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DieLesepredigt 3. SONNTAG NACH TRINITATIS TEXT: LK 15,1-10 (ERST SPÄTER VERLESEN!)

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Die Lesepredigt

2020/2021 – 3. REIHE

3. SONNTAG NACH TRINITATIS 20.6.2021

TEXT: LK 15,1-10 (ERST SPÄTER VERLESEN!)

I.

Was denke ich eigentlich über den Obdachlosen, der am Straßenrand im Alkohol versinkt und mich anbettelt? Was denke ich über den rebellischen Jugendlichen, der mich von weitem anpöbelt und mir Angst macht? Was denke ich über die Prostituierte, die im Park auf Freier wartet? Denke ich, das sind Menschen, denen die volle Auf- merksamkeit der Gesellschaft gehört? Denke ich, man müsste alles stehen und liegen lassen, um zur Hilfe zu eilen? Denke ich, ohne dieses eine Leben verliert auch alles andere seinen Glanz und seine Schönheit?

Jesus erinnert uns im Gleichnis vom verlorenen Schaf und im Gleichnis vom verlorenen Silbergroschen an eine Dimension unseres Lebens, die wir gerne ausblenden: Verlorenheit. Und diese Wirklichkeit kennen wir alle: Menschen und auch Dinge können verlorengehen!

Jeder von uns kann verlorengehen! Und solche Verlorenheit muss nicht immer etwas mit Versagen oder Schuld zu tun haben. Auch ein Fremdverschulden ist nicht in jedem Fall die Ursache. Sondern das Leben selbst, wie Gott es uns zumisst, kann eine ziemlich unsichere Angelegenheit sein. Man könnte auch sagen, es sei lebensgefährlich.

Zwischen Geburt und Sterben lauern unzähligen Gelegenheiten ver- lorenzugehen. Es gibt viele Situationen, in denen und an die wir uns verlieren könnten. Wer lebt, ist diesem Risiko ausgesetzt.

(Verlesen des Predigttextes: Lk 15,1-10) II.

Würde man den Hirten des verlorenen Schafes fragen, wie das Schaf verloren ging, er würde wahrscheinlich antworten: »Plötzlich war es weg! Ich habe mich gerade noch um die Herde gekümmert, da war es

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passiert. Es waren nur noch 99.« Die Frau, die den Silbergroschen verloren hat, würde vielleicht sagen: »Was für ein Elend. Den ganzen Tag habe ich für das wenige Geld gearbeitet. Plötzlich fehlte der Silbergroschen. Ein ganzer Tageslohn weg. Was für ein Elend! Er muss mir aus der Tasche gefallen sein. Aber wie und wo – keine Ahnung!«

Und könnte man das Schaf befragen, es würde vielleicht sagen: »Meine Güte! Ich habe doch nur von den Kräutern genascht. Keine Minute hat das gedauert. Und plötzlich waren alle weg. Niemand war mehr zu sehen!«

Jesus erzählt in den Gleichnissen vom richtigen Leben. Er erzählt von Verlorenheit und Verlust. Und er erzählt von Einsamkeit, Angst und Sorge. Es geht ihm dabei weniger um Verfehlung oder die böse Tat. Er erzählt von einer Wirklichkeit, in der sich das Leben plötzlich von seiner bedrückenden Seite zeigt. Plötzlich und unerwartet. So kommt zuweilen nicht nur der Tod. Auch das Leben kommt so daher.

Plötzlich ist der Partner gegangen und man hockt zuhause und kann es nicht fassen. Plötzlich liegt der vierbeinige Freund tot auf der Straße. Oder der Arzt ruft an und sagt, man solle in die Praxis kom- men. Man müsse dringend über ein Untersuchungsergebnis reden.

III.

Natürlich gibt es Menschen, die sehen hinter Verlorenheit und Verlust immer Schuld. Hat der Schäfer seine Arbeit getan? War er aufmerksam genug? Hat er sorgfältig geschaut? Ist die Frau nicht zu leichtsinnig mit ihrem Tageslohn umgegangen? Lernt nicht jedes Kind, dass man auf Geld aufpassen muss? Und der, der die Diagnose einer unheilba- ren Krankheit bekommt, hat er nicht gelebt, als wäre jeden Tag Sonn- tag?

