und somit miteinander vertraglih sind.
3
Es stellt sih dann die Frage,
wodurh der Erwartungswert G gegeben ist. Ehe wir die Frage im ein-
zelnen beantwortenkonnen, ist es notwendig, zunahst einige Voruber-
legungen anzustellen und in diesem Zusammenhang weitere wihtige
Begrieund Prinzipiender Quantentheorieeinzufuhren.Die Werte, die
eine physikalishe Groe bei einer (Einzel-)Messung annehmen kann,
werden in der Quantentheorie(aus nohersihtlihenGrunden) als Ei-
genwerte der Groe bezeihnet, und die Gesamtheit der Eigenwerte
(d.h.die Gesamtheitder moglihenMewerte)wirdSpektrumder be-
trahteten Groe genannt. In der klassishen Beshreibung bilden die
Mewerte physikalisher Groen in der Regel kontinuierlihe Spektren.
Aus quantentheoretisher Siht gibt es ebenfalls physikalishe Groen,
deren Mewerte kontinuierlihverteilt sind.Ein typishes Beispiel sind
die Koordinatenq. Daneben gibtes jedoh auh(meistsehr fundamen-
tale) Groen, deren Spektren nur aus klassisher Siht kontinuierlih
sind und die sih bei einergenauen (quantentheoretishen) Analyse als
diskret erweisen.
Wir wollen annehmen, da (der betrahtete vollstandige Satz von
prinzipiellmebaren Systemgroen)G=f(p;q) eindiskretesSpektrum
3
besitzt 4
und bezeihnen die Eigenwerte mit g
n
(n=0;1;2;:::). Es sei
'
n
(q) die Wellenfunktion des Systems in dem Zustand, in dem G den
000 000 000 000 000 111 111 111 111 111
PSfrag replaements
Zustand vor Messung
(q)
Zustand nah Messung
'
n (q)
Megerat fur Groe G
g
n
Abbildung 2.1: Messung physikalisher Groen.
Wert g
n
besitzt. Entsprehend der Bezeihnung Eigenwert fur g
n wird
'
n
(q) Eigenfunktion der betrahteten Groe genannt. Jede dieser
speziellen Wellenfunktionen mu naturlih der Normierungsbedingung
(2.3) genugen,
Z
dqj'
n (q)j
2
= 1: (2.7)
Wenn sih das System in einem beliebigen Zustand mit der Wellen-
funktion (q) bendet, dann kann eine an dem System ausgefuhrte
(Einzel-)Messung der Groe G imallgemeinen jedenbeliebigen der Ei-
genwerte g
n
(n=0;1;2;:::) liefern. Der Zustand des Systems mit der
Wellenfunktion (q) mu sih also aus allen Zustanden mit den Wel-
lenfunktionen '
n
(q) aufbauen lassen. Es hat sih gezeigt, da f
ur Wel-
lenfunktionen das lineare Superpositionsprinzip gilt.
Wenn
1
(q) und
2
(q) die (normierten) Wellenfunktionen zweier
mogliher Zustande eines quantenmehanishen Systems sind, so
ist (q)=
1 1
(q)+
2
(q) ebenfalls eine Wellenfunktion, die einen
moglihen Zustand des Systems reprasentiert [wobei
1
und
2
so zu
wahlen sind, da die Normierungsbedingung (2.3) erfullt ist℄.
4
Die ErgebnisselassensihunshweraufkontinuierliheSpektrenausdehnen, indemdieimdis-
kretenFallauftretendenKroneker-SymboledurhentsprehendeÆ-Funktionenersetztwerden(siehe
Somit kann (q) insbesondere alslineare
Uberlagerung aller '
n
(q) dar-
gestellt werden:
(q) = X
n n
'
n (q)
(2.8)
Es ist naheliegend (und durh das Experiment bestatigt),die Entwik-
lungskoeÆzienten (
"
Gewihtsfaktoren\)
n
als Wahrsheinlihkeitsam-
plituden und dementsprehend
W
n
= j
n j
2
=
n n
(2.9)
alsWahrsheinlihkeitenfurdieMewerteg
n
anzusehen.Diesimpliziert
oensihtlih, da
X
n j
n j
2
= X
n
n n
= 1
(2.10)
gelten mu.
Multiplizieren wir die aus (2.8) folgende Gleihung
(q) = X
n
n '
n
(q) (2.11)
mit (q) und integrieren
uber q, so erhalten wir zunahst
Z
dq
(q) (q)
| {z }
1
= X
n
n Z
dq'
n
(q) (q); (2.12)
woraus wegen der Normierungsbedingung (2.3)
X
n Z
dq'
n
(q) (q) = 1 (2.13)
folgt. Wir bilden die Dierenz der Gleihungen (2.10) und (2.13),
X
n
n
n Z
dq'
n
(q) (q)
| {z }
0
= 0; (2.14)
woraus wir {da die Gleihung (2.14) fur beliebige Wahrsheinlihkeits-
amplituden
n
gelten mu { auf
n
= Z
dq (q)'
n
(q) (2.15)
shlieen konnen. Setzen wir (q) aus (2.8) in (2.15) ein,
n
= X
n 0
n 0
Z
dq'
n (q)'
n 0(q)
| {z }
Æ
nn 0
; (2.16)
sokonnen wiroensihtlihweiter shlufolgern, dadie Eigenfunktio-
nen '
n
(q) der Orthogonalitatsrelation
Z
dq'
n (q)'
n 0
(q) = Æ
nn
0 (2.17)
genugen mussen. Die Funktionen '
n
(q) bilden also ein Orthonormalsy-
stem.Shlielihkonnenwirumgekehrt
n
aus(2.15)in(2.8)einsetzen:
(q) = Z
dq 0
(q 0
) X
n '
n (q
0
)'
n (q)
| {z }
Æ(q 0
q)
: (2.18)
Esist klar, da die n-Summe fur alle q 0
6=q vershwinden und fur q 0
=q
unendlih sein mu, damit das q-Integral niht vershwindet. Die n-
0
fur alle von Null vershiedenen Werte des Arguments gleih Null ist,
fur vershwindendes Argument divergiert und deren Integral mit einer
Testfunktion diese an der singularen Stelle liefert. Dies ist bekanntlih
dieDenition derÆ-Funktion,undwirgelangenzu derVollstandigkeits-
relation:
X
n '
n (q)'
n (q
0
) = Æ(q q 0
)
(2.19)
Oensihtlih reprasentieren (q) und
n
aquivalente Moglihkeiten,
den Zustand eines quantenmehanishen Systems zu beshreiben.
