• Keine Ergebnisse gefunden

Vertiefte Schizophrenie

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Vertiefte Schizophrenie"

Copied!
115
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Vertiefte Schizophrenie

Aus aktueller Betroffenheit vertieft Frank Sacco, Doktor der Medizin, seine Ausführungen über die Schizophrenie (siehe auch Schizophrenie entschlüsselt von Frank Sacco, Bild: Sacco).

Der Text ist aus der Eigenperspektive geschrieben und entstand unter dem Eindruck einer Sprechstunde bei einem Landarzt (ihm selber). Sacco dazu: Wohl keinem ist bisher aufgefallen, wie pathogen die Sündenfallgeschichte ist – und warum. Ein bis ins Extrem pingeliger Gott ruft massivste Schuldgefühle bei winzigen Kleinigkeiten hervor. Und wenn er dann straft, dann aber richtig. Mit einem ewigen KZ. Schade, aber die Geschichte kommt uns teuer. So werden Millionen verpulvert und unglaubliches Leid hervorgerufen. Es ist erschütternd, wie man für einen Cent (s.u.) in "unserer" Religion eine Schizophrenie kriegen kann.

Frank Sacco hat den Mut das auszusprechen, was andere Psychiater nicht wahrhaben wollen oder lieber nicht anpacken:

Frank Sacco Autor von Das Sacco-Syndrom

Und noch einmal: Schizophrenie

Sie saß vorgestern vor mir. Ich kenne sie schon 30 Jahre. Ein liebes Mädchen war sie schon immer. Das Liebsein eines Kindes ist oft ein Krankheitszeichen, das Zeichen eines zu engen Gewissens. Das vererbt sich nicht, wird aber über massive Ängste per Erziehung in Familien tradiert, sodass der Eindruck einer Vererbung entsteht. Sie brachte mir früher oft kleine Geschenke.

Nun war sie zum wiederholten Mal wegen eines Erregungszustandes in der psychiatrischen Klinik gewesen. Man stellte dort die Diagnose Schizophrenie,

(2)

eine Diagnose, die keine ist. Hört jemand Stimmen oder fühlt sich von außen bedrängt, stellt man aufgrund von Symptomen diese Diagnose, anstatt durch Eruieren der Krankheitsursache eine sich nach der Ursache definierende, endgültige Diagnose zu stellen. Ich sprach die Patientin auf „Sünde“ an. Wo lag ihre Sünde? Sie berichtete, in der Kirche einen (!) Cent gefunden zu haben. Den habe sie nicht bei der Kirche abgegeben.

Das mag vordergründig wahnhaft erscheinen, ist es aber nicht. Bei der Geschichte des Sündenfalls ruft das Nehmen eines (!) Apfels einen beispiellosen Amoklauf des Bibelgottes auf den Plan. Die Geschichte ist aber politisches Kalkül.

Den Anfängen soll man als Machthaber wehren und klarstellen: Kleinste Vergehen lösen extreme und natürlich ewigkeitslange Strafen aus. Das Angstzentrum, in den Corpora amygdala früh angelegt, kann vom Cortex, dem Bewusstsein, nicht ohne Fremdhilfe ausreichend gesteuert werden. Extreme Angst vor Strafen in der Transzendenz entwickelt als Panik ein Eigenleben und führt zu besagten manischen Zuständen: Der Körper vergiftet sich mit Adrenalin selbst.

Die Schizophrenie ist eine erlebnisbedingte Erkrankung. C. G. Jung schrieb seine Doktorarbeit darüber. Heute ist das alles von der Psychiatrie „vergessen“. Man verdrängt Religionsschäden als Therapeut, weil man unbewusst meint, sich mit der dann zwangsläufig aufkommenden Gottkritik selbst zu versündigen.

Die Therapie ist einfach. Ich legte der Patientin dar, dass die Kirche von dem einen Cent nur 5-8 % wohltätigen Zwecken zukommen lässt und dass das Erzbistum Köln 2,4 Milliarden Euro allein an Wertpapieren und Immobilienfonds besitzt. Die Kirchen sind es, die heute vor allem abgeben könnten. Auch wurde besprochen, dass Gott eben gerade nicht kleinlich ist. Und dass er nicht straft – und insbesondere nicht folternd. Würde er Hitler folternd strafen, würde er sich auf die gleiche Stufe mit dem Diktator stellen. Und dazu habe er keine Lust. Die Patientin solle, wenn Sie etwas spenden wolle, mit offenen Augen durch die Welt gehen und dort geben, wo es nötig sei und sie es sich leisten könne. Sie war sichtlich erleichtert.

Gespräche über Religion gelten in der Psychiatrie als verpönt. Mir hat man sie sogar verboten. Ich könne „Patienten beeinflussen“. Gerade das müssen wir Ärzte aber. Wo Bibel und Geistliche einen verrückten oder verbrecherischen Gott zeichnen (extrem kleinlich, extrem gewalttätig, extrem ungerecht), muss man

(3)

schon den Mut aufbringen, entgegenzuhalten. Sonst hat man den verkehrten Beruf. Sonst ist man im guten Sinn kein Christ.

Weitere Artikel von Frank Sacco

Schizophrenie entschlüsselt von Frank Sacco

Von Frank Sacco, Doktor der Medizin, erreicht uns zum Jahresende eine Entschlüsselung. Sacco entschlüsselt die Schizophrenie, wie man Wahnvorstellungen auf medizinisch benennt. Die Symptome der Schizophrenie lassen sich weder auf einen Intelligenzdefekt noch auf eine organische Gehirnerkrankung zurückführen – aber durchaus auf religiös induzierte Ängste (Bild: Sacco).

(4)

Schizophrenie – Eine Krankheit wird entschlüsselt

von Frank Sacco

Die Ängste kommen zeitlich spät auf das Individuum zu. Die oft von Therapeuten

„gesehene“ oder vermutete Liebe zu Gott ist in Wirklichkeit Angst vor seiner Strafe. Die Strafe Gottes bedeutet für den Schizophrenen die Gottstrafe Hölle.

Anders straft ein Bibelgott nun einmal nicht. Zwischentöne sind nicht seine Sache. Religiosität ist hier nur in der Beschwichtigung Gottes eine „Hilfe“. Primär schadet heutige Religion dem Erkrankten.

Die regelmäßige Ursache der Schizophrenie erfasst auf einer Doppelseite (!) der bildende Künstler Benjamin Güdel im Zeit-Magazin vom 20. 3. 2014, das sich mit Ai Weiwei und der Psychose einer Lea befasst. Während die Mutter Leas und ihre Psychiater vor einem Rätsel stehen, zeigt uns Güdel die Angst der Erkrankten:

Die Angst vor der Hölle und den ihn ihr Dienst tuenden Teufeln. Diese Angst bringt sie auch zum Ausdruck, ohne dass jedoch überhaupt jemand diese Äußerungen ernst nimmt – außer Güdel natürlich: "16 Jahre Angst" vor der

„Wohnung“ des Teufels, der Hölle. Fast obligatorisch ist ein hoher IQ. Lea hat 142. Fast obligatorisch ist auch eine verstärkte Realitätssicht, die in die vorschizophrene Depression führt, eine Depression, die (nach Freud) mit dem späteren Wahn mehr oder weniger erfolgreich bekämpft wird. Die Realitätssicht hat Lea von der Mutter "geerbt". Insofern gibt es sie schon, die

"schizophrenogene Mutter". Lea "mochte keine traurigen Märchen…, sie litt mit jedem Wurm auf der Straße, genau wie ich…", so die Mutter. Natürlich ist eine schizophrenogene Mutter nirgendwo bzw. keineswegs automatisiert eine schuldige Mutter. Anstatt Müttern diesen Zusammenhang zu erklären, fügte sich unsere Psychiatrie der Lobby der Mütter und strich den schon erbrachten Beweis aus der Wissenschaft. Aber liebe Mütter psychisch kranker Kinder: Ihr müsst da durch. Ihr werdet es überstehen. Den Aufenthalt Leas in einem Nonnen-geführten Internat sehe ich als problematisch an. Da die dortigen Gebete, Gott möge das Kind gesund machen, nicht gehört werden bzw. sich nicht erfüllen, muss Lea davon ausgehen, dass ihr Gott ihr zürnt. Wem der Juden-Christengott aber zürnt, den staft er. Womit? Mit Verrücktheiten wie einem ewigen Feuer oder einer ewigen Depression. Welches empfindsame Kind hält das aus? Welches Kind hält

(5)

dieses verrückte Gottesbild aus? Nun, Lea schon gar nicht.

Die vorschizophrene Depression ist eine andauernde Beschäftigung mit dem Wahnsinn Religion (nach S. Freud) und eine schier endlose Qual. Sie ist eine irdische Hölle. In der Schizophrenie wird dann eine schützende Wand zwischen der Welt und dem Erkrankten von ihm selbst errichtet. Seine einzige Gesellschaft wird er sich selbst. Das ist ein Tod im Leben aus lauter Angst vor diesem Leben mit der eingeredeten Option einer ewigen Hölle. Diese wird ja heute im Programm beider Kirchen wieder ganz offiziell gepredigt und auf vielfältigste Weise besungen. Seit Mitte der achziger Jahre ist fundamentalistische Ausrichtung unserer Religion wieder im Vormarsch. 50 meiner Kirchenlieder gehen über die Hölle, 50 über den Teufel und 150 über die Gnade, die möglicherweise zugesprochen werde, um dieser Hölle zu entkommen. Das sind 250 Lieder! Freud und Leid nimmt im seelischen Erleben Schizophrener ab. Der Kranke wird, wenn Sie so wollen, Buddhist. Buddhismus ist ebenfalls eine Form der Leidreduktion. Doch dazu später. Das Abendmahl mit seiner Schuldzuschreibung bezüglich des Kreuzestodes Jesu ist nichts für Psychotiker.

Hier wird nach Paragraph 20 StGB aus gutem Grund Schuldunfähigen an diesem Paragraphen vorbei die Schuld an einem Foltermord angelastet. Psychotiker gehören daher – wie auch Kinder – nicht in eine Kirche.

