Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 3|
18. Januar 2013 A 63D
er Inauguration Day fällt in diesem Jahr auf einen Sonn- tag. Am 20. Januar wird Barack Obama in einer eher privaten Zere- monie vereidigt, bevor der öffentli- che Festakt am konfessionell unbe- denklichen Montag nachgeholt wird.Sollte Obama dabei John Roberts, dem Obersten Richter des Landes, vertraulich zuzwinkern, mag das seinen Grund haben: Es war der als stockkonservativ geltende Ro- berts, der zum Entsetzen der Re - publikaner mit der entscheidenden Stimme zum fünf zu vier im Su - preme Court die Gesundheitsre- form des Präsidenten für verfas- sungskonform erklärte.
Bei all den Festlichkeiten dürfte der wiedergewählte Präsident kaum dazu kommen, sich einen stehenden Begriff der amerikanischen Polit- kultur in Erinnerung zu rufen: den second-term blues. Er umschreibt die Erfahrung, dass im Amt bestä- tigte Präsidenten in der zweiten Amtszeit plötzlich in Schwierigkei- ten geraten: Ronald Reagan wurde von der Iran-Contra-Affäre heimge- sucht, Bill Clinton von Monica Le-
winsky, und Richard Nixon musste wegen Watergate zurücktreten.
Auch Obama kann Probleme be- kommen: durch eine mögliche neue Rezession, durch den Iran oder China. Dass die von ihm als Kern- leistung der ersten Amtszeit bezeich- nete Gesundheitsreform (Obama - care) zum Blues beitragen könnte, gilt jedoch als unwahrscheinlich.
Gewiss ist, dass auf Obamas Regie- rung auf diesem Gebiet noch eine Menge Arbeit zukommt.
25 Staaten verweigern sich Überzeugungsarbeit wird die Re - gierung bei den Gouverneuren der Bundesstaaten leisten müssen. Denn derzeit wird mit Spannung erwartet, ob diese der Vorgabe des Patient Protection and Affordable Care Act (die offizielle Bezeichnung für Oba- macare) folgen und den Bürgern Krankenversicherungspläne (Health Insurance Exchanges) anbieten. Ein Kernstück von Obamacare ist, dass Krankenversicherungen jedem zu- gänglich sein sollen, dass Versiche- rer Antragsteller nicht wegen ihrer Vorerkrankungen abweisen dürfen
und dass junge Amerikaner (bis zum Alter von 26 Jahren) über die Eltern mitversichert sind.
25 Staaten, alle republikanisch re- giert, verweigern sich bislang. Das birgt allerdings politische Risiken.
Denn Obamacare trifft auf die Zu- stimmung einer Mehrheit der US- Bevölkerung. Dass Mitt Romney, der als Gouverneur in Massachusetts selbst eine generelle Versi cherung einführte und dann als Präsident- schaftskandidat eine 180-Grad-Wen- dung machte, war wahlstrategisch ein Fehler. Das macht vorsichtig: Der Gouverneur von Florida, Rick Scott, sucht das Gespräch mit Gesundheits- ministerin Kathleen Sebelius. Der Staat des Republikaners ist mit vier Millionen Menschen ohne Kranken- versicherung einer der unterversorg- testen. Eine Blockade von Obama - care könnte den mit niedrigen Um- fragewerten kämpfenden Scott die Wiederwahl im nächsten Jahr kosten.
Der republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, der 2013 wiedergewählt werden will, hat bislang eine Teilnahme seines Staa- tes per Veto verhindert. Das mag Taktik sein: Christie gilt als poten- zieller Präsidentschaftskandidat für 2016 und muss bei den Hardlinern seiner Partei Boden gutmachen, weil er nach dem Hereinbrechen von Hurrikan Sandy den Präsidenten vor laufender Kamera umarmt hatte.
Anzeichen für einen second-term blues sieht man momentan eher in der Ärzteschaft als bei der Regie- rung. Nach einer Umfrage des Com- monwealth Fund äußerten sich ame- rikanische Ärzte im Vergleich zu Medizinern aus neun anderen Indus- trienationen, darunter Deutschland, am negativsten zum eigenen Ge- sundheitssystem. Dabei liegen ihre Einkünfte im Schnitt deutlich über denen der befragten Kollegen.
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Ronald D. Gerste Eine Mehrheit der
Bevölkerung steht hinter der Gesund-
heitsreform des Präsidenten.
Foto: dapd
USA NACH DER WAHL
Obamas zweite Amtszeit beginnt
Am 20. Januar wird US-Präsident Barack Obama in Washington vereidigt. Bleibt dem amerikanischen Gesundheitswesen der „second-term blues“ – der Frust der zweiten Amtszeit – erspart?