Die Eigenfunktionen '
n
(q) sind also niht nur orthogonal, sondern
auhvollstandig.MathematishbildensiesomitdieBasiseinesHilbert-
Raums. Ganz allgemein ist ein Hilbert-Raum ein endlih- oder unend-
lihdimensionaler Vektorraum
uber dem Grundkorper der komplexen
Zahlen, in dem ein Skalarprodukt erklart ist, das speziell jedem Funk-
tionenpaar f
1
(q) und f
2
(q) einer linearen Funktionenmenge eine kom-
plexe Zahl zuordnet:
5
Z
dqf
2 (q)f
1
(q) = : (2.20)
Die WellenfunktioneneinesquantenmehanishenSystemssindfolglih
Elemente einer Funktionenmenge in einem Hilbert-Raum.
2.2 Erwartungswerte und Operatoren
WendenwirunsnunmehrderBeantwortungderFragenahderBestim-
mung von Erwartungswertenphysikalisher Groen G(q;p) zu. Mit der
Interpretationvon j
n j
2
als Wahrsheinlihkeitfur die Realisierung des
Wertesg
n
[und damitdes Zustandsmitder Wellenfunktion'
n
(q)℄ folgt
5
WirkommenimAbshnitt4.1ausfuhrliheraufHilbert-RaumeundihreEigenshaftenzuruk.
fur G nah den
ublihen Regeln der Wahrsheinlihkeitsrehnung:
G= X
n g
n j
n j
2
= X
n
n g
n n
(2.21)
Wir wollen G mit Hilfe der Wellenfunktion (q) ausdruken. Wir ver-
wenden (2.15) und konnen (2.21) in der Form
G = X
n g
n Z
dq
(q)'
n (q)
Z
dq 0
(q 0
)'
n (q
0
)
= Z
dq
(q) Z
dq 0
"
X
n g
n '
n (q
0
)'
n (q)
#
| {z }
G(q;q 0
)
(q 0
) (2.22)
bzw.
G = Z
dq
(q) Z
dq 0
G(q;q 0
) (q 0
) (2.23)
shreiben, wobei G(q;q 0
) gema
G(q;q 0
) = X
n g
n '
n (q
0
)'
n
(q) (2.24)
gegeben ist. Da die g
n
reell sind, ist
G
(q;q 0
) = G(q 0
;q): (2.25)
Ferner lat sih unshwer die Gultigkeit der Integralrelation
Z
dq 00
G(q;q 00
)G(q 00
;q 0
) = X
n g
2
n '
n (q
0
)'
n
(q) (2.26)
zeigen. Das Integral auf der linken Seite dieser Gleihung ist demnah
derIntegralkernfurdieBerehnungvonG 2
gemaderVorshrift(2.23).
Essei
^
Gder der GroeGzugeordnete Operator,dessenAnwendung
auf eine (beliebige) Wellenfunktion (q) gema
'(q) =
^
G (q) = Z
dq 0
G(q;q 0
) (q 0
)
(2.27)
erklart ist. Oensihtlih kann
'(q) =
^
G (q) (2.28)
ebenfalls als Element der Funktionenmenge in dem betrahteten Hil-
bert-Raum aufgefat werden, denn unter Beruksihtigung von (2.25)
und (2.26) lat sih unshwer zeigen, da
Z
dqj'(q)j 2
= Z
dqj
^
G (q)j 2
= X
n g
2
n j
n j
2
= G 2
(2.29)
gilt, da fur physikalishe Groen (neben G auh) G 2
als endlih ange-
nommen werden darf.
Es ist oensihtlih, da
^
G ein linearer Operator ist:
^
G[
1 (q)+
2
(q)℄ =
^
G
1 (q)+
^
G
2
(q); (2.30)
^
G[ (q)℄ =
^
G (q) (2.31)
[
1 (q),
2
(q), (q) { beliebige Hilbert-Raum-Funktionen; { beliebige
komplexeZahl℄. Fassen wir(2.23) und (2.27) zusammen,so konnen wir
(2.23) in der folgenden kompakten Form shreiben:
G = Z
dq
(q)
^
G (q)
(2.32)
Die Gleihung (2.32) ist naturlih auh auf den Spezialfall anwendbar,
wenn G=f(q) gilt. Aus einem Vergleih von (2.5) mit (2.32) ist sofort
zu sehen, da in diesem Fall
^
G einfah der multiplikative Operator
^
ist. Es ist klar, da der gefundene Sahverhalt fur jede physikalishe
GroeA(alsElementirgendeinesvollstandigenSatzesvonmiteinander
vertraglihen physikalishen Groen) gilt. Zusammenfassend gelangen
wir somit zu folgender Aussage:
Bendet sih einquantenmehanishes Systemin einem Zustand mit
der Wellenfunktion (q), so kann jeder physikalishen Groe A ein
linearer Operator
^
A derart zugeordnet werden, da der Erwartungs-
wert (Mittelwert) der Groe durh das Skalarprodukt der Funktion
A (q)=
^
A (q) mit der Wellenfunktion (q) gegeben ist.
Untersuhen wir in diesem Zusammenhang die Wirkung von
^
G auf
diespeziellenWellenfunktionen'
n
(q).WirwendendieGleihung(2.27)
auf '
n
(q) an und erhalten mit (2.24) sowie (2.17)
^
G '
n (q) =
Z
dq 0
"
X
n 0
g
n 0
'
n 0
(q 0
)'
n 0
(q)
#
'
n (q
0
)
= X
n 0
g
n 0'
n 0
(q) Z
dq 0
'
n 0(q
0
)'
n (q
0
)
| {z }
Æ
nn 0
= g
n '
n
(q); (2.34)
d.h., die Funktionen '
n
(q) losen die Eigenwertgleihung
^
G'(q) = '(q): (2.35)
Die Eigenwerte g
n
sind also diejenigen (reellen) Zahlen , fur die die
Gleihung (2.35) Losungen besitzt [namlih die '
n
(q)℄, die den jeweils
erforderlihen Bedingungen (insbesondere Normierbarkeit) genugen:
^
G '
n
(q) = g
n '
n (q)
(2.36)
Anmerkung
In der Gleihung (2.27) [zusammen mit der Gleihung (2.24)℄ ist
derOperator
^
GdurhAusdrukedeniert,diedieEigenwerteund
Eigenfunktionenvon
^
Genthalten,sodaaus(2.36)keineweiteren
Shlufolgerungen gezogen werden konnen, solange die explizite
Gestalt von
^
G bzw. die Eigenwerte und Eigenfunktionen niht
bekannt sind. Wie wir noh sehen werden, lassen sih sowohl die
explizite Gestalt von Operatoren fur physikalishe Grundgroen
wie Ort und Impuls (siehe Abshnitt 3.1) als auh ihre Eigen-
werte und Eigenfunktionen (siehe Abshnitt 4.4.1) aus anderen
Uberlegungen gewinnen. Wenn q^
=q
und p^
die den Koordina-
ten q
und Impulsen p
zugeordneten Operatoren sind und die
(klassishdenierte)GroeGeineFunktionder Koordinatenund
Impulse ist, so kann angenommen werden, da der der Groe G
zugeordnete Operator
^
Geine Funktion der Operatoren q^
und p^
ist.