Das lehrte schon Nietzsche. Erwachsenen-Schizophrenie entsteht als Angsterkrankung durch Realangst vor dieser Erde und durch lediglich eingeredete, überflüssige Gottangst. Inwieweit genetische Faktoren begleitend wirken, ist unbekannt. Verwertbare Zwillingsforschung gibt es nicht. „Die Psychoanalyse zeigt aber, dass alles Unheil der menschlichen Psyche der Angst des Menschen entstammt“, so Eugen Drewermann, der mir schreibt, die Tätlichkeiten der Kirchen seien ein Fall für das Gesundheitsministerium. Er denke da wie ich. Die Angst, die im menschlichen Urgrund liegt, ist so „grenzenlos“ wie die ewige Hölle ewig ist. Grenzenlos sind die Qualen der Schizophrenen gewesen, bevor sie in einem geistigen Suizid ihre Seelen hingaben. Sie gehören damit zu den wahren Heiligen. Sie sind zumeist Opfer der Kirchen bzw. ihrer Glaubensgemeinschaften.

Eugen Drewermann schreibt, es mache Sinn, in einer Psychose (die Schizophrenie ist eine, der Verf.) einen qualitativen Umschlag von bestimmten neurotischen Konflikten aufgrund einer quantitativen Steigerung ihrer Dynamik

(6)

zu erblicken. „Auch die Religion mit ihren fundamentalistisch interpretierten Höllenphantasien… kann auslösend wie verstärkend an solchen psychotischen Prozesse beteiligt sein“, so der Therapeut. Die Patienten kämen nicht darauf, dass die Kirche seit Kindertagen ein Gottesbild in ihre Seele gepflanzt habe, das sich von dem gängigen eines Teufels kaum unterscheiden lasse (ich würde das „kaum“

in ein „nicht“ umwandeln, der Verf.). Die Angst des Menschen wird so ins

„Unendliche“ getrieben. Drewermanns sinnvolle Überlegungen und Schussfolgerungen decken sich mit meinen ärztlichen Erfahrungen und wir können sie heute als bewiesen ansehen. Psychiater müssen bei Drewermann also auf die Schulbank.

Auch der Analytiker N. Frenkle bringt die Dinge auf den Punkt. Schizophrenie ist eine starke Neurose, also eine erlebnisbedingte und damit durch Gespräche heilbare Krankheit. Es ist ein Ausweichmanöver, eine "Totalflucht" aus einer zu erdrückenden Außenrealität in eine "Innenrealität" mit einer Besetzung des Ichs durch dieselbe. In der Psychose zerstört der Erkrankte sein von außen bedrohtes Ich und ersetzt es durch ein Unbedrohbares. Und was kann ein Ich besser und effektiver bedrohen und zerstören als das Predigen einer ewigen Feuerhölle, auf das sich Bischof Schneider und seine EKD ja bestens verstehen und die Schneider eine Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung einbrachte? Frenkle, zurzeit wahrscheinlich der beste Analytiker den wir haben, beklagt zu Recht den sehr mangelhaften Ausbildungsstand vieler heutiger Ärzte mit dem Zusatztitel

"Psychotherapie". Ein strafender Gott sei nichts anderes als ein Teufel (Quelle:

"Vom Werden und Sein des Menschen"). Durch derartige Angstmacherei stagniere die Entwicklung eines Kindes. Es würden Psychosen verursacht. Man habe durch Höllenpredigen "ständig geschädigt und krank gemacht" und Positives sei dadurch nicht entstanden.

Nur eine der Katastrophen in der Medizin ist die Schublade Schizophrenie, in die alles kommt, was sich religiös bedrängt fühlt – zu Recht bedrängt fühlt und darüber in Anwesenheit eines Psychiaters spricht. In dieser Schublade gibt es keine analytisch ausgerichtete, die Ursachen aufdeckende Psychotherapie. Es gibt nur dauerhaft schädigende Neuroleptika und teure Daueraufenthalte in geschlossenen Abteilungen. Die Psychiaterin A. Haufe und ihr Kollege D.-E.

Krause stellen in „Der Weg in eine andere Welt“ eine Frau vor. „Sie saß fast regungslos, grau, unscheinbar und gebeugt auf der Stuhlkante. Zögernd drückte sie aus, dass sie jetzt bestraft werde, weil sie sich in ihrer Jugend versündigt

(7)

habe.“ Sie wollte sich das Leben nehmen. Das sei eine Psychose, eine paranoide Schizophrenie, meinen die Autoren. Der Begriff Psychose beschreibe

„Veränderungen erheblichen Ausmaßes, die zu einer Beeinträchtigung im Sinne von <Verrücktheit> führen.“ Für Mitmenschen sei das „nicht mehr einfühlbar“.

Man meint, die Patientin gehöre in Gruppe 4 nach Marneros (1993), mit dem Symptom eines „anhaltenden, kulturell unangemessenen und völlig unrealistischen Wahnes“. Der Fall zeigt, dass Psychiater sich in Religionsdingen nicht einfühlen können. Sie sind dazu nicht ausgebildet und lehnen eine Ausbildung ab. Solche Fälle überweist man den dogmaverpflichteten Theologen.

Natürlich hat sich die Frau, wie wir alle, in der Jugend irgendwann versündigt – und das vielleicht nicht gebeichtet. Nun hat sie Sündengefühle, ein Begriff, den ich hiermit in die psychiatrische Nomenklatur einführe. Das sind ins transzendental-unermessliche überhöhte, unkontrollierbare Schuldgefühle. Dass auch auf die kleinste Sünde, Beispiel Evas Apfelklau, bei ausbleibender Gnade schwerste und verrückt anmutende göttliche, auch ewige Feuer-Strafe folgen kann, lernte sie im Konfirmations- und später unter staatlicher Aufsicht im Religionsunterricht. Wenn man dort das Lied über die Hölle nicht auswendig wusste, bekam man eine Fünf.

Der Gott der Bibel und sein Sohn, klerikal erfundene Konstrukte, sollten rasch einen Ethikkurs bei einer Volkshochschule oder direkt am Institut für Ethik an der Uni München, Vorstand Prof. Markmann, belegen, bevor sie weiteres Unheil an meinen Patienten anrichten.

Die Frau hat also ein Sacco-Syndrom und reagiert kulturell durchaus angemessen, weil staatlicher Religionsunterricht, Kirche und kirchliches Dogma unsere Kultur mitbestimmen und man das Dogma Hölle in der Suggestivsituation

„Gottesdienst“ Kindern aufbürdet, aufbrennt wie ein Brandmal. Diese Frau hat kirchliche Gehirnwäsche und frühkindliche seelische Gewalterfahrung vor dem Altar hinter sich. Man muss mit ihr über Sünde sprechen. Das kann und tut unsere gottphobische Psychiatrie nicht. Immerhin wissen die Autoren: „Bis heute weiß man unzureichend, was eine Psychose verursacht.“ Nun, die Kirche, der größte Arbeitgeber der Psychiater produziert solche Psychosen, die in Wirklichkeit banale und leicht zu behandelnde (erlebnisbedingte) Neurosen sind.

Gerecht sei Folter, wenn Jesus sie anordne oder durchführe, so die heutige dogmatische, aber nach Bischöfin Käßmann gotteslästerliche Lehrmeinung beider Großkirchen. Den Zahn eines hitleroiden Jesus muss man der Patientin gleich auf

(8)

der Stuhlkante ziehen. Sonst wird sie nicht gesund.

Folter ist nie gerecht, auch wenn diese internationale und inzwischen kulturell bindende Erkenntnis den Kirchen nicht ins Konzept passt.

Auch wird Jesus nicht, wie es die EKD predigt, in die Fußstapfen eines Hitlers treten. Lässt gar die Psychiatrie die Kirchen in Ruhe, weil man leere Wartezimmer befürchtet? Nein, das glaube ich nicht. Soweit denkt man nicht.

Natürlich muss die oben zitierte Patientin zunächst stationär. Natürlich muss sie kurzfristig Neuroleptika bekommen, wenn sie starke Ängste hat. Ganz im Vordergrund sollte aber eine ekklesio-adversative Psychotherapie stehen. Das Hauptthema bei Schizophrenen ist die Religion. Sie reden über den Grund ihrer Erkrankung. Was man schnell als Größenwahn bezeichnet, dass sich da jemand als Mutter Gottes, Gott oder Jesus vorstellt und präsentiert, sind verzweifelte Rettungsversuche bei Gottangst und daher oft unerschütterliche Fixpunkte. Es sind Rettungsanker. Jesus wird weder seine Mutter Maria noch seien Vater Gott in seinen ewigen "Feuerofen" (Diktion Matthäusevangelium) werfen. Es ist einfach nur praktisch und intelligent gemacht, sich vorzustellen, man sei als Maria Jesu Mutter. Die Psychose ist eine zunächst rettende Lebenslüge.

Auch ist man als Kaiser von China nicht christlich religiös, sondern Buddhist und selber ein Gott. Und doch sind diese "Lösungen" oft unbefriedigende Illusionen und nur ein temporäres Aufgeben des Problems, das ungelöst im Unbewussten weiter virulent wirkt. Irgendwo weiß man als Psychotiker sehr wohl, dass man nicht der Kaiser von China ist. Hier ist der Ansatz zur Therapie gegeben bzw. hier wird sie notwendig, wenn offensichtlich doch noch Leiden besteht, wenn der seelische Suizid unvollständig ist. Er ist nahezu regelmäßig unvollständig. Die Halluzination ist ein Trick als Versuch einer Heilung. Auch wenn sie von außen betrachtet "quälend" erscheint, ist sie dennoch besser als die Realität. Man muss also nicht mit Neurolepika versuchen, das Symptom Wahn wegzutherapieren, denn dann entstehen Ängste, die den Therapeuten verleiten, noch "mehr" zu geben. Besser als der Rezeptblock ist ein Gespräch, eine EAT. Im Frühjahr 2014 las ich Sigmund Freud, "Das Lesebuch", S. Fischer. Schon Freud wusste, dass die Psychose eine erlebnisbedingte Angststörung ist. Anders als bei der Neurose, die

"von der Realität nichts wissen will", helfe sich der Psychotiker durch Realitätsverleugnung. Er suche sie zu "ersetzen" durch eine "neue Wahrnehmung", und sei bemüht, "sich solche Wahrnehmungen zu verschaffen,

(9)

wie sie der neuen Realität entsprechen würden, was in gründlichster Weise auf dem Wege der Halluzination erreicht wird". Wenn der Trieb einen "Vorstoß"

mache, werde "jedes Mal mit Angst reagiert". Soweit Freud. Was Freud aber falsch dachte: Nicht die ausgebliebene Triebbefriedigung macht Angst, es ist der Trieb selbst, der als angebliche "Sünde" Angst macht und daher nicht befriedigt wird.

