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Archiv "Diagnostik und Therapie bei Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule: Verzicht auf physikalische Maßnahmen" (04.09.1998)

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schilderte neurovegetative Chaos ir- gendwann abgeklungen sind, ver- selbständigt sich das vertebrobasilä- re Syndrom, sollte es nicht zur Spon- tanreposition kommen. Dies ist sel- ten, genauso wie eine Nachkontrolle oder die beschriebene transorale Zielaufnahme. Da die Beschwerden in fast einem Dutzend Fachgebieten angesiedelt sind, bleibt die empfoh- lene interdisziplinäre Abklärung meist ein idealistischer Wunsch, auch bei einer nicht traumatischen Verursachung, die immerhin zu dem am häufigsten geschilderten Sym- ptomenkomplex gehört.

So kommt es oft zu einer jahre- langen Odyssee auf der Suche nach Heilung inklusive der Beschäftigung von Anwälten und Versicherungen.

Dabei genügt schon eine kurze Gleichgewichtsüberprüfung wie der Unterbergersche Tretversuch, der Romberg und Hautanttest, die taktile und die dopplersonographische Un- tersuchung.

Nach erfolgreicher Chirogymna- stik und Therapie sind die Untersu- chungen sofort normalisiert. Bei Auf- fahrunfällen kann auch eine Becken- verschiebung durch ISG-Subluxation vorkommen mit nachfolgender stati- scher Längenungleichheit der Beine, die eine Ausgleichsdrehskoliose der Wirbelsäule bewirkt und die Proble- matik des subokzipitalen Abschnitts chronifizieren kann.

Dr. med. Armin Färber Facharzt für Innere Medizin und Radiologie

Bahnhofstraße 8–10 86825 Bad Wörishofen

Der Artikel von Herrn Grifka enthält mehrere Punkte, auf die kri- tisch eingegangen werden sollte.

– Die Begriffe posttraumati- sches Zervikalsyndrom und Be- schleunigungsverletzung, sind kei- neswegs präziser als der Begriff des Schleudertraumas. Zudem ist die Traumatologie längst weiter und ver- mag die Symptome des vermeintli- chen Syndroms zwei Regionen zuzu-

ordnen, erstens das kopfgelenknahe HWS-Trauma mit den Symptomen Schwindel, Nausea, Kopfschmerz und andere sowie zweitens das thoraxnahe HWS-Trauma mit pseu- doradikulären Brachialgien und be- wegungsgestörter Nackenmuskula- tur. Die Therapie beider Bereiche unterscheidet sich.

— Die Diagnostik des HWS- Schleudertraumas ist lediglich zum Ausschluß struktureller Läsionen (Frakturen und anderes) röntgenolo- gisch. Ansonsten besteht sie aus funk- tionellen Prüfungen wie der Prüfung des Bewegungsumfangs, des Muskel- tonus und der nervalen Situation. Die- se Diagnostik erfolgt durch Allge- meinärzte, Chirotherapeuten, Or- thopäden, HNO-Ärzte und Neurolo- gen. Sie ist sehr differenziert und auch ohne bildgebende Verfahren, absolut ausreichend, um Erstbefund und Ver- lauf zu dokumentieren.

˜ Der De-Kleijn-Test gehört ex- plizit wegen seiner Gefährlichkeit für die A. vertebralis und der starken Bie- gung der HWS nicht in den Prüfungs- umfang.

™ Die Therapie des HWS- Schleudertraumas ist längst ausgereift und hat einen Standard erreicht. Die Ruhigstellung erfolgt meist nur weni- ge Tage, um dann einer manualthera- peutisch-physiotherapeutischen Be- handlung Platz zu machen. Diese be- steht aus sanften Traktionen und aus isometrischen und postisometrischen Übungen. Verzögerte und chronifi- zierte Verläufe sind nicht selten auf das zu lange Tragen der Halskrausen zurückzuführen und als iatrogene Hy- pomobilisation zu sehen.

š Der Aspekt des Simulanten- tums und des Erschleichens von Versi- cherungsprämien darf nicht unser Hauptthema sein. Zum einen haben wir die Pflicht, unseren Patienten Rückhalt bei berechtigten Forderun- gen zu geben, zum andern stellen starke Somatisierungen gute Angriffspunkte dar, um eine latente Depression anläß- lich des Traumas zu behandeln.

› Der Beitrag wird somit weder im Bereich Diagnostik noch im Bereich Therapie seinem Titelan- spruch gerecht. Die breiten ambulan- ten Therapiemöglichkeiten und die vielen hausärztlichen Aufgabenfelder im Zusammenhang mit dem HWS-

Schleudertrauma, sind nicht einmal skizziert worden.

Literatur

1. Rothhaupt D et al.: „Analyse und Beur- teilung von funktionellen Störungen der oberen HWS im Rahmen von Beschleuni- gungsverletzungen“. Manuelle Medizin, 1997; 34: 186–192.