Gemader deBroglie-HypotheseentsprihteinemfreienTeilhen
mit dem Impuls p eine ebene Welle e ikr
, deren Wellenzahlvek-
tor mit dem Teilhenimpuls
uber die Beziehung
p = ~k (2.37)
zusammenhangt, wobei ~ gerade die Plankshe Konstante ist
[siehe (1.1)℄. Setzen wir die (in p kontinuierlihen) Impulseigen-
funktionen in der Form
'(p;r) = (2~) 3=2
e ipr=~
(2.38)
an, so da die '(p;r) ein Orthonormalsystem bilden,
Z
d 3
r'
(p;r)'(p 0
;r) = Æ(p p 0
) (2.39)
[vgl.(2.17), siehe die Funote auf Seite 14℄, so folgt fur p(r;r 0
)
p(r;r 0
) = Z
d 3
pp(2~) 3
e
ip(r r 0
)=~
(2.40)
[vgl. (2.24)℄, d.h.
p(r;r 0
) =
~
i r
r
Æ(r r 0
): (2.41)
Folglih gilt [vgl. (2.27)℄
^
p (r) = Z
d 3
r 0
p(r;r 0
) (r 0
) =
~
i
r (r): (2.42)
Wiewirspatersehenwerden,ist dieWirkungvonImpulsoperato-
ren aufWellenfunktionen exaktgema dieser Gleihung gegeben,
so da generell
^ q
(q) = q
(q); p^
(q) =
~
i
q
(q) (2.43)
gilt.
Bendet sih das quantenmehanishe System in einem Zustand,
dessen Wellenfunktion eine Eigenfunktion von
^
G ist, 6
(q) = '
n
(q); (2.44)
soist gema (2.32) und (2.36) der Erwartungswertvon Gidentishmit
dem Eigenwert g
n ,
G = Z
dq'
n (q)
^
G'
n (q)
| {z }
g
n '
n (q)
= g
n Z
dq'
n (q)'
n (q)
| {z }
1
= g
n
: (2.45)
BendetsihdasSystemineinemZustand,dessenWellenfunktion (q)
eine Linearkombination von Wellenfunktionen '
n
(q) ist, so da gema
(2.8)
(q) = X
n n
'
n
(q) (2.46)
6
^
gilt, dann liefert (2.32) zusammen mit (2.36)
G= Z
dq
(q)
^
G (q) = X
n;n 0
Z
dq
n '
n (q)
^
G
n 0
'
n 0
(q)
= X
n;n 0
n n
0 Z
dq'
n (q)
^
G'
n 0
(q)
| {z }
g
n 0
'
n 0
(q)
= X
n;n 0
g
n 0
n n
0 Z
dq'
n (q)'
n 0(q)
| {z }
Æ
nn 0
= X
n;n 0
g
n 0
n n
0Æ
nn 0
= X
n g
n j
n j
2
: (2.47)
Wie zu erwarten war, erhalten wir als Ergebnis die Gleihung (2.21).
Unseren bisherigen
Uberlegungen haben wir physikalishe Groen
(d.h.Groen,dieprinzipiellmebarsind)zugrundegelegt,dienaturlih
nur relle Werte annehmen konnen. Das bedeutet reelle Eigenwerte
und somit auh reelle Erwartungswerte.
7
Solhe Groen werden in der
Quantentheorie
ubliherweise Observablen genannt. Es kann
ofters
zwekmaig sein, komplexwertige Groen zu betrahten. Der Erwar-
tungswert einer solhen Groe kann dann sinngema
uber die Erwar-
tungswerte des Real- und des Imaginarteils der Groe deniert wer-
den, wobei dem Real- und dem Imaginarteil entsprehende Operato-
ren zugeordnet werden, Realteil und Imaginarteil jedoh i. allg. niht
gleihzeitig sharf mebar sind und demzufolge niht zu dem gleihen
vollstandigen Satz vertragliher Observablen gehoren.
8
Wir wollen uns uberlegen,welher Art die Operatoren sein mussen,
die Observablen zuzuordnen sind. Es sei
^
A der einer Groe A zuzuord-
nende lineare Operator,
^
A (q) = Z
dqA(q;q 0
) (q 0
); (2.48)
wobei zunahst nur vorausgesetzt werden soll, da
Z
dqj
^
A (q)j 2
< jMj (2.49)
7
AusderGleihung(2.21)istsofortzusehen,daGreellist,wenndieEigenwerteg
n
reellsind.
UmgekehrtfolgtausderForderung,daGfurjedenQuantenzustand(d.h.furbeliebigej
n j
2
)reell
seinmu,dadie Eigenwerteebenfalls reellseinmussen.
8
Wie wir noh sehen werden, konnen in diesem Fall Real- und Imaginarteil kein gemeinsames
(jMj { endlih) ist. Der zu
^
A hermitesh adjungierte Operator
^
A y
ist
gema
Z
dq
1
^
A
2 (q) =
Z
dq
^
A y
1 (q)
2
(q) (2.50)
bzw.
Z
dq
1
^
A
2 (q)
= Z
dq
2 (q)
^
A y
1
(2.51)
deniert (sogenannte
Uberwalzbedingung). Man
uberzeugt sih un-
shwer, da folgende Relationen gelten ( - komplexe Zahl):
^
A y
y
=
^
A; (2.52)
^
A+
^
B
y
=
^
A y
+
^
B y
; (2.53)
^
A
y
=
^
A y
; (2.54)
^
A
^
B
y
=
^
B y
^
A y
: (2.55)
Ein Operator
^
A heit hermitesh, wenn
^
A y
=
^
A (2.56)
gilt.
Gema (2.32) und (2.50) lautet der Erwartungswert von A
A = Z
dq
(q)
^
A (q) = Z
dq
^
A y
(q)
(q); (2.57)
und somit gilt wegen
A
= Z
dq
(q)
^
A y
(q) (2.58)
die Gleihung
A A
= Z
dq
(q)
^
A
^
A y
(q): (2.59)
Wenn A eine Observable ist, mu A reell sein, d.h., es mu
A= A
; Z
dq
(q)
^
A
^
A y
(q) = 0 (2.60)
gelten, woraus [da (q) beliebig℄
^
A=
^
A y
(2.61)
folgt. Umgekehrt folgt naturlih fur hermiteshes
^
A aus (2.59), da A
reellist.Observablen entsprehen alsohermiteshe Operatoren.
