Die Bharata-Sage.
Erster Theil.
Von Ernst Lenmann.
Der Orden der brähmanischen Mönche hat als solcher
nie zu einer so scharfen Begrenzung wie derjenige der Buddhisten
oder der Jinisten gelangen können. Seine Mitglieder waren eben
ursprünglich nur brahmanische Greise , die sich dem Leben im
Walde zuwandten, ohne desshalb mit dem Stande, dem sie an¬
gehörten, irgendwie zu brechen. So kommt es, dass sie sozusagen
keine besondere Literatur besitzen , sondern höchstens Nachträge
zum Veda — eine Anzahl von Üpanishad-Texten — ihr
eigen nennen dürfen. Diese, in der ältem Zeit ') wesentlich bloss
von pantheistiscben Speculationen getragen , geben zudem erst
späterhin *), und zwar in sehr schwankender Weise , Vorschriften
darüber, wie der brahmanische Mönch sich vom brähmanischen
Laien zu unterscheiden habe. Wer irgendwie, ohne aus dem bräh¬
manischen Religionsverbande ausgetreten zu sein , sich der Askese
befleissigt, wird darnach gewissermassen ohne Weiteres zum bräh¬
manischen Mönch; nach dem Wandern (pari-vraj) und dem
Dreistock (tri-danda) wird er in der Regel Parivräjaka oder
Tridandin genannt, und die rothe Kleidung *) trägt ihm bei den
Jinisten auch den Spottnamen „Röthel ' *) ein.
Ihm gegenüber steht zunächst als eine ebenso unbestimmte
und vielartige Erscheinung der aus irgend einem andem als dem
1) In BrArUp. etc.
2) In Samnyäsa-, Äruneya-, Paramahansa-, Jäbäla-, Kafha- (oder Kan^ha- sruty-), und Asrama-Up.; alle mit Ausnahme der letzten herausgegeben von Rämamaya Tarkaratna in der Bibliotheca Indica unter dem Titel The Ätharvanä Upanishads, New Series fasc. 249. 265. 276. 282. 305.
3) käshäya-väsäh (adj.) SatnnyUp. 3; dhäu-rattS (dhätu-raktä , seil. sätikB) im Jaina Canon an vielen Stellen, z. B. Bhag. II, 1 (Weber Fragment der Bhag.
p. 255); Aupap. § 86.
4) geruya (gairika) ; dafür auch die neutrale Bezeichnung rattapada (rakta- pafa), die nach sveta-pafa (= Svetämbara) gebildet ist.
Bd. XLVIII. 5
Brahmanenstande hervoi-gegangene Mönch, der schlechthin Asket
genannt wird und wegen der blossen Befolgung von Gelübden ^)
im Allgemeinen als ein Büd der Unwissenheit gilt.
Von diesem wie vom Tridandin unterscheiden sich gleich¬
mässig durch die Geschlossenheit der Ordensgemeinschaft wie durch
literarische Selbständigkeit die Anhänger der drei reformatorischen Religionen Indiens, der B u d d h i s t , der Jinis t und der Äji vika
oder Gosälist. Mit der Religionsgenossenschaft der Äjlvika sind
auch ihre Ueberlieferungen untergegangen, und deren einstiges
Vorhandensein ist nur noch zu erschliessen aus jinistischen und
buddhistischen Andeutungen über Theorien, die in denselben zur
Darstellung gekommen sein müssen. Noch im frühen Mittelalter
aber scheint Gosäla's Secte von hinreichender Bedeutung gewesen
zu sein, um mitgenannt zu werden in einer Halbstrophe des Nisitha¬
bhäshya (Xm, 163a), welche seit dem 9. Jahrh. in verschiedenen
Jaina-Texten (Kalpa-c. 1 , 684, dann bei Sllänka und Andern ^) )
citirt wird und also lautet:
Nigganthä Sakka Tävasa Geruya Äjlva pancabä samanä
„Es giebt fünferlei Mönche : Jinisten, Buddhisten, Asketen, Röthel und Gosälisten'.
So spärlich nach dem Vorhergesagten das ist, was man Pari-
vräjaka-Literatur nennen könnte, wir finden doch Bharata darin
erwähnt und zwar in einem Zusammenhange, der für unsere Studie
über das mit jenem Namen verknüpfte Erzählungsgebiet als Aus¬
gangspunkt gewählt zu werden verdient. Mit Bharata zusammen
werden nämlich in der Jabäla-Upanishad^) noch mehrere
andere als der Sage entnommene Beispiele von Paramahaftsa-
Mönchen aufgezählt. Paramahaüsa , „Oberschwan", bezeichnet den
auf der höchsten Stufe der Weltentsagung stehenden Parivräjaka-
Mönch. Was dieses Ideal gewesen sei, zeigt folgender (auch in der
Asrama-Up. stehender, daselbst aber, weü keine Namen vorhergehen, präsentisch zu übersetzender) Zusatz, den wir durch zwei Parenthesen verständlicher machen:
Ohne besondere Abzeichen (während der gewöhnliche
Parivräjaka ausser dem Dreistock noch dieses oder jenes brah¬
manische Kleidungsstück, Utensil oder Symbol beibehielt), ohne
die (für den gewöhnlichen Parivräjaka in grösserem oder geringerem
Umfang verbindlichen) Regeln der Lebensweise zu be¬
folgen, lebten sie wie Verrückte ohne es zu sein.
Die Namen sind folgende:
1. Samvartaka 2. Aruni Svetaketu 3. Durväsas 4. Rbhu
5. Nidägha 6. Jada-Bharata 7. Datt'Ätreya 8. Raivataka.
1) Vgl. Aupap. § 74.
2) Ind. Stud. XVI, 381 n. 1.
3) An der von Weber in Ind. Stüd. II, 76 f. Ubersetzten Stelle.
Da der Text den Ausdruck ,und Andere" hinzufügt, so ver¬
vollständigt der Commentar die Reihe noch mit den beiden vreiteren
Namen 9. Paksha 10. Vrshabhadeva.
Er bemerkt im Uebrigen , dass diese Männer alle aus den
Puränen bekannt seien. Hiemit erfahren wir denn, was unsere
Untersuchung vollauf bestätigen wird, dass auch in manchen Theilen
der Puräna-Literatur und — wie wir beifügen mögen —
selbst im Mahä-Bhärata sich Parivräjaka-Traditionen erhalten
haben. Anstatt also bei einer nähem Beschäftigung mit dem bräh¬
manischen Mönchthum den geringen Umfang der Ueberliefemngen
bedauern oder Verlorenes betrauern zu müssen , handelt es sich
vielmehr darum , Verstreutes zu sammeln , aus der weitschichtigen
brähmanischen Literatur — bekanntlich liefern , wenigstens hin¬
sichtlich der Regeln für die Lebensweise, auch die Dharma-sütren
und Dhar ma - sästren sowie verschiedene Smj'ti-Texte nennens¬
werthe Beiträge — diejenigen Stücke herauszuheben , welche aus
Mönchskreisen hervorgegangen sein müssen.
Was nun die obige Angabe des Commentars betrifft, so tritt
sie nicht durch allfällige Nennung irgend welches bestimmten Textes
aus ihrer Allgemeinheit heraus, während dagegen bei einer andern
Gelegenheit aus mehreren Puräna-Texten ') einschlägige Stellen
herangezogen werden. Wir sind also auf uns selbst angewiesen
und sehen uns um, wo wir mit Bezug auf Bharata das Ge¬
meinte finden.
Vorerst indess mag es dienlich sein , probeweise über den an
der Spitze der acht Mustermönche Genannten ins Klare zu kommen.