Lebenslügen kommen auch bei "Gesunden" vor. Das Urvertrauen in diese Welt ist eine solche Illusion, wie auch die Eigensicht von Psychiatern, sie könnten trotz jahrzehntelanger klerikaler Indoktrination (in Suggestion) doch Atheisten oder Agnostiker sein. Oft kommt man mit einer solchen Lüge ein Leben lang zurecht.

Was ist aber, wenn jemand wie ich im Interesse von Patienten die Lebenslüge aufdeckt und zerstört? Oft wurden bei Schizophrenen Psychoanalysen von Psychiatern versucht. Das Ergebnis: Es kam zu massenhaften Übertragungen und ekklesiogenen Suiziden bei den "atheistischen" Therapeuten. So beinhaltet so manche Lebenslüge wirkliche Lebensgefahr bei Illusionisten. Insofern halte ich meine Analyse der Psychoanalytiker doch für sehr wichtig und richtig, auch wenn der Analysand nicht einverstanden ist. Ist man als Illusionist sogleich Psychotiker? Irgendwo ja. Irgendwo sind wir nahezu alle Psychotiker, wenn wir Lebenslügen als Wunsch- und Tagträume wie Schutzwälle gegen Unerträgliches aufbauen. Das macht uns ja so interessant. Wenn man so will, ist jede Verdrängung Lebenslüge und Psychose bzw. psychoseähnlich. Es ist der gleiche, unbewusst funktionierende Trick. Unsere alltägliche Psychose hilft uns, in dieser unerträglichen Welt zu überleben. Im Ameisenhaufen stehend, verdrängen wir das Elend unter unseren Füßen und damit unsere Schuld, den Fuß nicht vorsichtiger im Waldboden aufgesetzt zu haben.

Prof. Heinz Häfner nennt die Symptome einer Schizophrenie: Vergleicht man vier depressive IRAOS-Symptome bei Schizophrenen und Gesunden (versus), so ergeben sich Depressivität bei 70,2% (versus 19,3%), Schuldgefühle 33,3%

(versus 10,5%), mangelndes Selbstvertrauen 59,4% (versus 12,3%) und Suizide bei 12,3 (versus 8,8%). Da auch moderne Neuroleptika depressiv machen können, ist man oft besser beraten, bei Psychosen Antidepressiva und eine EAT zu verordnen.

Bei Häfner gibt es in „Das Rätsel der Schizophrenie“, C.H. Beck, auch Fallschilderungen: Eine Frau äußert sich im Wahn über Sexualität. Die ist

(10)

insofern immer problematisch, da wir bei verkehrter Anwendung ja bekanntlich nach katholischem Dogma in die Hölle kommen. Wir haben dann gesündigt.

Nebenbei: Dieses Dogma ist selbstverständlich auch für Nichtkatholiken als bindend, selbst für Buddhisten und Atheisten! Die Frau zieht sich dann auf einem belebten Vorplatz einer Kathedrale splitternackt aus, um vor der Kirche ihre

„Reinheit“ zu zeigen. Erklärung: Die Sinne der Patientin wurden durch Angst vor Unreinheit und damit durch Höllenangst verwirrt. Irgendwann hat sie sexuell

„gesündigt“, wobei sündige Gedanken schon für die Hölle ausreichen (siehe Bergpredigt). Vielleicht hat sie gar nackt geduscht: „Nacktduschen widerspricht katholischer Moral“, so das Generalvikariat Köln. Der Krankheitsverursacher ist also die Kirche. Therapie und Heilung kann in einer EAT geschehen.

Ein zweiter Fall: Ein Mann wirft einen Fernseher aus dem Fenster und will mit einem Hammer das Gerät seines Nachbarn ebenfalls zerschlagen. Aus dem Fernseher kämen die „teuflischen“ Botschaften, er solle seinen Bruder erschlagen. Das entrüstete den Mann. Seine Fernseherwut wird uns verständlich, nur seine unerklärlich und skurril anmutenden Taten können wir nicht einordnen.

Dabei ist es so einfach: Wir müssen immer nach der „Sünde“ sehen.

Sie ist die Ursache der größten Angst. Es ist Sünde, seinen Bruder zu erschlagen.

Aber, und das mag der Leser hier einwenden, der Erkrankte hat es ja nicht getan!

Das unglaublich Perfide an der Bibel und ihrem „Jesus“ liegt aber in der Tatsache, dass der alleinige Gedanke, man wolle den Bruder töten, ebenso schwer wiegt wie die ausgeführte Tat. Dieser gedankenlesende und Gedanken bestrafende Gott war im Judentum noch nicht erfunden! Sich bei sündigen Gedanken selbst masochistisch ein Auge auszureißen sei besser, als in seine ewige Feuerhölle zu kommen, meint der Jesus der Bibel. Wo? In seiner Bergpredigt. Die Story verunsicherte mich als Kind doch sehr. „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten…“, singen wir. Aber das ist Unfug. Das Kirchenkonstrukt „Gott“ errät alles und macht aus uns unfreie beichtende Sklaven. Ich gehe einfach einmal davon aus, dass der Patient sich derart „versündigte“. Skurril ist daher nie der Psychotiker. Aber: Seine Religion ist skurril. Unsere Religion ist skurril und schizophrenogen.

Die „Sünde“, die hier rechtlich nicht einmal simple Schuld ist, analytisch herauszufinden, dauert Jahre – eine EAT dagegen nur 4 Stunden. Nur sollte man sie bei Psychosen frühzeitig einsetzen. Wenn der Patient so weit „weg“ ist, dass

(11)

er nicht mehr zuhören kann, ist es für jede Psychotherapie zu spät.

Flott geht auch eine Teufelsaustreibung, wie sie die katholische Kirche betreibt.

Dabei wird natürlich nicht der Teufel ausgetrieben, sondern die vorher eingeredete Angst vor ihm und seiner angeblichen Feuer-Hölle. Auswüchse hat das im leichtgläubigen missionierten Afrika angenommen. Es stand im Spiegel:

Erst produziert die Mission massenweise Schizophrenien, dann werden die so Erkrankten in Fußballfelder getrieben, drum herum Stacheldraht. Nun kommen eben diese Missionspriester und "treiben den Teufel aus".

€ 200,- kostet die Angelegenheit für jede Familie. Das ist viel Geld, wenn man keines hat. Und für die Priester ist es leicht verdientes Geld, weil es ja eine Massenaustreibung in Massensuggestion ist. Viele passen da hinein, in dem Fußballpferch. Von den ausgetriebenen Teufeln sieht man aber gar keinen. Sind die unsichtbar? Die Kirche verdient, das sehen wir hier, doppelt, denn bei der allsonntäglichen Teufelhineintreibung kassiert sie ja auch schon. Das ist so, wie wenn wir Ärzte Großküchen betreiben, das Essen vergiften und dann die Behandlung übernehmen würden. Tun wir natürlich nicht. Da es Todesfälle gab, holt sich die katholische Kirche nun drei Psychoanalytiker mit an Bord. Man beratschlagt, was unglaublich ist, im Team, ob eine einfache Psychose oder eine Besessenheit vorliegt, so beschrieben in "Die Neurose der Psychiatrie".

Es gibt aber tatsächlich auch Nichtpsychotiker. Es sind dies die Realisten, die nicht die Gabe der Verdrängung haben. Sie retten sich, beispielsweise wie ihr Vorbild Schopenhauer, durch intellektuelle Arbeit. Alternativ suizidieren sie sich irgendwann oder erhalten aufhellende Antidepressiva. "Alles muss übel aufstoßen" sagt ein Realist, der Künstler Jonathan Meese, der den Hitlergruß, was viele nicht wussten, schon ernst, aber künstlerisch meinte. Sein Atelier oder

"Raum" ist eindrucksvoll wie ein Gottes-KZ ausgestattet – so richtig zum Gruseln und ein Abbild so machen kirchenkranken Unbewusstseins. Natürlich braucht es da normalerweise eine schützende Barriere zum Bewusstsein. Realisten sind nicht normal. Sie sind die absolute Ausnahme.

Viele Eltern psychisch kranker Patienten haben starke Schuldgefühle, so Martin Baierl. „Die meisten davon sind unbegründet“, so der Therapeut. Leider verstärken zahlreiche Psychiater noch derartige Schuldgefühle durch nicht sachliche Äußerungen, die mehr schaden als nutzen: Sie geben Eltern Schuld am Zustand der Kinder. Eine EA-Familientherapie ist in diesen Fällen angezeigt.

(12)

Weitere Artikel von Frank Sacco

Vom Primat der göttlichen Moral

Wie gering die Bereitschaft von Religionen ausgeprägt ist, weltliches Recht als übergeordnet anzuerkennen und danach zu handeln, zeigt sich nicht nur in den täglichen Forderungen nach neuen Sonderrechten für Moslems, sondern auch Christen sind trotz stetiger gegenteiliger Beteuerungen nicht bereit zurückzustecken, wenn weltliches Recht mit den eigenen Vorstellungen kollidiert. Belege für diese Behauptung sind zahlreich, typisch sind die Scharia-Vorbehalte der OIC (Organisation of Islamic Countries) gegenüber der Menschenrechtsdeklaration von 1948 ebenso wie die fehlende Unterschrift der Römisch Katholischen Kirche. Die Kumpanei zwischen Katholiken und Moslems geht aber viel weiter, wie der gemeinsame Kampf gegen die Blasphemie oder die Homosexualität zeigt. Dabei stellt sich der Vatikan einmal mehr auf die Seite der Unrechtsstaaten, in denen die Menschenrechte keinen Pfifferling wert sind und in denen Minderheiten gleich welcher Natur rigoros verfolgt werden.

Dabei ist es völlig gleichgültig, ob Homosexualität erblich bedingt ist, durch Sozialisation erklärt wird, oder ob sie als Krankheit deklariert wird. Gegen die Diskriminierung dieser Randgruppe wendet sich eine Resolution von 83 Staaten in der UNO unter der Federführung von Kolumbien. Die im März 2011 im UN- Menschenrechtsrat in Genf von Kolumbien verlesene Erklärung trägt den Titel:

(13)

"Gewaltakte und Menschenrechtsverletzungen wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verhindern". Darin äußern die Unterzeichner Sorge über die Diskriminierung von Schwulen und Lesben "in jeder Weltregion". Die beklagten Menschenrechtsverletzungen schlössen "Tötungen, Vergewaltigungen, Folter und strafrechtliche Verfolgung" ein, also genau das, was in mehrheitlich moslemischen Ländern, aber auch in evangelikal dominierten, an der Tagesordnung ist. Von den mehrheitlich moslemischen Ländern schlossen sich nur Albanien und Bosnien-Herzegowina der Resolution an. Wie nicht anders zu erwarten, empörten sich die römischen Menschenrechtsverletzer umgehend.

Doch nicht etwa gegen diejenigen, die die Menschenrechte mit Füssen treten, was man ja aufgrund der „Christlichkeit“ mit Fug und Recht erwarten dürfte – nein – die Empörung traf diejenigen Staaten, die die Resolution eingebracht haben. Queer.de berichtet:

Scharfe Kritik am Papier hat die katholische Kirche geäußert. Der Vatikan warnte nach Verkündigung der Erklärung davor, dass die Akzeptanz von Homosexuellen zur Verfolgung von Christen führen könne: "Viele werden attackiert, wenn sie sexuelles Verhalten zwischen Menschen des selben Geschlechts nicht unterstützen", sagte Erzbischof Silvano Tomasi, der Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen. Wenn sie ihre moralischen Bedenken äußerten, würden Gläubige "stigmatisiert, verteufelt und verfolgt." Der Erzbischof verteidigte das Recht der Staaten, Homosexualität zu verbieten: Staaten müssten das Recht haben, "gewisse sexuelle Handlungen" zu regulieren und gewisse

"sexuelle Verhaltensweisen" per Gesetz zu untersagen Dazu erübrigt sich im Prinzip jeder weiter gehende Kommentar. Man stellt sich – Spitze der Perfidie und Bigotterie – offen auf die Seite der Mörder und beweint gleichzeitig die mangelnde Toleranz der Aufgeklärten gegenüber der Kirche. Diese Schizophrenie setzt sich in religiös überwucherten Web-Publikationen wie Politically Incorrect fort: Man empört sich über die „Baukräne“ im Iran, betreibt aber simultan eine gnadenlose Hetze

gegenüber denen, die Opfer solcher Massaker sind. Als ob es einen Unterschied machte, ob Minderheiten konkret ausradiert werden, oder ob man nur indirekt Beifall dazu klatscht. Da kann man leicht sagen, dass die heilige römisch katholische Kirche in letzter Zeit keinen Homosexuellen selber aufgehängt hat.

(14)

An Schäbigkeit ist das wohl kaum noch zu überbieten. Ein solches Verhalten ist wohl kaum geeignet, ein „christliches Abendland“ schmackhaft zu machen.

Mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht, fordern Muslime den Schlachtruf des Muezzins vom Minarett herab und Katholiken christliche Symbole in staatlichen Einrichtungen, und beide völlig unabhängig davon, ob andere dadurch eingeschränkt, geschädigt, oder in ihrem Befinden belästigt werden.

Gilt es aber – reichlich selten genug – den weltlichen Gesetzen zur Geltung zu verhelfen, erhebt sich ein großes Geschrei über die Intoleranz gegenüber den Religionen. Zwei typische Bespiele werden von Kath.net beweint: USA: Toleranz für jeden – außer für Katholiken? Amerikanische Katholiken sind besorgt, dass ihnen immer mehr Freiheiten genommen werden.

Um welche Freiheiten handelt es sich dabei? Man liest: (…) in San Antonio in Texas, fanden die Äußerungen des atheistischen Elternpaares Christa und Danny Schultz sehr viel Beachtung. Sie waren besorgt, dass ihrem Sohn Schaden zugefügt wird, wenn er mit Worten wie G o t t o d e r G e b e t b e i s e i n e r Schulabschlußfeier konfrontiert würde.

Chef- US-Bezirks-Richter Fred Biery entschied daraufhin, dass bei der Graduiertenfeier der Oberschule keinerlei Gebet gesprochen werden darf und auch nicht das Wort „Gott“ oder ein „Amen“ erwähnt werden soll, da dies den Teilnehmern der Feier schaden würde. Jedem, der diesem Urteilsspruch zuwiderhandelt, wird mit einer Gefängnisstrafe gedroht. Amerikanische Katholiken kommentieren, dass dieses dem Ersten Staatsgesetz der Meinungsfreiheit widerspricht. "Wir können das tun was wir wollen und sollten nicht darauf achten müssen gewisse Dinge nur tun zu dürfen wenn es dem Anderen auch genehm ist. Katholischen Christen darf es nicht verboten werden, das zu tun, was ihre Religion ausmacht. Ein Christ spricht ganz natürlich jeden Tag vom lieben Gott und keiner hat das Recht, ihn gesetzlich zu belangen, wenn er nicht den Mund hält".

Diese Form des steten Beleidigtseins, wenn Ansprüche aus offensichtlichen Gründen nicht anerkannt werden, kennen wir ja auch zur Genüge von der

(15)

moslemischen Propaganda-Maschinerie. Doch wiederum die Frage: warum wird von so vielen mit zweierlei Maß gemessen, je nachdem, von welcher Seite Forderungen gestellt werden? Ist der Ruf des Muezzins vom Minarett herab etwas anderes als die christliche Berieselung mit Gebeten in einer notabene weltlichen Schulabschlussfeier?

Ein weiteres Beispiel, wie sich die katholische Kirche über gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzt, und ihre eigene Vorstellung von Moral anderen – obwohl vom Staat finanziert – aufzwingen will, findet sich hier: Amerikanische Katholiken sind besorgt, dass ihnen ihre religiösen Freiheiten immer mehr genommen werden. Grund für die Annahme ist ein neues Gesetz, erlassen vom Bundesstaat Illinois. Im Mittleren Westen der USA hat am 26. Mai 2011 die Diözese von R o c k f o r d b e s c h l o s s e n a u s e i n e m Adoptionsprogramm für Kinder auszusteigen. Die

Diözese will keine Kinder an unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare vermitteln. Weiterlesen

Da passt es den Katholiken natürlich gut ins Konzept, dass auch die Evangelischen am selben Strang ziehen, wenn es gilt, einen antikirchlichen Stimmungswandel zu konstatieren. So erklärte der evangelische Kirchenpräsident Christian Schad: Atheistische Forderungen finden zunehmend positive Resonanz.

Seltsam nur, dass wir Atheisten davon so wenig wahrnehmen und lediglich konstatieren können, dass sich der religiöse Einfluss in der Gesellschaft immer stärker breitmacht. Doch lesen Sie mehr zum Thema Antikirchlicher Stimmungswandel.

Das sind Puzzleteile einer groß angelegten Kampagne des Vatikan gegen den Säkularismus, der sich im Motu proprio „Ubicumque et semper“ angekündigt hat, und das nunmehr in der Koalition mit Protestanten und Moslems seine Fortsetzung findet. Wir sind sicherlich noch nicht am Ende der Aktionen angekommen und sollten genau beobachten, mit welchen Mitteln die Gegenseite den Kampf führt.

(16)

Da trifft es sich auch gut, dass Psychiater nun festgestellt haben, beim Atheismus handele es sich um eine schlichte Geisteskrankheit, verwandt dem Terrorismus derer, die den Koran nicht verstanden haben. Auch oder gerade, wenn Sie dieses

„Argument“ unbeschreiblich lächerlich finden sollten, versäumen Sie bitte nicht, sich darüber zu informieren. Systemfeinde als psychisch krank zu bezeichnen hatte schon in anderen Gesellschaftsformen Methode. Sind wir jetzt hier auch schon soweit?

Passend zum Thema (aus Atheist Cartoons):

(17)

Evolutionäre Erklärungen des Geistigen II

II. Bad Science

Unter Geistigem wollen wir hier Charakterisierungen von Lebewesen als Personen verstehen und damit dasjenige, was wir bereitstellen wollen, wenn wir das intentionale Handeln des Lebewesens aus Gründen sprachlich zu erklären beanspruchen. Psychisches, Psychologisches und Mentales sind damit die Hauptanwendungsfälle von Geistigem und offenbar hat Geistiges die wesentliche Eigenschaft, nicht an raumzeitlichen Koordinaten lokalisiert und in diesem Sinne abstrakt zu sein. Die These, die wir hier widerlegen wollen, lautet, daß

(T) der Bestand oder die Abfolge oder die Änderung einiger geistigen Zustände eine evolutionäre Erklärung hat.

Solche Widerlegungen sind auf verschiedenen Wegen möglich. Der hier beschrittene Weg will zum einen das Ergebnis liefern, daß eine Übertragung der oben gefundenen Bedingungen (A1)-(A9) und (G1)-(G3) Unsinn liefert und zum anderen, daß die ganze Idee evolutionärer Erklärungen des Geistigen auf einen irreführenden Bild von Evolution beruht und letztlich einfach schlechte Wissenschaft ist. Letzteres wird uns zugleich ein Beispiel für die in der Literatur [z.B. Philosophical Foundations of Neuroscience von James R. Davis, Max R.