Wir wollen annehmen, da die Observable A zu dem betrahteten
vollstandigen Satz von vertraglihen Observablen G gehort bzw. eine
Funktion von G ist, A=f(G). In diesem Fall gehort der hermiteshe
Operator
^
A zu dem vollstandigen Satz von hermiteshen Operatoren
^
G bzw. ist eine Funktion von diesen. Die Mewerte von A, d.h. die
Werte, die die Groe A annehmen kann, sind dann einfah die Werte
a
n
=f(g
n
), und es gilt die Eigenwertgleihung
^
A'
n
(q) = f(g
n )'
n
(q) = a
n '
n
(q): (2.62)
Bekanntlih hatten wir die Eigenwerte als reell und die Eigenfunktio-
nen '
n
(q) als zueinander orthogonal vorausgesetzt. Da wir nunmehr
wissen, da
^
A hermitesh sein mu, bleibt also noh zu zeigen, da
hermiteshe Operatoren tatsahlih reelle Eigenwerte und orthogonale
Eigenfunktionen besitzen. Mit der Eigenwertgleihung
^
A'
n
(q) = a
n '
n
(q) (2.63)
gilt die komplex konjugierte Gleihung
^
A'
n 0
(q)
= a
n 0
'
n 0
(q): (2.64)
Wir multiplizieren (2.63) mit '
n 0
(q) sowie (2.64) mit '
n
(q) und inte-
grieren uber q:
Z
dq'
n 0
(q)
^
A'
n
(q) = a
n Z
dq'
n 0
(q)'
n
(q); (2.65)
Z
dq
^
A'
n 0
(q)
'
n
(q) = a
n 0
Z
dq'
n 0
(q)'
n
(q): (2.66)
Da nah Voraussetzung
^
A=
^
A y
ist, sind die rehten Seiten der beiden
Gleihungen einander gleih, und folglih gilt
(a
0 a
n )
Z
dq'
0 (q)'
n
(q) = 0: (2.67)
Speziell fur n=n 0
ergibt sih
(a
n a
n )
Z
dq j'
n (q)j
2
| {z }
> 0
= 0; (2.68)
d.h., die Eigenwerte sind tatsahlih reell,
a
n
= a
n
: (2.69)
Betrahten wir nunmehr den Fall n6=n 0
. Ist a
n 6=a
n 0
, so fuhrt (2.67)
[zusammenmit (2.69)℄ auf
(a
n 0
a
n )
| {z }
6= 0 Z
dq'
n 0(q)'
n
(q) = 0; (2.70)
d.h. die Orthogonalitat der Eigenfunktionen,
Z
dq'
n 0
(q)'
n
(q) = 0: (2.71)
DanebenAnohweitereGroenzudemvollstandigenSatzvonver-
traglihenObservablen G gehoren konnen, konnen zu einem Eigenwert
von A mehrere Eigenfunktionen existieren. Existieren k vershiedene
Eigenfunktionen '
ni
(q) zum Eigenwert a
n ,
^
A'
ni
(q) = a
n '
ni
(q) (i = 1;2;3;:::;k); (2.72)
kann der Wert a
n
der Groe A in k vershiedenen Zustanden realisiert
werden. MansprihtindiesemZusammenhangvoneinerk-fahenEnt-
artungdes Zustandsbezuglihdes Eigenwertsa
n
der GroeA.Beiden
Funktionen '
ni
(q) kann i. allg. niht davon ausgegangen werden, da
sie von vorn herein orthogonal sind,
Z
dq'
ni (q)'
ni 0(q)
6= 0 (i 6= i 0
): (2.73)
Es konnen jedoh immer Linearkombinationen dieser Funktionen ge-
genwert a
n
gehorigen Eigenfunktionen'
ni
(q) als linear unabhangig an-
genommen werden durfen, so da sih die Gleihung
k
X
i=1
i '
ni
(q) = 0 (2.74)
nur fur
i
=0 (i=1;2;3;:::;k) erfullen lat. Ware dies niht der Fall,
so konnten eine oder mehrere Funktionen durh andere Funktionen
ausgedrukt werden und die tatsahlihe Anzahl von Eigenfunktionen
warefolglihkleineralsk.FurdenFall,dadie gefundenen'
ni
(q)niht
orthogonal sind, kann eine lineare Transformation
' 0
ni (q) =
k
X
j=1
ij '
nj
(q) (i = 1;2;3;:::;k) (2.75)
durhgefuhrt werden, wobei die transformierten Funktionen ' 0
ni (q)
ebenfalls einen moglihen Satz von Eigenfunktionen reprasentieren,
^
A' 0
ni
(q) = a
n '
0
ni
(q) (i = 1;2;3;:::;k): (2.76)
Die
ij
konnen nun so bestimmt werden, da die transformierten Wel-
lenfunktionen orthogonal sind,
Z
dq' 0
ni
(q)' 0
ni 0
(q) = Æ
ii 0
: (2.77)
Einsetzen von (2.75) in (2.77) liefert das Gleihungssystem
k
X
j;j 0
=1
ij
i 0
j 0
s
jj 0
= Æ
ii 0
; (2.78)
wobei die s
jj 0
die gema
s
jj 0
= Z
dq'
nj (q)'
nj 0
(q) (2.79)
denierten
Uberlappungsintegrale der Ausgangswellenfunktionen
sind. Ein praktishes Verfahren zur shrittweisen Konstruktion von or-
thogonalen Zustanden ist das Shmidtshe Orthogonalisierungsverfah-
2.3 Darstellungen
Ausgangspunkt unserer bisherigen
Uberlegungen war die Wellenfunk-
tion (q),d.h. dieWahrsheinlihkeitsamplitudenfurKoordinatenmes-
sungen. Die (Gesamtheitder)Koordinatenspielte dabei die Rolle eines
vollstandigen Satzes von vertraglihen Observablen. Wie wir gesehen
haben, kann dann jeder Groe A=f(q;p) ein (im Falle einer Obser-
vablen hermitesher) Operator
^
A zugeordnet werden, und fur das k-te
Moment von A in dem Zustand mit der Wellenfunktion (q) gilt:
A k
= Z
dq
(q)
^
A k
(q) (2.80)
Sind alle Momentevon A bekannt, ist bekanntlihdie komplette Stati-
stikvonAbekannt.IstspezielldieGroeAeinereineKoordinatenfunk-
tion, A=f(q), so ist
^
A einfah der multiplikative Operator
^
A=f(q)
und (2.80) vereinfaht sih zu
A k
= Z
dqf k
(q)j (q)j 2
: (2.81)
Betrahten wir nun wieder einen von den Koordinaten q vershie-
denenvollstandigenSatz von vertraglihenObservablen G mitden (als
diskret angenommenen) Mewerten g
n
. Wie wir gesehen haben, lassen
sih die den Mewerten g
n
entsprehenden Wahrsheinlihkeitsampli-
tuden
n
gema (2.8) und (2.15) in eindeutiger Weise durh die Wahr-
sheinlihkeitsamplituden (q) furKoordinatenmessungenausdruken.
