Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 14|
9. April 2010 A 625D
eutschland fehlen Hausärzte. Das hat sich mitt- lerweile nicht nur unter Allgemeinmedizinern herumgesprochen, die keinen Nachfolger für ihre Pra- xis finden. Auch Politiker machen sich Sorgen – vor al- lem die mit Wählern in ländlichen Regionen. Das Bun- desland Niedersachsen will nun Nägel mit Köpfen ma- chen und möglichst viele Medizinstudierende für die Arbeit des Hausarztes begeistern. Die Allgemeinmedi- zin soll zum Pflichtfach im praktischen Jahr (PJ) wer- den. Das niedersächsische Sozialministerium bereitet eine entsprechende Bundesratsinitiative vor. Konkret soll das PJ nicht mehr in Tertiale aufgeteilt sein, son- dern in Quartale. Neben der Inneren Medizin, der Chir - urgie und einem Wahlfach käme die Allgemeinmedizin für alle angehenden Ärzte hinzu.Bei den Studierenden stößt das Vorhaben auf wenig Gegenliebe. Die Bundesvertretung der Medizinstudie- renden in Deutschland lehnt ein Pflichtquartal Allge- meinmedizin ab, ebenso die Studenten im Hartmann- bund. Sie wollen nicht, dass ihre Wahlmöglichkeiten im ohnehin verschulten Studium weiter eingeschränkt werden. Der Hausärztemangel werde nicht durch wei- tere Zwangs-PJ-Wochen behoben, meinen sie.
Natürlich löst ein Pflichtquartal nicht alle Probleme, aber es wäre zumindest ein wichtiges Signal. Gemessen an der wachsenden Bedeutung haben Studierende im- mer noch wenig Berührungspunkte mit der Allgemein- medizin. An den Universitäten ist das Fach unterreprä- sentiert. Das könnte sich durch ein Pflicht-PJ ändern.
Immerhin müssten die Fakultäten stärker als bisher mit Praxen kooperieren, und sie brauchten qualifizierte Prüfer für das Staatsexamen. Das wäre nicht zuletzt ein Anreiz, Lehrstühle für Allgemeinmedizin einzurichten und somit das Fach im akademischen Rahmen aufzu- werten. Im Hinblick auf die demografische Entwick- lung wird immer deutlicher: Die Medizin von morgen braucht nicht eine Vielzahl von immer neuen Hyper- spezialisten, sondern vor allem die Generalisten, die ein breites – eben ein allgemeinmedizinisches – Wissen ha- ben. Auch für eine bessere Verzahnung von ambulanter
und stationärer Medizin wäre es förderlich, wenn jeder Berufseinsteiger auf eine dreimonatige Erfahrung in ei- ner Hausarztpraxis zurückblicken könnte.
Das Pflichtquartal ist aber nur ein Baustein im Kampf gegen den Hausärztemangel. Es ist nicht damit getan, Studierende am Nasenring durch die Arztpraxen zu führen, und zu hoffen, dass es ihnen dort gefällt. Vor allem müssen sich die Rahmenbedingungen für Allge- meinmediziner verbessern. Das gilt im Übrigen schon für die Weiterbildung. Der Weg zum Facharzt ist für angehende Hausärzte noch immer vergleichsweise un- strukturiert. Zwar gibt es mancherorts vielversprechen- de Ansätze – etwa durch Weiterbildungsverbünde mit gesicherten Rotationsstellen, doch diese Modelle müs- sen nun auch flächendeckend umgesetzt werden.
Für die Motivation des Nachwuchses ist es außer- dem entscheidend, welches Bild die Hausärzte von sich selbst vermitteln. Bei aller berechtigten Kritik an den Rahmenbedingungen: Das Berufsfeld Allgemeinmedi- zin ist von einigen seiner Vertreter in den letzten Jahren zum Teil schlechtgeredet worden – wohl auch um eige- ne Interessen durchzusetzen. Ein richtiger Schritt ist deshalb die Imagekampagne des Deutschen Hausärzte- verbandes (www.perspektive-hausarzt.de). Nur wenn man auch die positiven Seiten des Be rufs darstellt, wer- den sich künftig genügend Nachfolger finden.
PJ-PFLICHTFACH ALLGEMEINMEDIZIN
Signal gegen den Hausärztemangel
Dr. med. Birgit Hibbeler
Dr. med. Birgit Hibbeler Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik