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Archiv "Hormontherapie: Konträre Einschätzungen" (29.08.2005)

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or zwei Jahren kamen eine Studie der amerikanischen „Women’s Health Initiative“ und die briti- sche „Million Women Study“ zu dem Schluss, dass die postmenopausale Hor- montherapie (HT) das Risiko erhöht, ein Mammakarzinom zu entwickeln.

Die Women’s Health Initiative war so- gar vorzeitig abgebrochen worden, weil man für Frauen, die fünf Jahre lang ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Gestagen eingenommen hatten, ein um 26 Prozent erhöh-

tes Brustkrebsrisiko aus- gemacht hatte. Darüber hinaus verkehrte sich das bis dahin angenommene kardiovaskuläre Schutz- potenzial der Hormone ins Gegenteil: Hormon- therapierte Frauen der Studie erlitten häufiger Schlaganfälle und Herzin- farkte.

Die Reaktionen darauf waren auch in Deutsch- land gewaltig. Ein Teil der Ärzteschaft riet den Pati- entinnen, die Präparate abzusetzen, was die Ver- schreibungszahlen bis heu- te fast halbiert hat. Ande-

re kritisierten Design und Methodik der Studien. Letztlich resultierte internatio- nal eine Neubewertung der HT durch Fachgesellschaften und Arzneimittel- behörden wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Seitdem ist vor allem das Mamma- karzinomrisiko in der Diskussion, ins- besondere die Frage, auf welche Weise vor allem Östrogen-Gestagen-Kombi- nationen das Risiko erhöhen. Induzie- ren Hormone neue Tumoren, oder be- einflussen sie das Wachstum vorhande- ner Tumoren? Letztere These vertritt

Prof. Dr. med. Manfred Dietel, Leiter des Instituts für Pathologie der Berli- ner Charité. In Human Reproduction (2005; 20: 2052–2060) ziehen er und seine Co-Autoren die Schlussfolge- rung, dass „die Homonersatztherapie keinen Einfluss auf die primäre Neu- bildung von Brustkrebs“ habe. Die Da- ten ließen nur den Schluss zu, „dass die Hormone das Wachstum bereits vorhandener hormonsensitiver Brust- tumoren – das sind etwa 60 bis 70 Pro-

zent aller Mammakarzinome – stimu- lieren“. Dietel stützt seine Aussage auf die Gesetzmäßigkeiten der Tumor- biologie.

So benötige die erste Tumorzelle nach ihrer Bildung fünf bis zehn Jahre, um über Zellteilung auf einen Tumor- durchmesser von 0,5 bis einen Zenti- meter anzuwachsen – erst dann könne sie bei der Mammographie entdeckt werden. Studien, die ein erhöhtes Krebsrisiko durch Hormone feststell- ten, hätten nur Untersuchungszeiten zwischen einem und sechs Jahren zu-

grunde gelegt. „Dies ist jedoch zu kurz, um tatsächlich Rückschlüsse auf einen Zusammenhang zwischen der Neubil- dung eines Brustkrebstumors und der Einnahme von Hormonen ziehen zu können.“

Andere Expertengremien legen auf diese feine Unterscheidung jedoch kein besonderes Gewicht. Die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Institution der Weltge- sundheitsorganisation, hat gerade kom- binierte Östrogen-Ge- stagen-Präparate generell als „krebsverursachend“

eingestuft. Eine für An- fang 2006 angekündigte Monographie beschäftigt sich auch mit der Kar- zinogenität der Hor- montherapie in der Me- nopause.

In einer Vorabpublika- tion stuft das IARC die postmenopausale Hor- montherapie als „karzino- gen“ ein. Das sei eine

„höhere Einstufung“ als bisher, heißt es in Lancet Oncology (2005; 6: 552–

553). Interessant sind An- gaben zum Endometri- umkarzinom-Risiko. Nach Einschät- zung der IARC ist das Risiko dann si- gnifikant erhöht, wenn die Präparate an weniger als zehn Tagen pro Zyklus Ge- stagene enthalten. Kein erhöhtes Risi- ko bestehe, falls die Gestagene täglich eingenommen werden.