Das heit, der Zustand des quantenmehanishen Systems kann an-
stelle der Wahrsheinlihkeitsamplituden (Wellenfunktion) (q) auh
durh die Wahrsheinlihkeitsamplituden
n
beshrieben werden. Ist
insbesondere A eine physikalishe Groe, die sih als Funktion von G
darstellen lat, A=f(G), so ergibt sih gema (2.21) das k-te Moment
von A als
A k
= X
n a
k
n j
n j
2
= X
n f
k
(g
n )j
n j
2
: (2.82)
Diese Gleihung ist oensihtlih die (diskrete) Entsprehung der Glei-
Es stellt sih die Frage, wie bei gegebenen Wahrsheinlihkeitsam-
plituden
n
dieMomenteeinerGroeA,dieeine beliebigeFunktionder
Koordinatenund Impulseist und niht zudem betrahtetenvollstandi-
gen Satz von vertraglihen Observablen G gehort, zu berehnen sind.
Betrahten wir zunahst den Mittelwert von A. Wir verwenden (2.8)
und erhalten aus (2.80)
A = Z
dq
(q)
^
A (q)
= X
n
n X
n 0
Z
dq'
n (q)
^
A'
n 0
(q)
| {z }
A
nn 0
n 0
; (2.83)
also
A = X
n
n X
n 0
A
nn 0
n 0
(2.84)
mit der Matrix
A
nn 0
= Z
dq'
n (q)
^
A'
n 0
(q); (2.85)
wobei [fur reelles A und somit hermiteshes
^
A℄
A
nn 0
= A
n 0
n
(2.86)
gilt [vgl. (2.23) { (2.25)℄.
9
Ordnen wir der Groe A einen (linearen)
Operator
^
A zu, dessen Anwendung auf
n
gema
^
A
n
= X
n 0
A
nn 0
n 0
(2.87)
deniert ist [vgl.(2.27)℄, so kann die Mittelwertsgleihung (2.84)in der
Form
A = X
n
n
^
A
n
(2.88)
9
IstspeziellA=f(q),dannistA
nn 0
= R
dqf(q)'
(q)'
n 0
(q) ;vgl.(2.24).
geshrieben werden [vgl. (2.27)℄. Man
uberzeugt sih unshwer davon,
dadie fur die Berehnung von A 2
relevanteMatrixdie Produktmatrix
X
n 00
A
nn 00A
n 00
n 0
= Z
dq'
n (q)
^
A 2
'
n 0
(q) (2.89)
ist [vgl. (2.26)℄. Damit ergibt sih fur das k-te Moment der Groe A
das folgende Ergebnis:
A k
= X
n
n
^
A k
n
(2.90)
Es ist klar, da diese Gleihung die (diskrete) Entsprehung der Glei-
hung (2.80) ist. Ist speziell A=f(G), so ist [in
Ubereinstimmung mit
(2.82)℄℄
^
AeinfaheinmultiplikativerOperator, d.h.
^
A=f(g
n
),und ent-
sprehend ist
^
A k
=f k
(g
n ).
Die gefundenenErgebnissezeigen,dasowohl die(kontinuierlihen)
Wahrsheinlihkeitsamplituden(Wellenfunktion) (q) alsauhdie(dis-
kreten) Wahrsheinlihkeitsamplituden
n
samtlihe erlangbare Infor-
mation
uber das quantenmehanishe System enthalten und somit den
Zustand des Systems vollstandigbeshreiben. Sie reprasentieren somit
zwei moglihe Darstellungendes gleihenZustandsdes Systems. Dieser
Sahverhalt lat sih zusammenfassend wie folgt formulieren:
Jeder vollstandige Satz von vertraglihenObservablen G eines quan-
tenmehanishenSystems deniert (uberdie Wahrsheinlihkeitsam-
plituden fur diese Observablen) eine spezielle Darstellung des Zu-
stands des Systems, die G-Darstellung. Die konkrete Gestalt quan-
tenmehanisherOperatoren hangt folglihvon der jeweilsgewahlten
Darstellung ab.
Werden der Beshreibung eines quantenmehanishenSystems die Ko-
ordinatenalsvollstandigerSatzvertragliherObservablenzugrunde ge-
harakterisiert werden kann), spriht man
ubliherweise von der Orts-
darstellung, in der insbesondere die Wirkung von Koordinaten- und
Impulsoperatoren auf (q) gema (2.43) deniert ist. Wie wir noh se-
hen werden, gibtesbeliebigvieleDarstellungen, soda die Gesetzeder
Quantentheorieinuntershiedlihster Weiseformuliert werden konnen.
In unseren bisherigen
Uberlegungen haben wirvorrangigangenom-
men, da der vollstandige Satz vertragliher Observablen G ein dis-
kretes Spektrum besitzt. Dies mu naturlih niht der Fall sein, wie
bereits dasals Ausgangspunkt unserer
Uberlegungen gewahlteBeispiel
der Koordinatenzeigt.EinanderesBeispiel fureinenvollstandigenSatz
vertragliher Observablen mit kontinuierlihem Spektrum stellen die
Impulse dar. Wir wollen die fur vollstandige Satze von Observablen
mit diskreten Spektren gefundenen Ergebnisse auf solhe mit kontinu-
ierlihen Spektren verallgemeinern.
EsseiGeinsolhervollstandigerSatzvertragliherObservablenmit
kontinuierlihem Spektrum. Wir wollen die (kontinuierlihen) Eigen-
werte mit g und die Eigenfunktionenmit '(g) bezeihnen.