Bennett und P. M. S. Hacker, 2003] im wesentlichen akzeptierte These an die Hand geben, daß die Schnittstelle zwischen Gehirn und Geist uns im Moment noch massive Rätsel aufgibt.

Wie kann man die These (T) widerlegen?

(18)

Was kann bei der Übertragung des Konzeptes der Evolution von Biologischem auf Geistiges passieren? Da Geistiges verschiedener Spezies mangels raumzeitlicher Lokalisierung nicht direkt in einer Konkurrenz um überlebenswichtige Resourcen stehen kann, kann man nur die Körper der den Geist erzeugen Gehirne dafür heranziehen und wer immer eine Variante von evolutionärer Psychologie oder Soziobiologie – oder wie immer solche Richtungen heißen mögen – vertritt, muß daher angeben, wie Geistiges von Physischem abhängt. Meistens wird ein modulares Modell des Geistes vertreten [1], nach dem die mentalen Fähigkeit sich auffassen lassen als eine Menge evolutionär entwickelter und interagierender Informationsverarbeitungssubsysteme, die Lösungen von historisch eingebetteten Optimierungsaufgaben beim Überleben in Konkurrenz zu anderen Spezies repräsentieren.

a). Ein möglicher Weg jeder Art EE von Geistigem das Wasser abzugraben, besteht darin, zu zeigen, daß selbst dann, wenn der Zusammenhang zwischen Physischem und Geistigen so schwach und lose wie möglich in der Theorie ausgelegt wird, er immer noch zu straff ist mit der Folge, daß sich Widersprüche innerhalb der Theorie konstruieren lassen. Hier ist das ausgeführt worden und obwohl meine Argumentation dort zweifellos verbesserungsbedürftig ist, halte ich die grundsätzliche Strategie nach wie vor für richtig.

b) Eine anderer Weg besteht darin, zu zeigen, daß evolutionäre Erklärungen von Geistigem es nicht vermeiden können, gegen (A9) zu verstoßen, weil die Kenntnis von Geistigem sich nicht auf die Kenntnis von zerebralen Zuständen reduzieren läßt. Diesen Weg habe ich ebenfalls hier beschritten und mir scheint diese Idee auch weiterhin einleuchtend zu sein.

c). Ein weiterer Weg, den wir in diesem post benutzen wollen, liegt in dem Nachweis, daß in evolutionionären Erklärungen von Geistigem (EEG) das in (A1)- (A9) und (G1)-(G3) skizzierte Verständnis gar nicht benutzt wird. Wenn also in EEG ein Begriff der Evolution vorkommt, dann ist er sui generis und ich werde die These stark zu machen versuchen, daß dieses neue Evolutionskonzept höchstens jämmerlich zusammengeklempnert und letztlich unbrauchbar ist. Wenn das nachgewiesen werden kann, dann sind EEG ganz einfach ein Fall schlechter Wissenschaft, weil die Apologeten von EEG einfach das Konzept von Evolution nicht verstehen.

Probleme mit Repräsentationen

(19)

Um die letzte Strategie zu verfolgen, betrachten wir:

(P1) Wir können uns zum einen historische Umstände G ausmalen und aus ihnen künftige psychische Zustände M voraussagen.

(P2) Wir können uns interessierende psychischen Zustände auswählen und fragen, ob sie evolutionäre Quellen haben.

Die These (P1) leidet daran, schon seit längerem empirisch widerlegt zu sein: Ein Trend in den Neurowissenschaften geht dahin, bestimmten mentalen Fähigkeiten lokale Gebiete im Gehirn zuzuweisen. Wenn man nun z.B mittels PET die Gehirne von Personen beobachtet, die alle dieselben Aufgaben lösen, dann sieht man zwar, daß in lokal nahe beieinander liegenden Arealen ähnliche Aktivitätsmuster vorhanden sind, aber es sind nicht dieselben Muster an denselben Stellen.

Zweitens ist bekannt, daß aufgrund der Plastizität des Gehirns nach Hirnläsionen andere Areale dieselben mentalen Fähigkeiten nach einer gewissen Zeit des Lernens übernehmen können. Auf der Mikroebene ist die Entkopplung mentaler von zerabralen Gehirnzuständen sogar essentiell, weil täglich Neuronen zugrunde gehen, ohne daß wir den Effekt auch täglich bemerken würden, weil andere Neuronengruppen die Aufgabe der ausgefallenen Neuronen übernehmen.

Soziobiologen können der Beweiskraft dieser Befunde nur ausweichen, indem sie behaupten, nicht die physiologische Gehirnarchitektur, sondern die Funktionen dieser Architektur seien vererbt. Damit verabschieden sie sich aber von explizit von (A1), (A2), (A6), (A9), (G1), (G2), (G3) und lassen offen, wie sie (A3), (A4) und (A5) erfüllen wollen. Die Strategie aus (P1) dennoch zu verfolgen, bedeutet daher implizit den Begriff der Evolution zu redefinieren, ohne daß der Sinn und Nutzen der neuen Definition transparent diskutiert werden würde. Außerdem gehört zu diesen Funktionen auch die Abfolge mentaler Zustände und es ist einfach falsch, daß für alle eineiigen Zwillinge gilt, daß sie unter denselben Bedingungen immer dieselben Meinungen haben, daß sie von einer Stimmung S1 immer in S2 übergehen und aus denselben Überzeugungen auch dieselben Folgerungen ziehen – das alles stimmt einfach nicht: die Psychen von genetisch identischen Personen sind variabel und nicht Kopien voneinander.

(20)

Da Tote zweifellos keine mentalen Zustände mehr haben können, scheint die Behauptung von (P2), daß mentale Zustände auf zerebrale Zustände irgendwie zurückgeführt werden können, prima facie vernünftig zu sein. Man kann nun, wie hier geschehen, darüber nachdenken, ob sich mentale Zustände auch wirklich auf zerebrale reduzieren lassen. In diesem post werden wir uns dagegen fragen, ob man von einem mentalen Zustand wissen kann, daß er auf einen zerebralen reduziert werden kann. Denn das Vorgehen in (P2) verlangt klarerweise, daß, wenn wir uns in einem mentalen Zustand M befinden, wir auf

eine nicht näher angegebene Weise mit Hilfe des nicht notwendigerweise sprachlich ausdrückbaren, aber M identifizierenden Inhalts p wissen, daß wir uns in einem zerebralen Zustand Z befinden, von dem wir hier einmal annehmen wollen, daß seine evolutionäre Entstehung in geeigneter Weise nachgewiesen wurde.Um den Zusammenhang von M und Z zu untersuchen, wollen wir nun folgendes definieren:

(D) Wir sagen, daß ein mentaler Zustand M irgendein x repräsentiert genau dann, wenn es entweder die Funktion von M ist, normalerweise Informationen von x zu übertragen bzw. von x verursacht zu werden, oder wenn M die Funktion hat, Informationen von x zu tragen, indem M von y verursacht wird. y ist dabei selbst kein mentaler Zustand.

(D) ist ein knifflige Sache, die sich aber gut an einem technischen Beispiel illustrieren läßt:

So wie der Zeigerstand eines Thermometers K die Außentemperatur T i.S.v. (D) repräsentiert, repräsentiert der vom Gehirn erzeugte mentale Zustand M den zerebralen Zustand Z. Daher entspricht der Zeigerstand von K dem Inhalt p von M und T dem Zustand Z.

Bei Thermometern leuchtet es uns unmittelbar sein, daß kein Zeigerstand von K den Repräsentationszustand R von K repräsentiert, nämlich z.B. die Tatsache, daß ein Zeigerstand von K eine Außentemperatur T repräsentiert. Denn nehmen wir einmal zusätzlich an, K sei mit einem Alarmsystem für niedrige Außentemperaturen gekoppelt. Dann ist klar, daß der Alarmzustand von K einen

(21)

Inhalt über den Zustand von K, nichts aber über den Repräsentationszustand R von K beinhaltet, denn es wird mit dem Alarm ja nichts über T induziert: Das Thermometer könnte auch kaputt gewesen sein. Übertragen wir diese Struktur nun auf Personen und mentale Zustände, dann folgt: Eine Person kann wissen, daß sie sich in M befindet, ohne deshalb auch ihrem Repräsentationszustand R kennen zu müssen.

Gehen wir jetzt zurück zu K und nehmen wir an, das Thermometer hätte ein Bewußtsein, dann gilt weiter, daß K nicht selbst entscheiden kann, ob sein Zeigerstand auf eine äußere Ursache, z.B. Z zurückzuführen ist oder nicht. K kann die Wirklichkeitreue seines eigenen Zustandes nicht mit Hilfe seines eigenen Zeigerstandes allein verifizieren, denn K kann nicht ohne weitere äußere Anhaltspunkte entscheiden, ob es kaputt ist oder nicht. Daher kann K so wenig die Wirklichkeitreue seines eigenen Zustandes überprüfen, wie eine Person die Wahrheit der Behauptungen einer Zeitung dadurch herausfinden kann, indem sie ihre Artikel zweimal ließt.

Übertragen wir diese Struktur von Repräsentation nun auf Personen und mentale Zustände, dann folgt insgesamt: In M zu sein, impliziert weder R zu kennen, noch erzählt R durch den Inhalt p von M, wie M via Z oder Z selbst zustandegekommen ist. Und daher kann (P2) niemals zu einer belastbaren evolutionären Erklärung führen. Selbst wenn wir demnach zugeben, daß es evolutionäre Einflüsse auf die Psyche des Menschen gibt – so unplausibel ist das ja gar nicht, wie Zwillingsstudien nahelegen – können wir nicht herausfinden, wo sie genau liegen:

Die Intransparenz des Geistes für sich selbst als eine der tieferen Quellen für all die Schwierigkeiten an der Schnittstelle von Gehirn und Geist wird von Soziobiologen, evolutionären Psychologen und anderen einfach unterschätzt.