Und sicher gibt es auch Menschen, die einwenden würden, dass es gar keine Verlorenheit ohne eigene Schuld geben könne. Und dass man jedem Fehlverhalten beherzt entgegentreten müsse. Wo kämen wir schließlich hin, wenn wir pöbelnden Jugendlichen nicht zeigten, wie man sich benimmt? Wo kämen wir denn hin, wenn wir den Ob- dachlosen nicht zeigten, dass zu einem ordentlichen Leben Arbeit gehört und ein geordneter Tagesablauf. Und wo kämen wir hin, wenn wir der Prostitution nicht Einhalt gebieten würden? Unser Predigttext

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verschweigt die Vorbehalte nicht. Und er bildet sie in der Haltung derer ab, die Gottes Liebe mit einem Vorbehalt verknüpfen: Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. (V 2)

Der generelle Vorbehalt jener, die nach Schuld fragen, gehört ge- nauso zum Leben, wie das, was der Hirte und die Frau erlebten haben.

Im Predigttext wimmelt es nur so von richtigem Leben. Das Mitein- ander von Menschen ist getränkt mit Meinungen, Erfahrungen und Urteilen. Es wird bedrängt von Moral, Religion, Glauben und Kultur.

Doch Jesus bleibt dabei: In Gott lebt eine tiefe Freude, wenn wir die entgrenzte und bedingungslose Barmherzigkeit wagen. Wer sich auf die Suche nach denen macht, die verloren gegangen sind oder sich selbst verloren haben, kommt dieser Freude Gottes nahe. Glaube ist nicht dort, wo wir moralische Debatten darüber anzetteln, wie man Menschen erzieht. Jesus will auch keine sozialen Systeme stabilisieren, durch die Grenzen gezogen und Gebote geschmiedet werden. Gelin- gendes Leben beginnt für ihn vielmehr dort, wo Menschen sich offen und frei füreinander auf die Suche machen. Die suchende, schauende, sehende Existenz ist berührt von Gottes eigener Liebe. Und die Suche macht Sinn, weil sich in ihr die Liebe Gottes zeigt. Umkehr, Buße, Einsicht und Neubeginn sind nicht die höheren Ziele der Liebe Gottes, sondern ihre Wirkung. Gottes Barmherzigkeit knüpft sich nicht an einen sozialen Erfolg. Sie ist frei und gewinnt Gestalt als große Freude.

IV.

Gottes Freiheit und Freude ist dabei nicht komplizenhaft. Sie verbündet sich nicht mit denen, die sich in ihrer Verlorenheit eingerichtet haben.

Sie verbündet sich auch nicht mit denen, die routiniert alle die Gründe aufzählen können, denen sie ein trauriges Geschick verdanken: Vater, Mutter, Chef oder Staat oder die allgemeinen Bedingungen. Wer sich verschwörungstheoretisch selbst als Opfer zelebriert, ist von Gottes se- hender Liebe noch nicht befreit. Diese sehende Liebe Gottes verbündet sich allerdings auch nicht mit denen, die immer schon wissen, dass sich bei dem oder der der Aufwand nicht mehr lohnen würde.

Jesus erzählt von sehender und tatkräftiger Liebe. Und er riskiert damit Ärger. Denn die Hüter der Moral und des Gesetzes, die Gerech-

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tigkeit als Tauschgeschäft verstehen, die sich vor allem als Stabilisa- toren staatlicher und religiöser Gewalt verstehen, spüren die Spreng- kraft der Botschaft Jesu. Gottes Ja zum Menschen ist nicht komplizenhaft. Gottes Ja zum Menschen kann man nicht für sich beanspruchen. Sondern Gottes Ja zum Menschen ist reine Freude am möglichen Leben. Egal, wohin es geraten war und gleichgültig, mit welcher Geschichte es belastet ist. Die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen eröffnen keine moralische oder päd- agogische Debatte. Und sie sind keine Gebrauchsanweisung dafür, wie man Menschen pädagogisch oder sozialtherapeutisch in vorhandene Strukturen einfädelt. Jesus sagt: Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über jeden, der umkehrt, der heimkehrt, der sich neu erkennt.