Ahnlih wie
die Wellenfunktion (q) eines quantenmehanishen Systems nah den
Eigenfunktionen von Observablen mit diskreten Spektren entwikelt
werden kann, kann sie auh { diesmal jedoh in Form von Integralen {
nah Eigenfunktionen von Observablen mit kontinuierlihen Spektren
entwikelt werden:
(q) = Z
dg (g)'(g;q) (2.91)
[vgl. (2.8)℄ Die
"
Gewihtsfaktoren\ (g), die nunmehr Funktionen von
g sind, lassen sih wieder als Wahrsheinlihkeitsamplituden in dem
Sinne interpretieren, da
dW(g) = j (g)j 2
dg
(2.92)
die Wahrsheinlihkeit dafur ist, bei einer Messung von G den Wert
irgendein Wert gefunden wird, mu nunmehr
Z
dgj (g)j 2
= Z
dg
(g) (g) = 1
(2.93)
gelten [vgl. (2.10)℄. Analog der Argumentation, mit der auf die Glei-
hung (2.15) geshlossen werden konnte, erhalten wir die Umkehrung
der Gleihung (2.91):
(g) = Z
dq (q)'
(g;q)
(2.94)
Wir setzen (q) aus (2.91) in (2.94) ein und erhalten
(g) = Z
d g 0
(g 0
) Z
dq'
(g;q)'(g 0
;q)
| {z }
Æ(g g 0
)
: (2.95)
Dasq-Integralmuoensihtlihfuralleg 0
6=g vershwinden.Furg 0
=g
mu es unendlih sein, anderenfalls ergabe die Integration Null. Das
heit,dasq-IntegralkannalseineFunktionvong g 0
aufgefatwerden,
die fur alle von Null vershiedenen Werte des Arguments gleih Null
ist, fur vershwindendes Argument divergiert und deren Integral mit
einerTestfunktion diese an der singularen Stelle liefert. Dies ist jedoh
genau wieder die Denition der Æ-Funktion [vgl. die Argumentation
im Zusammenhang mit der Gleihung (2.19)℄, und somit lautet die
Verallgemeinerungder Orthonormierungsbedingung (2.17) wie folgt:
Z
dq'
(g;q)'(g 0
;q) = Æ(g g 0
)
(2.96)
WieimFalleeinesdiskretenSpektrumssinddieFunktionen'(g;q) und
'(g 0
;q) fur g 0
6=g zueinander orthogonal. Im Gegensatz zu einem dis-
kreten Spektrum divergieren die Integrale uber die Quadrate j'(g;q)j 2
imSinnevonÆ-Funktionen.ShlielihergibtsihinVerallgemeinerung
der der Vollstandigkeitsrelation(2.19):
Z
dg'
(g;q)'(g;q 0
) = Æ(q q 0
)
(2.97)
Die Gleihungen (2.96) und (2.97) zeigen deutlih die relative Be-
deutung von Orthogonalitat und Vollstandigkeit. Wahrend in der q-
Darstellung mit (2.91) als Ausgangsgleihung die Gleihung (2.96) die
RollederOrthogonalitatsrelationunddieGleihung(2.97)dieRolleder
Vollstandigkeitsrelation spielt, ist es in der G-Darstellung gerade um-
gekehrt. Hier ist (2.94) als Ausgangsgleihung anzusehen, und folglih
ubernimmt die Gleihung (2.96) die Rolle der Vollstandigkeitsrelation
und entsprehend die Gleihung (2.97) die Rolle der Orthogonalitats-
relation.
Im allgemeinen hat man es mit vollstandigen Satzen vertragliher
Observablen zu tun, die sowohl diskrete als auh kontinuierlihe Spek-
tralanteile enthalten. So stellen beispielsweise die drei kartesishen Ko-
ordinaten (mitkontinuierlihenSpektren) fur einTeilhenmitvonNull
vershiedenem inneren Drehimpuls (Abshnitt 5.1.2) fur sih allein ge-
nommen keinen vollstandigenSatz vertragliher Observablen dar. Erst
durh die Hinzunahmedes inneren Drehimpulses mit seinem diskreten
Spektrum wird daraus ein vollstandiger Satz. Ferner kann das Spek-
trum ein und derselben physikalishen Groe (wie etwa das Spektrum
der Energie eines Teilhens in einem
aueren Potential) in bestimmten
Energiebereihen diskret und in anderen kontinuierlih sein (Abshnitt
3.4.1). In all diesen Fallen sind die oben fur den rein diskreten bzw.
rein kontinuierlihen Fall angegebenen Formeln sinngema anzuwen-
den. Unabhangig von der Art der konkreten Spektren wird der Ein-
fahheit und
Ubersihtlihkeit wegen haug die diskrete Shreibweise
2.4 Die Shr
odinger-Gleihung
Wie wir gesehen haben, kann der Zustand eines quantemehanishen
Systems in der Ortsdarstellung zu einem beliebig herausgegrienen
Zeitpunkt durh eine Wellenfunktion (q) beshrieben werden. Wenn
das System einer zeitlihen Entwiklung unterliegt, werden sih folg-
lih die Wellenfunktionen (q;t
1
) und (q;t
2
), die die Zustande des
Systems zu zwei vershiedenen Zeitpunkten t
1
und t
2
beshreiben, i.
allg. untersheiden. Auf Grund des Superpositionsprinzips fur Wellen-
funktionen kann davon ausgegangen werden, da (q;t) einer linearen
partiellen Dierentialgleihung genugt.
Um diese zu nden, sei zunahst bemerkt, da die Quantenmeha-
nik die klassishe Mehanik als Grenzfall enthalten mu. Betrahten
wir beispielsweise ein Elektron. In der klassishen Mehanik wird es
als (Punkt-)Teilhen angesehen, das sih langs einer Bahnkurve be-
wegt, die durh die Newtonshen Bewegungsgleihungen vollkommen
bestimmt ist. Demgegenuber wird bei der quantenmehanishen Zu-
standsbeshreibung mittels einer Wellenfunktion das Elektron als ein
(Wellen-)Feld aufgefat. In der (klassishen) Elektrodynamik besteht
zwishen geometrisher Optik und Wellenoptik in gewissem Sinne ei-
ne analoge Wehselbeziehung wie zwishen klassisher Mehanik und
Quantenmehanik.Die wellenmaigeAusbreitungvonLiht wirdinder
Wellenoptik durh elektromagnetishe Felder beshrieben, die die (ho-
mogenen) Maxwell-Gleihungen als lineares partielles Dierentialglei-
hungssysteminRaumundZeitbefriedigen.DagegenwirdimGrenzfall
der geometrishenOptik die Lihtausbreitung entlang von bestimmten
Trajektorien, den Strahlen, beshrieben. Es liegt nahe anzunehmen,
da der
Ubergang von der Quantenmehanik zur klassishen Meha-
nik in gewisser Weise analog zum
Ubergang von der Wellenoptik zur
geometrishen Optik ist.
In der geometrishen Optik wird angenommen, da sih Flahen
konstanterPhase ausbreiten, deren orthogonale Trajektorien die Liht-
strahlen sind, und die Krummungen der Flahen niht zu gro sind,
so da kleine Teilahen als Ebenen angesehen werden konnen. Es sei
2.4. DIE SCHRODINGER-GLEICHUNG 35
die Lihtausbreitung erfolgt und u(r;t)
u(r;t) = a(r)e i(r;t)
(2.98)
eine (beliebige) FeldkomponenteeinerelektromagnetishenWelle gege-
bener Frequenz !, so da
(r;t) =
0
(r) !t (2.99)
gilt. Ist die Wellenlange
0
= 2=k
0
=2=! genugend klein gegenuber
der raumlihen
Anderung des Brehungsindexes und der Amplituden-
funktion a(r), folgt aus der Wellengleihung fur u(r;t), da die Pha-
senfunktion der Eikonalgleihung 10
[r
0 (r)℄
2
= k 2
0 n
2
(r) (2.100)
genugt, woraus fur den Strahlgang r(s)
r
0
(r) = k
0 n(r)
dr
ds
(2.101)
(s - Bogenlange) folgt. Mit
d
0 (r)
ds
= k
0
n(r) (2.102)
erhalten wir somit die Strahlengleihung
d
ds
n(r) dr
ds
= rn(r): (2.103)
Es lat sih zeigen, da diese Strahlengleihung aus dem als Fermat-
shes Prinzip bekannten Extremalprinzip
Z
r
2
r
1
dsn(r) = Extremum (2.104)
10
IndergeometrishenOptiksprihtman
ubliherweisenihtvonderPhase,sondernvomEiko-
herleitbar ist, das besagt, da die optishe Lange eines Lihtstrahls
zwishen zwei festen Punkten r
1
und r
2
extremal (meistens minimal)
ist. Gema (2.102) heit dies aber nihts anderes, als da die Phase
0
(r) = k
0 Z
r
r
0
dsn(r) (2.105)
[unddamitnaturlihauh(r;t)aus(2.99)℄extremalwird.DadieWel-
lenlange sehr klein ist, ist die Phase oenbar sehr shnell veranderlih
und nimmt dabei sehr groe Werte an.
Ebenso wie in der geometrishen Optik eine Spur von Wellen in
Form von bewegten Wellenahen { die die Strahlen zu konstruieren
gestatten{gibtesinFormvon Wirkungswellen bereitseine Spurvon
Wellen in der klassishen Punktmehanik. Die harakteristishen, von
der Wellenlange abhangigen Eigenshaften dieser Wellen (wie Interfe-
renz und Beugung) treten jedoh ebensowenig in Ersheinung wie die
entsprehenden Eigenshaften von Lihtwellen unter den Bedingungen
der geometrishen Optik. So entspriht die Eikonalgleihung (2.100)
der geometrishen Optik genau der verkurzten Hamilton-Jakobi-
Gleihung der klassishen Mehanik fur ein Teilhen in einem kon-
servativen Kraftfeld,
[rS
0 (r)℄
2
= 2m[E V(r)℄; (2.106)
wobei die verkurzte Wirkungsfunktion S
0
(r) und die Wirkungsfunk-
tion S(r;t)
uber die Beziehung
S(r;t)= S
0
(r) Et (2.107)
miteinander verknupft sind.
11
Entsprehend eng ist die Analogie zum
FermatshenPrinzip (2.104):Dieerlaubten Bahnkurven alsorthogona-
le Trajektorien der Flahen S=onst: folgen aus dem Extremalprinzip
Z
r
2
r
1 ds
p
E V(r) = Extremum: (2.108)
FassenwirdieklassisheMehanikalsGrenzfallderQuantenmeha-
nik im Sinne einer Wellenmehanik auf, so liegt es nahe anzunehmen,
11
2.4. DIE SCHRODINGER-GLEICHUNG 37
da sih in diesem Grenzfall die Wellenfunktion in der Form
= ae i
(2.109)
mit einer nahezu konstanten Amplitude a und einer shnell verander-
lihen, groe Werte annehmenden Phase shreiben lat, wobei die
Phasenfunktion in (2.109) proportional zur Wirkungsfunktion sein
sollte,
S: (2.110)
DerProportionalitatsfaktorist vonder Dimensionhereine inverseWir-
kung. Diese Wirkung mu oenbar hinreihend kleinsein, damit ent-
sprehend gro wird. Wie die Erfahrung gezeigthat, ist diese Wirkung
gerade die Plankshe Konstante,
= S
~
: (2.111)
Wir fassen die obigen
Uberlegungen zusammen und setzen [gema
(2.109) und (2.111)℄ die Wellenfunktion eines
"
beinahe klassishen\
(quasiklassishen) Systems in der Form
= ae iS=~
(2.112)
an.
Wiewirwissen,ist derZustandeinesquantenmehanishenSystems
zu einem beliebiggewahltenZeitpunkt tdurhdieVorgabe derWellen-
funktion (q;t) vollstandig bestimmt. Die Erfahrung besagt nun, da
das Axiom dahingehend versharft werden kann, da durh Vorgabe
von (q;t) niht nur alle Eigenshaften des Systems zum gewahlten
Zeitpunkt tbestimmtsind,sondern auhdas Verhalten des Systems zu
allen zukunftigen Zeitpunkten bestimmt ist. Mathematish bedeutet
dies, da die Werte der zeitlihen Ableitung der Wellenfunktion =t
zueinembeliebigherausgegrienenZeitpunktdurhdieWertederWel-
lenfunktion zugenaudiesemZeitpunktbestimmtseinmussen.Wegen
des Superpositionsprinzips mu dieser Zusammenhang oenbar linear
sein, so da wir
i~
(q;t)
=
^
O (q;t) (2.113)
shreiben konnen, wobei
^
O ein (zunahst noh unbekannter) linearer
Hilbert-Raum-Operator ist.
12
Sehen wir uns einigeEigenshaftendes Operators
^
O an. Aus der zu
allen Zeiten geltenden Normierungsbedingung (2.3)
Z
dqj (q;t)j 2
= 1 (2.114)
folgt
d
dt Z
dqj (q;t)j 2
= 0 (2.115)
bzw.
Z
dq
(q;t)
t
(q;t)+ Z
dq
(q;t)
(q;t)
t
= 0: (2.116)
Wir ersetzen hier die zeitlihen Ableitungen von
und gema
(2.113) und erhalten
Z
dq (q;t)
^
O
(q;t)+ Z
dq
(q;t)
^
O (q;t) = 0; (2.117)
worausmitder Denition(2.51)deshermiteshadjungiertenOperators
Z
dq
(q;t)
^
O y
(q;t)+ Z
dq
(q;t)
^
O (q;t)
= Z
dq
(q;t)
^
O y
^
O
(q;t)= 0 (2.118)
folgt, d.h. (da beliebig),
^
O mu ein hermitesher Operator sein,
^
O y
=
^
O; (2.119)
und somit einer Observablen (sprih mebaren Groe) entsprehen.
Um die Frage zu beantworten, welher physikalishen Groe der
Operator
^
O entspriht, betrahten wir den im klassishen Grenzfall
12
Der Faktori~ ist hierrein formal eingefuhrt worden undkonnte naturlih (was sih als niht
zwekmaigerweisenwird)demOperator
^
O zugeshlagenwerden.
2.4. DIE SCHRODINGER-GLEICHUNG 39
gultigen Ausdruk (2.112) fur die Wellenfunktion. Zeitlihe Dieren-
tiation liefert
t
= a
t
|{z}
0 e
iS=~
+ae iS=~
i
~ S
t '
i
~ S
t ae
iS=~
| {z }
: (2.120)
Im (quasi-)klassishen Grenzfall mu die Wellenfunktion also der Glei-
hung
i~
t
=
S
t
(2.121)
genugen. Die Wirkung des Operators
^
O reduziert sih also auf die ein-
fahe Multiplikation mit der Groe S=t. Wie bereits aus (2.107)
zu ersehen ist, ist diese Groe jedoh nihts anderes als die Hamilton-
Funktion des Systems:
S
t
= E = H: (2.122)
Wir kommen somit zu dem Shlu, da der (hermiteshe) Operator
^
O in der Wellengleihung (2.113) der Operator ist, der der physikali-
shen Groe Hamilton-Funktion zuzuordnen ist, d.h.
^
O =
^
H: (2.123)
Der Operator
^
H wird
ubliherweise als Hamilton-Operator bezeih-
net. Ist die Gestalt des Hamilton-Operators bekannt, bestimmt die als
Shrodinger-Gleihung bekannte Wellengleihung
i~
(q;t)
t
=
^
H (q;t)
(2.124)
zusammen mit der Normierungsbedingung
Z
dqj (q;t)j 2
= 1
(2.125)
die zeitlihe Entwiklung der Wellenfunktion und somit des Zustands
einesquantenmehanishenSystems. Ist die Normierungsbedingung zu
irgendeinem (Angangs-)Zeitpunkt t=t
0
erfullt, ist sie zu allen Zeit-
punkten erfullt.
Den obigen
Uberlegungen haben wir die Ortsdarstellung zugrunde
gelegt. Es ist klar, da von der Shrodinger-Gleihung (2.124) in Orts-
darstellung zu der Shrodinger-Gleihung in einer beliebigen Darstel-
lung
ubergegangen werden kann, d.h. zu der Gleihung, die die zeitli-
he Entwiklung beliebiger Wahrsheinlihkeitsamplituden beshreibt.
Mahen wir beispielsweise von (2.8) und (2.15) Gebrauh [
n
!
n (t),
(q)! (q;t)℄, so geht (2.124) oensihtlih in
i~
n (t)
t
=
^
H
n (t)
(2.126)
uber, wobei die Anwendungdes Hamilton-Operator
^
H auf
n
(t)gema
(2.87) [zusammen mit (2.85)℄ deniert ist,
^
H
n (t)=
X
n 0
H
nn 0
n 0
(t); (2.127)
H
nn 0
= Z
dq'
n (q)
^
H'
n 0(q):
(2.128)
2.5 Zeitlihe Entwiklung von Erwar-
tungswerten
Mit der Shrodinger-Gleihung (2.124) sind wir nunmehr in der Lage,
Bewegungsgleihungen fur Erwartungswerte der vershiedensten Sy-
stemgroen zu formulieren. Betrahten wir der Allgemeinheit wegen
eine explizit zeitabhangige Groe A. Der ihr zugeordnete Operator sei
^
A = f(^q;p;^ t): (2.129)
Die Ableitung von
^
A nah dem (Zeit-)Parameter t sei gema
^
A
= lim
!0
f(q;^ p;^ t+) f(q;^ p;^ t)
(2.130)
deniert, und fur die Ableitung von
^
A beispielsweise nah p^gelte 13
^
A
p^
= lim
!0
f(q^;p^+
^
I;t) f(q;^ p;^ t)
(2.131)
(
^
I - Einheitsoperator).Wir berehnen die (totale) Zeitableiungdes Er-
wartungswerts
A(t)
^
A(t)
= Z
dq
(q;t)
^
A (q;t) (2.132)
und erhalten zunahst
d
dt
^
A
= Z
dq
(q;t)
^
A
t
(q;t)
+ Z
dq
(q;t)
t
^
A (q;t)+ Z
dq
(q;t)
^
A
(q;t)
t
: (2.133)
Unter Verwendung der Shrodinger-Gleihung (2.124) wird daraus
d
dt
^
A
= Z
dq
(q;t)
^
A
t
(q;t)
1
i~
Z
dq
^
H (q;t)
^
A (q;t)+ 1
i~
Z
dq
(q;t)
^
A
^
H (q;t); (2.134)
und wegen der Hermitezitat des Hamilton-Operatorsfolgt [vgl (2.50)℄
d
dt
^
A
= Z
dq
(q;t) 1
i~
^
A
^
H
^
H
^
A
(q;t)
+ Z
dq
(q;t)
^
A
t
(q;t): (2.135)
Wir wollen mit
^
A;
^
B
=
^
A
^
B
^
B
^
A (2.136)
13
Istinsbesondereq^dermultiplikativeOperatorq,dannreduziertsihdieOperatorableitungnah
^
qauf einegewohnliheParamterableitunggema(2.130).
den Kommutator zweier Operatoren
^
A und
^
B bezeihnen. Die Glei-
hung (2.135) nimmt somit die folgende Gestalt an:
d
dt
^
A
= 1
i~
^
A;
^
H
+
^
A
t
(2.137)
Wir wenden die Gleihung (2.137) speziell auf die Koordinaten und
Impulse an und erhalten
d
dt
^ q
= 1
i~
^ q
;
^
H
; (2.138)
d
dt
^ p
= 1
i~
^ p
;
^
H
: (2.139)
Wie die Shrodinger-Gleihung ist auh die Gleihung (2.137) in jeder
Darstellunggultig, was naturlihauh auf die Gleihungen (2.138) und
(2.139)zutrit.Ist
^
Anihtexplizitzeitabhangigundkommutiert
^
Amit
^
H, [
^
A;
^
H℄=0, so gilt
d
dt
^
A
= 0 ;
^
A
= onst.; (2.140)
d.h., A ist Erhaltungsgroe.
Die quantenmehanishe Gleihung (2.137) entspriht in gewisser
Weise der klassishen Gleihung
dA
dt
=
A;H + A
t
(2.141)
mit
A;H = X
A
q
H
p
H
q
A
p
(2.142)
als der Poisson-Klammer der Systemgroe A mit der Hamilton-Funk-
tion H des Systems. Speziell die Gleihungen (2.138) und (2.139) ent-
sprehen den klassishen kanonishen Bewegungsgleihungen
dq
= fq
;Hg; (2.143)