Natürlich können Soziobiologen diesem Argument ausweichen und behaupten, daß es die mentalen Zustände als Quellen unserer Handlungen seien, welche uns z.B. im Pleistozän das Überleben sicherten, und die daher als einzige einer impliziten Selektion unterlagen. Aber dann verabschiedet man sich erneut vom obigen Evolutionsbegriff, in dem man wieder (A1), (A2), (A6), (A9), (G1), (G2), (G3) fallen und offen läßt, wie (A3), (A4) und (A5) erfüllt werden sollen.

Fazit

Mein Fazit aus dieser Analyse lautet daher: Obwohl es vernünftige und sicher

(22)

auch wahre evolutionäre Erklärungen z.B. für Anatomisches gibt, sind evolutionäre Erklärungen von Geistigem irreparabel unbrauchbar. Und wer dennoch ihre Richtigkeit beansprucht, demonstriert, daß er gar nicht merkt, von demjenigen dramatisch abzuweichen, was er vorgibt, angeblich so gut zu verstehen: der Evolutionstheorie.

[1] z.B. J. Barkow/ J.Tooby/ L. Cosmides: The Adapted Mind, Oxford 1992 ; J.

Tooby / L. Cosmides: Evolutionary Psychology and the Generation of Culture, Part I, in: Ethology and Sociobiology, vol. 10, pp. 29-49 ; J. Tooby / L. Cosmides:

Evolutionary Psychology and the Generation of Culture, Part II. Case Study: A Computational Theory of Social Exchange, in: Ethology and Sociobiology, vol. 10, pp. 51-97

Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen.

Weitere Arbeiten desselben Autors siehe hier.

Denk-Schrift I: Deutsche Politiker

Redaktion: Ich freue mich ganz besonders, dass mir Rolf Bergmeier die Genehmigung zum Abdruck seiner Denkschrift erteilt hat. Dies geschieht fast zeitgleich mit der Vorstellung seines neuen Buches

„Schatten über Europa“, das am 12.

Dezember 2011 im Humanistischen Pressedienst begleitet von einem Interview vorgestellt wurde.

(23)

Vor und während des Besuches Papst Benedikts XVI. ist viel über „christliche Werte“, „Leitkultur“ und vom Christentum als „Fundament europäischer Kultur“

gesprochen worden. Was führende Politiker zu diesen grundlegenden und die herausgehobene Stellung der christlichen Kirche im deutschen Staatswesen begründenden Thesen bisher haben verlauten lassen, ist mehr von religiösem Engagement als von Kenntnis über historische und kirchengeschichtliche Zusammenhänge geprägt. Die folgende Denk-Schrift will der vorherrschenden weltanschaulichen Betrachtung einen lesbaren, wissenschaftlich orientierten Text an die Seite stellen. Dem Wesen einer Denk-Schrift entsprechend ist der Umfang des Textes knapp bemessen. Interessierte Leser werden gebeten, sich mit Hilfe der auf der letzten Seite zitierten Literaturwerke zu informieren.

„Wer unser christliches Weltbild nicht akzeptiert, ist fehl am Platze“

Für die meisten Politiker scheint die Sache klar zu sein: Deutschlands „Werte“

sind christlich und weil sie göttlich sind, sind sie auch ewig. Ohne diese christlichen Werte werde der Gesellschaft der Boden unter den Füßen weggezogen. 47 Seiten hat die CDU-Wertekommission unter Leitung des damaligen rheinlandpfälzischen CDU-Chefs Christoph Böhr im Dezember 2001 zusammengeschrieben. Das Programm unter dem Titel „Die neue Aktualität des christlichen Menschenbildes“ wurde vom damaligen Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, mit den Worten vorgestellt: „Unsere Werte, die Fundamente, auf denen unsere Gesellschaft gebaut ist, sind heute und in Zukunft […] dieselben wie zuvor“.

Die CDU-Vorsitzende, Angelika Merkel, erklärte im Oktober 2010 auf einer Regionalkonferenz in Berlin-Brandenburg die spezifischen CDU-Werte: “Wir fühlen uns dem christlichen Menschenbild verbunden, das ist das, was uns ausmacht.” Wer das nicht akzeptiere, so meinte sie, der sei „bei uns fehl am Platz“ (Tagesspiegel, 15.10.2010). Damit setzt die CDU-Vorsitzende, die gerade Thilo Sarrazin wegen angeblich integrationsfeindlicher Tendenzen gerügt hatte, nicht auf kulturelle und politische Versöhnung, sondern auf religiöse Konfrontation. Wer nicht Christ ist, fliegt raus.

Ob das der CDU angesichts wachsender Kirchenaustritte und der hohen Zahl von Immigranten aus unterschiedlichsten Kulturkreisen bekommt, mag dahingestellt bleiben. Dem innenpolitischen Frieden dient dieses Programm sicherlich nicht.

Und der Freiheit des Denkens noch weniger, das ohnehin unter dem

(24)

Bombardement von Schlagworten („alternativlos“, „scheitert der Euro, dann scheitert Europa“) und dem überfallartigen Wechsel politischer Positionen bedenklich gelitten zu haben scheint.

Gerne vereinnahmen christliche Politiker auch die jüdische Kultur. Im Bemühen, eine gemeinsame Abwehrfront gegen den angeblich zerstörerischen Islam aufzubauen, wird die „christlich-jüdische“ Kultur zitiert, die es zu verteidigen gelte. Ein etwas eigenartiges Kulturkonglomerat, das da aus dem Hut gezaubert wird. Denn die Christen haben sich zweitausend Jahre lang eifrig bemüht, der jüdischen Religion und Kultur den Garaus zu machen. Und so wird dieser Versuch einer Vereinnahmung von den Juden auch strikt abgelehnt.

Die wenigen Beispiele zeigen bereits auf den ersten Blick einen religionstypischen Mangel an Nachdenklichkeit, eine bemerkenswerte Naivität der Argumentation und eine fahrlässige Verkürzung der Belegführung. Sehen wir uns also die Erklärungen an und beginnen mit der Prüfung der Behauptung, das Christentum sei der eigentliche Kulturträger des Abendlandes, sei „Europas Leitkultur“, bevor wir uns mit den „christlichen Werten“ beschäftigen.

Vom Fundament europäischer Kultur

"Das Christentum hat nahezu alles, was uns heute umgibt, geprägt" erinnert Bundeskanzlerin Merkel die Parteigenossen auf der besagten Regionalkonferenz.

Sie spricht damit aus, was viele denken, aber das sagt wenig. Denn es gibt auch eine negative Prägung.

Hitler und der Nationalsozialismus haben Deutschland auch geprägt, ohne dass wir uns dieser Zeit gerne erinnern. Es versteht sich, dass Frau Merkel in ihrem Bemühen, allem Christlichem eine positive Wirkung abzugewinnen, nicht die Leidensgeschichte Hunderttausender und die unverkennbar negative Wirkung des Christentums auf Wissenschaft und Forschung diagnostizieren mag. Noch weniger scheint die Physikerin die Bedeutung nicht-christlicher Kulturkreise für das „Abendland“ und deren wertebildenden Traditionen zu kennen.

(25)

Da wäre an erster Stelle die griechisch-römische Kultur zu erwähnen, der Europa fast alles verdankt, was tief und schön ist. Gleich ob die Antigone im Theater, der Codex Justinianum im Rechtswesen, der Lehrsatz des Pythagoras oder die Säulenarchitektur in der Baukunst, wir benutzen ein Erbe, das vor mehr als 2000 Jahren geschaffen und bis in das 4. nachchristliche Jahrhundert von „heidnischen“

Künstlern, Technikern und Wissenschaftlern fortentwickelt worden ist. Überall gab es damals beheizte Bäder, Brunnen, Fischteiche, Kanäle und Gärten.

Aquädukte und Tunnel führten das Wasser über elf Fernleitungen in die Stadt Rom und alleine diese Stadt hatte damals 28 öffentliche Bibliotheken und Dutzende von Musikhallen. Nahezu jedes Städtchen verfügte über Schulen, der gebildete Römer sprach zwei Sprachen und etwa die Hälfte der Bevölkerung konnte lesen und schreiben.

Dann aber versandet ab dem 5. Jahrhundert dieser Strom des Wissens und der Kultur. Innerhalb von wenig mehr als einem Jahrhundert verwahrlosen fast alle Erbstücke, die Griechen und Römer in Italien und Gallien, Spanien und Syrien, Schottland und Nordafrika hinterlassen haben. Verfügten die antiken Bibliotheken in Rom, Marseille, Alexandria oder Konstantinopel noch über jeweils mehrere hunderttausend Bücher, so quälen sich wenig später Reste von einigen hundert Büchern in das Mittelalter der Klosterbibliotheken hinein. Die Wasserleitungen verfallen, die öffentlichen Schulen bleiben leer, Medizin und Naturwissenschaften veröden, die Theater sind geschlossen, die Menschen verlernen das Schreiben und brauchen Übersetzer, wenn sie kommunale Verordnungen lesen wollen. Über das Abendland senkt sich das "finstere Mittelalter" herab.

Die Kirche zerstört die antike Kultur

Schuld an diesem Desaster sind nicht die Germanen, ist nicht die Dekadenz der Römer, wie man immer wieder hört. Sie tragen lediglich zur Heimsuchung bei, sind aber nicht die Hauptverantwortlichen. Die Trostlosigkeit hat einen anderen Namen: Christentum. Die tausendjährige antike Kultur ist untergegangen, weil christliches Alleingott-Denken die heidnische Toleranz gegenüber allen Göttern ablöst, weil die christliche Kirche mit den griechisch-römischen Göttern zugleich auch die antike Kultur des Imperium Romanum bekämpft, weil eine rational nicht

(26)

nachvollziehbare Diktatur der Wahrheit jedes alternative Denken zerstört, weil das jenseitszentrierte Himmel-Hölle-Bild diesseitiges Bemühen zum Tand erklärt und weil religiöse Fanatiker jegliches Denken außerhalb der Bibel als verwerflich denunzieren.

