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Archiv "Streit um Professur: Patientenwunsch versus Hochschulautonomie" (18.07.1994)

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POLITIK

Streit um Professur

Vor ein paar Wochen ging an der Berliner Humboldt-Universität ein Abschnitt zu Ende. Der Rat der Medizinischen Fakultät lud in die Charit6 zur „Entpflichtung der Mit- glieder der Struktur- und Berufungs- kommissionen", kurz SBK genannt.

Sie waren für die Neubesetzung der Professuren zuständig und sollten so- wohl die fachliche Leistung wie auch die persönliche Integrität von Bewer- bern berücksichtigen, das heißt im Falle von ostdeutschen Bewerbern:

ihre Ämter und Verflechtungen zu DDR-Zeiten.

Der Berliner Senator für Wis- senschaft und Forschung, Prof. Dr.

Manfred Erhardt, hat inzwischen ei- ne positive Bilanz gezogen: Bei gut 500 ausgeschriebenen Professuren sei inzwischen für etwa 450 ein Ruf ergangen. 317 Mal sei er angenom- men worden, und zwar in 173 Fällen von Wissenschaftlern aus den alten und in 144 Fällen von Wissenschaft- lern aus den neuen Ländern.

Zu den unbesetzten Stellen ge- hört eine C4-Professur für Neuro- chirurgie. An dieser Stelle und ihrem prominentesten Anwärter, Prof. Dr.

Siegfried Vogel, entzündete sich bis heute ein Streit, der immer stärker eskalierte.

Am 29. Mai 1992 wurde die be- sagte Stelle ausgeschrieben. Nach dem üblichen Procedere erstellte die zuständige 2. Struktur- und Beru- fungskommission Anfang 1993 eine Vorschlagsliste mit vier Kandidaten.

Favorit des Gremiums war Prof. Vo- gel. Bevor sie jedoch endgültig inner- halb der Universität abgesegnet war, traf ein Brief der Senatsverwaltung ein. Darin pochte man, allerdings für diverse anstehende Lehrstuhl-Beset- zungen, auf die Hochschulgesetze.

Erinnert wurde daran, daß auch die persönliche Integrität der Bewerber zu beachten sei. Konkret bedeutete das bei ostdeutschen Bewerbern: An- forderung eines Gutachtens der Gauck-Behörde, Erkundigungen

KOMMENTAR

nach der Zugehörigkeit zur SED oder zu einer anderen Blockpartei beziehungsweise Massenorganisati- on, Fragen nach einer sonstigen her- ausgehobenen Position in der DDR.

Die zuständige Kommission machte sich offenbar erneut an die Arbeit und kam im zweiten Anlauf zu einem anderen Ergebnis: Ein „Inte- gritätsvotum" für den einstigen Favo- riten könne man nicht abgeben. Alles in allem empfehle man die Neuaus- schreibung der Stelle. Weshalb dies?

Eine zufriedenstellende Antwort ist schwer zu erhalten. Klar ist, daß eine Anfrage bei der Gauck-Behörde negativ beschieden wurde. Eine ak- tenkundige Stasi-Vergangenheit hat Vogel nicht. Er war allerdings Mit- glied der SED und — auf diese Tatsa- che reduziert sich im Grunde alles — für zwei Jahre Ärztlicher Direktor an der Charit6. Deswegen gilt er als be- lastet und soll die neu ausgeschriebe- ne Professur nicht erhalten. In zahl- reichen Veröffentlichungen hieß es allerdings, die Entscheidung gegen Vogel habe auch fachliche Gründe:

Der Neurochirurg wage komplizierte Operationen am Stammhirn. Man- che Kollegen hielten diese für zu ris- kant, manche neideten dem Arzt sei- ne Fähigkeiten.

Druck der Öffentlichtkeit Vogel selbst ist schwer zu errei- chen. Monika Grütters, Presserefe- rentin des Berliner Wissenschaftsse- nators, schränkt gleich zu Anfang ein: „Wir kennen den ganzen Vor- gang nur aus der Presse." Das gilt wohl zumindest für die erste Liste, die ja nie den Senat erreichte. Vogels Personalakte werde an der Hum- boldt-Universität geführt, ergänzt Grütters, Einzelheiten daraus seien also nicht bekannt. Außerdem werde in laufende Berufungsverfahren nicht eingegriffen, da die Zusam- menstellung einer Bewerberliste in

die Autonomie der Hochschulen fal- le. Fachliche Bedenken des Sena- tors? Der Mann sei Jurist, sagt Grüt- ters, „der kann gar nicht entscheiden, ob jemand gut ist als Neurochirurg".

Prof. Dr. Hans-Dietrich Herr- mann könnte es vermutlich, denn er ist 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie.

Doch er stellt nur fest: „Wir werden den Teufel tun, uns einzumischen."

Die Erstellung der Berufungsliste sei Sache der Universität. Der Druck der Öffentlichkeit habe deren Entschei- dungsfreiheit gefährdet, meint Herr- mann mit Blick auf die Medien und eine ausgesprochen rege Patienten- initiative.

Was die Öffentlichkeit anbe- langt, so unterscheidet sich die Stel- lenbesetzung in der Tat von anderen, um die es auch ost-west-spezifischen Ärger gab: Für Prof. Vogel setzt sich eine Gruppe von Patienten und ihren Angehörigen seit längerem ein, vor allem eine West-Berliner Familie Credo der Initiative: Der Neurochir- urg sei ein begnadeter Operateur. Er habe eben im Osten Deutschlands gelebt, und zwei Jahre in der Position als Ärztlicher Direktor könne man doch nicht wirklich als systemstabili- sierende Tätigkeit betrachten.

Anders sieht das Marlis Scheu- nemann, Pressesprecherin der Chari-

-g die jedoch auch auf einen mögli- chen Meinungswandel im Lauf der Jahre verweist: Damals, am Anfang der Neustrukturierung, sei nun ein- mal Maß aller persönlichen Beurtei- lung ein negatives Gutachten der Gauck-Behörde gewesen und die Tatsache, daß ein Bewerber keine hervorgehobene ärztliche Position gehabt habe. Der Ärztliche Direktor sei eine solche gewesen. „Wenn an-, dere die Charit6 aus solchen Grün- den verlassen mußten, dann ist es einfach ungerecht, wenn einer blei- ben darf, nur weil die Öffentlichkeit derartigen Druck macht", meint sie.

Inzwischen ist eine Vorschlagsli- ste, die zweite, offiziell beim Wissen- schaftssenator eingetroffen. Prof.

Vogel hatte sie zunächst durch eine einstweilige Anordnung wegen seiner Nichtberücksichtigung gestoppt. Die- se ist inzwischen zurückgezogen, wie Monika Grütters klarstellt. Nun prüft der Senator . . . Sabine Dauth

Patientenwunsch versus Hochschulautonomie

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (25) A-1937

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