Das IARC wird in einer nächstes Jahr erscheinenden Monographie auch das Risiko von kombinierten oralen Kontrazeptiva neu bewerten. Schon jetzt konstatiert die IARC – in die- sem Fall repräsentiert durch 21 Wis- senschaftler aus acht Nationen – ein M E D I Z I N R E P O R T

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A2286 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 34–35⏐⏐29. August 2005

Hormontherapie

Konträre Einschätzungen

Berliner Pathologe bezweifelt das karzinogene Potenzial

der postmenopausalen Hormontherapie; ein WHO-Gremium stuft diese Medikation und die „Pille“ hingegen als krebserregend ein.

Blick in eine Kultur mit Tumorzellen bei 2 700facher Vergrößerung

Foto:R.Guggenheim

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„leicht erhöhtes“ Brustkrebsrisiko für gegenwärtige oder frühere Anwende- rinnen der kombinierten oralen Kon- trazeptiva. Das Brustkrebsrisiko neh- me nach dem Ende der Anwendung all- mählich ab, sei aber noch bis zu zehn Jahre nach dem Absetzen der „Pille“

nachweisbar.

Diesen Risiken stehe eine protektive Wirkung vor Endometrium- und Ovar- karzinom gegenüber. Die schützende Wirkung gegen das Endometriumkarzi- nom steige mit der Dauer der Ein- nahme und sei noch 15 Jahre nach dem Ende der Anwendung nachweisbar, heißt es. Die protektive Wirkung gegen das Ovarialkarzinom halte sogar 20 Jah- re oder länger nach Absetzen der ora- len Kontrazeptiva an. Bislang haben sie keine Angaben über die Höhe der jeweiligen Krebsrisiken gemacht.

Gleichwohl wird den Anwenderinnen in der Pressemitteilung empfohlen, Ri- siken und Vorteile mit ihrem Arzt zu besprechen.

Doch welchen Rat soll ein Gynäko- loge den Rat suchenden Frauen geben?

Da die meisten Brustkrebserkrankun- gen erst jenseits des 40. bis 45. Lebens- jahres auftreten, gebe es hinsichtlich des Brustkrebsrisikos bis zum 30. bis 35. Lebensjahr keine Bedenken, mein- te Prof. Otmar Wiestler, Direktor des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Nur bei Frauen mit einer familiären Häufung von Brustkrebsfällen sollte die Empfehlung zur „Pille“ überdacht werden, da hier die Erkrankungen häu- fig bereits in einem frühen Lebensalter eintreten.

Doch sollte einer Frau aus den ge- nannten Gründen überhaupt von der

„Pille“ abgeraten werden? Die IARC- Forscher schreiben, dass die protekti- ven Wirkungen der kombinierten ora- len Kontrazeptiva die Risiken mögli- cherweise aufwiegen. Dies müsste je- doch für jedes Land in einer „rigorosen Analyse“ bewiesen werden, wobei auch die Auswirkungen auf andere nichtma-

ligne Erkrankungen zu berücksichtigen seien, was außerhalb der Möglichkeiten der Monographie liege.

Hilfestellung bei der Abschätzung zumindest der Risiken der postme- nopausalen HT geben fast zeitgleich australische Wissenschaftler um John Boyages vom New South Wales Breast Cancer Institute der University of Sydney im British Medical Journal (2005; 331: 347 ff.), dass „das Risiko, durch eine Hormontherapie in den Wechseljahren später an Brustkrebs zu erkranken, womöglich geringer ist als befürchtet“. Auch Boyages und Kolle- gen beziehen sich unter anderem auf die Daten der Million Women Study.

Daneben haben sie die Ergebnisse des Australian Health Survey herange- zogen. Die Forscher berechneten aus diesen Daten, wie stark sich das Brust- krebsrisiko im Einzelfall durch die Hor- montherapie erhöht. Demnach liegt das Brustkrebsrisiko einer 40-jährigen Frau, die keine Hormone einnimmt, bei 7,2 Prozent. Das heißt, eine von 14 Frauen dieser Altersstufe erkrankt irgendwann in ihrem Leben an Brustkrebs.

