Ubungsaufgaben komplexe ¨ Wechselstromrechnung
Kamal Abdellatif, Philip Geißler 27. September 2020
Impendanz-, Strom, Spannungs-, Leistungs- und Arbeitsrechnung Aufgabe I: Wirkleistung Motor
Ein Elektromotor kann im Ersatzschaltbild als Reihenschaltung von einer Spule mit Induktivit¨atLMotor und eines WiderstandesRMotor dargestellt werden. Der Motor habe 1 kW Wirkleistung bei Ueff = 230 V und f = 50 Hz. Was ist die maximal m¨ogliche Induktivit¨atLMotor des Motors und welchen Widerstand RMotor w¨urde dies erzwingen?
Vergleiche den Wirk- mit dem Blindwiderstand.
L¨osung I: Wirkleistung Motor
Peff= 1
2UˆIˆRe(R+XL)
|R+XL| = Uˆ2 2
Re(R+XL)
|R+XL|2 = Uˆ2 2
R R2−XL2
R1/2= Uˆ2±
qUˆ4+ 16Peff2 XL2 4Peff
Da XL2 negativ (oder 0) ist, gibt es 2 m¨ogliche Motorwiderst¨ande f¨ur geringe Indukti- vit¨aten. F¨ur steigende Induktivit¨aten n¨ahren sich diese aneinander an, bis sie bei der Grenzinduktivit¨at denselben Wert wiedergeben. F¨ur noch h¨ohere Induktivit¨aten exis- tieren keine Widerst¨ande mehr, welche die angegebene Wirkleistung erzielen. Warum nicht? Um die Grenzinduktivit¨at zu erhalten, setzen wir den Radikanten also gleich 0.
0= ˆ! U4+ 16Peff2 XL2 R1/2=
Uˆ2±√ 0 4Peff =
Uˆ2
4Peff =⇒ XL=
Uˆ2
4Peffi =R1/2i
Im Grenzfall sind Blind- und Wirkwiderstand also gleich. Nun k¨onnen wir schließlich
Aufgabe II: Motorkompensation
Selbes Motorkonzept, anderer Motor. Der Wirkwiderstand RMotor sei 10 Ω. Man habe nun die M¨oglichkeit, ein weiteres passives Bauteil parallel zum Motor zu schalten, um die Blindleistung der Gesamtschaltung zu minimieren. Welches Bauteil sollte man w¨ahlen und wie verh¨alt sich dessen Kenngr¨oße in Abh¨angigkeit von LMotor. Man berechne die Kenngr¨oße explizit f¨urLMotor = 100 mH undf = 50 Hz.
L¨osung II: Motorkompensation
XR,L=R+ iωL
Z =XR,LkXX = 1
1
R+iωL+ X1
X
R L
XX
Wir k¨onnen versuchen, den Gesamtblindwiderstand gleich 0 zu setzen. Denn sollte dies m¨oglich sein, so haben wir mit Sicherheit den Blindwidersatnd minimiert.
Re(Z) =Z = 1
1
R+iωL+X1
X
= 1
XX+R+iωL XX·(R+iωL)
= XX ·(R+ iωL) XX+R+ iωL
Hier ergibt sich die triviale L¨osung, XX = 0 Ω zu setzen. Dies entspricht aber einer Parallelschaltung mit einem Kurzschluss, ¨uber welchen logischerweise jeder Strom fließt (keine Resonanz). Da der Motor dadurch aber nutzlos wird, schließen wir diese L¨osung aus und bringen den Bruch auf einen reellen Nenner.
