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Archiv "Zulassung von Frauen zum Arztberuf: „Das Weib ist der Verarbeitung der erforderlichen wissenschaftlichen Materie nicht gewachsen . . .“" (25.02.1994)

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THEMEN DER ZEIT AUFSÄTZE

Zulassung von Frauen zum Arztberuf

„Das Weib ist der Verarbeitung

der erforderlichen wissenschaftlichen Materie nicht gewachsen . . ."

Frauen, die Ärztin werden wollten, hatten um die Jahr- hundertwende in Deutschland zahlreiche Hürden zu überwinden. Zwar war die ärztliche Approbation für sie seit 1899 möglich. Doch da Frauen zu dieser Zeit noch nicht regulär zum Studium zugelassen wurden, mußten

sie versuchen, als Hospitantin an die Universität zu ge- langen. Repräsentanten der Hochschulen und der deut- schen Ärzteschaft hatten sich jedoch gegen die Zulassung von Frauen zum Arztberuf gewehrt — zum Teil mit abenteuerlichen Begründungen.

F

rauen wurde die ärztliche Ap- probation in Deutschland mit dem Erlaß einer Bekanntma- chung am 24. April 1899 durch den deutschen Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst möglich.

Eine reguläre Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium gab es zu diesem Zeitpunkt aber in keinem deutschen Bundesstaat. Diese Öff- nung der Hochschulen erfolgte erst nach und nach zwischen 1900 (Ba- den) und 1908 (Preußen). Doch zu- mindest laut Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker konnten nun auch Hospitantinnen nach einem ordnungsgemäßen Studi- engang zur ärztlichen Prüfung zuge- lassen werden. Vorbedingung war wie bei den Studenten das gymnasi- ale Reifezeugnis — keine leichte Hürde für eine junge Frau. Denn die Eröffnung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe lag gerade erst sechs Jahre zurück.

Privatunterricht und anschließend die Reifeprüfung waren in der Regel die einzige Möglichkeit, als Hospi- tantin an einer Universität Aufnah- me zu finden.

Allerdings wurde das Hospitan- tinnenwesen an den deutschen Uni- versitäten um 1898 unterschiedlich gehandhabt. So gab es etwa an der Universität Tübingen „nicht bloß ge- gen den gemeinsamen Besuch gewis- ser Unterrichtskurse, sondern schon gegen das Zusammenleben von Stu- dierenden beider Geschlechter in ei- ner kleinen Universitätsstadt sittliche

Bedenken", so daß die medizinische Fakultät die Teilnahme von Frauen an den Lehrveranstaltungen nicht billigte. Andernorts wurden Frauen nur mit Zustimmung der jeweils be- teiligten Lehrer zu den Veranstaltun- gen zugelassen. Vertreter der medizi- nischen Fakultät der Universität Straßburg fürchteten den Zustrom ausländischer Studentinnen: „Unter diesen könnten russische Nihilistin- nen und Personen von zweifelhafter Sittlichkeit sehr unbequem werden."

An den Universitäten in Berlin und Göttingen waren Frauen immer- hin seit dem Wintersemester 1895/96 als Gasthörerinnen zugelassen. Nach einer Notiz im „Aerztlichen Vereins- blatt" besuchten an den neun preußi- schen Universitäten in der Zeit vom Wintersemester 1895/96 bis 1898/99 insgesamt 1 744 Frauen Vorlesungen als Hospitantinnen, davon 67 im Fach Medizin.

So bestand auch 1898 für das Württembergische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten kein Zweifel daran, „daß unter den gegen- wärtigen Verhältnissen den auf die Ermöglichung der Approbation weiblicher Ärzte gerichteten Bestre- bungen ein Widerstand wohl nicht mehr entgegengesetzt werden kann".

Der badischen Regierung erschien es

„auf die Dauer nicht haltbar, daß den Frauen zwar materiell die Möglich- keit gewährt wurde, . . . die für die Zulassung zu den ärztlichen Prüfun- gen nachzuweisende allgemeine und Fachbildung zu erwerben, daß sie

aber in formeller Hinsicht von der Prüfung selbst ausgeschlossen und damit, wenn sie die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten prak- tisch verwerten wollen, lediglich den Kurpfuschern gleichgestellt sind".

Nicht einmal Behandlung von Frauen und Kindern Eine Reihe von im Ausland (das heißt vor allem in der Schweiz) ap- probierten Ärztinnen praktizierte be- reits im Kaiserreich. Allerdings kam es wegen Führen des Doktortitels zu Konflikten mit den männlichen deut- schen Kollegen. Versuche einiger Krankenkassen, im Ausland appro- bierte Ärztinnen vorzugsweise für die Behandlung von Frauen und Kindern in Dienst zu stellen, scheiterten am Einspruch der Aufsichtsbehörden.

Diese waren durch lokale ärztliche Standesvertretungen mobilisiert wor- den.

Der die Standesinteressen der deutschen Ärzteschaft repräsentie- rende „Deutsche Aerztevereins- bund" weigerte sich noch 1899 be- harrlich, den Realitäten ins Auge zu sehen. Verbittert wurde in seinem

„Aerztlichen Vereinsblatt für Deutschland" darauf hingewiesen, daß der Reichskanzler mit seinem Erlaß „sich also einmal wieder über die Vota der betheiligten Sachver- ständigen, der übergrossen Mehrheit der deutschen Ärzte, ohne alle Skru- pel hinwegsetzt". Gemeint war hier- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 8, 25. Februar 1994 (31) A-491

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„Eine Ärztin im Gespräch mit einer nor- malen Frau” (Punch 1856).

THEMEN DER ZEIT

mit offenbar eine Entschließung des 26. „Deutschen Aerztetages" zu Wiesbaden im Juni 1898, der sich un- ter dem Tagesordnungspunkt IX mit dem „Medizinalstudium der Frauen"

befaßt hatte. Mit großer Mehrheit war man hier zu dem Ergebnis ge- kommen, daß davon „1. Kein erhebli- cher Nutzen für die Kranken, 2.

Mehr Schaden als Nutzen für die Frauen selbst, 3. Mindestens kein Nutzen für die deutschen Hochschu- len und die Wissenschaft, 4. Eine Minderung des ärztlichen Ansehens, 5. Keine Förderung des allgemeinen Wohles zu erwarten sein" werde.

Bereits 1895, als die befürwor- tende Haltung des Reichskanzlers zur Zulassung von Frauen zur ärztli- chen Approbation bekannt wurde, war im „Aerztlichen Vereinsblatt"

die dringende Bitte geäußert worden,

„dass man solche Fragen nicht über unsere Köpfe hinweg entscheidet, vielmehr die ärztlichen Standesver- tretungen zu Rathe zieht, welche ei- gens dazu eingesetzt sind, dass die Staatsbehörden sie über alle Angele- genheiten, welche den ärztlichen Be- ruf etc. betreffen, gutachtlich hören".

Betrachtet man die Veröffentli- chungen im „Aerztlichen Vereins- blatt" zum Thema „Frauen in der Medizin", so wundert man sich nicht, daß die Reichsbehörden Zurückhal- tung bei der Einholung ärztlicher Ratschläge übten. „Wir unsererseits, die wir vom ärztlichen Berufe doch einiges kennen . . ., behaupten, dass der Regel nach die Frau sich nicht für den ärztlichen Beruf eignet", tön- te es 1894 apodiktisch aus der Re- daktion der ärztlichen Standespubli- kation. Die ganze Diskussion um die Zulassung der Frau zum Studium der Medizin sei eine Modeerscheinung.

Die kritisch-wissenschaftliche Beweisführung überließ man im

„Aerztlichen Vereinsblatt" zwei Jah- re später Dr. phil. et med. Georg Buschan, einem anerkannten Fach- mann für Anthropologie und Ethno- logie.

Wesentliches Beweisobjekt in Buschans Argumentation gegen die Befähigung der Frau zur Arztin ist das menschliche Gehirn. Das weibli- che Gehirn sei nicht nur leichter als das des Mannes, sondern „das männ- liche Gehirn ist symmetrischer als

AUFSÄTZE

das weibliche entwickelt. . . . Die Ca- rotis interna, welche besonders das Vorder- und Mittelhirn (Willen, In- telligenz und ideo-motorische Pro- zesse) versorgt, ist bei den Männern bedeutend weiter als bei den Wei- bern". Unausweichliche Schlußfolge- rung des Wissenschaftlers in bezug auf Frauen in der Medizin: „Das Weib ist der Verarbeitung der erfor- derlichen wissenschaftlichen Materie nicht gewachsen. . . . Es wird an Leib und Seele schaden nehmen, und zwar nicht allein für die eigene Person, sondern auch für den zu erwartenden Nachwuchs, falls die weibliche Kolle-

gin nicht lieber den Cölibat vorzie- hen sollte. Eine Zunahme der Entar- tung unseres sowie so schon auf dem Wege der Decadenz befindlichen Volkes wird die unausbleibliche Fol- ge sein."

Da dies offenbar nicht ausreich- te, alle Emanzipationsbestrebungen im Keime zu ersticken, bot das

„Aerztliche Vereinsblatt" noch im selben Jahr dem Nervenarzt Dr. S.

Placzek die Gelegenheit, neue schwe- re „wissenschaftliche" Geschütze ge- gen die Frau im Arztberuf aufzufah- ren: „Das Weib, das instinktiv jeden unästhetischen Eindruck meidet, soll auf dem Höhepunkt seines Lebens, seiner weiblichen Entwicklung, das Sezirmesser in der Faust, den Men- schenleib zergliedern und im steten Anblick menschlichen Leidens das an- geborene Mitempfinden, die zarte In- nigkeit, die feinschattierte Gemüths- erregbarkeit vernichten."

Bald darauf kommt der Autor zum Kern seiner Erörterungen, der

stetigen Behinderung des weiblichen Geschlechts: „Man braucht durchaus nicht der Ansicht derer zu huldigen, die das Weib als von Natur invalid halten, um voll die Beschränkungen zu würdigen, welche durch den all- monatlichen Blutverlust während der ganzen Dauer des sexualen Lebens gesetzt werden . ." Die unausweich- liche Schlußfolgerung kann nur lau- ten: „Das Weib ist also nur in Inter- vallen eines beständigen Krankseins gesund." Da, wo sich die Frau allen Warnungen zum Trotz im Berufe zu verwirklichen sucht, setze unbarm- herzig der Prozeß der Entfremdung ein: „Und es hat keine Zeit mehr, Weib zu sein; es hat keine Kraft mehr, Weib zu sein; die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt nimmt all sei- ne Zeit und seine Kräfte, und es fängt selber an, sein Weibsein zu ver- achten und als eine Last zu empfin- den und sich einzureden, dass das unfruchtbare Freisein alles ist, dass die Arbeit die einzige Genugthuung ist. Denn es ist ein gespaltenes Ge- schöpf geworden; es glaubt nicht mehr an sich selbst als Weib!"

In dieser Art präsentierte sich die im „Aerztlichen Vereinsblatt" ge- führte Diskussion um die Zulassung der Frau zum Arztberuf. Zwar ließ man wenig später im „Aerztlichen Vereinsblatt" einen Kritiker zu Wort kommen, der die Uninformiertheit des Ärztetages bezüglich der Frauen- frage beklagt. Doch wurde dieser di- rekt im Anschluß daran mit einem Rüffel durch die Redaktion bedacht.

Der Widerstand der ärztlichen Standesvertretung gegen die Zulas- sung von Frauen zur Approbation verpuffte jedoch wirkungslos. Bereits 1912 konnte im Zusammenhang mit einer Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf" eine Liste von 175 in Deutschland approbierten Ärztinnen zusammengestellt werden.

Deutsches Ärzteblatt

91 (1994) A-491-492 [Heft 8]

Anschrift des Verfassers:

Thomas Gerst Ottostraße 12 50859 Köln A-492 (32) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 8, 25. Februar 1994

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