V.

Ein solcher Glaube mündet in Haltung. Und Jesus erkennt gottesnahe Haltung dort, wo Menschen Liebe und Freude als Haltung leben. Da wird Gottes Liebe zur sozialen Energie. Und diese Energie lässt sich nicht darauf ein, erst einmal auszurechnen, was Hilfe denn kosten würde. Diese Energie führt auch nicht Buch darüber, wann es denn kalkulatorisch richtig ist, ein Schaf zu suchen, wenn man doch noch neunundneunzig hat. Die Freude Gottes lebt vielmehr dort, wo unsere Haltungen Barmherzigkeit atmen. Wo wir zu vibrieren beginnen, weil jemand fehlt und/oder übersehen wurde.

Was machen wir also mit dem betrunkenen Obdachlosen, der uns um Geld bittet? Wir geben ihm Geld und helfen ihm damit über den Tag. Aber wir vergessen ihn nicht im nächsten Augenblick. Sondern wir fragen weiter, warum die entgrenzte Barmherzigkeit Gottes an ihm so wenig sichtbar ist. Was sind die Treiber für seine Verlorenheit?

Was sind die Gründe für sein Elend? Es wäre keineswegs gerechter oder besser, wenn wir stattdessen nach Schuld und Versagen fragten.

Die Haltung Jesu ist eindeutig. Er will die Freude Gottes auch im Le- ben dieses Obdachlosen, nicht unsere Vorbehalte und Urteile.

Wie begegnen wir dem Jugendlichen, der uns anpöbelt? Stimmen wir ein in die routinierten Urteilsmuster von mangelnder Eigenver- antwortung? Reden wir von Faulheit und fehlendem Engagement?

Oder durchbrechen wir die Ausgrenzungsroutinen in unserem Kopf

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und nehmen Haltung an? Haltung für dieses junge Leben, dass gerade dabei ist, sich immer mehr in das Abseits zu manövrieren? Fragen wir ernsthaft nach den Alternativen, die dieser junge Mensch zu seiner bedrückenden Wohnsituation hat? Fragen wir nach den Kräften, die ihm zeigen, wohin er gehört? Gehen wir auf die Suche nach ihm?

Wenn dieser Jugendliche von uns einfach nach Hause geschickt würde, fände er dort keinen Platz zum Lernen. Er fände seinen be- trunkenen Vater, der ihn losschickt, Bier zu holen. Und der ihm Vor- haltungen macht, was für ein Taugenichts er sei. Seine Mutter sagt schon lange nichts mehr. Die Angst vor den Schlägen hat sie stumm werden lassen.

Die Freude Gottes beginnt dort, wo wir uns auf die Suche machen.

Wo wir Haltung annehmen. Wo wir hinschauen und aufmerksam werden. Das ist nichts, was wir an ein übergeordnetes System dele- gieren könnten. Wir sind das System. Jeder von uns steht vor der Frage, ob er die Freude Gottes leben mag, ob er guter Hirte sein möchte. Gottes Freude daran ist irritierend. Aber sie ist heilsam.

Amen.

WAHRNEHMUNGEN AUF DEM WEG ZUR PREDIGT | LK 15,1-10

Der Evangelist Lukas verdankt das Gleichnis vom verlorenen Schaf der Jesustradition. Die Einleitung (15,1-3) stammt aus seiner Hand.

