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Archiv "Gesundheitsreform in den USA: Obama ist noch nicht am Ziel" (27.11.2009)

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A 2402 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 48

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27. November 2009

KOMMENTAR

Claus Tigges, Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Washington

B

arack Obama wird in den Ge- schichtsbüchern einst als der erste Schwarze stehen, der zum Präsi- denten der Weltmacht USA gewählt wurde. Und auch für die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis ist ihm ein Eintrag sicher. Obama selbst dürfte es aber wichtiger sein, dass sein Name von späteren Generationen vor allem mit einer Leistung in Verbindung ge- bracht wird: einer weitreichenden Re- form des US-amerikanischen Gesund- heitswesens, die den schätzungsweise

46 Millionen Nichtversicherten im Land den Schutz einer Krankenversicherung gebracht, die Leistungen verbessert und den Kostenanstieg gedämpft hat.

Einen solchen Umbau hat Obama schon im Präsidentschaftswahlkampf versprochen. In den ersten Wochen nach seinem Amtsantritt war er zwar vor allem mit dem Management der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise befasst, doch schon kurz darauf hat Obama sich an die Einlösung des Ver- sprechens gemacht. Über die Sommer- monate ist das Reformprojekt zum be- deutendsten innenpolitischen Vorhaben seiner Amtszeit geworden. Inzwischen hat die Gesundheitsreform schon wich- tige Hürden im Kongress genommen.

Einige Ausschüsse haben Skizzen eines Umbaus beschlossen, und das Reprä- sentantenhaus hat sich sogar auf einen Gesetzentwurf verständigt, wenngleich mit knapper Mehrheit. Damit ist Obama schon weiter als Mitte der 90er-Jahre Bill Clinton, der sich zusammen mit First Lady Hillary anschickte, das Sys- tem zu reformieren, und kläglich am Widerstand des Kongresses scheiterte.

Doch Obama weiß ganz genau, dass er die Ziellinie noch nicht erreicht hat. Ein hartes Stück Arbeit steht noch bevor, bis sich Senat und Repräsentan- tenhaus auf einen gemeinsamen Ge- setzentwurf verständigt haben. Dabei geht es nicht nur darum, womöglich

die Unterstützung einer Handvoll Repu- blikaner zu gewinnen, damit dem Werk das Etikett „überparteilich“ verpasst werden kann. Auch im eigenen, dem demokratischen Lager herrschen nicht nur Begeisterung und ungezügelter Tatendrang. Jene Demokraten, die im amerikanischen Sinne als „liberal“ ein- gestuft werden, also eher dem linken Flügel der Partei zuzurechnen sind, kämpfen mit Zähnen und Klauen für die Schaffung einer weiteren staatli- chen Krankenversicherung. Sie soll in

Ergänzung zur Versicherung für Senio- ren (Medicare) und jener für Bedürftige (Medicaid) all jene schützen, die sich aus eigener finanzieller Kraft eine eige- ne private Versicherung nicht leisten können. Und sie soll den Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt anheizen, zum Wohl der Verbraucher.

Darüber sind nicht nur Republikaner alles andere als entzückt, sondern auch gemäßigte Demokraten. Sie teilen die Befürchtung eines erheblichen Teils ihrer Wähler, dass der Staat sich damit viel zu weit in einen höchst privaten Bereich vorwagen und ihnen ungefragt Entscheidungen abnehmen werde, von denen sie meinen, dass nur sie allein sie zu treffen haben. Diese Gemütslage ist nicht zu unterschätzen. Auf Bürger- versammlungen zum Thema zeigte sich in diesem Sommer, wie wütend und aufgebracht viele Menschen über die Aussicht sind, dass die Regierung ih- nen vorschreiben will, welchen Arzt sie wann aufsuchen dürfen. Den Konser- vativen war das Wasser auf ihre Müh- len; sie schürten die Angst zusätzlich, indem sie das Ende des Kapitalismus ausriefen und vor sozialistischen Ver- hältnissen warnten. Das noble Ziel der Reform, 46 Millionen Menschen die Sorge zu nehmen, durch Arzt- und Krankenhausrechnungen in den Ruin getrieben zu werden, geriet über diese Wutanfälle und die Stimmungsmache

in den Hintergrund. Die Debatte um die Gesundheitsreform zeigt damit aber- mals ganz deutlich, wie misstrauisch viele Amerikaner dem Staat gegenüber sind und welch großen Wert sie darauf legen, eigenverantwortlich zu handeln.

Dafür sind sie dann auch bereit, die Folgen ihres Handelns oder Unterlas- sens zu tragen und rufen nicht nach der helfenden Hand des Staates. So ist es im Übrigen zu erklären, dass ein großer Teil der US-amerikanischen Be- völkerung die staatliche Hilfe für die

angeschlagenen Automobilhersteller Chrysler und General Motors ablehnt, selbst um den Preis ihres Untergangs.

Obama und seine Mitstreiter haben eingesehen, dass sie diese Skepsis nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen. Darum beteuert der Präsident bei jeder Gelegenheit, wer mit seiner aktuellen (privaten) Versicherung zu- frieden und glücklich sei, für den ände- re sich gar nichts. Noch ist er damit nicht überallhin durchgedrungen. Und es ist auch gar nicht sicher, dass die Reform, die letztlich im Tauziehen zwi- schen Regierung, Senat und Repräsen- tantenhaus beschlossen wird, die Vor- gaben Obamas erfüllt: nicht nur sämtli- che US-Amerikaner in einer Kranken- versicherung unterzubringen und die Kosten in den Griff zu bekommen, son- dern auch nicht zu einer zusätzlichen Belastung für den Haushalt zu werden, der tief in den roten Zahlen steckt.

Daran aber wird sich Obama mes- sen lassen müssen. Schließlich geht es nicht darum, dass Gesundheitssystem in den USA um des Prinzips willen zu verändern, es soll verbessert werden, damit die Menschen im Land gesünder sind. Nur wenn das erreicht wird, ver- diente es Obama in einem Atemzug mit Theodore Roosevelt genannt zu wer- den, dessen „New Deal“ bis heute die Grundlage des Sozialstaates in Amerika

darstellt. ■

GESUNDHEITSREFORM IN DEN USA

Obama ist noch nicht am Ziel

P O L I T I K

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