an früh verrentete Schizophrenie-Pati- enten. Der dadurch entstehende Ein- nahmen-Ausfall für die Rentenversiche- rungsträger und der Steuerausfall wer- den auf zwei Milliarden Euro je Jahr ge- schätzt. Ziel ist es deshalb, die Frühver- rentung, die Erwerbs- und die Berufsun- fähigkeitsrenten so weit wie möglich hin- auszuschieben.
Es zeigt sich, dass Arzneimittelinno- vationen und echte Therapie-Fort- schritte den Krankheitsverlauf bei an Schizophrenie Erkrankten verbessern.
Während bis zum Jahr 1980 noch typi- sche Neuroleptika eingesetzt wurden, sind seit Anfang der Achtzigerjahre die so genannten atypischen Antipsychoti- ka (Neuroleptika) stark im Kommen.
Die echten medikamentösen Innova- tionen sind in ihrer Erforschung und Entwicklung bis zur Marktreife über- durchschnittlich teuer, stellte Rüther fest. Nach Angaben der pharmazeuti- schen Industrie kostet ein neu ent- wickeltes Medikament im Durchschnitt eine Milliarde US-Dollar, im Bereich der Psychiatrie sogar bis 1,8 Milliarden US-Dollar.
Als „NICE-Guidelines“ bei der The- rapie von an Schizophrenie Erkrankten ergibt sich folgendes Fazit: Durch die Aufnahme der Atypika als Mittel der ersten Wahl steigen zwar die Medika- mentenkosten, mittelfristig wird aber die Therapie aufgrund von Einsparun- gen durch die Reduzierung von Rück- fällen und der Ersparnisse bei der sta- tionären Therapie und Versorgung we- niger teuer. Immer noch weist die An- tipsychotika-Therapie in Deutschland im internationalen Vergleich einen Nachholbedarf auf. So haben Hamann und andere 2002 ermittelt, dass in den USA der Anteil der Atypika an den Neuroleptikaverordnungen im Durch- schnitt 60 Prozent beträgt, in Italien 40 Prozent, in Deutschland liegt die Rate dagegen unter 25 Prozent.
Als Haupthemmnisse bei der Versor- gung von chronisch Erkrankten und Schizophrenie-Kranken stellte Rüther fest: den fehlenden transsektoralen Ausgleich zwischen gesetzlicher Kran- ken-, Renten- und Pflegeversicherung, die zu starre Abschottung der Lei- stungssektoren und die zu geringe in- tersektorale Kooperation der therapeu- tischen Akteure. Dr. rer. pol. Harald Clade
T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 28–2914. Juli 2003 AA1925
Zusammenarbeit der klinischen und methodischen Fachge- sellschaften wird als besonders wichtig angesehen.
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ine weit über das bisherige Niveau hinausgehende finanzielle Förde- rung der Versorgungsforschung fordern die in der Ständigen Kongress- kommission „Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF)“ zu- sammengeschlossenen 24 medizini- schen Fachgesellschaften. Der Nutzen einer solchen Forschungsförderung bestehe darin, dass man Versorgungs- probleme in der Medizin und deren Ursachen besser versteht und dass darauf aufbauend zielgerichtet syste- matische Problemlösungen erarbeitet werden können. Zu wenig sei dar- über bekannt, was bei der Umset- zung von medizinischen Konzepten in die Alltagsversorgung geschieht, wel- che Wirksamkeit neue Gesundheits- technologien in der Alltagspraxis ent- falten.Prof. Dr. Holger Pfaff, Sprecher des Zentrums für Versorgungsforschung an der Universität zu Köln und mit der Koordination der Kongresskom- mission betraut, wies darauf hin, dass die derzeit für diese Forschung zur Verfügung stehenden Geldmittel – ge- messen am zu erwartenden Nutzen – zu knapp bemessen seien. So konzen- triere sich die Deutsche Forschungsge- meinschaft auf die Förderung der me- dizinisch-wissenschaftlichen Grundla- genforschung, auch von den Kranken- kassen und vom Bundesministerium für Forschung und Bildung würden keine ausreichenden Mittel zur Ver- fügung gestellt. Die Pharmaindustrie sei bisher zurückhaltend, obwohl die zurzeit in der Diskussion stehende
„vierte Hürde“ bei der Arzneimittel- zulassung eine Art von Versorgungs- forschung darstellt.
Das gemeinsame Vorgehen ei- ner Vielzahl von klinischen und me-
thodischen Fachgesellschaften in der Ständigen Kongresskommission DKVF zeigt, dass die Notwendigkeit erkannt wurde, konkrete Versor- gungsprobleme – wie zum Beispiel in der Diabetiker-Versorgung – fach- übergreifend anzugehen. Dergestalt wird Versorgungsforschung von den beteiligten Fachgesellschaften defi- niert als eine problemorientierte For- schung, welche die Kranken- und Ge- sundheitsversorgung und ihre Rah- menbedingungen
– beschreibt und analysiert, – darauf aufbauend Versorgungs- konzepte entwickelt,
– deren Umsetzung begleitend er- forscht und
– unter Alltagsbedingungen eva- luiert.
Memorandum geplant
Anlässlich des 2. Deutschen Kongres- ses für Versorgungsforschung, der vom 28. bis 30. September in Hamburg zum Thema „Psychosoziale Versor- gung in der Medizin“ stattfinden wird, wollen die Fachgesellschaften ein Me- morandum zur Versorgungsforschung vorlegen und damit auch einen An- stoß geben für konkrete Forschungs- aktivitäten.
Dass der Gedanke der Versor- gungsforschung bereits auf fruchtba- ren Boden gefallen ist, wird in der Entschließung des 106. Deutschen Ärztetages zum Leitantrag des Vor- standes der Bundesärztekammer im Mai deutlich. Dort heißt es: „Unab- dingbar ist der Aufbau einer soliden Versorgungsforschung im deutschen Gesundheitswesen, die auch den in- ternationalen Vergleich einschließt, ebenso wie die Evaluation aller inno- vativen Maßnahmen zur Steuerung und Evaluierung. Die Ärzteschaft ist bereit, sich am Aufbau dieser Versor- gungsforschung in Deutschland zu beteiligen.“ Thomas Gerst