Vor diesem Hintergrund muss das Sündenmotiv nicht in den Vorder- grund gestellt werden. Vielmehr geht es um eine Lebenswirklichkeit, die in sich und an sich bedacht werden will. Deutlich wird das im Gleichnis vom verlorenen Groschen. Einem Geldstück aktive Sünd- haftigkeit zu unterstellen wäre töricht. Verlorenheit ist immer Ereignis und Ergebnis. Die Predigt legt die Betonung darauf, dass die Dimen- sion der Widerfahrnis behutsam ins Gespräch gebracht wird. Die se- hende Liebe Gottes wird zur sozialen Energie, wo wir für sie Haltung einnehmen. Moralische Versatzstücke gesellschaftlicher Argumenta- tion grenzen weiter aus und bilden die Freude Gottes nicht ab. Die appellative und sozialtherapeutische Geste kann nicht der erste Schritt

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sein. Gottes Freude mündet in einem konkreten Verhalten. Die Ich-Per- spektive gehört zur Erhellung der Lebenswirklichkeit unbedingt dazu.

Gott ist kein Komplize meiner bisherigen sozialen Routinen, er ist eine Verlockung zur Liebe.

LITURGISCHE VORSCHLÄGE

Tagesgebet: Unser Gott! Du bist in Deinem Sohn gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Wir danken Dir für Deine Nähe und Gegenwart. Lass uns Energie gewinnen aus Deiner Liebe, damit wir uns auf den Weg machen mögen zu denen, die Hilfe brauchen.

Deine Freude wohnt nicht in unseren Bedenken, Deine Freude wohnt in unseren Schritten, die wir als Botinnen und Boten Deiner Liebe wagen. Dies bitten wir durch Jesus Christus, der mit Dir lebt und re- giert von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

Fürbitten: Gott, Schöpfer des Lebens! Wir bitten für die, die in ihrem Leben in das Abseits geraten sind, die keine Kraft mehr haben, keine Freude mehr empfinden; keine Lebenslust mehr spüren. Lass uns als Deine Gemeinde daran festhalten, dass es gerade diese Menschen sind, denen wir nahe sein dürfen. Nicht die pädagogische Geste und das soziale Programm sollen uns leiten, sondern die Hoffnung darauf, dass jede Nähe Bewegung und jede Liebe Hoffnung schafft. Wir bitten Dich:

Erbarme Dich!

Gott, Jesus Christus! Die Grenzenlosigkeit Deiner Liebe ist irritie- rend! Sie überfordert uns. Deine Hingabe ist total. Wir bleiben weit dahinter zurück. Trotzdem bitten wir Dich: Schenke uns Teilhabe an Deinem Blick auf das Leben, wo immer wir können. Mache uns zu Botinnen und Boten Deiner Gottesfreude. So werden wir Mut und Hoffnung fassen zu den ungewöhnlichen Schritten und freudigen Taten, die Ergebnisse Deiner Liebe sind. Wir bitten Dich:

Erbarme Dich!

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Unser Gott, Heiliger Geist! Wir haben uns eingerichtet in unseren Urteilen und Vorurteilen. Was in das Abseits geraten ist, verdächtigen wir und belegen es mit Vorbehalten. Der Mensch unter der Brücke wird so zum Versager, das Kind im Problemviertel zum Taugenichts, der Jugendliche im Park zum Störenfried. Wir bitten: Bewege uns zu neuen Blicken auf die Wirklichkeiten, die uns umgeben. Schenke die Kraft, das Leben lebend und liebend zu betrachten, damit wir nicht Opfer unserer verkümmerten Vorstellungen werden. Wir bitten Dich:

Erbarme Dich!

Mit den Worten Jesu beten wir gemeinsam:

Vater unser … Amen.

Eingangslied: Gott ist gegenwärtig. 165.

Wochenlied: Hallelu Hallelu. EG.E 17.

Predigtlied: Komm in unsre stolze Welt. 428.

Epistel-Lesung: 1 Tim 1,12-17.

Evangelien-Lesung: Lk 15,1-3.11b-32.

Liturgische Farbe: grün.

Verfasser: Pastor Rolf Adler, Am Anger 32, 21255 Tostedt, E-Mail:

Rolf.Adler@evlka.de

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