• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Körperbilder: Egon Schiele (1890–1918) – Ausgemergelt und gequält" (08.04.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Körperbilder: Egon Schiele (1890–1918) – Ausgemergelt und gequält" (08.04.2011)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S C H L U S S P U N K T

KÖRPERBILDER: EGON SCHIELE (1890–1918)

Ausgemergelt und gequält

L

eiden und Lust verbinden sich in seiner eckigen, mageren Gestalt mit den knotigen Muskeln und betonten Geschlechtsmerkmalen. Gnadenlos hässlich stellte sich Egon Schiele dar, einsam und ausgebrannt.

Sein starrer, intensiver Blick verstört den Betrachter.

Mit seinem Selbstporträt verstieß er gegen alle Vor - stellungen, die man zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem kunstwürdigen Körper hatte. Gerade einmal 21 Jahre war er alt, als er den Akt von sich anfertigte. Er gehört zu seinen bahnbrechenden expressionistischen Selbstbildnissen der Periode 1910/1911, in denen er die diversen, vor allem dunklen Seiten seiner Persönlich- keit auf Papier und Leinwand festhielt.

Schiele schuf in seiner kurzen Karriere mehr als 100 Porträts von sich, so viele wie kaum ein anderer Künst- ler. Sebstverständlich war es praktisch und ökono- misch, selbst als Modell für die eigenen Bilder zu po- sieren, aber sein exzessiver Hang zur Selbstdarstellung speiste sich vor allem aus dem Bedürfnis, seine Identi- tät zu erkunden und in wechselnden Rollen immer wie- der neu zu inszenieren: Er gab sich verzweifelt oder ag- gressiv, kraftlos oder mit erigiertem Glied, spielte den Mönch oder tragischen Clown, den Dandy oder Irren.

Die neuere Schiele-Forschung betont dieses theatrali- sche Posieren hinter diversen Grimassen als Motor sei-

nes Schaffens. Dabei gelang es ihm, mit wenigen sicher hingeworfenen Linien ein Maximum an Ausdruck und Räumlichkeit zu erzeugen. Schraffierungen, um etwa Muskeln oder Knochen zu betonen, benötigte er nicht.

Die Radikalität von Körperhaltung und Mimik vor lee- rem Hintergrund – Hinweis auf seine existenzielle Iso- lation – war kraftvoll genug.

Radikal war auch seine Einstellung zu Nacktheit und Sexualität: Schiele war davon besessen. Doch seine Selbstbildnisse und Porträts, die derzeit im Wiener Ba- rockschloss Belvedere zu sehen sind, führen vor Augen, dass seine öffentliche Wahrnehmung als narzisstischer Erotomane zu kurz greift. Zumindest seine Alter Ego sehen eher gequält als lüstern aus, sind mehr von der Pathologie als der Pornografie inspiriert und entblößen – wohlkalkuliert – Schieles seelische Befindlichkeiten.

Seinen künstlerischen Durchbruch – eine große Aus- stellung im März 1918 in Wien – erlebte er noch. Doch schon im selben Herbst starb er, drei Tage nach seiner hochschwangeren Frau, an den Folgen der in Europa grassierenden Spanischen Grippe. Sabine Schuchart

Egon Schiele: „Selbstporträt“, 1911, Gouache, Aquarell und Bleistift, weiß ge- höht auf Papier, 51,4 × 34,9 cm: Mit wil- dem Blick und weit aufgerissenem Mund, den nackten, knochigen Körper auf Überlänge gestreckt und von einer weißen Aura umge- ben, bildete sich der junge österreichische Künstler 1911 ab. Schiele vermittelt einen Eindruck innerer Anspannung. Die Augen bli- cken ängstlich und drohend zugleich. Den rechten Arm hat er ungelenk abgespreizt, als wolle er etwas abwehren. Die fehlende Hand zwingt den Betrachter, die nicht gezeichneten Linien mit den Augen weiter zu verfolgen. Die Farbigkeit der Aquarellzeichnung beschränkt sich auf Beige- und Brauntöne, abgesehen von Mund, Augen und erotischen Zonen, die rötlich markiert sind.

LITERATUR

Agnes Husslein-Arco/Jane Kallir: „Egon Schiele. Selbstporträts und Por- träts“, Katalog, geb. Ausgabe, 264 Seiten, Prestel, 2011, 49,95 Euro.

AUSSTELLUNG

„Egon Schiele.

Selbstporträts und Porträts“

Unteres Belvedere, Orangerie, Renn- weg 6, A-1030 Wien tgl. 10–18, Mi. 10–21 Uhr, bis 13. Juni 2011 www.belvedere.at

© The Metropolitan Museum of Art, New York

[88] Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 14

|

8. April 2011

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Freudenberg: Religionsunterricht praktisch, Bilder 3, © 2011 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co.. KG Themen

Freudenberg: Religionsunterricht praktisch, Bilder 2, © 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co.. KG Themen

Freudenberg: Religionsunterricht praktisch, Bilder 1, © 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & co.. KG Themen

(3) Für Studierende, die ihre Ehegatten oder ihre Ehe- gattin, ihren eingetragenen Lebenspartner oder ihre ein- getragene Lebenspartnerin oder eine oder einen in gera- der

„… daß ein Junge seiner Mutter solche Sorgen machen kann, das erscheint meinem Mann als ein sehr schweres Vergehen mit dem Schlingel hätte ich auch kein Mitleid, ein Bursch muß

Diese Heterogenität kann jedoch auch als Ressource genutzt werden, wenn die Konzepte den Jugend- lichen ermöglichen, ihre Erfahrungen zu unterschiedlichen Themen einzubringen und

Um gerade den gewerblichen Unternehmen der Region die Möglichkeit zu bieten, gezielt Schulabgänger anzusprechen, wird das Büro für Wirtschaftsförderung gemeinsam mit der Messe

Thema: Business Knigge 2011 – wer wirkt gewinnt, IHK Zwickau, Äußere Schnee- berger Straße 34, 08056 Zwickau, Informationen und Anmeldung unter: Carsten Krauß,