Das Unheil beginnt im Jahre 380 mit Kaiser Theodosius. Dieses Jahr ist ein Schicksalsjahr für Europa: Staat und Kirche verbünden sich in einer unheiligen Allianz zur Staatskirche, die die Macht erhält, ihre radikalen, diesseits- und menschenfeindlichen Vorstellungen in Politik umzusetzen. Die bisher heillos zerstrittenen Christen werden mit Hilfe von sechzig kaiserlichen Erlassen zu einer katholischen „Einheitspartei“ geordnet und bekommen damit die Möglichkeit, den Lehrsatz religiöser und geistiger Intoleranz zum Staatsziel zu erklären: Du mußt an den christlichen Gott glauben.

Diesem Missionierungsgedanken fallen fortan alle Kulturen von der antiken über die maurisch-spanische bis zu den Indio-Kulturen in Nord-, Mittel- und Südamerika zum Opfer. Wo immer das Christentum auftritt, es tauscht die bestehenden Kulturen gegen eine schmale, rein religiös orientierte Kirchenkultur aus. Während das römische Imperium die griechische Kultur aufsaugt und zur weltberühmten griechisch-römischen Kultur erweitert, während das islamische Bagdad und das maurische Spanien alle erreichbaren Kulturen von Indien bis zur jüdischen zu einer traumhaften Höchstkultur vereinen, gefällt sich das benachbarte Christentum zur gleichen Zeit in der Zerstörung aller nichtchristlichen Kulturen.

Dass die zerstörten Kulturen häufig, insbesondere im Falle der griechisch- römischen, der arabischen und der maurisch-spanischen der neuen christlichen Ideologie künstlerisch und wissenschaftlich weit überlegen sind, wird im frommen Trommelwirbel gerne überhört. Und es ist die überragende muslimische Kultur in Toledo, Sevilla und Cordoba, die zwischen 800 und 1200 als Parallelkultur auf die bedrückenden Defizite der christlich-mittelalterlichen Kultur hinweist. Sie wird in den Stürmen der christlichen Reconquista 1492 untergehen. Die verstoßenen Wissenschaftler und Künstler aber wandern aus und werden in Mitteleuropa das

„finstere“ Mittelalter beleben. Ihr Wissen und ihre Bücher werden die Wiedererweckung der Antike einleiten, die Renaissance. Aber die Freiheit bleibt kanalisiert, das Verbot, frei zu denken und ungebunden zu forschen, bleibt bei Todesdrohung weiterhin bestehen.

(27)

An Belegen für die kulturfeindliche Haltung der christlichen Kirche fehlt es nicht. Der bekannte christliche Schriftsteller Tertullian meint, „es sei besser, unwissend zu sein, um nicht kennen zu lernen, was man nicht soll“.

Tertullians Zeitgenosse, Tatian, lehnt in einer zügellosen Rede „An die Hellenen“ die gesamte g r i e c h i s c h e B i l d u n g a l s u n n ü t z u n d unmoralisch ab. Die antiken Philosophen seien Lärmer, Geschwätz und Rabengekrächze kennzeichne ihre Reden. Die Akademien seien

"Schwalbenzwitscherschulen" und die Arzneikunde käme aus einer

„Schwindlerwerkstatt“.

Es folgen weitere Kirchenführer, die gegen das „Philosophenvieh“ wettern.

Trächtige Säue“ seien sie, „Hunde, die zu ihren Auswürfen zurückkehren“, Dummköpfe, Fälscher, Giftspeier, Betrüger, Verrückte und Strauchdiebe. Einen schlechten Ruf bei Christen haben auch Mathematiker. Augustinus wendet in seinem „Gottesstaat“ ein ganzes Kapitel auf, um den Nachweis zu führen, dass die Mathematiker eine gegenstandslose Wissenschaft betreiben. Die systematische Erforschung naturwissenschaftlicher Phänomene wird als überflüssig betrachtet, da alle Naturereignisse, vom Erdbeben bis zum Blitzschlag, Gottes Wirken zugeschrieben werden. Naturereignisse seien Folgen seiner Pflicht, die Menschen zu strafen oder zu loben. Mit Geschichte brauche sich der Christ nicht zu beschäftigen, da das ganze Geschichts-Schriftentum durch die Heiligen Schriften widerlegt sei, die einen Zeitraum von 6000 Jahren Menschheitsgeschichte berechnet hätten. Selbst die Medizin wird abgelehnt, da die Kraft der Heiligen besser helfe. Von Baukunst, Staatslehre und Landwirtschaft brauche der Christ nichts zu wissen, es sei denn, um die betreffenden Stellen der Heiligen Schrift besser zu verstehen.

Parallel zur Vernichtung der Wissenschaften geht es der Kunst und den Schauspielen an den Kragen. Letztere seien Teil der weltlichen Irrtümer, verkündet Tertullian. Der „heilige“ Augustinus wettert gegen die Theater:

„Schaustellungen von Schändlichkeiten und Freistätten der Nichtswürdigkeit“

seien sie, „Fäulnis und Pest der Seelen“, „Unzucht“, „wollüstiger Aberwitz“. So schafft es die christliche Kirche, die großen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides und alle Komödien von den Bühnen verschwinden zu lassen. Statt

(28)

„Ödipus“ und „Antigone“ sind nunmehr Jesus und Maria Magdalena Gipfelpunkte der Dramatik.

Am verheerendsten aber wirkt sich die Austrocknung und Schließung der öffentlichen Schulen aus. Im 6. Jahrhundert sind alle öffentlichen Schulen geschlossen. Eine ganze Region von den Pyrenäen bis zum Bosporus, von Friesland bis Sizilien verlernt das Lesen und Schreiben. Während im Imperium Romanum mehr als die Hälfte der Bevölkerung lesen und schreiben kann, wartet das Mittelalter mit neunzig Prozent Analphabeten auf.

Erst ab dem 13. Jahrhundert wird sich das „finstere“ Mittelalter langsam wandeln, vorsichtig, weil es sich niemand erlauben kann, mit der Kirche zu verderben. Die Gründe für die vorsichtige Neuorientierung liegen außerhalb des Christentums (Byzanz, Spanien, Sizilien), auch wird der Wandel durch eine dramatisch verschärfte Gehirnwäsche (Inquisition) begleitet. Aber das ist ein anderes Thema.

Das neue christliche Welt- und Menschenbild Drei radikale Lehrmeinungen bewirken

das Desaster, das „finsteres Mittelalter“

genannt wird: Neben dem Missionsbefehl

„Geht hinaus in alle Welt“, der, meist von wenig Gebildeten umgesetzt, selten auf Dialog als vielmehr auf die geistige Bevormundung „Verstockter“ (Exodus 7,13) bis hin zur Zwangstaufe setzt, sind das Dogma vom Menschen als einem

„verlorenen Sünder“ und die Theorie vom Gericht Gottes, dessen unbarmherzige Strafen in düstersten Farben ausgemalt werden, Basis eines völlig neuen Weltbildes, das zum eigentlichen Ausgangspunkt des Kultureinbruchs wird.

Geburtshelfer sind zwei Männer: Paulus und Augustinus. Der erste aus dem ersten Jahrhundert, der zweite aus dem vierten/fünften Jahrhundert. Ihre teils grotesken Lehren beherrschen bis heute das Christentum.

Paulus, kurz nach dem Tode Jesu von göttlich-greller Erleuchtung getroffen, „ein Licht warf mich auf den Boden“, wird über Nacht vom christenverfolgenden Saulus zum bekennenden Paulus. Diese paulinische „Erleuchtung“ ist in der

(29)

Medizin nicht unbekannt. Eine solche sprunghafte Reaktion wird als Symptom einer Übersteigerungen normalen Erlebens diagnostiziert, verbunden mit Wahnbildung und optischen oder akustischen Halluzinationen. Gelegentlich kommt der Betroffene zu dem Schluss, von Außerirdischen oder Geistern aus dem Jenseits beobachtet zu werden. Im Falle eines krankhaften Verlaufes besteht für den Betroffenen eine unerschütterliche Gewissheit, dass das wahnhaft Erlebte tatsächlich geschehen ist. Diese Symptome faßt die moderne Medizin unter dem Begriff der Schizophrenie zusammen. Paulus also hört Stimmen aus dem Universum „warum verfolgst Du mich?“, geht in die Wüste, erkennt das Jenseits und gilt bei Nietzsche daher als Erfinder des Christentums. Dieser Paulus klagt die Menschheit an: Der Glaube an sich selbst sei böse, ebenso das Freiheitsgefühl. Stolz sei die größte Sünde. Im übrigen sei den Armen im Geiste das Himmelreich.

Jahrhunderte später macht Augustinus, der nach einer gleichermaßen geheimnisvollen „Bekehrung“ zunächst Frau und Kind in die Wüste schickt, sich dann eine Konkubine zulegt, dem Menschen endgültig seine antike Würde streitig. Der nordafrikanische Bischof legt mit seinen Schriften ein spekulatives, teils anspruchsvolles, teils kindliches Palaver über Glaube, Liebe, Hoffnung, Schuld und Sühne vor. Seine philisterhaften Streitschriften gegen den freien, schöpferischen Menschen sind in ihrer nihilistischen Abwertung allen menschlichen Bemühens und in der entwürdigenden Selbsterniedrigung des Menschen in der Weltliteratur einzigartig. Unter Umgehung sämtlicher Einwände hinsichtlich der Erkennbarkeit des Unendlichen torkelt Augustinus trunken durch eine rabenschwarze, selbst inszenierte Scheinwelt und berichtet Seltsames über die Architektur des Himmels, über Fegefeuer und Hölle, Auferstehung und Qualen.