Samvartaka ist eine schon in der vedischen Sage vor¬
kommende Person und wird als solche der vedischen Puräna-
Literatur bekannt gewesen sein. Eine vermuthlich dieser ent¬
nommene Strophe, die sich auf die durch ihn vollzogene Königsfeier
bezieht, wird nämlich mit fast denselben Worten in den beiden
ältesten Brähmana-Texten -) und ferner in etwas abweichenderer
Passung zu.sammen mit oiner zweiten in einigen Puränen ") citirt.
Was die ganze ältere Erzilhlungsliteratur — bekanntlich auch die¬
jenige der Buddhisten und Jinisten — kennzeichnet, ist hier eben¬
falls wahrzunehmen : der eigentliche Bericht ist der mündlichen
Ueberlieferung anheimgegeben und nur besondere Momente daraus
sind schon in früher Zeit metrisch fixirt, gewissermassen zu einem
literarisch-festen Kern ausgestaltet worden. Die beiden genannten Strophen enthalten denn auch nicht einmal den uns beschäftigenden
1) ÄdityaP. (6 Str.); AgniP. (1'/.. Str.); BhavP. II (1 Str.); BrahraaP.
(1 Str.).
2) AitBr. VIII, 21, U; SatBr. XIII, 5, 4, i;.
3) VP. IV, 1, I8f.; BhP. IX, 2, 27f. [3, 27f. Bombay Saka 1790); MärkP.
CXXX, 15—17 [hier mit Wiederholungen, welche die zwei Strophen zu drei werden lassen].
5*
Namen; nur der Prosa-Satz, welcher im einen Brähmaija') dem
Citat vorangeht, sichert dem „Saipvarta aus der Familie
des Angiras" seinen Antheil an Manitta's gepriesener Krönungs¬
feier und zeigt, dass es auf einem Zufall beruht, wenn im Uebrigen erst die weit spätere und umfangreiche Bearbeitung der mündlichen
Tradition im Mahä-Bhärata von Saipvarta's Beziehungen zum König
Marutta zu berichten weiss. Ja dieselbe Stelle setzt es auch ausser
Zweifel, dass schon in einer später mitzutheilenden Strophe des
PigVeda bei der Nennung von Samvarta gerade auf Marutta's
Krönungsfest angespielt wird. Und so ergiebt sich, dass die früheste
Erwähnung des sagenhaften Ereignisses ganz im Gegensatz zur
Brähmapa-Strophe nur von Saip varta spricht. Dies zeigt recht
augenfällig, wie vorsichtig wir bei der Sagenforschung die älteste
Literatur beurtheilen, wie sehr wir bedenken sollen, dass in der¬
selben nie volle Erzählungen, sondern immer nur Bruchstücke und
Andeutungen Platz gefunden haben.
Im Epos nun führt die Sage den Titel , Saipvarta-Maruttlya*
und beschlägt nicht weniger als acht Capitel des XIV. Buches,
von denen indessen die ersten beiden (3 und 4) nür als Einleitung dienen.
MBh. XIV, Cap. 5. Des Angii-as erster Sohn Bfhaspati be¬
lästigte seinen Bruder Saipvarta, so dass dieser Alles aufgab und
„luftbekleidet" im Walde lebte*). Den erstern wählte sich der
Götterkönig Indra zu seinem Priester und nahm ihm das Ver¬
sprechen ab, dass er dem König Marutta, auf dessen Macht Indra
eifersüchtig war, keine Priesterdienste thun wolle.
Cap. ö. Da erzählt man denn die alte Märe ■'), das Gespräch
zwischen Bfhaspati und Marutta. Als Marutta von dem Versprechen
gehört hatte, nahm er sich ein Opfer vor und ging zu Bfhaspati,
um ihn zur Uebernahme der Leitung desselben zu veranlassen.
Doch wies dieser ihn ab, da er durch sein Versprechen gebunden
sei. Hiedurch empfindlich berührt, beklagte sich Marutta beim
Weisen Närada, der ihm rieth, sich an den zweiten Sohn des Angiras
zu wenden, welcher „luftbekleidet und die Leute bethörend überall
henimlaufe'*) und wie ein Verrückter nach Belieben in Benares
umherschweife , um des (Gottes) Mahesvara (Siva) ansichtig zu
werden *); er möge am Stadtthor einen Cadaver hinwerfen : wer
1) AitBr. vm, 21,1s.
2) artliün utsrjj'a dig-vSsi( vana-vibam arocayat; sclion vorher hat er das Attribut tapo-dhana; „luftbek 1 eidet" (SsS'mbara) wird auch in der JitbiSla- Up. der auf der höchsten Stufe stehende Parivri(jaka genannt, ja dieser erhält in jenem Texte noch droi andere Kpitheta ornantia, die ebenfalls in der jinistischen Terminologie wiederkehren: nirgrantha „bandlos", nishparigraha „besitzlos ' und sukladhyftua-paräyaiia „reinem Denken zugethan".
3) aträpy udsharantimam itihäsaiji purätanaip.
4) cankramiti disah sarvä dig-vSsä mohayan prajäh.
b) unmatta-vesam bibhrat sa cankramiti yathä-sukhaip BSrftiiasyäiji, mabäri^a, darsaiiepsur Mahesvaraiu.
sich davon abwende, der sei Saipvarta; ihm folge er bis zu einer
emsamen Stelle, wo er unter Berufung auf Närada seine Bitte
vorbringe. Marutta ging nach Benares und that wie ihm gerathen
war. Durch keine Demüthigung ') abgeschreckt ging er hinter
Saipvarta her, bis derselbe sich im Schatten eines Feigenbaumes niederliess.
Cap. 7. Nach verschiedenen in der Art eines Verrückten*)
vorgebrachten Ausflüchten (er leide an Blähungen und Launen
[oder Irrsinn ?]"), müsse seinem ältern Bruder den Vortritt lassen
und hätte als Asket nichts mit Opfern und Gottesdienst zu thun *),
erklärte Samvarta sich schliesslich bereit, unter der Bedingung,
dass Marutta sich seinen Anordnungen füge '); Lohn und Opfer
seien ihm gleichgültig, er möchte nur seinen Bruder und Indra
demüthigen '^).
Cap. 8. So solle Marutta nun den Gott Siva im Himälaya
um Hülfe bitten , um dessen Gold zu erlangen. Marutta that so
und liess in übermenschlichen Opfervorbereitungen lauter goldene
Gefässe anfertigen. Aus Neid auf seinen Bruder ärgerte sich Byhaspati.
Da fragte ihn Indra:
Cap. 9. Was ist dir? Bj-haspati gab die Ursache an, worauf
Indra ihn dem Marutta durch Agni zur Verfügung stellen liess.
Der Bote (Agni) begann eben Marutta's Bedenken durch Unsterb-
liclikeitsversprechungen zu heben, als Samvarta .jenen durch Drohungen
dazu brachte , unverrichteter Sache wieder zurückzukehren. Auch
Indra wollte es nun mit Drohungen versuchen, die Agni dem
Marutta überbringen sollte. Derselbe hatte indessen Angst vor
Saipvarta und warnte Indra: „Cyavana, den du einst ebenfalls ein
Opfer nicht hast leiten lassen wollen, hetzte den furchtbaren Dämon
Mada gegen dich auf); Brahmanenkraft geht über Kriegerkraft. *
Cap. 10. Da schickte Indra den Gandharva Dhytaräshtra, der
dem Marutta durch einen Donnerschlag drohend Indra's Macht an¬
deutete. Um den erschrockenen König zu beruhigen, lud Saipvarta
1) Saipvarta bewarf ihn mit Staub, Schmutz und Spoicliel (pSnsubhil.i karda- mona ca äleshmanil .... shthlvanai.s ca). Sich solche DemUthigiingen der Ksimtriyas einzubilden, that den priesterlichen Epikern Indiens immer wohl;
siehe auch den Schluss von Cnp. 9.