2. Rothhaupt D, Liebig K: „Stellenwert Dia- gnostischer Maßnahmen bei HWS-Be- schleunigungsverletzungen“. Manuelle Me- dizin, 1997; 35: 66–76.

3. Gay JR, Abbott KH: „Common whiplash injuries of the neck. JAMA 1952: 1698–1704.

Dr. med. Karl-Heinz Bayer Forsthausstraße 22

77748 Bad Peterstal

Nicht jeder Heckanstoß führt zu einem Schleudertrauma, nicht jeder Stein, der mir auf den Fuß fällt, hinter- läßt eine Verletzung. Es gibt Toleran- zen, es muß eine gewisse Schwelle überschritten sein, um ein Trauma auszulösen. Bei verletzungsanfälligen Unfallopfern liegt diese Schwelle beim Heckanstoß nach derzeitiger Erkennt- nis bei einer Geschwindigkeitsände- rung von zirka 13 km/Stunde. Gesun- de junge Erwachsene überstehen noch deutlich höhere Geschwindigkeitsän- derungen unverletzt. Mindestens 60 Prozent der in Deutschland behandel- ten Schleudertrauma-Patienten waren in einen Unfall verwickelt, bei dem die Gefährdungsgrenzen nicht überschrit- ten wurde. Zudem konnten Spitzer et al. keinen Wirkungsnachweis für phy- sikalische Maßnahmen bei Schleuder- trauma-Verletzten finden. Mit der Si- tuationsbeschreibung: „Physikalische Anwendungen und Infiltrationsthera- pie kommen unterstützend zum Ein- satz“ haben sie Recht. Indiziert sind diese wirkungslosen Maßnahmen je- doch nicht. Gleiches gilt für die „stabi- lisierende Krankengymnastik (KG)“:

– liegt nur sehr selten eine Insta- bilität vor

— hat zweimal wöchentlich eine halbe Stunde KG keinen Effekt auf die Haltekraft der HWS-Muskulatur und

˜ fehlt auch hier jeder Wir- kungsnachweis. Spitzer et al. empfah- len deshalb den vollkommenen Ver- zicht auf physikalische Maßnahmen.

A-2100

M E D I Z I N

(52) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 36, 4. September 1998 DISKUSSION

Dem Anspruch nicht gerecht

Verzicht auf physikalische

Maßnahmen

(2)

Welche Auswirkungen solche Übertherapie insbesondere in Kom- pensationssituationen haben kann, ist in mehreren Artikeln in Clinical Or- thopaedics and Related Research (März 1997) beschrieben.

Literatur

Spitzer WO et al.: Scientific monograph of the Quebeck task force on whiplash-associated disorders. Spine 1995; 20 (Suppl VIII).

Dr. Jens Lucka

Tönsheide 12 a · 24613 Aukrug

Neben den abgedruckten Leser- briefen habe ich über 300 Zuschriften erhalten, zumeist von Kollegen, verein- zelt auch von Juristen. Diese beinhal- teten Empfehlungen genereller Art, schilderten persönliche Erfahrungen bei Diagnostik und Therapie oder er- baten Auskünfte bei speziellen Fall- konstellationen. Die eingegangenen Leserzuschriften spiegeln unterschied- liche Auffassungen und Vorgehenswei- sen wider und zeigen die Widersprüch- lichkeit in der Einschätzung einzelner Maßnahmen, wie der krankengymna- stischen Therapie, die in der Beurtei- lung von „eines der wichtigsten Hilfs- mittel in der Rehabilitation“ bis „wir- kungslose Maßnahme, kein Effekt auf die Haltekraft, fehlender Wirkungs- nachweis“ klassifiziert wird. Bezüglich der funktionellen Diagnostik zeigen selbst die hier abgedruckten Leserzu- schriften einen Strauß von Möglichkei- ten, die in ihrer Bedeutung wiederum unterschiedlich beurteilt werden. So darf festgestellt werden, daß Zahl und Ausführlichkeit der Leserbriefe das große Interesse bekunden, zugleich of- fenbaren sie aber auch die bestehende Unsicherheit. Diese Unsicherheit im diagnostischen wie therapeutischen Vorgehen sowie die hohe Zahl von Be- troffenen, die über Beschwerden nach Beschleunigungsverletzung klagen und einen chronischen Verlauf zeigen, ver- deutlichen die Relevanz des Themas.