iωLXX+RXX
R+ (iωL+XX) = iωLXXR−iωLRXX −RXX2 R2−(iωL+XX)2
| {z }
Realteil
+R2XX+ω2L2XX −iωLXX2 R2−(iωL+XX)2
| {z }
Imagin¨arteil (reeller Nenner)
=⇒ 0 =R2XX +ω2L2XX −iωLXX2 ωL·XXi =R2+ω2L2
XX =−R2+ω2L2
ωL i =⇒ Im(XX)<0 Ω
Das kompensierende Bauteil sollte also kapazitiv sein. Einsetzen der vorgegebenen Gr¨oßen liefert
XC =−(10 Ω)2+ (2π·50 Hz)2(100 mH)2
2π·50 Hz·100 mH i≈ −34.6iΩ C= −i
ωXC = 1
2π·50 Hz·34,6 Ω ≈92µF
Aufgabe III: Kenngr¨oßen des kompensiertenRC-Spannungsteilers Ein Spannungsteiler aus zwei Widerst¨anden
mit den Widerstandswerten R1 und R2 wird mit einem Kondensator CL im Wechselstrom belastet. Zu diesem Zeitpunkt sei die Kapazit¨at CR des Regelkondensators noch 0, praktisch ein offener Schalter. Wie sehr bricht die Ausgangs- spannung in Abh¨angigkeit der Kreisfrequenz ein [f(ω) :=Ua(ω)/Ue]?
Ue R1 Ua
CL CR
R2
Welches Verhalten l¨asst sich beobachten, wenn man nunCR so ausw¨ahlt, dass CRR1 = CLR2 gilt?
L¨osung III: Kenngr¨oßen des kompensiertenRC-Spannungsteilers
Die Gesamtschaltung bleibt weiterhin ein Spannungsteiler, nur nun mit einer Parallel- schaltung aus Kondensator und Widerstand. Insofern kann man die ¨ubliche Spannungs- teilerformel verwenden.
Ua= R2kXCL
R1+ (R2 kXCL) R2 kXCL = R2·XCL R2+XCL
Definieren wir uns nun die normierte Frequenz ΩL = ωR2CL, so k¨onnen wir uns die Ausgangsspannung in einigen Grenzf¨allen f¨ur ω approximieren, um ein Gef¨uhl f¨ur das Verhalten der ¨Ubertragsfunktion zu bekommen.
R2 kXCL =
R2
iωCL
R2+iωC1
L
= R2
1 + iΩL
≈
R2 f¨ur ΩL1
R2
1+i f¨ur ΩL= 1 XCL f¨ur ΩL1
=⇒ Ue
Ua
≈
R2
R1+R2 f¨ur ΩL1
R2
(1+i)R1+R2 f¨ur ΩL= 1
XCL
R1+XCL f¨ur ΩL1
F¨ur niedrige Frequenzen arbeitet der kapazitive Spannungsteiler wie ein ohmscher, f¨ur große Frequenzen ω−1 R2CL sinkt die Ausgangsspannung wie beim Tiefpass 1.Ord- nung, mit der Grenzkreisfrequenz (R2CL)−1. Setzen wir nunCRR1 =CLR2, so wird auch die erste Teilimpedanz des Spannungsteilers komplex. Wir definieren zus¨atzlich noch ΩR=ωR1CR zur Vereinfachung der folgenden Formeln und bemerken ΩL= ΩR=: Ω.
Ue
Ua = R2 kXCL
(R1 kXCR) + (R2 kXCL) =
R2
1+iΩL
R1
1+iΩR +1+iΩR2
L
Aufgabe IV: Leistungskosten
Energieversorger rechnen f¨ur Privatkunden nicht Blind- und Wirkleistung getrennt ab. Stattdessen wird von einer ohmschen Belastung ausgegangen und Energie (p = 31,5ct/kWh) ¨uber die approximierte Leistung ˜P =UeffIeff berechnet. Angenommen man hat in seiner Wohnung RLast = 100 Ω einen KondensatorschrankC= 1 F parallel ange- schlossen. Wie viel zahlt man dann j¨ahrlich zu viel an den Energieversorger? (Annahme:
Blindleistung eigentlich kostenlos, da keine Energie verloren geht.)