2) uiimatto väcS nirbhartsayann iva rükshayä.
3) väta-pradhÄnona mayä sva-cittu-vasa-vartinä ovsm-vikvta-rüpei.ia.
4) gärhasthyaiii caiva yäjyäs ca sarvä gihy''* <'* devatäh.
6) sarvän abhipräyäii kartä 'si mama.
6) na tu me vartate buddhir dliane yäjye.<hu vä punali vipriyam tu knrisliyäini bhrätus ccndrasya cobliayoli.
7) Dieser allegorische Mythus (dor in MUh. III, 10389 m und XIII, 7317 tt geschildert wird) ist reizend in seiner Durchsichtigkeit: mada heisst „Kausch", und diesem ist der Kriegergott Indra nach den oft genug menschliche Er¬
fahrungen auf die Göttor übertragenden UgVeda-Dichtern nicht selten zum Opfer gefallen. Wir lernen da also einen entfernten Verwandten unseres Katers kennen !
den Indra zur Theilnahme an dem Opfer ein. Derselbe erschien
denn auch mit den Göttem , wurde ehrfurchtsvoll empfangen und
verherrlichte das Fest. Maratta aber gab den Priestern reichen
Lohn und ward ein Herr der ganzen Erde.
Nur auf den Schluss der Sage, der von Indra's und der
Götter Theilnahme am Opfer handelt, nimmt das alte
Citat Bezug, von dem wir oben .^gesprochen haben'); es heisst
nämlich, wenn wir seine drei Passungen verbinden, jedoch den nur
in den Puränen stehenden Anfang sowie die bloss in einem Bräh-
maiia vorliegende Mitte in Klammem setzen:
(Indra berauschte sich am Soma-Trank, die Priester freuten
sich des Opferlohns.) Die Windgötter waren Aufwärter im
Hause des Maratta. (Agni war sein Speisevorsetzer.) Alle
Götter nahmen am Opfer Theil.
Und auf jene selbe Scene weist auch, wie bereits angedeutet, schon
die im Nachtrag '') zum ^tg^^eda befindliche Stelle hin , welche
lautet :
Wie du dich bei Saipvarta berauschtest, wie bei Kfsa, so
berausche dich bei uns, o Indra!
Aus der epischen Literatur verdienen noch zwei Strophen des
HarivaÄsa *) Beachtung, welche besagen, dass Maratta seine Tochter
Sammatä dem Saipvarta als Opferlohn zur Frau gegeben hätte.
Nach MBh. XIII, 6260 ist es indess sein Vater Angiras, dem
Maratta die Tochter gab.
An Saipvarta knüpft sich nun aber noch eine scheinbar ganz
abseits liegende Ueberlieferang: es werden auf ihn nämlich be¬
sondere Lehren über die vier religiösen Lebensstufen
und über Bussen zurückgeführt, Lehren, welche in einer ziem¬
lich jungen metrischen Bearbeitung *) (von 227 Strophen) erhalten
sind. Andere Lehren Saipvarta's über schriftlichen Beweis, Zinsen,
Gewaltthat u. s. w. sind aus Citaten bekannt *). So ist anzu¬
nehmen , dass einst ein vollständiges Lehrbuch über recht¬
liches und religiöses Leben (dharma-sütra) vorhanden ge¬
wesen ist, das in letzter Linie auf Saipvarta's Unterricht beruhen
wollte. Es ist aber sogar auch eine Upanishad, die sich auf
diesen selben Unterricht zurückleitet, noch um das Jahr 1360 A.D.
dem grossen Veden-Interpreten Säyana bekannt gewesen, während
dieselbe nunmehr verloren zu sein scheint. Das Wichtigste für
uns ist jedenfalls, dass dieser Text mit den im Eingang (in Note 2)
genannten sechs Upanishaden aufs Engste verwandt ist, indem das
1) Siehe S. 67 Note 2 und 3.
2) Im sechsten Välalchilya-Lied: VIII, 54, 8b.
3) 1833 r.
4) Neudruck in Jibananda's DharmasSstrasaipgraha. Mehrere MSS. davon in Tanjore: BumeU Cat. p. 127 f.
5) Stenzler in Ind. Stud. I, 240 f.
einzige bei Säyana erhaltene Citatdaraus zur Hälfte fast wörtlich
auch in der Jäbäla-Upanishad zu finden ist. Berücksichtigen wir,
dass_die Arupeya-Upanishad in ihrer Einleitung wie im Titel sich
auf Aruiji zurückführt, so sehen wir, dass die Jäbäla-Up. in ihrer
Namen-Liste diejenigen beiden Männer — Saipvarta und Äruni —
voranstellt, welche den Parivräjaka-Mönchen als die ersten Verfasser
oder Lehrer der Grundsätze ihres Ordens gegolten haben.
Darnach ist es nun wohl nicht zu gewagt, die Samvarta-Sage
in der Form, wie wir sie aus dem MaliäBhärata kennen gelernt
haben , auf Grund der Uebereinstimnumgen mit den l'iu-ivräjaka-
üpanishaden unter die eigentlichen Parivräjaka-Traditionen zu
rechnen, zumal da wir aus der Jäbäla-Up. entnehmen können, dass
dieselben jene Sage in irgendwelcher Form enthalten haben müssen.
Dagegen dürfte es nicht angehen, den .spezifischen Parivrä,]aka-Typus
Saipvarta als solchen auch schon der vedischen Sage zuschreiben
zu wollen. Zwar spiegelt sich gewiss im Grossen und Ganzen die
vedische Darstellung im MahäBhärata wieder, umsomehr als der
unverfilngliche Hinweis am Anfange von Cap. (5 die Anlehnung an
ein früheres Original direet bezeugt. Allein es nöthigen uns doch
gewichtige Bedenken vorauszusetzen, dass in der langen Zeit zwischen
den Lyrikern des ßgVeda und den Epikern des MahäBhärata auch
die Saipvarta-Marutta-Sage nicht unberührt geblieben sei von der
allgemeinen Umbildungsfllhigkeit und Wandelbarkeit der Erzähl ungs -
stoffe. Sehen wir doch, dass auch späterhin selbst die lakonischen
Worte des Väyu-l'uräna '') eine etwas verschiedene Passung zu ver¬
rathen scheinen, ja dass das Märkan4cya-Puräria , in der Puräija-
Literatur der einzige Text, welcher übci- Ahirutta noch Besonderes zu wissen vermeint , an Stelle der alten Sage eine; giinzlich neue, die sich mit oiner Ävasyaka-Erzählung *) berührt, eingeschoben hat.
Auch das Rämäyana giebt in seinem sjiilten Zusatzbuch •'') der Sage eine sehr abweichende Fassung.
So bleibt es eine offene Frage, ob erst seit der Entstehung
des MahäUhärata oder schon früher die Parivräjaka-Mönche sich
1) In dor KrlilürunK von TaittAr. X, 03, wobei «uch zwei Stellen dor ililbüla- und je eine Stelle der Siininyüsii- und Aruiieja-UpRuishad angezogen werden.