Einigkeit besteht in der Grundfor- derung, daß der Gefahr der Chronifi- zierung begegnet werden muß, weshalb eine konsequente diagnostische Analy- se und eine angemessene, abgestufte Therapie notwendig sind. Vor besonde-

re Probleme stellen die nicht eindeutig faßbaren Beschwerden und die Schwie- rigkeit der Erkennung und Objektivie- rung des Funktionsdefizites. Keines- wegs kann einfach angeführt werden, daß die heute verfügbaren bildgeben- den Verfahren eine „zweifelsfreie Be- urteilung von Verletzungsfolgen“ er- lauben, und es sich um eine „primär or- ganische Störung“ handele. Ein Groß- teil der Patienten und Verletzten klagt über funktionelle Störungen, die dia- gnostisch schwer einer eindeutigen somatischen Alteration durch einen Verletzungsmechanismus zuzuordnen sind. Bei klinischen wie technischen Prüfverfahren stehen wir mitunter vor dem Problem der Beurteilung des phy- siologisch/pathologischen Grenzberei- ches. Zudem ist schwer einzuschätzen, wie ausgeprägt eine anatomische Va- riation sein kann oder Alteration sein muß, um die geklagte Beschwerdesym- ptomatik eindeutig zu erklären. Dabei kann es nicht um unsere eigenen, me- chanistischen Erklärungsversuche ge- hen, sondern um die Objektivierbar- keit der Beschwerdesymptomatik.

Die Beurteilung der Beschleuni- gungsverletzung erfolgt in jedem Fach- gebiet mit funktionellen Prüfungen zur Ausschlußdiagnostik. Jeder einzelne hat seine Vorgehensweise in Diagno- stik und Therapie ausgefeilt, es ist aber zu früh, von „längst ausgereiften Stan- dards der Therapie“ zu sprechen. Auch unter Berücksichtigung neuerer wis- senschaftlicher Erkenntnisse können wir nicht davon ausgehen, daß es ein schematisches Standardvorgehen, qua- si als Richtschnur gibt, wann was thera- peutisch zu tun ist. Die Leserbriefe of- fenbaren die höchst unterschiedlichen persönlichen Einschätzungen und Er- fahrungen. Eine besondere Gefahr ist darin zu sehen, daß bei Schwierigkeiten der diagnostischen Einordnung offen- sichtlich die Tendenz um so größer ist, wenig geprüfte Verfahren als Therapie- versuch einzusetzen.

Eine einheitliche, klinisch orien- tierte Begrifflichkeit kann uns in der in- terdisziplinären Interaktion hilfreich sein. In diesen Kontext gehört auch die in einem Leserbrief angesprochene Frage des hausärztlichen Aufgabenfel- des und des Zeitpunktes zur Einleitung weiterführender Maßnahmen. Hierzu haben wir uns in unserem Beitrag ein- deutig auf eine Woche post Trauma

festgelegt, um möglichst früh aktiv zu werden und eine interdisziplinäre Ab- klärung einzuleiten, andererseits aber auch nicht unmittelbar eine Diagno- stikmaschinerie voranzutreiben, die angesichts der großen Zahl leichtgradi- ger Beschleunigungsverletzungen, die innerhalb von Tagen rückläufig sind, inadäquat wäre. Ziel muß eine schnellstmögliche Reintegration sein.

Es muß davor gewarnt werden, bereits initial eine maximale technische Dia- gnostik zu veranlassen, da hierdurch sogar einer Chronifizierung Vorschub geleistet werden kann. Leider müssen wir in Deutschland wie nirgends an- dernorts versicherungsrechtliche Moti- vationen des Betroffenen berücksichti- gen, was sich wiederum in Prävalenz und Persistenz der geschilderten Be- schwerdesymptomatik ausdrückt.

Die Ausführungen mögen noch- mals zeigen, daß die Probleme in dia- gnostischer Analyse und abgestuftem therapeutischen Vorgehen gerade nicht bei den klar erkennbaren strukturellen Verletzungen liegen, sondern bei den schwerer einzuordnenden, typischer- weise interdisziplinär abzuklärenden Beschwerdebildern. Die Funktionsstö- rung bedarf der funktionellen Prüfung, um diese besser einzuordnen. Schwie- rigkeiten bestehen beim uneinheitli- chen Beschwerdebild nach wie vor in der Einschätzung, welche Auffälligkei- ten als klinisch relevant zu werten sind, welche Maßnahmen in interdiszipli- närem Konsens als diagnostisch weg- weisend bei welchen Beschwerdekom- plexen einzustufen sind und wie die Therapiestaffel interdisziplinär abge- stimmt werden kann. Wir sind optimi- stisch, mit unserer untersucherun- abhängigen, reproduzierbaren Funk- tionsanalyse wegweisende Fortschritte in der Diagnostik erreichen zu können.

Unfall- und Krankenversicherungsträ- ger kann ich nur auffordern, ärztliche, anwendungsbezogene klinische For- schungsprojekte zu unterstützen. Die Fülle der Zuschriften und deren Aussa- gen unterstreicht die Notwendigkeit, im interdisziplinären Konsens diagno- stische und therapeutische Maßnah- men zu überprüfen und objektive Funktionsanalysen voranzutreiben.

Prof. Dr. med. J. Grifka

Orthopädische Universitätsklinik Gudrunstraße 56 · 44791 Bochum

A-2101

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 36, 4. September 1998 (53) DISKUSSION

Schlußwort

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