Das Risiko sinkt mit zunehmendem Alter: Mit 50 Jahren liegt es beispiels- weise nur noch bei 6,1 Prozent – das heißt, eine von 16 Frauen erkrankt. Ei- ne 50-jährige Frau, die fünf Jahre lang ein reines Östrogenpräparat einnimmt, hat dem Team zufolge ein Brustkrebsri- siko von 6,3 Prozent. Das bedeutet, ihr Risiko ist gegenüber einer Frau, die auf die Hormoneinnahme verzichtet, nur um 0,2 Prozentpunkte erhöht. Bei einer fünfjährigen Einnahme eines Kombina- tionspräparates liegt das Brustkrebsri- siko in der gleichen Altersstufe bei 6,7 Prozent (siehe auch Dtsch Arztebl 2004; 101: A 2387–2390 [Heft 36]).

„Unsere Daten zeigen, das eine Kombinationstherapie aus Östrogen und Gestagen generell riskanter zu sein scheint als eine reine Östrogenthera- pie“, schreiben die Forscher. Frauen, die die Hormone längere Zeit abgesetzt ha- ben, können aber offenbar beruhigt sein. Fünf Jahre nach der Hormonthe- rapie sinkt das Brustkrebsrisiko wieder auf ein Maß, das dem der Frauen ent- spricht, die noch nie in ihrem Leben Hormone eingenommen haben.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn, Klaus Koch Rüdiger Meyer

M E D I Z I N R E P O R T

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A2288 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 34–35⏐⏐29. August 2005

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut in Berlin hat ihre Impf- empfehlungen aktualisiert und im Epidemio- logischen Bulletin 30/2005 veröffentlicht.

Änderungen betreffen das Schema für die Pneumokokkenschutzimpfung, die allgemei- nen Kontraindikationen, die so genannten falschen Kontraindikationen sowie die Erläu- terungen zur Impfaufklärung.

Die Änderungen beim Pneumokokken- Impfschema wurden durch eine erweiterte Zulassung des Impfstoffs möglich. Danach ist der Konjugat-Impfstoff, der ein besseres im- munologisches Gedächtnis bewirkt, bereits für Kinder von 24 bis 59 Monaten zugelassen.

Die Impfung ist für Kinder und Erwachsene bei einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung durch bestimmte Grundkrankheiten (etwa bei Krankheiten der Atmungsorgane oder Diabe- tes mellitus) empfohlen.

Auch die Empfehlungen für eine allgemei- ne Varizellenimpfung bei Kindern, die seit Juli 2004 gilt, wurden erweitert. Unter Be- rücksichtigung der Übertragungswege und -risiken sollte ein ungeschütztes Kind einer empfänglichen Schwangeren geimpft wer-

den; das Unterlassen dieser Impfung mit dem Lebendimpfstoff wegen einer Schwanger- schaft im Kreis der engen Kontaktpersonen ist eine „falsche Kontraindikation“ im Sinne der Empfehlungen. Die STIKO hält das Risiko für zu groß, dass ein ungeimpftes und damit empfängliches Kind erkrankt und das Virus auf seine Mutter und das ungeborene Kind überträgt.

Eine Änderung hat es auch bei den Aus- führungen zu den allgemeinen Kontraindika- tionen gegeben: Unerwünschte Arzneimittel- nebenwirkungen im zeitlichen Zusammen- hang mit einer Impfung sind in Abhängigkeit von der Diagnose keine absolute Kontraindi- kation gegen eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff.

Die Neufassung des Absatzes zur Impfauf- klärung erfolgte mit dem Ziel, die Auf- klärungsleistung des Arztes unter den gelten- den rechtlichen Vorgaben zu präzisieren und der täglichen klinischen Praxis anzupassen.

Auf den Stellenwert der Aufklärung wird be- sonders hingewiesen. Außerdem wird klarge- stellt, dass es zur Einwilligung in eine Impfung keiner Unterschrift bedarf. EB

Ständige Impfkommission

Empfehlungen wurden aktualisiert

Referenzen

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