2) Ausser den MnhRUhürata-Stellon (S. 08, Noto 2. 4. 5; 6!), Note 2—4) be¬
achte man die des HhP. (IX, 2, 21;, rosp. 3,2ii), wo Saiuvarta „dor grus.'*e Yogin", und die des MärkP. (CXXX. 7 —13), wo or „Askuso-Schntz" (tapasäip nidhi) genannt wird. Ferner sagt MUh. XIU, 7122 f., dass Suinvarta sowie (der in der Jäbula-Up. mitgonannto) Durväsas und oinigo Andoro durch ausser¬
ordentliche Askese Koriihmthoit erlangt hätten (utyanta-tnpiusu däntäs trishu lokeshu visrutäli). So nennt auch Ilariv. II."!? 1 don Saiiivnrta in oinor langen Keihe von Weisen, die ,,scliHrfo Gdülidu" befolgt haben sollun (saiiusita-vratali).
3) II, 24, a—11 : mitgetheilt un<l übersetzt in Wilsoji's VishimI'.- vul. III, p. 244 f.
4) Zu Av.-niry. L\, C4, l.
5) VII, 18 und 90.
s
der Saipvarta-Marutta-Sage bemächtigt und dieselbe ihren An¬
schauungen gemäss umgeformt haben. Ja, es darf die Möglichkeit
nicht ausser Acht gelassen werden, dass dieser so entstandenen, im
MahäBhärata verewigten, Parivräjaka-Passung gegenüber das Väyu-
Puräija und vielleicht sogar das Rämäyana Reste der ursprüng¬
licheren, mit dem vedischen Puräna verlorenen, Darstellung erhalten haben könnten.
Dass ein Gegensatz zwischen altepischer Dichtung und mönchischer
Wiedergabe — zwischen Sage und Legende — besteht, wird uns
deutlicher, wenn wir uns nunmehr zu Bharata wenden.
Die Namen IJbhu, Nidägha und Bharata der Upanishad-
Liste gehören alle drei der Bharat a - Legende an. Diese bildet
im Vishnu- und Bhägavata -Puräija einen Theil von dem,
was in der mythischen Weltgeschichte der Puränen über die erste
Manu-Periode berichtet wird. Da des ersten Manu ältester
Sohn die sieben Erdtheile unter sieben Söhne und der älteste von
diesen wiederum die neun Zonen des Jambu-Erdtheils unter seine
neun Söhne vertheilt haben soll, wird dies fast in allen Puränen
Veranlassung, unmittelbar hinterher die Erdbeschreibung und
hinter dieser sodann die sonstigen Theile der Kosmologie folgen
zu lassen. So widmet sich zum Beispiel VäynPuräna I, 33 und
MärkandeyaPuräna LIII dem ersten Manu-Zeitalter, worauf VäyuP.
I, 34—53 und MärkP. LIV — LX die Kosmologie behandeln. Dass
die beiden Lehrgegenstände von Alters her mit einander in Ver¬
bindung gesetzt wurden , zeigt sich deutlich auch darin , dass
VishiiuP. und BhägP. sie je zusammen in einem Buch behandeln.
Wie angedeutet, fügt nun aber im ersten Theil das VishnuP. eine
Legende bei über Bharata, den ältesten Vertreter der fünften
Generation von des genannten Manu Nachkommen. Das BhägP.
bietet weiter vor dieser selben Legende noch eine über Bharata's
Vater p,shabha(deva)auf die der Conunentar der Jäbäla-Up. an¬
spielt. Beide Sagen gehören anscheinend nicht zum ursprünglichen
Bestand der Texte , weil sogar die erste , die nach dem Gesagten
allein doppelte T(!xtgewähr bat, im VishnuP. nur als Nachtrag
aufgenommen ist. Man ersehe dies aus folgender Inhalts-Gegen¬
überstellung :
1) In den Puränen selber lautet der Name Ksh ab ha; dagegen Rsba¬
bba d e v a in den Capitelunterschriften der sclilechtorn Ueconsion von UhägP.
V, H— G, ferner in Kiitnngarbha's Commentar zu VishnuP. II, 10,24 und in der früher erwähnten Stollo des Jäbälallp.-Commentars.
A. Die Nachkommen des ersten Manu, VishnuP. II
1, 1—16
IB S7
88 32a
Erste Generation . .
Zweite und dritte G.
Vierte G. : ^.shabha
Pünfte G. : Bharata S8b — sea
sea (Schlusssatz): ,die Le¬
gende folgt später".
Weitere Generationen:
Sumati etc. . . seb —44,
BhP. V 1
2 . . . . .
3—6: ^shabha- Legende 7— 14:Bharata-
Legende
15
VSyuP. I 83,1—87
38 49
51 f
63—65 MärkP.
LEI
B. Kosmologie, eingeleitet durch die Erdbeschreibung.
MärkP.
:iIV—LX
Der Jambu-Erdtheil . 2 16—18
Bhärata-Zone ; die an¬
dern Erdtheile . . 3 f. 19 f
Unterwelt; Hölle . . 5 f. 24. 26 VäyuP.
Oberwelt; Sonne . . 7f 22. 21 1,34—58
Die Welt als Schildkröte 9 23
Die Halbgötter . 10 21,18
Sonne; Mond . . . Ilf.
(Nachtrag zu l,s6a) Bharata-Legende.
Hingabe der Herrschaft 13,1- -11 7
Mitleid mit der Gazelle 12— -36 8
Wiedergeboren als
Schein-Thor . . . 36— -47 9,1- 12
Muss er die Sänfte eines
Königs tragen helfen 48—58
Belehrt denselben 13,69—14, ss
Erzählt die Legende von
Rbhu und Nidägha . 15 f
13—20: Errettung vom
Opfertod
10,1— u
10,12—13,26
14,1—37 das Weltwirrsal in
einem Gleichnisse.
Aus diesem Schema ist ferner zu entnehmen , dass die von
5bhu und Nidägha handelnde Episode nur der Passung des VishnuP.
angehört, während andererseits das BhägP. sich um zwei offenbare
Interpolationen bereichert hat, deren eine, „Bharata's Errettung
vom Opfertod", sich gegen die Grausamkeiten der Durgä-Verehrung
wendet, während die andere, das Zusatzcapitel 14 mit dem sehr
weit ausgesponnenen Gleiehniss , eine harmlose literarisch-ethische
Ausfiihrung ist. Das Zusatzcapitel würde als solches kaum kennt¬
lich sein, wenn wir nur auf die eine Recension des BhägP., die
durch Bumoufs und die beiden ältern Bombay-Ausgaben (aus den
Jahren Saka 1782 und 1783) repräsentirt wird, angewiesen wären.
Diese setzt nämlich die am Schluss der Sage beigefügten Citat-
strophen (13,2«— so) hinter jenes Capitel (als 14,4i —«), sodass
dasselbe noch zum eigentlichen Text zu gehören scheint. Die
Sachlage ist aber damit doch nicht vollständig vertuscht, indem
die Anknüpfungsstelle (13, 24f) ganz deutlich den Schluss der Er¬
zählung bildet und auf alle Fälle keine Fortführung der von
Bharata ertheilten Belehrung in der vorliegenden Form gestattet.
Jene eine Recension charakterisirt sich zudem als die schlechtere
durch ungehörige Wiederholung der beiden Sätze 14,26f [als
14,34f.''']*. Da wir demnach es nicht über uns bringen, unsere
Citate auf dieselbe zu beziehen , sie aber unverdienter Weise in
Europa sozusagen allein bekannt ist, so sind wir genöthigt, für
den uns beschäftigenden Theil die folgende Concordanz vorzulegen,
welche die andere im Jahre Saka 1790 in Bombay gedruckte
Recension zum Ausgangspunkt nimmt.
12,1— Ifi 13.1—.2
Burnouf S. 1782. 1788 13, IB—19
13—16
20 25
14,41 46
13,8«
14,1—3 4 K
7 19
20 f
22 26
39 a 2« f.
sof.
.32 S3
Sif. = 85 f.
auf.
40 38 süb.c 27 15,1—14
* Man selio nuch S. 80, Nuto 8.
Man ersieht hieraus, dass mit einer einzigen Ausnahme (13, i7 — i»)
alle eigentlichen Abweichungen [Umstellungen ') und~'Zusätze oder
Lücken*)] das 14. Capitel betreffen und dass also dieses schon
durch den blossen Textbestand , nicht nur durch den mangelnden
Zusammenhang und die Wiederholung einer Stelle sehr verdächtigt
wird. Dasselbe spricht nun seinerseits , da es eben in beiden Re¬
censionen steht, gegen das BhägP. überhaupt, stellt nämlich mittelbar auch alle andern Sagenbestandtheile desselben, soweit sie nicht durch
das VishnuP. bestätigt werden , in Prage. Vorerst also muss als
eine vielleicht frühere Interpolation die Errettungs-Episode angesehen werden, über die wir schon ihres Inhalts wegen oben unbedenklich
abgeurtheilt haben. Sodann wird auch die Rshabha-Legende von
der Kritik bedroht. Schliesslich aber ist ja auch selbst die Bharata-
Sage im VishnuP. durch die Anordnung als Zusatz gekenn¬
zeichnet und allen übrigen Puränen ebenso unbekannt wie die
andere. Mit andern Worten : Wir gewinnen hier einen Einblick
in die Entstehungsgeschichte der Puränen ; vrir ahnen , wie durch
successive Einschiebungen der alte rein mythisch-geschicht¬
liche , kosmogonische und kosmologische Inhalt sectarische
Färbung erhielt und sich vervielfältigte, so dass schliesslich unter
Mitwirkung noch anderer die üeberlieferung bestimmender Momente
die bekannten achtzehn Paralleltexte entstanden sind.
Damit ist nun keineswegs gesagt , dass jene Legenden nicht
alt seien ; nur ihre Einverleibung in die beiden Puränen wird nicht
besonders früh stattgefunden haben. Woher sie stammen , wird
uns, wenn wir erst im Inhalt wieder die genaueste Anlehnung an
die Parivräjaka - Upanishaden vorgefunden haben werden, nicht
zweifelhaft sein, zumal da das Bhägavata-Puräna selber sich in den
Capitel-Unterschriften mit einem von Burnouf überall falsch über¬
setzten Ausdruck als eine durch Paramahansa -Mönche
gemachte oder für solche bestimmte, d. h. unter Zu¬
ziehung von Parivräjaka-Traditionen hergestellte
Bearbeitung von Puräna-Ueberlieferungen bezeichnet.
AUes deutet also darauf hin, die Bharata-Legende als der Parivräjaka- Literatur entlehnt erscheinen zu lassen. Und damit steht im Einklang,
dass die vermuthlich älteste Erwähnung derselben in einem Haupt¬
werke brahmanischer Philosophie , in den Sämkhya-sütren (IV, 8)
enthalten ist, wo sich ein Hinweis auf die Gazellen-Episode vor¬
findet. Doch wenden wir uns nun zum Inhalt.
VP. II, 13,1—11. BhP. V, 7. Der fromme König Bharata zog sich
[nachdem er das Reich seinem Sohne Sumati übergeben hatte] ^)
1) Zu don genannten kommen noch drei weitere: 14,30 = 39a-; 35b = 40*;
97 = 27".
2) Bloss in Ree' stehen 14,27—29; hloss in Ree.'' 14, e. 3Cf. 39b.c.
3) Das BhP. nennt ausser Sumati noch vier Söhne; im VP. steht der Satz in II, l,33f.
9 *
nach Sälagräma zurück und widmete sich ganz der Verehrung des „Herrn" Väsudeva.
VP.n, 13,12—35. BhP. V, 8. Als er einmal am Flusse Mahänadi
eine heilige Waschung vollzog, wurde eine darin trinkende Gazelle durch Löwengebi"üll plötzlich aufgeschreckt und verlor dabei
ihre Leibesfrucht. Sie selbst ging zu Grunde; das Junge aber
nahm Bharata an sich und hegte es so sorgfältig, dass er darüber
sein frommes Sinnen vergass. So verfiel er bei seinem Tode
der Wiedergeburt und wurde eine Gazelle, erinnerte sich aber
des frühem Daseins und kam nach Sälagräma, um Busse zu thun.
VP. II, 13, 36—47. BhP. V, 9,1—11. Demnächst wurde er als Brah¬
mane wiedergeboren und, obwohl weise, stellte er sich thöricht,
so dass ihn Jedermann verachtete. Als sein Vater gestorben
war, verwendeten ihn seine Brüder bei der Feldarbeit.
BhP. V, 9,12—20. Einmal versuchten Südra-Leute ihn
der Göttin Bhadrakäll zu opfern; sie verschonte ihn
aber, indem sie vielmehr jene vernichtete.
VP.n, 13, 48—68. BhP. V, 10,1—11. Einmal veranlasste ihn der
Kämmerer des auf der Reise zum Weisen Kapila begriffenen
Sauvira ') -Königs, die Sänfte desselben tragen zu helfen. Da er
wegen seines fromm-bedächtigen Ganges mit den Andem nicht
Schritt hielt und der König den Trägern sein Missfallen aus¬
sprach, sagten diese , dass der Eine nicht Schritt hielte , worauf
der König sich an ihn wandte und sagte *): Du siehst doch
kräftig aus ? Der Brahmane versetzte : Kräftigkeit und dergleichen Eigenschaften sind nicht mein •"*).
VP. II, 13, 59—72. Wir Beide wie die 1 BhP. V. 10, 12— 14. Es
Andern und die Sänfte sind aus Ele- giebt keine Unter-
menten zusammengesetzt , welche die schiede zwischen den
Leiblichkeit bilden. Eigenschaften be- Menschen. Was heisst
ruhen auf Handlungen, welche, immer- Herr und Sciave ? Was
dar in Unwissenheit begangen, die Lage willst du von dem sich
der Einzelwesen bedingen. Der reine verrückt stellenden *) ?
unsterbliche Geist aber hat keinen Theil
daran und ist in allen Wesen ein und
derselbe 5).
VP. II, 13,73—75. BhP. V, 10,15—17. Da sprang der König aus der
Sänfte, warf sich zu seinen Püssen und fragte : Wer bist du, der
du unter der Maske eines Thoren einhergehst?
1) „Sindhu-Sauvira" BhP.
2) Das KhP. lässt den König erst seinen Spott und Zom über den
Brahmanen äussern.
3) „betreffen nur meinen Leib" BhP.
4) unmatta-matta-jada-vat sva-saipsthäm gatasya me.
5) Diese ganze Stelle folgt in BhP. erst in V, 12, 5—11.
VP. II , 13,70—78. Brahmane :
Der Geist erntet nur die
Prüchte der guten und bösen Handlungen , welche allein
seine leiblichen Erschei¬
nimgen bestimmen. Wie kann ich also sagen, wer ich sei?
79—81. König: Warum soll denn
das Wort „ich' nicht auf
den Geist angewendet werden dürfen ?
82—100. Brahmane: Es erweckt das Missverständniss, als ob ausser der Leiblichkeit auch der Geist in den Einzelwesen verschieden sei.
14,1—11. König: Eigentlich im
Begriff, Kapila nach dem Er- strebenswerthesten'fragen zu gehen, möchte ich jetzt von dir darüber Belehrung erbitten.
12—28. Brahmane : Du frägst
nach dem Erstrebens wer the - sten anstatt nach dem letzten
Grunde. Erstrebenswerth ist
Vieles: Reichthum, Kinder, Herrschaft, im Jenseits sich belohnender Opferdienst, nach
dem Höchsten begieriger
Gottesdienst, Versenkung, am meisten aber die Vereinigung
des Einzelgeistes mit dem
Allgeist. Doch sind die erstem vergänglich und so natürlich
auch was durch den mit ver¬
gänglichen Dingen thätigen Opferdienst erreicht werden kann ; der nur auf Erlösung
bedachte Gottesdienst aber
kann nicht Endzweck sein,
weil er Mittel ist. Versenkung
ferner strebt nach Unter¬
scheidungen , während der
letzte Grund solche nicht zu¬
lässt ; ja selbst die Vereinigung
BhP. V , 10, 18—26. Verzeih und
belehre mich! Denn warum soll
ich mich jetzt noch an Kapila
wenden? Wie steht es denn mit
dem Verhältniss von Leib und
Geist?
11. Brahmane: Selbst die Veden ent¬
hüllen nicht die Wahrheit. So¬
lange der Sitm im Streben befangen
ist, verfällt der Mensch immer
neuen Wiedergeburten; nur wenn
jener sich von den Triebfedem
des Daseins befreit, ist er eine
Plamme, die nicht mehr raucht.
Triebfedern aber sind die elf
geistigen Zustände, das fünffache
Denkvermögen und das Selbst¬
bewusstsein. Hinter den mannig¬
fachen Erscheinungen ist Väsudeva,
der reine Geist, welcher wie die
Luft Alles durchdringt. Solange man die Täuschung nicht erkennt,
irrt man ; desshalb verehre den
Hari >).
12,1—4. König: Belehre mich
weiter !
5—11. Brahmane: Wir Beide wie
die Andern und die Sänfte be¬
stehen aus Elementen, welche die
Leiblichkeit bilden. Eigenschaften
beruhen auf Handlungen, welche,
immerdar in Unwissenheit be¬
gangen, -die Lage der Einzelwesen bedingen. Den letzten Grund bildet
allein das reine Wissen, das man
den „Herrn", im Lied den „Väsu¬
deva" nennt.
12 f Ihn erlangt man nicht durch
Askese, Opfer und Spenden, nicht durch Erfüllung der häuslichen Pflichten oder durchVeda-Studium, nicht durch Verehrung von Wasser.
Feuer oder Sonne , nur im Um-
1) „Hari" wie „Vasudeva" ein Name fiir den Geist.
des Einzelgeistes mit dem
Allgeist beruht auf einem
Irrthum, indem Eines nieht
zum Andern werden kann.
29—33. Letzter Grund ist der
eine Alles durchdringende allgegenwärtige und unver¬
gängliche, von allen Unwirk- lichkeiten') unberührte Geist,
der im eigenen Leibe und im
Leibe Anderer einheitlich ist,
wenn er auch — dem durch
die Plöte strömenden Hauch, der die verschiedenen Töne er¬
zeugt, vergleichbar — in Polge
der Handlungen verschie¬
dene Erscheinungen bietet.
15,1. Darauf trug der Brahmane eine diese monistische Lehre *)
enthaltende Erzählung vor:
2—16. Höre was einst Rbhu dem Brahmanen Nidägha verkündete.
Ehrenvoll von diesem, der vor tausend Jahren sein Schüler ge¬
wesen , empfangen , sagte er : Was hast du für Nahrung im
Hause? — „Grütze, Gerstenmus, Gerstenschleim und Kuchen". —
Das lieb ich nicht ; gieb mir etwas Leckeres, Weizenbrod, Milch¬
reis und Syrup. — Nachdem er das gemäss dieser Aufforderung
von der Hausfrau hergerichtete Mahl eingenommen hatte, fragte
ihn Nidägha:
17 f Bist du satt? Wo wohnst du? Wohin gehst du? Woher
kommst du?
19—31. 5bhu: Hunger und Durst sind nur Functionen des Leibes,
die den Geist nicht berühren. Auch hat der Geist, der ja dem
Aether gleich Alles durchdringt, weder Heimath noch Ziel noch
Herkunft.
32 f. Nach diesen Worten fiel Nidägha dem Gast zu Füssen und
sagte: Wer bist du, durch dessen Gnade meine Verblendung
gewichen ist?
84 f Ich bin dein Lehrer Rbhu, hergekommen, um dich über den
letzten Grund zu belehren. Wisse , dass dies eine ungetheilte
All das Abbild des Geistes Väsudeva ist.
36. Hiemit verliess er den andächtig zu seinen Füssen gefallenen
Schüler.
16,1—20. Nach weitem tausend Jahren kam Rbhu nochmal, um
Nidägha zu belehren. Er fand ihn einsam, während die Menge
dem in die Stadt einreitenden König folgte. Rbhu (unerkannt)
gang mit den Weisen, die seine
Herrlichkeit preisen.
14 —16. So habe ich zwar in
meinem frühem Dasein als König D
Bharata mich durch eine Gazelle
vom Endziel ablenken lassen,
aber seither dasselbe im Auge be¬
halten.
13,1—19. Die Wesen sind einer
Karawane zu vergleichen, die sich in Folge der Täuschung im Daseins - walde verirrt und diesen oder jenen
Gefahren zum Opfer fällt; durch
Lockungen aller Art lassen sie sich auf dem Daseinspfad ins Verderben führen.
1) d. h. den vorübergehenden Daseinsbedingungen.
2) advaita.
fragte ihn: Welches ist der König und welches der Elephant? —
,Der oben ist der König, der unten der Elephant'. — Was heisst
oben und unten ? — Nidägha sprang auf den Fragenden und
sagte: ich bin oben, du unten. — Was heisst „ich' und „du'? —
Nun fiel ihm Nidägha zu Füssen und rief: Wahrlich, du bist
mein Lehrer Rbhu; denn kein Anderer ist so erfüllt von den
monistischen Lehren. Hierauf entfemte sich Rbhu wieder;
Nidägha aber sah in Allem die Einheit und erlangte die Erlösung.
21—2.1. So mögest du dich als wesens-eins mit Al¬
lem erkennen ! Gieb den
Irrthum der Unter¬
schiede auf!
24. Der König befolgte
dies; er aber erlangte die Erlösung.
VP. II, 16,25. Wer diese Bharata- Legende erzählt oder andächtig mitanhört, der nähert sich der Erlösung.
BhP. V, 13,20. Gieb also die Herrschaft
auf und widme dich ganz der Ver¬
ehrung des Hari.
21—28. König : Dank und Verehnmg dir !
24 f Nachdem der Weise den König so
belehrt hatte, wanderte er weiter. Den Irrthum aber, dass der G«ist im Leib¬
lichen wohne, gab der König auf
BhP. V, 13,26—29. Citat:
26. Dem Wege Bharata's folgt Keiner,
So wie die Mücke nicht dem Greif.
27. Weib, Kind und Thron und Freund
verliess er;
Schon jung war er für's Höchste reif 28. Nicht wunderbar ist solch Entsagen
Bei dem, der Vishnu*) sich geweiht, 29. Der, als Gazelle neu geboren.
Schon pries den Herm der Ewigkeit.
BhP. V, 13,30. Wer diese Bharata-
Legende mitanhört oder er¬
zählt oder ihr Beifall spendet, erlangt Seligkeit.
-37.
[Zusatz: BhP. V, 14,1. König: Erkläre mir, was du unter dem
Daseinspfad ") verstehst.
Brahmane: Die Seelen wandeln, von der
Täuschung getrieben, auf diesem unweg¬
samen Pfade, zu dem die SinnKchkeit hin¬
führt. Weib und Kind bedrohen dabei
den Mann wie wilde Thiere , indem sie
ihm die häuslichen Sorgen bereiten. Oder
Ketzereien lassen ihn, Sinnestäuschungen vergleichbar, irgendwo abstürzen. Schlechte
Leute gefährden wie Schlangen seinen
1) Wörtlich: dem „Madhu-Feind". Madhu, einer der von Vishnu he- zwungenen Dämonen, ist eine der auf S. 69, Note 7 besprochenen ähnliche Personification : madhu (= fie'l^v, Meth) heisst „süsser Rauschtrank".
