Anteil für den Gesundheitsbereich zu erhalten. Die Vorstandsmitglie- der waren übrigens durchaus interes- siert an dem Aufbau des bundes- deutschen Gesundheitswesens.
Chefarzt des 660-Betten-Tuber- kulose-Krankenhauses und Chef der Tuberkulose-Bekämpfung in Lett- land ist Dr. Voldemars Soulite. Die Tuberkulose spielt in Lettland trotz BCG-Impfung und trotz Chemothe- rapie eine erhebliche Rolle, offenbar durch Zuwanderer aus dem Osten.
Dabei hat die Tuberkulose-Chirur- gie noch eine große Bedeutung. Al- lerdings werden heute in diesem Tu- berkulose-Krankenhaus auch Karzi- nom-Patienten und chronische Bron- chitiden behandelt.
Unfreundliche Räume
Die Abteilung für Abdominal- chirurgie hat 80 Betten. Es gibt au- ßerdem eine Abteilung für Urogeni- tal-Tuberkulose und eine eigene pädiatrische Tuberkulose-Abteilung mit 60 Betten, die derzeit knapp zur Hälfte belegt ist. Bei dem zunächst einstündigen intensiven Gespräch hatte ich den Eindruck, daß die theoretischen Kenntnisse in der Tu- berkulose-Diagnostik und -Therapie dem deutschen Stand entsprechen.
In dem Haus ist eine eigene bakte- riologische Abteilung. Offenbar sind auch virologische Untersuchungen möglich. Es werden jährlich etwa 1500 bis 1600 Bronchoskopien in der Klinik vorgenommen. Eine Röntgen- abteilung ist ebenfalls im Haus vor- handen.
Für Computer-Tomographien, die relativ häufig angefertigt werden, müssen die Patienten in das allge- meine Innenstadt-Krankenhaus ge- fahren werden, das etwa 20 bis 25 km entfernt liegt. Saulite beklagte die Qualität des BCG-Impfstoffes aus Rußland; mal sei die Konzentration so hoch, daß es zu erheblichen Abs- zeßbildungen komme, dann wieder habe man Chargen, bei denen bei keinem Patienten auch nur eine Re- aktion aufträte. Er ist nach wie vor für eine BCG-Impfung im Neugebo- renenalter. Die Versorgung mit Me- dikamenten ist ungleichmäßig; es fehle an Geld. Er habe bislang auch gute Erfahrungen mit dem Peni-
cillinanamin als Tuberkulostatikum gehabt, könne dies aber jetzt nicht in ausreichender Menge erhalten.
Streptomycin wird auch in Riga nur noch sehr selten mit eingesetzt. Auf- fällig ist auch, daß es oft an Anästhe- tika mangele, so daß die Anästhesi- sten zeitweilig auch die Intubations- narkose nur mit Äther fahren. Ein- malspritzen und Einmalkanülen sind nur zeitweilig vorhanden. In anderen Krankenhäusern sind häufig keine Antibiotika vorrätig. Ein Kranken- hausdirektor bedauert, daß er nicht wisse, wo er Medikamente kaufen solle. Die wenigen freien Apotheken haben Preise, daß er sie nicht zahlen könne. Eine allgemeine Einkaufs- quelle für Krankenhäuser sei nicht vorhanden.
Das Krankenhaus wurde vor 20 Jahren von Sträflingen gebaut. In je- dem Zimmer stehen sieben Betten, so eng nebeneinander, daß nicht ein- mal für jeden Patienten ein Nacht- schrank Platz hat. In einer Ecke des Zimmers ist ein einfaches Wasch- becken, auf der ganzen Station höch- stens eine Badewanne. Auch Toilet- ten sind nicht ausreichend vorhan- den. In einer Toilette stand etwa zwei bis drei Zentimeter hoch Was- ser auf dem Fußboden. In einer an- deren Toilette fehlte am Wasserka- sten der Deckel.
Die Kinderklinik bietet das glei- che trostlose Bild. In unfreundlichen Räumen standen dichtgedrängt je- weils sieben Gitterbetten, die hin- und hergeschoben werden mußten, wenn man an eines herantreten wollte.
Neu für mich war auf der kno- chenchirurgischen Abteilung ein Magnetisierungsgerät; an Metalltei- len wurde die Stärke des Magnetfel- des demonstriert. Die Ärzte berich- teten, daß man Knochenschmerzen durch Lagerung im Magnetfeld sehr günstig beeinflussen könne und man erheblich Medikamente spare; die Patienten ließen sich sehr gern ma- gnetisieren.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Rolf Bialas Präsident der
Ärztekammer Hamburg Humboldtstraße 56 W-2000 Hamburg 76
Streit um den WHO-Direktor
Der Generaldirektor der Welt- gesundheitsorganisation, der japani- sche Arzt Dr. Hiroshi Nakajima, kämpft um seinen Job. Wie im briti- schen „Lancet" berichtet wurde, er- wartet man zwar, daß eine Mehrheit des Verwaltungsrates ihn Anfang 1993 für eine neue Amtsperiode vor- schlagen werde. Aber ob die Gene- ralversammlung im Mai diesem Vor- schlag folgt, ist unklar. Starke Oppo- sition kommt von den USA, von Ka- nada und von allen EG-Ländern, die auch einen beachtlichen Teil der Fi- nanzierung der WHO tragen. Von ihnen wird der frühere Stellvertreter Nakajimas favorisiert, der Algerier Dr. Mohamed Abdelmoumene. Na- kajima hat ihn schon vor einem hal- ben Jahr in der Organisation kaltge- stellt, nachdem er von der Kandida- tur gehört hatte.
Die Kritiker werfen, so heißt es im „Lancet" weiterhin, Nakajima vornehmlich mangelnde Führungs- qualitäten vor. Die Stimmung in der Organisation sei katastrophal, die Direktoren der regionalen Organisa- tionen lehnten ihn ab. Seine Haupt- tätigkeit bestehe in unzähligen Rei- sen; im Jahr 1992 sei er 171 Tage lang unterwegs und damit nicht in Genf gewesen. Dabei seien die Rei- sen wenig effektiv, weil er sich hauptsächlich um die Komplettie- rung seiner Kunst- und völkerkundli- chen Sammlungen bemühe, weniger jedoch um die Gesundheitsprobleme der besuchten Länder.
Fest hinter Nakajima stehe hin- gegen die Regierung seines Heimat- landes Japan. Emissäre aus Nippon seien ebenfalls gereist und hätten verschiedenen Ländern mit Einstel- lung von Entwicklungshilfe oder mit einem Einfuhrboykott gedroht, falls sie gegen Nakajima stimmten. Ande- re sollen zu erkennen gegeben ha- ben, daß Japan die Höhe seines Bei- trages zur WHO überdenken könnte.
Bisher habe allerdings die Gene- ralversammlung den personellen Vorschlägen des Verwaltungsrates immer zugestimmt... bt Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993 (33) A1-105