Sein wohl berühmtestes Werk, der Gottesstaat, ein Brocken von 22 Bänden, entwirft ein zutiefst pessimistisches Bild vom Leben, das mehr einem Sterben gleicht als dem Leben. Thematisch und chronologisch wild hin- und herspringend zwischen römischer Geschichte, schändlichen Schauspielen, Sittenverderbnis, Beschimpfung antiker Philosophen und Zitaten aus dem Alten Testament, verblüfft Augustinus den Leser mit einem Bacchanal fabelhafter Einsichten in das Jenseits. Von dieser Himmelsschau haben sicherlich seine Betrachtungen über Adam und Eva, deren Ursünde, der daraus abzuleitenden Sündhaftigkeit der Menschen und der Übertragung der Erbsünde durch die Sexualität den größten

(30)

Unterhaltungswert, aber auch die weitreichendste Bedeutung. Denn Sexualität ist selbstredend abzulehnen. Sie ist offensichtlich dem Tierischen zuzuordnen. Dies äußere sich darin, daß die Zeugung nicht ohne ein gewisses Maß an tierischer Bewegung erfolge. Da die Sünde Adams durch die Libido übertragen werde, sei diese der Grund für die Übertragung der Ursünde. Folglich sei Sex mit Lust verwerflich. Lediglich unter drei Voraussetzungen toleriere Gott die Geschlechtlichkeit als fahrlässige Sünde: Der Geschlechtsakt müsse erstens innerhalb der Ehe, zweitens ohne Lust und drittens mit der Absicht der Kinderzeugung erfolgen. Am nahesten bei Gott seien jedoch die Männer und Frauen, die sich dem anderen Geschlecht verweigerten.

Augustinus weiß auch zu berichten, wie es nach dem Tode zugeht: Es gebe zwei Auferstehungen, eine der Seelen und eine der Körper. Frauen behielten nach der Auferstehung zwar ihre Geschlechtlichkeit bei, das sei aber kein Problem, denn die weibliche Geschlechtlichkeit“ sei fortan „über Beilager und Geburt“ erhaben.

Geschnittenen Haare und Nägel würden dem Auferstehenden nicht verloren gehen, es sei denn, sie wirkten entstellend. Nebenher sichtet er die menschlichen Laster, ordnet sie in einer Stufenfolge, analysiert die Bedeutung des siebten Tages für Gott und widmet sich den „aetherischen und durchsichtigen“ Engeln, die Gott von Angesicht zu Angesicht schauen können. Von Elfen und Trollen weiß Augustinus allerdings nichts zu berichten.

Warum Augustinus den Ehrentitel „größter Philosoph“ erhalten hat, warum die zentrale Würzburger Augustinforschung in den Rang eines universitären „An“- Institutes erhoben worden ist, bleibt völlig undurchsichtig. Augustins Lehrsatz

„Der Glaube geht der Erkenntnis voraus“ öffnet den irrsinnigsten Spekulationen alle Scheunentore. Mit Philosophie hat das ebenso wenig zu tun, wie der wolkige Unsinn von Papst Gregor I., der die augustinische Sicht in das ferne himmlische Geschehen damit erklärt, dass es einigen Seelen zuweilen gestattet sei, den Körper zu verlassen und unter Führung eines Engels das Jenseits zu besuchen, um anschließend wieder in den irdischen Körper zurückzukehren und den übrigen Erdenbewohnern von der anderen Welt zu erzählen.

Fortsetzung folgt…

Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen.

(31)

Weitere Arbeiten desselben Autors siehe hier.

„Geisteskrankheit des Atheismus“

Zum gesunden religiösen Leben gehören komische Kopfbedeckungen. Nachdem die Atheisten nun mal keine komischen Hüte tragen und ihren Verstand nicht beschneiden, fasste der Träger eines Biretts (Pfarrerhütchen mit Bommel) dies Manko in das Wort von der atheistischen Geisteskrankheit. Logo, keine Bommel, kein Geist, oder? Der HABO-Sprecher Dennis Riehle (Web, Blog) war möglicherweise ein kleines bisschen beleidigt, als er die folgende Pressemitteilung dagegen verfasste (2.7.):

Humanistische Alternative verurteilt Wortwahl von Parzany

Früherer „ProChrist“-Redner sprach von „Geisteskrankheit des Atheismus“

Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) hat die Wortwahl von Pfarrer Ulrich Parzany, bekannt als Hauptredner bei den sogenannten „ProChrist“- Veranstaltungen, heftig kritisiert. Im Vorfeld eines Events führte er aktuell aus, dass „Westeuropa und Nordamerika die einzigen Teile der Welt“ seien, „in denen die Geisteskrankheit des Atheismus“ herrsche. HABO-Sprecher Dennis Riehle verurteilte diese Darstellung und machte deutlich, dass der Respekt vor der Religionsfreiheit eine derartige Verunglimpfung einer Weltanschauung nicht erlaube: „Dass sich Parzany mit seinen Aussagen auf gleiche Stufe mit denjenigen stellt, die ihn und andere konservative Christen angehen, zeugt von wenig Größe“.

(32)

Riehle spielt darauf an, dass auch in vereinzelten säkularen Kreisen der religiöse Glaube als „Geisteskrankheit“, als „Schizophrenie“ oder „Wahnvorstellung“

bezeichnet wird: „Weder sind solche Behauptungen wissenschaftlich haltbar, noch bringen sie einen Dialog der unterschiedlichen Ansichten weiter“, so die HABO. Riehle fordert aber auch, den weiteren Angriffen von Parzany nicht ohne entsprechende Gegenrede standzuhalten. Der Pfarrer hatte in seinen Formulierungen ebenso vorgebracht, dass es sich mit dem Glauben wie mit einem Gebäude verhalte. Atheisten, aber auch Astrologen und Esoterikern warf er vor, kein Fundament in ihrem „Lebenshaus“ zu haben. Die einzige Basis könne nach seiner Meinung Jesus Christus sein.

Der HABO-Sprecher entgegnet: „Der Alleinstellungsanspruch, den Parzany hier für die christliche Lehre als alternativlos artikuliert, spricht für eine gefährliche Überheblichkeit. Wer andere Lebensgrundlagen als die einer einzigen Religion verteufelt, kann sich wahrlich nicht als Friedensstifter verkaufen, wie es der passionierte Redner in seinen früheren Auftritten gerne tat. Gleichzeitig spricht Parzany aber eine Wunde an, auf die gleichsam Atheisten nicht selten mit Polemik statt Überzeugung eingehen: Wer den Glauben an Gott ganz legitim verneint, wird sich selbst die Frage nach Inhalten seines Lebens stellen müssen. Hier haben verschiedene Strömungen der ‚säkularen Szene‘ bis heute keine stichhaltigen Argumente geliefert“, stellt Riehle abschließend fest.

Dennis Riehle, Sprecher

Humanistische Alternative Bodensee

Säkular-humanistischer Zusammenschluss

Sprecher: Dennis Riehle, Nicolas Kienzler (Stellvertreter), Manuel Oexle (Stellvertreter)

Psychoanalyse von Rainer Maria

(33)

Rilke

N i e m a n d i s t s i c h e r v o r d e n Psychoanalysen des Frank Sacco, Doktor der Medizin. In den bisherigen Analysen klang Rilke schon an, "auch Rilke spricht vom Gift, vom giftigen Abendmahl". Sacco bemüht ein Sonett zu dem Thema; und die Freundin Lou. Wer akls nächstes drankommt? Wie wär's mit Goethe, Shakespeare, Kant? Vielleicht auch Merkel, Obama, Putin? Um mit Sacco zu sprechen: Uff, ganz viel Arbeit. (Bild:

Sacco).

Rainer Maria Rilke, geb. 1875

Psychoanalyse von Frank Sacco, Autor des Buches das Sacco-Syndrom

Rilkes Leben war ein Leben in seiner Zeit. Seine Mutter war noch konservativ fromm. Maria nannte sie ihren Sohn und hat ihn als Sohn vielleicht zunächst abgelehnt. Sie hatte sich eine Tochter gewünscht. Jedenfalls steckte sie ihn gleich in Mädchenkleider. Die Zeit brach aber gerade um und wurde in wenigen Jahren – im Gegensatz zu der unsrigen mittelalterlichen – fortschrittlich und aufgeklärt.

Rilke und seine Zeit (Freud, Schopenhauer, Nietzsche) bekämpften mutig einen konventionellen Glauben, aufgezwungen von einer gewissenlosen Kirche. Einen Glauben, der nach dem Analytiker Tilmann Moser „millionenfach“ in ein Sacco – Syndrom mündet.

Zwangsläufig resultierten, indem diese kinderunfreundliche Religion oder deren

„Gott“ niedergekämpft wurden, Schuldgefühle gröberer Art bei sensitiven Charakteren. Die Ausnahme in dieser Richtung stellte Schopenhauer dar. Analog den Sekten verstehen es die großen Religionen nämlich, innerseelisch Austritts- und Kritikverbote zu etablieren. Da ist man sehr geschickt. Im Jahr 2012 stellten die katholischen Bischöfe Folgendes klar: Wer Austritt und nicht mehr einzahlt, bekommt nicht mehr die Beichte abgenommen, die aber nach der Lehre notwendig ist, um nach gewissen „Sünden“ nicht in die Hölle zu kommen. Wem

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In der alltäglichen Kriminalarbeit ist es aber ganz anders: «Da gibt es keine Garantie, dass derTäter immer gefasst wird», hält Kriminalkommissär Peter Gill fest, «wobei

Wie die Sache auch immer ausgehen mag, sowohl für die gesamte Bauindustrie wie auch – wieder einmal – für die.. Deutsche Bank wird ein ge- waltiger Imageschaden auf-

Für Ärzte, die an einer Mitarbeit in der humanitären Hilfe interessiert sind, sich aber noch keiner Organisati- on anschließen wollen, ist eine Aus- bildung im Vorfeld eines

Bei doppel- seitiger Klotzanordnung wird einseitige wagerechte Radreifenbelastung ’ vermieden, wodurch die Flächenpressung zwischen Klotz und Rad-' reifen vermindert wird..

Auch wenn der Mörder die Arzt- ausbildung in fünf bis sechs Jahren erfolgreich abschließen sollte, ist nicht sicher, dass er in Schweden als Arzt praktizieren darf: „Mit dem Wissen,

„Wenn Ärzte töten“ ist eine gute Gelegenheit, Robert Jay Lifton und seine

7 Es ist gerade an solchen Stellen von großer Wichtigkeit, weitere Texte in die Unterrichtseinheit miteinzubeziehen, sodass kein einseitiges Bild entsteht sowie

Chromatografie wird in der Chemie ein Verfahren genannt, das die Auftrennung eines Stoffgemischs durch dessen Verteilung zwischen einer stationären und einer mobilen Phase