2) s. BhP. V, 13, 1—19.
Schlaf. Dem Honig eines verbotenen Ge¬
nusses nachgehend verfällt er der Strafe.
Alle die vielen Leidenschaften stellen
ebensoviele Gefahren des Weges dar.]
König Bharata gehört genau demselben vedischen Sagenkreise
an, aus dem wir oben den König Marutta kennen gelemt haben.
An denselben Stellen der beiden Brähmana-Texte , welche über
diesen ein metrisches Citat erhalten haben , findet Sich auch ein
aus mehreren Strophen bestehendes über den erstgenannten Helden.
Und wie das erstere noch in den Puränen nachklingt, so das letztere,
dieses freilich sozusagen unvernehmlich geworden und nur noch in
Verbindung mit dem andem , das gleichsam als Resonanz dient,
deutlich wahrzunehmen. Man vergleiche mit den p. 79 übersetzten
vier Strophen des BhägP. (V, 13,2«—29) die vier des SatapathaBr.
und die fünf des AitareyaBr. Wir klammem in der Wiedergabe
dieser wieder ein, was nur in einem der beiden Texte steht: der
Anfang findet sich nur im zweiten (AitBr. VIH, 23, 3 f.), die Mitte bloss im ersten (SatBr. XHI, 5, 4,13).
(Goldbekleideter schwarzer weisszähniger Thiere ') gab Bharata
dem Mashnära-) ein Hundert und sieben Haufen dazu*). Des
Duhsbanta*)-Sohnes Bharata Altar ward geschichtet in Säci-
guna *), wobei tausend Brahmanen haufenweise Kühe ^) unter sich
vertheilten.) 78 Pferde opferte der Duhshanta-Spross Bharata
an der Yamunä, 55 an der Gangä dem Vftra-Tödter. Als er
so 133 Pferde geopfert hatte, da überwand er die listenlosen
Könige'), der listenreichere"). (Die Apsaras Sakuntalä hatte in 1) mrgän; nach Säyana sowie nach deu beiden Commentaren zum BhP.
(s. hierUber oben im Verlauf) sind damit Elephanten gemeint; vgl. MBh. VII, 2390 hairanyän asvän dviradän.
2) „Bei der Mashnära-Feier" BhP. (mashnäre karmani); nichtsdestoweniger lassen auch die BhP.-Commentare die Auffassung Säyana's zu, nach welcher „in Mashnära" zu übersetzen wäre, indem es sich damit um eine Oertlichkeit handeln würde. Uns scheint der in buddhistischen und jinistischen Schriften genannte Masiiphära mit Mashnära identisch zu sein.
3) Oder „ein hundert Haufen und sieben dazu". Das BhP. spricht von
„vierzehn Millionen (niyuta)"; unter „Haufen" ist ebenfalls eine sehr hohe Summe zu verstehen: 10 Milliarden nach TändyaBr. XVII, 14,2; 1 Milliarde nach Säyana zur obigen Stelle.
4) „Dushyanta" Bec.» des BhP.
5) „säcigune" vielleicht eher ein anomaler Dativ = „dem Säcigu (Indra)" ; es wird zusammen mit citah (geschichtet) im Comm. zu Ree' des BhP. durch saciva-gune krtah säcivyam krtavän umschrieben.
6) Als Opferlohn.
7) Im AitBr., dessen Wortlaut unmetrisch ist, muss jedenfalls 'mäySn gelesen werden. „Der Götter Täuschung" BhP. Im SBr. lautet die Stelle:
da übertraf der Sudyumna-Spross die andern listenlosen.
8) „Mit vielen Listen" BhP. (puru-mäyayä oder nach dem Comm. uru-m");
in der schlechtem Becension dafür vollständig sinnlos gurum äyayau, „er ging zum Lehrer"!
^ädapit *) ihn geboren , der da dem Indra über tausend Pferde
darbrachte) *). Weder frühere noch spätere Menschen der fünf
Stämme haben diese grosse That des Bharata erreicht, so wenig
wie den Himmel ein Sterblicher mit den Händen *).
Wir meinen also, dass die erste Strophe des BhägP.-Citates
(V, 13,26) dem Schluss dieser Stelle nachgebildet sei; mag der
Wortlaut auch verschieden sein *), Gedanke und Vergleich sind
durchaus ähnlich und beziehen sich anscheinend auf dieselbe That¬
sache. Da wir beim Marutta-Citat ebenfalls nicht unbedeutende
Abweichungen festzustellen hatten und da femer hier schon die
beiden ungefähr gleichaltrigen Brähmana-Texte, die man dem Puräna
gegenüber beinahe als Parallel-Eecensionen eines einzigen Originals
ansehen darf, von sechs Strophen nur die Hälfte gemeinsam haben,
so kann es nicht befremden, wenn in dem weit spätern Werk ganz
anderer Gattung nur noch eine von vier Strophen die gemeinsame
Herkunft verräth. Die Sicherstellung unserer Anschauung wird
sehr behindert durch die in den Pussnoten angedeuteten Unklai'-
heiten der Brähmana-Stelle. Namentlich in der Halbstrophe, welche
des listenreichem Bharata Ueberwindung der Listen¬
losen erwähnt, möchten wir gerne den genauern Sinn der An¬
spielung kennen. Es sei uns indessen genug, aus der Schlussstrophe
zu ersehen, dass es jene Ueberwindung der Listenlosen
und nicht das ungewöhnliche Opferverdienst des Königs
ist, was als „sein grosses Werk" oder, wie das BhägP. sagt, als
„sein Weg" gepriesen wird, auf dem er keinen Nachfolger hat.
Der Zusammenhang ergiebt dies zu deutlich, als dass man sich
durch die fast wörtliche Wiederholung der Strophe in SatapBr.
XIII, 5, 4,23, wobei eine andere Beziehung vorliegen könnte, beirren
lassen dürfte. Die letztere Stelle lässt nämlich kein Urtheil zu,
da die vorhergehende „dritte" Strophe, auf die sie sich daselbst bezieht, im Text übergangen ist.
Erst jetzt sei dem Leser eröflnet, dass nun freilich das BhP.
1) So wenigstens nacli dem Commentar; man kann auch Mäd apiti als Beiwort der Qakuntalä, das auf den nata Bharata Bezug nähme, lesen.
2) „Nachdem er die ganze Erde hesiegt hatte" fiigt ein üherschüssiger Päda bei. Die ganze Stelle, die hier den Zusammenhang unterbricht, gehört natürlich nicht hieher und stammt oifenbar aus der Sakuntalä - Sago ; auch MBh. VII, 2385 spricht von tausend Pferdeopfern.
3) „Mit den Armeu" SBr. und BhP.
4) fmahä-karma Bbäratasya na pürve näpare janäh
divam martya iva hastäbhyäm nödäpuh panca mänaväh || AitBr.
SBr.: am Anfang mahad adya Bh" und in der zweiten Zeile bähu- bhyäin statt hast".
Bbäratasya mahat karma na pürve näpare nrpäli
naiv' äpur naiva präpsyanti bähubhyäm tridivam yathä || BhP.
fÄrshabbasyeha räja-rsher manasä 'pi mahätmanah
inftnuvartmärhati nrpo makshikeva garutmatal.i | BhP. V, 13,26.
