• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Körperbilder: Ferdinand Hodler (1853–1918) – Chronist von Krankheit und Tod" (01.03.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Körperbilder: Ferdinand Hodler (1853–1918) – Chronist von Krankheit und Tod" (01.03.2013)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

[72] Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 9

|

1. März 2013

S C H L U S S P U N K T

KÖRPERBILDER: FERDINAND HODLER (1853–1918)

Chronist von Krankheit und Tod

T

odesbilder haben in der Kunstgeschichte eine lan- ge Tradition. Einzigartig aber ist der erschütternde Zyklus aus mehr als 120 Zeichnungen und Skizzen so- wie 18 Ölgemälden, mit denen Ferdinand Hodler zwi- schen 1912 und 1915 den Verfalls- und Sterbeprozess seiner 20 Jahre jüngeren krebskranken Geliebten Va- lentine Godé-Darel dokumentierte. Schonungslos-rea- listisch malte der berühmte Schweizer allein drei To- tenbettszenen, darunter das hier gezeigte extreme Quer- format. Die einst stolze, schöne Valentine, Mutter sei- ner außerehelichen Tochter und sein Modell seit 1908, ist aus ihrer früheren lebensbejahenden vertikalen Bild- position in die Horizontale gesunken, „hingestreckt wie die Landschaft, die Einheit mit der Natur offenbarend“, schrieb der Kritiker Günther Gercken.

Mit der ungewöhnlichen Komposition, die den faszi- nierenden Landschaften seines derzeit in Basel zu se- henden Spätwerks vorausging, versuchte der Maler

„der unaufhaltsamen Bewegung des Lebens hin zum Tod“ (Hodler) eine Form zu geben. Dieser war für ihn eine Obsession und ein zentrales Motiv seiner Kunst.

Er war noch ein Kind, als beide Eltern an Tuberkulose starben, danach raffte die Krankheit auch seine fünf Geschwister dahin. Hodler: „In der Familie war es ein

allgemeines Sterben. Mir war schließlich, als wäre im- mer ein Toter im Haus, und als müsste es so sein.“ 1909 stellte er den Tod von Auguste Dupin, seiner Mätresse der 1880er Jahre, in ähnlich expressiver Körperhaltung dar wie später den Valentines. Beide Bilder sind eine Referenz an Holbeins toten Christus von 1521/22.

Mediziner wie der Züricher Onkologe Prof. Dr.

med. Bernhard C. Pestalozzi haben auf die wissen- schaftliche Exaktheit und die genauen anatomischen Details der Valentine-Serie hingewiesen. Hodler sei aber mehr als nur ein kühler Chronist von Krankheit und Tod gewesen, betont der Baseler Kurator Dr. Ulf Küster in seiner Biografie, „die Präzision seiner Dar- stellungen diente dazu, seine Emotionen zu ordnen“.

Tatsächlich rang der Künstler darum, im dahin- siechenden Körper der Geliebten eine metaphysische Dimension und im Tod das universelle menschliche Leiden an der Endlichkeit und eine sinnstiftende Kraft durchscheinen zu lassen. Sabine Schuchart Ferdinand Hodler: „Bildnis der toten Valentine Godé-Darel“, 1915, Öl auf Leinwand, 60 × 124 cm: In völliger Bildparallelität ist der ausgezehrte Leichnam der gerade Verstorbenen

aufgebahrt. Ihr schädelartiger Kopf mit dem geöffneten Mund hebt sich dunkel von den weißen Kissen ab. Zwischen dem Haupt und den schwarzen Lackschuhen wirkt ihr langgestreckter Körper geschlechtslos, fast durchsichtig, als wäre er schon in einem Auflösungsprozess begriffen.

© Kunstmsueum Solothurn; Aufnahme Atelier Hegner

LITERATUR

1. Fondation Beyeler (Hrsg.): „Ferdinand Hodler“, Katalog zur Ausstel- lung, gebundene Ausgabe, 212 Seiten, Hatje-Cantz 2013; 45 Euro 2. Ulf Küster: „Ferdinand Hodler“, Hatje-Cantz 2013; 12,80 Euro

AUSSTELLUNG

„Ferdinand Hodler“

Fondation Beyeler, Baselstrasse 101;

CH-Riehen/Basel;

www.fondationbeyeler.ch;

tgl. 10–18, Mi. 10–20 Uhr;

bis 26. Mai

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ferdinand Klink- hammer das Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft (die höch- ste Auszeichnung der Ärzte- schaft für einen Nicht-Arzt), der Vorstand der Kassenärztlichen

Der Bildhauer Alfred Hofmann ein Freund Zerlachers Lechner, der ihn später einmal renoviert haben dürfte. Zerlacher selbst hatte den Vorhang nicht signiert. Trotz seines Hanges

In Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik identifiziert das Forschungsteam des Fraunhofer IAO am Standort Heilbronn im Rahmen

1 National exhibition building at the Lehrter Bahnhof, Berlin, 1898 2 Ferdinand Hodler, Night (detail), 1889–90.. 3 Catalog for the Great Berlin Art Exhibition in 1898 from

Auf der Flucht vor Esau gelangt Jakob zu seinem Ver- wandten Laban und verliebt sich in dessen 9 Gustav Ferdinand Metz, Studie für den Tod der Rahel, Brandenburg an

Wie lässt sich seine offensichtliche Funktion verunklären, wenn es schon nicht möglich ist, das Gebäude vollends zu beseitigen und damit aus der Erinnerung zu löschen.. Welche

eines Amtsverhältnis einer Hochschule in freier Forschung und Lehre wahrgenommen werden, dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit (Art. 21 Die Wissen- schaftsfreiheit schützt im

dabei »die Pein der Form« nicht scheuen.88 Hier wird »die grösste Strenge der Form« anschaulich, »denn ohne Begrenzung könnte das Grenzenlose nicht erscheinen; wäre