L¨osung IV: Leistungskosten
Uber die Impedanz erh¨¨ alt man sowohl die Effektive Leistung, als auch den Scheinwider- stand, aus welchem man die Scheinleistung erh¨alt. Diese muss man dann nur noch mit der Zeit und dem Preis multiplizieren um die j¨ahrlichen Kosten zu erhalten.
Z =RkXC = 1
1
100 Ω + i2π·50 Hz ≈(10−6−3·10−3i)Ω Peff =
UˆIˆ 2
Re(Z)
|Z| =Ueff2 Re(Z)
|Z|2 ≈5,290 kW Wirkleistung
P˜ =UeffIeff=Ueff2 1
|Z| =Peff |Z|
Re(Z) ≈16,62 MW Scheinleistung j¨ahrl. Kosten = ˜P·T·p= 16,62 MW·31,54 Ms·31,5ct/kWh≈45,85 Mio.e
Extrakosten = ( ˜P −Peff)·T·p= 16,61 MW·31,54 Ms·31,5ct/kWh≈45,86 Mio.e Ganz sch¨on teuer.
Konzeption komplexer Wechselstrom Aufgabe I: Effektive und Exakte verrichtete Arbeit
Ab welcher L¨ange eines 1 MHz Signales ¨uber ein RC-Reihenglied (100 Ω, 10 nF) weicht die effektive Arbeit nur noch maximal ein Promille von der genauen Arbeit ab?
L¨osung I: Effektive und Exakte verrichtete Arbeit
Berechnen wir die Impedanz des Reihengliedes, so k¨onnen wir aus dieser auf die exakte und effektive Leistung schließen und daraus dann die Arbeit erhalten.
X = (100−100i)Ω Peff = 1
√2·2·UˆIˆ Pexakt= sin(2π·1 MHz)·sin
2π·1 MHz +π 4
·UˆIˆ Weff =Pefft= UˆIˆ
√2·2t Wexakt= UˆIˆ·t
√2·2 −cos(4 MHz·πt) + sin(4 MHz·πt)
√2π·8 MHz ·UˆIˆ
Weff−Wexakt Weff
= cos(4 MHz·πt) + sin(4 MHz·πt)
√2π·8 MHz
√2·2
t = sin π4 + 4 MHz·πt
√2πt·2 MHz
≤ 1
√2πt·2 MHz
=! 1 1000
=⇒ tAbw≈ 1000
√2π·2 MHz = 1 ms 2√
2π ≈113µs
Man sieht, dass die effektive Arbeit bei solchen Frequenzen sehr schnell sehr genau der exakten Arbeit entspricht und sich immer weiter mit 1/t relativ gegen die exakte Ar- beit ann¨ahert. Was gegebenenfalls auff¨allt, ist dass die exakte Leistung zwischenzeitlich negativ ist. Dies l¨asst sich dadurch erkl¨aren, dass die Schaltung die vorher elektrisch gespeicherte Arbeit (von dann, wenn Pexakt > Peff) wieder abgibt, und damit insgesamt kurzzeitig Energie abgibt.
Aufgabe II: Nichtnegativer Wirkwiderstand
Jedes einzelne passive Bauteil hat einen nichtnegativen Wirkwiderstand. Aus der Ab- geschlossenheit der komplexen Zahlen unter Addition und Inversion folgt, dass auch Kombinationen von Reihen- und Parallelschaltungen nichtnegative Wirkwiderst¨ande be- sitzen, da die Gesamtimpedanz von diesen nur durch Inversion und Addition aus den Einzelimpedanzen berechnet werden kann.
Z1+Z2 = (R1+R2) + (I1+I2)i =⇒ Re(Z1+Z2) =R1+R2>0 1
Z1 = R1−I1i
R21+I12 =⇒ Re 1
Z1
= R1
R21+I12 >0 Man beweise, ob/dass dies auch f¨ur allgemeine Zweipolschaltungen (wie z.b. die H- Br¨ucke) gilt.