Bd. XLVIII. 6
an einer andem Stelle und in anderm Zusammenhange alle fünf
Verse des AitBr. mit unerheblichen Abweichungen aufweist damit
also nahelegt , dass dieselben aus dem vedischen Puräna , jenem
verlorenen Urtext rmserer vielverzweigten Literatur dieses Namens,
herstammen imd von dort aus in das Brähmana geflossen sind.
Wir haben demnach im BhägP. von der Bharata-Sage eine ältere
und eine, nach den Strophen zu urtheilen bis zur Unkenntlichkeit veränderte , jüngere Passung , deren ursprünglicher Zusammenhang
dem Verfasser gänzlich unbekannt gewesen ist.
Den, der die alte Sage in ausführlicher und deutlicher Porm
keimen lemen möchte, lässt diesmal das MahäBhärata gänzlich im
Stich. Auch das BhägP. theilt dieselbe nicht mit, erwähnt aber
wenigstens noch, dass Bharata die unarischen Stämme bekämpft
und im Alter, Alles flir eitel haltend, auf die Herrschaft ver¬
zichtet habeAuf die letztere Thatsache wird auch in der
Maiträyani Upanishad (I, 4) angespielt, freilich indem sie irrthüm¬
licherweise gleichzeitig dasselbe auch von Marntta aussagt. Beide
Vorkommnisse aber berichten femer auch die Jaina in ihrer Passung
der Bharata-Sage, und zwar verknüpfen sie dieselbe mit der Rshabha-
Legende und mit der Darstellung der Geographie, sodass das diese
Gegenstände behandelnde Werk , Upänga 5, geradezu ein
Paralleltext zu VishnuP. II und BhP. V genaimt werden
kann. Demgegenüber hält das BhP., das, wie schon bemerkt , die
ältere und die jüngere Sage durchaus getrennt behandelt, den alten
Opferhelden für gänzlich verschieden von jenem mit der Erd¬
beschreibung verflochtenen Sagenkönig. Statt ihn in das Geschlecht
des ersten Manu zu stellen, giebt es ihm in Anlehnung an die
alte Ueberlieferung den Vater Duhshanta und versieht diesen mit
einigen Vorfahren , welche , da die übrigen Puränen *) ganz andere
Namen nennen, sich als reine Erfindungen herausstellen. Selbst
Duhshanta übrigens kann nicht unbedingt von Alters her allein
als Bharata's Vater gegolten haben, da das SatapBr., wie sich p. 80
Note 7 zeigte, anstatt seiner in einer Strophe den Sudyumna nennt.
Immerhin bestätigt sich Duhshanta's Vaterschaft durch die berühmte
Sakuntalä-Sage, aus der uns vermuthlich oben eine Strophe
begegnet ist und von der zwei weitere wohl ebenfalls schon
vedische Puräna-Strophen mehrfach citirt*) werden.
Da nun also die jüngere Sage nur den Namen der Haupt¬
person mit der ältem gemein hat, imd da, solange in der letztem
1) BhP. IX, 17,25—29 [20,25—29'] in der Beihenfolge 3. 2. i. 1. 5.
2) IX, 17,80 [20,80«].
3) ihid. 88.
4) s. Wilson VishnuP.ä III, p. 130 f.
6) s. S. 81, Note 2.
6) MBh. 1,3102 f. und 3783f.; Hariv. 1724b—1726a [= I, 32,ub—lsa]j VishnuP. IV, 19, 2 Sehl, und S; BhP. IX, 17,2lf. [20,2lf.«]| VäyuP. U, 37, isif.;
MatsyaP. IL, i2f.
die vom Listenreichem handelnde Episode keine sichere Deutung
zulässt, auch der Lihalt der beiden Sagen einander nicht nahe ge¬
rückt werden kann, wenn wir nämlich von der nebensächlichen
Berährang, welche die jinistische Fassung bietet, absehen, so dürfte
unsere Anschauung von einem urspränglichen Zusammenhang be¬
rechtigten Zweifeln begegnen. Wir kennen nun aber noch eine
dritte Bharata-Erzählung.
Diese vrird uns in der altera Volkspoesie geboten. Ihr Bharata
ist kein listenreicher Opferkönig wie in der vedischen Sage,
kein weiser Thor wie im Monismus der brähmanischen Mönche,
sondem ein kluger Knabe oder Bauer. Legt nicht die blosse
Feststellung dieser Thatsache es nahe, dass alle drei Personen nur
dem Parbenspectrum ähnliche Zerlegungen derselben Lichtgestalt
sind, die dem einen Stande so, dem andern anders erscheinen musste ?
Klugheit ist ihr Wesen, das sich auch im vedischen Abbild
wiederspiegelt, mag nun die bewusste Stelle vom „Listenreichem' sich auf rein sacrale Phantasien beziehen oder nicht.
Goschrioben im FrUlu'ahr 1890, halten erschien nicht rathsam, da das wesshalb in den Fussnoten nicht auf fUr ihren aweiten Theil nothwendige Ha- aeitber Erschienenes verwiesen ist. Uie hllUmmagga-(MahOsadha-)JStaka noch Abhandlung noch länger zurilckzube- lange nicht zugtngliob werden durfte.
6<
Miscellen.
Von R. Otto Franke.
1) A-pacaai etc.
Da ich es nicht für angemessen halte, in der Recension eines
Buches auf schwache Punkte vorangegangener Recensionen anderer
Grelehrten von demselben Buche einzugehen, musste ich es mir bei
der Besprechung von Liebich's Werke ,Zwei Capitel der Kärikä,
übersetzt" (in der D. Lzg. 1893, Nr. 33, Sp. 1028 ff.) versagen,
•diesem Forscher gegen eine Bemerkung V. H(enry)'s Bundesgenossen -
Schaft zu leisten. Ich thue es an dieser SteUe. Und ich hoffe,
Herr Henry wird mit mir einig sein in dem Wunsche, den wahren
Sachverhalt ans Licht gezogen zu sehen, und nicht etwa eine klein¬
liche Polemik in meiner Darlegung erblicken.
In seiner Anzeige von Liebich's Schrift bemerkt der genannte
französische Gelehrte S. 834 der Rev. crit. von 1892 (Nr. 47):
,Mais, a supposer que l'argot des tavernes hindoues eüt cr66 des
monstres tels que apacaai (p. 56) = lat. *incoquis ,tu ne cuis
pas", on doit convenir qu'ils sont ä nos yeux quasi n6gligeables, puisqu'ils n'ont ni attache pröhistorique , ni emploi constats dans le sanscrit littcraire."
Je mehl- -wir mit der indischen Litteratur vertraut geworden
sind, als um so gefthrUcher hat es sich erwiesen, die indische
Grammatik aprioristisch abzuthun. Nach allen Erfahrungen, die
■wir gemacht haben, ist es heutzutage rathsamer, nicht in Pehler
zurückzuverfallen , die Mitte rmd Anfang dieses Jahrhunderts an
der Tagesordnung waren. Dass finite Verbalformen mit a priva¬
tivum keinen „attache pr6historique" hätten, ist schon von ganz
allgemeinen Gesichtspunkten betrachtet eine gewagte Behauptung.
a ist die tonlose Porm, sogenannte nasalis sonans, von na. Was
soll deren Eintreten fiir na bei Verben hindern ? Und dass that¬
sächlich Bezeichnungen vrie „monstres" und „n6gligeables" un¬
berechtigt sind, kann ich durch Pacta belegen. Ich vrill mit Henry nicht über sein „ni emploi constats dans le sanscrit littcraire"
rechten, da auch ich keinen sicheren Fall aus der unabhängigen Sanskrit-Litteratur kenne, denn dass bei^aü^ara zu Brahmasütra 815,2